Kapitel 17
Ankunft auf Goderijan
Unterdessen wieder auf dem Mutterschiff, und
zwar im Aufenthaltsraum, wo sich die gesamte Gruppe den
Computerspielen widmete. Und Lyr stand mal wieder nur da und
beobachtete das Treiben seiner Schützlinge:
»He, Lyr, steh doch nicht so da als
wärst du eine Statue. Komm schon her und spiele mit mir,
okay?«, rief Sarah ihm zu.
»Nein danke, es wäre nicht fair
dir gegenüber. Ich würde ja sowieso jedes Spiel
gewinnen.«, gab er eitel zur Antwort.
»Ach Lyr, du bist schon ein Unikat!«, gab
nun Katja lachend ihren Senf dazu.
»Das möchte ich auch meinen. Es
wäre nicht auszudenken, wenn es weitere Androiden wie mich
gäbe.«
»Wieso das denn, Lyr?«, wollte
Katja nun wissen.
»Na, das liegt doch auf der Hand: Dieser
Schrotthaufen könnte mir doch Konkurrenz machen. Er würde mir
womöglich einen großen Teil meiner Arbeit wegnehmen.
Außerdem brauche ich keinerlei Hilfe, ich beherrsche meine
Aufgaben ganz alleine und zwar in Perfektion.« Tja, das war
Lyr in seiner vollendeten Art. Alle in der Runde schmunzelten, als
sie Lyr zuhörten. So war er nun einmal, zwar eitel, aber
dennoch zum Knutschen.
Eine zeitlang verbrachte die Gruppe noch im
Aufenthaltsraum, bis Lyr das Abendessen verkündete. Dann
gingen alle wie immer geschlossen in den Essenssaal.
Am nächsten Morgen so gegen halb sieben
war es dann so weit. Nach einer so langen Reise, einschließlich
des Tages der Sicherheitsüberprüfung, gab der Heilige
Xarmax grünes Licht, dass alle von Bord des so gigantischen
Mutterschiffes gehen durften.
»Guten
Morgen, ihr Schlafmützen, aufstehen, heute ist der Tag X.«
Mit diesem Satz ging Lyr von Quartier zu Quartier, um seine
Schützlinge zu wecken. Lyr wartete dann vor den
Quartieren, um wie immer mit allen geschlossen zum Frühstücken zu
gehen. Als sich dann allesamt auf dem großen Gang trafen,
fiel Lyr auf, dass seine Schützlinge sehr ruhig und angespannt
waren. Er bemerkte, dass sie sich nervös und zappelig
verhielten.
»Aber, aber, meine Lieben, warum so
bedrückt, wir sind endlich zu Hause. Nun gut, wir werden noch
einmal im Essenssaal frühstücken und danach kann es
endlich losgehen. Dann werden wir das Mutterschiff verlassen und
alsbald eure neuen Quartiere besichtigen. Ach, beinahe hätte ich
es vergessen. Um euer Gepäck braucht ihr euch nicht zu kümmern,
das wird von uns erledigt. Ach, und noch etwas, wenn wir nachher
das Mutterschiff verlassen sind wir noch nicht am Ziel. Wir müssen
noch etwa eine Stunde mit dem Land-Raumgleiter fliegen, bis wir das
eigentliche Ziel, die Hauptstadt Bonchach, was soviel wie 'die Stadt
des Friedens' heißt, erreichen werden. Nun würde ich
vorschlagen, dass wir uns nun noch einmal in den Essenssaal begeben
und ordendlich frühstücken.«
Lyr ging wie immer voran und seine Schützlinge wie kleine
Entchen hinter ihm her.
Da saß nun die Runde wie gewohnt ein
jeder auf seinem Platz. Völlige Stille erfüllte den Saal.
Selbst Lyr, der wie immer am Eingang stand und seine Schützlinge
aufs Genaueste zu beobachten pflegte, wunderte sich über diese
bedrückende Stille. Selbst die Dogon gaben keinen Laut von
sich. Man konnte nur die Geräusche, also das Klirren und
Klimpern der Teller und Tassen hören.
»Ist schon sehr unheimlich, wie still es
heute hier doch ist, nicht wahr?«, flüsterte Gregor
leise, fast ängstlich.
»Stimmt, Gregor, da muss ich dir Recht
geben. Und sieh doch mal die Dogon an, keinen Muckser geben sie von
sich. Sie machen nicht gerade einen glücklichen Eindruck, nach
so langer Zeit wieder zu Hause zu sein.«, erwiderte Norman
mit einem schwachen Schulterzucken.
»Ja, Norman, das ist mir auch schon
aufgefallen. Da stimmt doch etwas nicht, oder was meint ihr?«,
fragte Katja.
»Wir sollten lieber Lyr fragen, der weiß
doch meistens über alles Bescheid.«, schlussfolgerte
Mary.
»Ist eine prima Idee, Mary. Ich gehe mal
schnell zu Lyr rüber und frage ihn.«
»Äh, lasst mich doch Lyr fragen!«,
forderte Gregor hoffend, fast vor Neugier platzend.
»Gut, Gregor, dann fragst du eben Lyr
aus.«, entgegnete Mary.
Mit flotten Schritten ging Gregor zu Lyr hinüber, der noch immer vor dem
Eingang stand.
»Na, Lyr, alles in Ordnung?«,
erkundigte sich Gregor natürlich mit Hintergedanken.
Lyr begriff sehr schnell, dass seine
Schützlinge nicht eher Ruhe geben würden, bis sie alles
erfahren hatten.
»Gregor, gehe bitte wieder in deine Runde
und berichte, dass ich gleich kommen werde. Ich werde euch dann
alles Notwendige erklären.«
»Okay, Lyr, bin schon unterwegs.«
»So, hört
mal alle zu, Lyr kommt gleich zu uns rüber und will uns alles
erklären.«, erklärte Gregor völlig in sich
aufgelöst.
»Menschenskind Gregor, sei doch nicht so
aufgeregt, bis jetzt haben wir keinen Grund dazu. Erst wenn wir
etwas Definitives wissen, können wir uns Sorgen machen.«,
hatte Norman nicht einmal so Unrecht. Dann kam Lyr an den Tisch der
Runde und setzte sich zu ihnen.
»Aber, ich sage euch, Lyr war richtig
nervös. Ich sage euch, da stimmt etwas nicht, da liegt etwas im
Busch, glaubt mir, da ist die Kacke so richtig am Dampfen.«,
bauschte Gregor mal wieder alles auf.
»Mensch, Gregor, kannst du dich denn
nicht einmal gebildeter ausdrücken? Möchte wirklich nicht
wissen, auf welche Schule du gegangen bist. Na, aber egal, warten wir
eben, bis Lyr uns alles erklärt.«, gab Katja von sich.
Das Warten wurde für alle unerträglich,
obwohl es sich, ausgenommen Gregor, keiner anmerken ließ. Dann
war es soweit und Lyr der Androide schritt mit gemächlicher
Geschwindigkeit in Richtung seiner Schützlinge. Dort angekommen
setzte er sich zu ihnen und begann, etwas drückend zu
berichten.
So, meine Lieben, wie ich in Erfahrung bringen
konnte, macht ihr euch große Sorgen um die jetzige Situation.
Wie ich immer wieder feststellen musste, kann ich vor euch nichts,
aber auch rein gar nichts, verbergen. Gut, dann werde ich euch jetzt
und hier erklären, was geschehen ist. Eine unserer
Spionagedronen, die könnt ihr in ungefähr mit euren
Satelliten vergleichen, nur effizienter und intelligenter, hat ein
Gespräch der uns feindlich gesinnten Spezies aufgefangen. Es
hat zwar etwas gedauert, bis wir diese seltsame Sprache entziffern
konnten, aber dennoch gelang es unserem Hauptcomputer, das meiste zu
entschlüsseln, und was wir da in Erfahrung bringen konnten,
versetzte unsere Sicherheitsmannschaft in höchste
Alarmbereitschaft.«
»Lyr, und was beinhaltete dieses
Gespräch denn?«, wollte nun Susanne wissen.
Lyr entging nicht, dass all seine
Schützlinge sich nun große Sorgen machten. Irgendwie
spürten sie alle, egal was Lyr nun schreckliches berichten
würde, dass nicht nur sie, sondern auch das Volk der
Dogon (Goderijaner) sich in größter Gefahr befanden.
»Leider muss ich euch berichten, dass
sich die Lage weitaus verschlechtert hat.«
Im Nu wurden ihre Gesichter kreidebleich.
»Sag mal, Lyr, ist denn diese Nachricht
wirklich so schlimm?«, fragte Stephan nach.«
»Gut, ich weiß wie lange, beschwerlich
und mit wie vielen Entbehrungen ihr an Bord des Mutterschiffes leben
musstet. Wir konnten euch nicht alles bieten was euch zustand und
wir wussten auch, wie sehr ihr euch auf unseren Heimatplaneten
gefreut habt. Dennoch müssen wir dieses Vorhaben, unseren
Planeten zu betreten, vorerst verschieben.«
»Das soll wohl bedeuten, dass wir aus
dieser verdammten Konservenbüchse nicht herauskommen werden,
oder?«, unterbrach fast hysterisch wirkend mal wieder Gregor.
»Zumindest
vorerst nicht. Lasst mich doch bitte zu Ende berichten. Vor kurzer
Zeit bekam ich eine Nachricht von unserem Heiligen Xarmax, worin er
zutiefst bedaurte, dass er euch nicht empfangen kann. Die jetzige Lage
wäre für euch zu gefährlich.«
» Lyr, bitte sag uns doch, was die
Spionagedronen aufgefangen haben.«, drängte nun Sarah.
»Sicher Liebes, diese Wortwechsel, die
diese Spezies sich gegenseitig übermittelten verstanden unsere
Computer so: 'Alle Vorbereitungen auf Sinas fast abgeschlossen, sind
bereit für den Angriff und die Eroberung des Planeten
Goderijan.'«
Dann brach plötzlich absolute Stille über
die Runde herein. Die Angst, die in ihnen aufkam, war mit den letzten
Erlebnissen auf dem Mutterschiff nicht zu vergleichen.
»Um Gottes Willen, die haben es auf
Goderijan abgesehen, und nicht auf uns, als wir dort waren, wie wir
eigentlich dachten! Die haben sich auf Sinas in der unterirdischen Stadt
nur eingenistet, um in aller Ruhe den Angriff auf Goderijan zu
koordinieren, ja vorzubereiten.«, schlussfolgerte Norman sehr
aufgeregt.
»Ja, Norman, das ist so sicher wie das
Amen in der Kirche, wie ihr Menschen beliebt zu sagen. Nun, ich hoffe
inständig, dass ihr unseres Heiligen Xarmax Entscheidung zwecks
eurer Sicherheit respektiert?«, erwiderte Lyr.
»Aber gewiss doch, das wird vorerst für
uns alle, das Beste sein.«, bestätigte Norman Lyr.
»Lyr, und wie soll es nun weitergehen,
ich meine, was wird aus eurem Volk, die noch auf Goderijan sind, wenn
der Angriff dieser Bestien kommt?«, eine sehr wichtige und
zugleich berechtigte Frage, die da Katja stellte.«
»Nun, das hat der Heilige Xarmax zu
entscheiden.«
»Und was ist mit dem Hohen Rat, er
könnte doch auch eine Entscheidung fällen, oder etwa
nicht?«, fragte nun Stephan.
»Der Hohe Rat? Der Hohe Rat kann
höchstens um etwas bitten, entscheiden jedoch tut einzig und
allein der Heilige Xarmax.«
Lyr versuchte, so gut es ging seinen Schützlingen
alle Fragen zu beantworten, was nicht immer so ganz leicht schien.
»Was ich wissen will, und bitte, Lyr, sag
uns die Wahrheit: Wird der Heilige Xarmax den Befehl an sein Volk geben,
sich selbst zu verteidigen? Oder lässt
er es ein zweites Mal geschehen, dass wie einst eines seiner
Vorgänger wegen eines eurer Gesetze, nämlich, niemals
Gewalt mit Gegengewalt zu vergelten, dass deshalb
Millionen sterben müssen?«
Diese Frage forderte Katja energisch, was auch
Lyr bemerkte und er wusste nur allzugut, dass Katja in diesem Fall
nicht nachgeben würde.
»Katja, ich
kann dich gut verstehen, es gibt nur allzu vieles in unserer Welt,
das ihr nicht verstehen werdet. Wir Goderijaner leben schon seit
Anbeginn unserer Existenz in Frieden, nicht nur der äußerliche
Friede spielt für uns eine große Rolle, nein auch der
innere Friede in unserem Geiste und unseren Seelen. Wir sind nicht
dazu geschaffen, wie ihr Menschen, in den Krieg zu ziehen, aus
welchen Gründen auch immer. Wir sind seelenverwandt, wenn einer
leidet, dann leiden alle. Und wenn der Heilige Xarmax beschließt,
dass wir uns nicht verteidigen sollen, dann, und dessen bin ich mir
sicher, werden alle dem Beschluss des Heiligen Xarmax
folgeleisten. Und das, ohne Wenn und Aber, wie ihr Menschen
beliebt zu sagen.
»Ja, aber Lyr, das ist doch nicht normal,
sich von irgendeiner Spezies dahinschlachten zu lassen, nur wegen
eines Mannes Wort. Das klingt ja fast nach einer Diktatur, oder
etwa nicht?«, ein sehr harter und wörtlicher Angriff, den
sich da Katja erlaubte. Dennoch, instinktiv spürte Lyr in seinen
Schaltkreisen, dass Katja Recht hatte. Doch es stand Lyr nicht zu,
sich an dieser Art Gespräch zu beteiligen. Also beschloss Lyr
kurzerhand zu diesem Thema keinerlei Stellung mehr zu nehmen. Was
Katja sofort durch sein Schweigen klar wurde.
»Lyr, ich kann dein Schweigen gut
verstehen, dennoch erlaube mir bitte noch eine Frage.« Katja
ließ einfach nicht locker.
»Gut Katja, ich werde versuchen, wenn es
mir möglich ist, sie zu beantworten.«, entgegnete Lyr sehr
gefasst.
»Was wird denn nun aus unserer
eigentlichen Mission? Ich meine, ist denn die Heilung der Krankheit,
an der euer Volk seit Generationen leidet, nicht auch von großer
Bedeutung?«, in der Tat, eine Frage von Katja, die um einiges
ins Gewicht viel und worauf auch Lyr sofort Reaktion zeigte.
»Nun, meine liebe Katja, da stimme ich
dir absolut zu. Dennoch wäre es, wie schon angedeutet, für
alle hier viel zu gefährlich, von Bord zu gehen. Wir sind viel nützlicher
und vor allem sicherer, wenn
wir vorerst hier auf dem Mutterschiff bleiben. Das ist im übrigen auch der Wunsch
des Heiligen Xarmax. Er möchte euch um jeden Preis in
Sicherheit wissen. Ich bekam auch den Befehl, sofort wieder das zu starten,
sobald es mit allem notwendigen Proviant und sonstigen
Dingen, die zum Überleben auf dem Schiff wichtig sind,
den Orbit zu verlassen,zum Gennja-Quadranten zu fliegen
und dort in Wartestellung zu gehen und auf weitere Befehle zu
warten.«
»Ja, aber Lyr, soll das heißen,
dass wir gar nicht von Bord dürfen, um unsere wichtige Aufgabe
zu erfüllen. Du selbst weißt, was wir Menschen in den letzten
Jahren alles mitmachen mussten. Soll das nun alles vergebens
gewesen sein?« Katja war außer sich vor Enttäuschung,
sie wollte es gar nicht glauben, so sehr ging es ihr an die Nieren.
Und vor allem: Wie sollte sie es den anderen erklären.
»Katja, auch wenn ich von künstlicher
Natur bin, kann ich dich gut verstehen. Aber es lässt sich nun
mal nicht vermeiden. Es ist sozusagen beschlossene Sache. Auch mir
sind die Hände gebunden. Versuche es bitte zu akzeptieren.«
»Tja, ich jedenfalls werde es den anderen
nicht erklären, das im Übrigen überlasse ich dir,
das bist du mir schuldig. Denn wie du sicherlich weißt, haben wir
uns dieses Leben nicht ganz freiwillig ausgesucht, nicht wahr,
Lyr?«, ein kluger Schachzug von Katja.
»Keine
Sorge, Katja, ich werde diese prekäre Situation, in der wir uns
gezwungenermaßen befinden, allen verständlich erklären.«,
erwiderte Lyr wie immer ruhig und gelassen. Gesagt, getan, und Lyr
ging, zwar gemächlich wie immer, aber dennoch zu seinen
Schützlingen an den Tisch und begann zu berichten.
Währenddessen hielt sich Katja noch am Eingang auf, sie wollte
und konnte es nicht ertragen, in die enttäuschten Gesichter
aller ihrer Freunde hineinzusehen, wenn sie die schlechte Nachricht
erhielten. Lyr schien nun mit seiner Erklärung am Ende
angekommen zu sein, denn den ersten, den es sehr entmutigte und der
sogleich rebellierte, war natürlich, wie konnte es auch anders
sein, Gregor.
Wie ein wildgewordenes Pferd rannte er zu
Katja hinüber, die noch immer am Eingang des Essenssaales stand.
»Katja, hast du das alles auch
mitbekommen? Wir dürfen nicht von Bord, nicht von dieser
verfluchten Sardinenbüchse, was soll das Ganze überhaupt?«,
brüllte Gregor durch den ganzen Raum.
»So beruhige dich doch, Gregor. Ich
dachte, Lyr hätte euch über die jetzige Situation
aufgeklärt?«, gab Katja Gregor forsch zurück.
»Ja, sicherlich hat er das, aber
dennoch kann ich es nicht begreifen. Wir waren doch so nah daran,
endlich mal wieder frische Luft zu atmen, sich in frisches, sattes
Grün zu legen, zu riechen. Wieder einmal zu spüren,
dass wir Menschen sind. Katja, ich habe all das nur ertragen wegen
dieses Augenblickes. Und dieser Traum, diese Hoffnung, die wir in all
den Jahren der Enthaltsamkeit in unseren Herzen trugen, soll nun wie
ein Luftballon, in den man eine Nadel sticht, so mir nichts, dir
nichts, einfach zerplatzen. Nein, und in Dreiteufelsnamen nein, das
werde ich nicht so einfach hinnehmen.«
Gregor konnte sich einfach nicht beruhigen,
was Katja natürlich verstehen konnte, auch ihr erging es in
ihrem Innersten auch nicht anders, jedoch mit einem Unterschied,
dass Katja sich im Gegensatz zu Gregor beherrschen konnte.
»Ach, Gregor, ich kann dich ja verstehen,
aber es lässt sich nun mal nicht ändern. Versuche es doch
zu akzeptieren. Außerdem ist es ja nicht für ewig, Lyr
hat gesagt, dass es nur vorläufig ist, bis sich die jetzige
Situation entschärft hat. Der Heilige Xarmax, was auch
verständlich ist, will uns und seine Gefolgsleute, die sich hier
auf dem Mutterschiff befinden, in Sicherheit wissen.«
»Was sagst du da? Ja weißt du denn nicht,
wie lange sich ein Krieg hinziehen kann, hast du überhaupt eine
Vorstellung, was passiert, wenn die Dogon (Goderijaner) von diesen
blutrünstigen Monstern vernichtet werden sollten. Du kennst doch von
denen die Einstellung, die werden sich niemals wehren. Sie werden
eher fliehen. Und kannst du mir vielleicht auch mal verraten, wohin?
Auf Sinas können sie nicht mehr, da haben sich schon diese
Bestien eingenistet. Also, wohin werden sie fliehen, ich
jedenfalls kann dir sagen, wohin. Überall hin, aber bestimmt
nicht in Richtung unserer Heimat, unserer geliebten Erde, was
bedeutet, dass wir niemals mehr zurückkehren werden, dass wir
für den Rest unseres Lebens mit diesen Dogon verbringen
müssen.«
»Gregor, bitte, so beruhige dich doch! Du
siehst wie immer alles gleich zu schwarz.«, da hatte Katja
gar nicht einmal so Unrecht.
»Ja, das ist doch kein Wunder bei diesem
Durcheinander hier. Ich will endlich wieder nach Hause.« Bei
diesem und letzten Satz standen Gregor die Tränen in den
Augen, doch es half nichts, Gregor wusste, so sehr er sich auch
aufregte, da mussten alle durch.
»Gregor,
glaubst du denn, wir wollen nicht nach Hause, jeder Einzelne von uns
wünscht sich das von ganzem Herzen. Dennoch, wir haben eine
Aufgabe zu erfüllen und in Gottes Namen werden wir sie
erfüllen, mit dir oder ohne dich.«
Dann kam Lyr zu Katja, die noch immer vor dem Eingangstor stand.
»Na, Lyr,
wie haben sie es aufgefasst, außer Gregor natürlich?«, wollte nun Katja wissen.
»Erstaunlicherweise besser als ich
dachte, Katja. Zwar veränderte sich ihre Gesichtsmimik, dennoch
protestierte keiner von ihnen. Ja, ich muss zugeben, dass ihr Menschen
ein sehr tapferes kleines Völklein seid.
»Komm, Lyr, lass uns beide zu den anderen
gehen.«
Als dann alle beisammen saßen, herrschte
mal wieder eine bedrückende Stille.
Ȁh, Lyr, sag mal, wie weit ist es
denn zu diesem Gennja-Quadranten, ich meine, wie lange werden wir mal
wieder mit dem Mutterschiff unterwegs sein?«, fragte Peter
nach.
»Oh, das ist nicht sehr weit, nach
meinen Berechnungen dürften wir nicht länger als
19 Tage und 6 Stunden bis dorthin brauchen.«, schlussfolgerte
Lyr.
»Was, das soll nicht weit sein, Mann,
wieder einmal in dieser Sardinenbüchse eingesperrt!«,
murrte mal wieder Gregor.
»Und was ist da so besonderes an diesem
Gennja-Quadranten?«, wollte Susanne wissen.
»Das kann ich euch natürlich
erklären. Dort im Gennja-Quadranten gibt es einen Sektor, wo
sich sehr viele tote, also ausgedörrte und in ihren Ressourcen
geplünderte Planeten befinden, an denen niemand mehr Interesse
zeigt, weil es da nichts mehr an verwertbaren Rohstoffen, also
Ressourcen, mehr gibt und es nicht möglich wäre, zu
überleben. Und zudem befinden sich dort sehr viele, wie würdet
ihr es nennen, Trabanten, also Monde. Auf einem dieser Monde werden
wir in der Zeit des Wartens mit dem Mutterschiff landen.«
»Lyr, also, es gab wirklich Leben auf
diesen Planeten?«, fragte Sarah nach.
»Langsam, liebe Sarah, langsam, eins nach
dem anderen. Dass es Leben auf all diesen ausgestorbenen Planeten
gab, ist so gut wie bewiesen, also eindeutig. Seit Jahrhunderten
schicken wir unsere Raumfahrtexpeditionen in sämtliche uns bis
jetzt bekannten Quadranten, aber auch in unbekannte Territorien und
genau da entdeckte eine unserer Expeditionen diesen neuen
Quadranten, den wir Gennja tauften, was soviel wie die Todeszone
bedeutet. Sie untersuchten und erforschten sämtliche für
sie erreichbaren Planeten und stellten eindeutig fest, dass dieser
oder jener Planet vor langer Zeit von verschiedenen Spezies
besiedelt worden war. Und zu der anderen Frage, die du noch wissen
wolltest, kann ich dir nur eines sagen: Seht doch euren
Planeten an, was glaubst du, wie lange noch eure Ressourcen an
Rohstoffen und all dem, wovon sich eure Völker abhängig
gemacht haben, ausreichen werden?« Da hat Lyr den Nagel auf
den Kopf getroffen.
»Du meinst, dass all die anderen Spezies
genauso mit ihren Planten umgingen, ihn ausbeuteten, so wie wir
Menschen es seit Jahrhunderten tun?«
»Tja, Katja,
es ist tatsächlich nicht zu übersehen, was ihr mit eurem
Planeten tut, nur um es ein bisschen leichter im Alltag zu haben,
dann kommt noch die Machtgier eurer Obrigkeiten, usw. Aber da werden
wir uns nicht einmischen, jede Spezies hat das Recht, so zu leben,
wie sie es für richtig erachtet.«
»Ja, Lyr, du hast Recht. Dennoch hoffe ich
inständig, dass wir Menschen es nicht so weit kommen lassen.«,
fügte Sarah, etwas nachdenklich geworden, mit flüsternder
Stimme hinzu.
Die Runde unterhielt sich noch eine ganze Weile an ihrem Tisch, bis
Norman etwas auffiel.
»He, seht doch mal Lyr an, er rollt
schon wieder mit seinen Augen.«
»Auweia, das bedeutet mal wieder nichts
Gutes, bin gespannt, was für einen Befehl er nun schon wieder
bekommt.«, jammerte Gregor mal wieder.
»Warten wir es doch ab, oder?«,
konstatierte Norman.
Gespannt starrten allesamt auf Lyr, um
sogleich die eine oder andere Neuigkeit zu erfahren. Allmählich
beruhigte dieser sich wieder.
»Hört alle her, der Heilige Xarmax
gab gerade dem Hohen Rat die Order, unverzüglich das
Mutterschiff zu starten und ohne Verzögerung zum Gennja-Quadranten
aufzubrechen. Sämtlicher Proviant und was sonst noch
dringend gebraucht wird, ist auch bereits an Bord gebracht worden.
Weitere Befehle bekommen wir bei Ankunft im Quadranten Gennja, also
in der Todes-Zone. Und euch, meine Lieben, soll ich vom Heiligen
Xarmax sein größtes Bedauern aussprechen, dass er euch
nicht empfangen konnte.« Als Lyr diese Botschaft an seine
Schützlinge weitergab, starrten sie ihn an, als sahen sie ihn
zum ersten Mal. Dann hörten sie die Geräusche der Antriebe
des Mutterschiffes, das in die Tiefen des Weltalls verschwand.
»Was ist mit euch, habe ich mich etwa
falsch ausgedrückt?«, fragte Lyr etwas irritiert nach.
»Nein, Lyr, wir haben dich schon
verstanden.«, erwiderte, Norman.
Wieder herrschte ein tiefes Schweigen in der Runde.
»Ja, was habt ihr denn dann?«,
drängte nun Lyr auf eine Antwort.
»So, das, fragst du noch, ich möchte
nur eine Antwort von dir. Nein wir möchten nur eine Antwort von
dir hören!«, konfrontierte nun Katja Lyr vorwurfsvoll.
»Nun gut, und die wäre?«,
fragte Lyr sichtlich irritiert.
»Was ist in diesem Augenblick auf
Goderijan los, und warum mussten wir so schnell aufbrechen. Haben
diese Bestien euren Planeten angegriffen? Und vor allem, was uns am
meisten interessiert ist, und wie du sicherlich weißt haben wir das
Thema schon einmal diskutiert: Hat denn nun der Heilige Xarmax seine
Entscheidung über die Selbstverteidigung geändert, oder
lässt er es zu, dass Millionen von seinem Volk sterben müssen,
nur weil er an der Tradition festhält, Gewalt nicht mit
Gegengewalt zu vergelten?«
Wieder herrschte absolute Stille in der Runde
und Lyrs Schützlinge warteten auf seine Antwort. Sie bemerkten
haargenau, dass Lyr etwas verbarg.
»Nun gut, in diesen Minuten versucht
unser Heiliger Xarmax, Verhandlungen mit dieser Spezies aufzunehmen,
um eine friedliche Lösung zu erbitten.« Lyr gefiel
diese Entscheidung von Xarmax auch nicht, was er aber niemals
aussprechen würde, oder gar durfte.
»Was, ja
ist euer Heiliger Xarmax denn von Sinnen, hat er denn aus dem ersten
Mal nichts gelernt? Als genau diese Spezies Millionen von
Dogon (Goderijanern) förmlich dahinmetzelte. Wie kommt denn
euer Heiliger Xarmax darauf, dass diese Bestien sich auf
Verhandlungen einlassen werden, wo sie sowieso jederzeit euren
Planeten, und zwar kostenlos, einnehmen können? Was für
einen Trumpf im Ärmel könnte Xarmax schon haben?«,
schrie plötzlich Norman den Androiden Lyr an.
»Katja, Norman, ich kann ja eure
Erregung gut verstehen, aber mir sind, wie man so schön sagt,
die Hände gebunden. Irgendetwas wird unserem Heiligen Xarmax,
und zwar zu aller Zufriedenheit, einfallen, wie ihr Menschen beliebt
zu sagen.« Lyr war offen gesagt das erste Mal ratlos. Er
wusste, dass Norman am Ende Recht behielt. Doch er durfte als
Androide, als künstliche Intelligenz nur wenige eigene
Entscheidungen treffen. Er hatte seiner Programmierung zu folgen
und wenn er entscheiden durfte, dann nur im Rahmen der Sicherheit
für seine Schützlinge oder in außendienstlichen
Tätigkeiten. So in etwa, als er alleine mit seinen Schützlingen
und den zwei Dogon auf Sinas einen kleinen Urlaub verbringen
wollte.
»Lyr, und wie soll es nun weitergehen,
ich meine, wir können doch nicht tatenlos zusehen, in Richtung
Gennja-Quadranten fliegen und dort auf einem trockenen und
ausgedörrten Mond, gut Ding walten lassen, während
eurer Volk dem Untergang geweiht ist.
Glaubst du allen Ernstes, dass ich und der
Rest der Gruppe jemals damit fertig werden?«
»Katja, ich kann und darf mich in diesem
Falle nicht im geringstem einmischen, so leid es mir auch tut. Das
einzige, was mir im Bereich des Möglichen liegt, wäre,
stets mit der Basis auf Goderijan in Kontakt zu bleiben.
Mehr kann ich im Augenblick nicht für euch tun. Es bleibt uns
nichts anderes übrig, als hier auf dem Mutterschiff so lange
auszuharren, bis der Heilige Xarmax Entwarnung oder eine weitere
Order gibt. Mehr können wir in der nächsten Zeit sowieso
nicht tun.«
Die Reise zum Gennja-Quadranten verlief bis
jetzt genau nach Plan. Doch es herrschte eine bedrückende
Stille auf dem Mutterschiff. Kaum einer, ob Mensch oder
Dogon (Goderijaner) brachte ein Lächeln über seine Lippen.
Außer sich ab und an mal zu grüßen wurde nur wenig
an Bord gesprochen. Zu tief saß die Angst in allen Gliedern,
Angst, es könnte eine Nachricht kommen, dass Goderijan und seine
Bewohner vollständig vernichtet wurden. Die Tage vergingen nur
langsam und viele an Bord vertrieben sich mit langweiligen Spielen
die Zeit und einige zankten sich. Es war ja auch verständlich.
Dieses ewige an den Nerven zerrende Warten, diese Ungewissheit
zehrte allen sehr die Nerven. Dann kam Lyr in den Computerraum,
wo sich all seine Schützlinge schon seit Stunden aufhielten, um
zu versuchen, wie soll es auch anders sein, sich etwas
abzulenken.
»Guten Tag, wünsche ich euch.«,
gab Lyr zu seinem Besten, in der Hoffnung, die Stimmung etwas zu
entspannen.
»Das wird sich noch herausstellen, ob
dieser Tag gut wird.«, gab Mary zur Antwort.
»Ah... Seht mal her, wer da ist, unser
Freund der Androide beehrt uns auch mal wieder.«, gab Gregor
zynisch von sich.
»Also, ich
weiß, was ihr zur Zeit mitmachen müsst, das heißt aber
nicht, dass ihr das Recht besitzt, diesen Kummer an mir auszulassen.
Das finde ich gar nicht fair.«, wehrte sich Lyr vehement.
Nach diesem wörtlichen Einwand seitens Lyr folgte ein kurzes
Schweigen.
»Entschuldige, Lyr, du hast ja Recht.
Wir wissen, dass du nichts dafür kannst. Aber dieses ewige
Warten, diese Ungewissheit, macht uns alle noch mal verrückt.«
»Entschuldigung herzlich angenommen.«,
gab Lyr zu Antwort.
»Und, Lyr, gibt es etwas Neues zu
berichten?«, wollte nun Norman wissen.
»Durchaus, ich habe vor nicht einmal
zehn Minuten eine Nachricht vom Heiligen Xarmax erhalten.«
Gespannt starrten nun all seine Schützlinge auf Lyr.
»Nun mach es doch nicht so spannend, Lyr,
unterbrach nun Stephan.
»Ja genau, spann uns nicht länger
auf die Folter, Lyr«, forderte auch Sarah.
»Das, meine Lieben, würde ich ja
gerne, dazu müsstet ihr aber meine Wenigkeit ausreden lassen.
Nun gut. Unser Heiliger Xarmax gab dem hohen Rat den Befehl,
sofort die Reise zu dem Quadranten Gennja abzubrechen und sofort
und umgehend nach Goderijan zurückzukehren.«
Diese Nachricht ließ allen einen Schauer über den Rücken
laufen. Sprachlosigkeit herrschte in diesem Augenblick.
»Was ist denn passiert, ich hoffe doch,
es ist alles in Ordnung auf Goderijan. Und wieso dieser plötzliche
Sinneswandel vom Heiligen Xarmax?«, kam fast gleichzeitig von
einigen seiner Schützlinge.
»Ich werde versuchen, es euch zu
erklären. Wie ihr bestimmt noch wisst, wollte der Heilige
Xarmax Friedensverhandlungen mit dieser gewalttätigen Spezies
führen. Im Übrigen wissen wir mittlerweile, um was für
eine wandernde Spezies es sich hierbei handelt. Es handelt sich, wie
schon vermutet, um die Nohkui, was in eurer Sprache soviel wie 'die Eroberer'
heißt.«
»Na, da haben diese Bestien wenigstens den
richtigen Namen für sich gefunden.«, unterbrach Gregor
mal wieder.
»Gut, dann lasst mich weiter berichten.
Also, als der Heilige Xarmax an den
Verhandlungen zum beiderseitigen Frieden scheiterte und die Nohkui
bereits zum Angriff übergingen, wendete sich plötzlich
das Blatt zugunsten für uns Goderijaner. Was der Heilige
Xarmax nicht wusste, und vor allem, womit diese Nohkui nicht
rechneten, war die Tatsache, dass die Nohkui schon seit vielen Jahren
von einer Spezies, die sich im Übrigen Apaloss nennen, durch
das ganze Universum verfolgt, ja regelrecht gejagt wurden. Und
gerade als sie in den Orbit des Planeten Goderijan eintauchen
wollten, drehten sie urplötzlich mit ihren Kampfgleitern wieder
ab und verschwanden in der Dunkelheit des Alls. Man konnte nur noch
in weiter Ferne die Explosionslichter erhellen sehen. Dann bekam der
Heilige Xarmax von den Rettern in höchster Not, den Apaloss,
eine Meldung:
"Volk der Goderijaner, wir bedauern diesen Vorfall
zutiefst und bitten um Vergebung. Schon einmal mussten viele
Millionen von eurem Volk sterben.
Vor etlichen hundert Jahren bemerkten wir nicht, dass wir durch eine unserer Expeditionen von dieser
bösartigen Spezies verfolgt wurden und somit, als wir in euren
Quadranten eintauchten, euer Schicksal besiegelt war. Wir, das Volk
der Apaloss werden diesen Fehler niemals wieder gutmachen können.
Doch seid euch gewiss, wenn ihr von dieser feindlich gesinnten
Spezies bedroht oder gar angegriffen werdet, werden wir euch jederzeit
wieder zur Seite stehen, egal wo und egal wann. Die Hauptmacht
dieser Nohkui ist bereits vernichtet worden. Den Rest, der noch
fliehen konnte, werden wir so lange verfolgen, bis auch wirklich der
letzte dieser Spezies der Nohkui vernichtet ist. Wir
stehen schwer in eurer Schuld. In diesem Sinne wünsche ich,
Goduru, der Führer dieser Kampfflotte, dem Volke der
Goderijaner ewigen Frieden.
Plötzlich erdröhnte der gesamte
Computerraum. Lyrs Schützlinge tanzten wie kleine Kinder um ihn
herum. Sie jubelten und hüpften wie kleine Häschen auf den
Tischen zwischen den Computern herum, mal lachten sie, mal weinten
sie, so sehr waren sie außer sich vor Freude. Und Lyr stand
starr und unbeweglich, dennoch ziemlich verwundert, im
Türrahmen und beobachtete dieses Treiben seiner Schützlinge
aufs Genaueste.
»Seht ihr, meine Lieben, alles hat sich
zum Guten gewendet. Man darf nicht immer gleich resignieren.«
»Lyr, du musst sofort auf die
Kommandostation und ihnen sagen, dass sie sofort umkehren sollen, um
Kurs auf Goderijan zu nehmen.«, forderte nun Sarah sehr
aufgeregt.
»Aber nicht doch, beruhige dich, Sarah,
wir befinden uns längst auf dem Rückweg. In sieben Tagen
und drei Stunden werden wir den Orbit von Goderijan erreichen.«
Und wieder kamen unendliche Stunden auf die
menschliche Gruppe zu. Die Tage vergingen abermals für sie viel
zu langsam. Doch dann war es endlich soweit. Das Mutterschiff
erreichte den Orbit des Planeten Goderijan und ging in
Wartestellung.
»Alle versammelten sich daraufhin in der
großen Vorhalle, wo sich riesige Fenster in Reih und Glied
anordneten. Die ganze Gruppe wollte sich den Heimatplaneten der Dogon
etwas genauer ansehen. Und da war er, in seiner ganzen Pracht und
Herrlichkeit. Dieser Planet erleuchtete nicht wie die Erde in einem
Azurblau, nein, seine Farben in der Atmosphäre schimmerten und
gingen mehr ins Grünliche über. Man bekam bei diesem
Anblick das Gefühl, als bestünde dieser Planet nur aus
Wäldern und Wiesen.
Lyr stand hinter ihnen, während seine Schützlinge
die Pracht und Schönheit dieses Planeten mit großen Augen
bewunderten.
»Lyr, sag mal, wieso schimmert euer
Planet denn so grünlich?«, wollte nun Sarah wissen.
»Tja, das liegt daran, dass über
70% der Oberfläche des Planeten, nicht wie auf eurer Erde aus
Wasser besteht, sondern bei uns aus Natur, ich meine Wälder,
Wiesen und riesige saftig grüne Täler und so weiter und
so fort. Aber nicht nur das ist alleine der Hauptgrund dafür.
Wir haben in unserer Atmosphäre einen ganz anderen
Lichtbrechwinkel, als die der euren. Dies erkläre ich euch ein
anderes Mal, wenn es euch interessiert. Dazu bräuchte es mehr
Zeit.«
»Lyr, wann landen wir endlich mit dem
Mutterschiff auf Goderijan?«, fragte Susanne.
»Nun, heute leider nicht mehr. Eigentlich
landen wir ja nicht mit unseren Großraumschiffen auf
Goderijan oder anderen Planeten, sondern mit den Shuttles, aber es
müssen ein paar Reparaturen an der Surenech vorgenommen werden,
die nur auf Goderijan zu machen sind.«, gab Lyr zur Antwort.
»So, na ich hoffe, die werden nicht so
schnell fertig damit?«, wünschte
sich Susanne.
»Warum steigen wir dann nicht einfach
in ein Shuttle und dampfen damit ab?«, schlug Stephan
vor.
»Nun, Stephan, erstens, weil wir ohne die
Sicherheitsüberprüfung den Orbit nicht verlassen dürfen
und zweitens, jeder wird mir da zustimmen, dass es nach so vielen Jahren
auf diesen einen Tag nun auch nicht mehr ankommen wird, oder was
sagt ihr dazu?«,äußerte sich nun Katja bestimmend.
Natürlich gab der Rest der Gruppe Katja
Recht. Es war verständlich, dass allen die Nerven blank lagen.
Nach so vielen abenteuerlichen Ereignissen sehnten sich alle nach
einem Fleckchen Erde, nach den süßen Gerüchen von
Blumen, von frischen Gräsern und Bäumen. Nach einer
Freiheit, wofür eigentlich der Mensch geboren wurde. Sich den
Wind durchs Haar wehen und dabei seinen Träumen freien Lauf zu
lassen.
*
Zur Gleichen Zeit auf Goderijan. Das Anwesen des Heiligen Xarmax.:
Ein riesiges Tor öffnete sich zu einem
großen und prunkvollen, ganz mit marmorähnlichen Steinen
verkleideten Saal. Links und rechts ragten kristallen leuchtende Säulen
vom Fußboden bis hin zur Decke, die mit wunderbar
anzusehenden Verziehrungen, die irgendwie barockähnlich
wirkten. Ganz am Ende des Saales, der sich ungefähr zweihundert
Meter bis hin zum Ende entlang zog, konnte man eine Art Podest
erkennen, auf dem eindeutig ein Thron verweilte. Und auf diesem Thron,
der in samtweichen grünlichen Stoff eingehüllt war, saß
ein Herrscher, den alle achteten und wie einen Vater liebten. Es war
der Heilige Xarmax in eigener Person. Dieser Herrscher trug
schlichte Kleidung, der einzige Unterschied an seiner
Kleidung gegenüber seinen Untergebenen zeichnete sich durch
die Farbe ab. Nämlich, nur er, der Heilige Xarmax, durfte die
Kleidung mit der Farbe dunkelblau tragen. Dann, und das ganz langsam,
öffnete sich das riesige Tor. Und jemand betrat den prunkvoll
ausgestatteten Saal. Vom Thron des Xarmax aus wirkte diese Person
unscheinbar, nichtssagend, einfach in Worten ausgedrückt, sehr
winzig. Dann trat diese unscheinbare Person vor seine Heiligkeit.
»Du hast mich rufen lassen, Heiliger Xarmax?«
»Gewiss, Schah Dafole Te. Du bist für
den reibungslosen Ablauf der Ankunft unserer menschlichen
Gäste verantwortlich?«
»Ja, das bin ich, Heiliger Xarmax.«
»Dann sage mir sogleich, ob die
Sicherheitsüberprüfung reibungslos von Statten geht.«, forderte seine Heiligkeit.
»Es ist alles in bester Ordnung. Euren
Gästen, den Menschen, geht es ausgezeichnet, nur die Geduld
müssten sie noch lernen. Sie brennen förmlich darauf, euch,
den Herrscher dieses Planeten kennen zu lernen.«, gab Schah
Dafole Te zu verstehen.
»Das freut
mich aufs angenehmste, ich gebe offen zu, dass auch ich mich zur
jetzigen Zeit sehr in Ungeduld befinde. Nun, morgen, wenn das
Mutterschiff gelandet ist, bringe sofort die Menschen zu mir,
ich wünsche, der erste Goderijaner auf diesem Planeten zu sein,
der sie willkommen heißt. Und, Schah Dafole Te, vergiss bitte
nicht, diesen Androiden Lyr, so wie ihn die Menschen getauft haben,
für seine ausgezeichnete Arbeit auszuzeichnen. Als Belohnung
bekommt er den Trigoniton Chip. Damit ist er von diesem Zeitpunkt
fähig, so zu fühlen und zu denken wie jede Spezies, die er
sich auserwählt. Außerdem wird er zum Kommandanten des
Mutterschiffes befördert. Wie stehen die Vorbereitungen für
die morgendliche Festlichkeit zu Ehren unserer menschlichen Gäste.
»Euer Heiligkeit brauchen sich
diesbezüglich keinerlei Sorgen zu machen. Bis morgen früh
ist alles vorbereitet und fertig.« Dann verbeugte sich Schah
Dafole Te vor dem Heiligen Xarmax und ging wieder seines Weges
durch das große Tor.
*
Etwas später wieder auf dem Mutterschiff,
das sich noch immer im Orbit des Planeten Goderijan befand:
»So, meine Lieben, in einer halben Stunde
ist Abendbrot. Wer sich in seinem Quartier noch etwas frisch machen
will, sollte dies jetzt tun. Ich warte solange vor euren
Quartieren, damit wir wie immer geschlossen in den Essenssaal gehen
können. Seid ihr einverstanden?«, drängte nun Lyr.
»Mein Bester, ich glaube, selbst wenn
wir nein sagen würden, so hätte dies auch keinen Sinn,
oder?«, lästerte nun Katja ein kleines bisschen,
natürlich nur als Späßchen gedacht.
»Stimmt, Katja, der Blechhaufen hängt
an uns wie eine Klette.«, gab Gregor zu seinem Besten. Worüber
aber diesmal keiner Lachen konnte. Was aber Gregor gleich bemerkte,
dass er mal wieder über die Stränge schlug. Auch Lyr fand
das gar nicht komisch und rollte sehr verdächtig mit seinen
blau leuchtenden Augen.
»Entschuldige, Lyr, ist mir einfach so
herausgerutscht. Soll nicht wieder vorkommen.«
Eine für alle ungewohnte Situation,
Gregor sich einmal selbst entschuldigen zu hören.
»Deine Entschuldigung ist herzlich.
Angenommen, Gregor.«, konterte Lyr mit einem frechen Grinsen
in seiner künstlichen Mimik.
Dann machten sich alle auf den Weg zu ihren Quartieren. Und Lyr
positionierte sich, wie schon angedeutet, vor ihren Zimmern.
Exakt eine halbe Stunde später kamen
alle frisch und gut gelaunt aus ihren Quartieren, bis auf einen,
wie sollte es auch anders sein, Gregor verspätete sich mal
wieder. Nach kurzer Zeit stieß er aber auch zu den anderen.
Gemeinsam gingen sie für eine ungewisse Zeit das letzte Mal
auf dem Mutterschiff zum Abendbrot.
Alle saßen nun mit einem Mords-Hunger
auf ihren Plätzen, jeder in seinen eigenen Gedanken versunken.
Nach dem Abendessen ging jeder wieder auf sein Quartier. Viel zu
aufgeregt war die Gruppe, um noch etwas gemeinsam zu unternehmen,
darüber waren sich alle einig. Die Nacht verging für alle
wie im Fluge. Norman war der erste, der wach wurde. Dennoch stand er
nicht auf, da lag er nun flach wie ein Brett auf dem Rücken
und hatte alle Viere von sich gestreckt. Norman starrte an die
Decke.
Für die anderen wird es wie ein
verlängerter Urlaub auf Goderijan sein. Doch für mich und
Katja fangen die Probleme erst an. Ja, ich und Katja sollen die
Fähigkeit besitzen, ein, ja dieses ganze Volk von einer
Krankheit der Traurigkeit zu heilen. Ich verstehe das immer noch
nicht. Doch ich werde alles tun, was dieses arme Volk von mir
verlangt, wenn ich und Katja dadurch vielen das Leben retten
können, dachte sich Norman.
In Katjas Quartier:
Auch Katja war inzwischen wach geworden und starrte
genau wie Norman an die Decke. Sie machte sich offensichtlich
ebenfalls große Sorgen, wie Norman.
Hoffentlich geht alles gut, und hoffentlich
können ich und Norman diese schreckliche Krankheit, die diese
Dogon (Goderijaner) die unendliche Traurigkeit nennen, heilen.
Diese verdammte Krankheit haben sie schon seit Generationen, man
soll es nicht glauben, unglaublich! Ich glaube auch, dass diese für
die Dogon äußerst gefährliche Krankheit vererblich
sein muss, dennoch, das wird ihnen sicher bekannt sein. Ich bete zu
Gott, dass Norman und ich diese Krankheit besiegen können. Die
Dogon jedenfalls sind fest davon überzeugt. Mann, Norman und
ich, wie sollen wir beide das nur bewerkstelligen. Ich kann mir beim
besten Willen nicht vorstellen, wie das gehen soll. Na ja, bestimmt
wissen die, was wir beide tun sollen, sonst hätten die doch
nicht so einen Aufwand betrieben, dachte sich Katja während sie
noch immer an die Decke starrte. Dann ging wie immer, und das
auf die Sekunde genau, die Tür auf und Lyr stand im Türrahmen.
»Morgenstund hat Gold im Mund, wie ihr
Menschen doch zu sagen pflegt. Raus aus den Federn, Katja, bei Norman
war ich bereits, er war schon wach.«
»Oh Gott, Lyr, musst du denn immer so
einen Trubel veranstalten, du hast mich ganz schön erschrocken,
weißt du das?«, fauchte Katja Lyr den Androiden wie eine
Raubkatze an.
»Oh... Verzeih, Katja, das war natürlich
nicht meine Absicht.«, erwiderte Lyr mit einem Bedauern.
»Okay, Lyr, ist ja schon gut.«,
beruhigte sie ihn.
Im Nu war Lyr wieder verschwunden, wie er gekommen war,
und klapperte sämtliche Quartiere ab. Bei Norman
fing er jeden Morgen an, weil Normans Quartier ganz am Anfang des
riesigen Ganges lag. Schon nach kurzer Zeit, und Lyr wartete
schon, trotteten all seine Schützlinge mit einem Müßiggang,
der seinesgleichen suchte, ja fast wie in Zeitlupe, schritten sie
auf dem Gang dahin.
»Oh wie erbärmlich ihr Menschen
doch nach dem Schlaf des Gerechten ausseht. Mehr Bewegung, mehr
Elan, hopp, hopp, hopp.«, klatschte Lyr fest in seine Hände, um
seine Schützlinge etwas munterer zu machen.
»Ist ja
schon gut, Lyr, wir kommen ja schon. Du kannst jetzt das Klatschen
aufhören, okay?«, forderte Mary etwas wütend
geworden Lyr auf.
»Nun gut, aber mit Freude ans Werk, ich
meinte zum vorerst letzten Frühstück auf dem
Mutterschiff.«
Ja, Lyr war fast besessen, wenn es darum ging,
seinen Schützlingen etwaige Neuigkeiten verkünden zu
dürfen. Da war er in seinem Element und sah sich dann
offensichtlich in seiner Art besser bestätigt. Diese Freuden
gönnten ihm die meisten von ihnen. Wenn er es unbedingt brauchte,
warum denn nicht? Beim Frühstücken wurden dann alle
putzmunter. Sie lachten und freuten sich des Lebens. Und vor allem
freute,sich die Gruppe, ausgenommen Norman und Katja, die sich aber
nichts anmerken ließen, auf die Landung mit dem Mutterschiff
auf Goderijan. Wahrlich ein großer Tag für die Menschen.
Und wenn Lyrs Schützlinge zufrieden waren, dann war es Lyr
auch. Das zeigte ihm, dass er nichts falsch gemacht hatte. Lyr sah
ihnen gerne beim Dinieren zu.
Ob es ihnen überhaupt bewusst ist, dass
sie die ersten Menschen sind, die einen Fuß auf einen
bewohnten Planeten außerhalb der Erde setzen werden?
Dachte sich noch Lyr insgeheim.
Kaum hatten seine Schützlinge das
ausgiebige Frühstück beendet, kam auch schon Lyr an ihren
Tisch.
»So, meine Lieben, wir werden in der
nächsten halben Stunde auf Goderijan Landen.
Ihr versprecht mir, keinen Unsinn zu treiben,
ja? Wenn die Hauptluke sich nach außen hin vollständig
geöffnet hat, bleiben wir zusammen und ihr werdet mir folgen,
okay, habt ihr das auch wirklich verstanden? Also, wer es
nicht verstanden hat, soll jetzt und hier eine seiner Hände
heben.«, doch keiner hob seine Hand.
»Gut, sehr gut! Ach, ihr macht mich
richtig stolz auf euch. Ich weiß, wie stolz ihr Menschen sein könnt.
Macht bitte heute mal eine Ausnahme und verbeugt euch, wenn ihr vor
dem Heiligen Xarmax steht. Verleiht ihm diese Ehre, ich bitte euch
darum. Dafür bedanke ich mich schon mal im Voraus.«
Die Gruppe hatte das Frühstück gerade beendet, da kam Lyr schon
an den Tisch. Man sah ihm die Aufregung an, ständig lief er um
den runden mosaikverzierten Tisch herum.
»So, meine Lieben, noch fünfzehn Minuten, dann
ist es soweit, dann müssen wir in der untersten Etage vor der
Hauptluke sein. Also, seid ihr soweit, dann können wir nun
geschlossen losgehen.«
»Lyr, beruhige dich doch, du bist ja noch
nervöser als wir es bereits sind. Du brauchst dir wirklich
keinerlei Sorgen zu machen, wir werden sehr artig sein, genau das
tun was du uns sagst und uns auch vor dem Heiligen Xarmax
verneigen. Na, was sagst du nun, zufrieden?«, besiegelte Katja
das Versprechen der gesamten Gruppe.
»Gut ich vertraue auf euer Wort, meine
Lieben.«, sagte Lyr in sanftem Ton.
Lyr ging dann voraus und seine acht
Schützlinge folgten ihm. Sie fuhren mit dem Lift bis in die
unterste Etage, wo sich der Hauptausgang befand. Gespannt und voller
Aufregung standen sie gebannt, ja fast wie gelähmt da und
warteten, dass sich das riesig anzuschauende Portal zu öffnen
begann. Dann endlich war es so weit. Langsam aber stetig und mit
einem nicht ganz so lauten Summen schob sich dieses gigantische, ja
schätzungsweise fünfzehn Meter hohe Tor von oben
nach unten in eine sich dort befindlichen Spalte am Boden hinein, so
dass es letztendlich nicht mehr zu sein würde. Noch immer
versank das riesige Tor in dem Bodenspalt. Im Nu wurde der gesamte
Raum, der im Übrigen auch als Frachtraum genutzt wurde, hell
durchflutet, so dass die Gruppe erstmals von außen gar nichts
erkennen konnte. Ihre Augen waren an das Licht dieser Sonne gar
nicht gewöhnt, wodurch sie verständlicherweise vom
gleißendem Licht erst mal geblendet wurden.
»Macht euch keine Sorgen, ihr werdet
euch in ein paar Minuten daran gewöhnt haben.«
Da hatte Lyr nicht einmal so Unrecht. Seine
Schützlinge waren seit Jahren nur dieses künstliche Licht
vom Mutterschiff gewohnt. Jetzt war es soweit, das enorm riesige Tor
war im Boden versunken, und dem Hinausschreiten stand nichts mehr
im Wege.
»So, meine Lieben, folgt mir und bleibt
unter allen Umständen zusammen.«, erinnerte Lyr nochmals.
Langsam aber dennoch stetig ging einer nach dem anderen diesen
kreisförmigen, ja, einer Wendeltreppe ähnlichen Weg, nur ohne
Stufen, hinunter. Während sie diese Wendeltreppe ohne
Stufen hinab liefen, sah sich ein jeder nach links und lechts in
seiner neuen Umgebung um, um zumindest einen Blick dieses Planeten
und der Gegend zu erhaschen. Doch weit gefehlt, von einer
grünsaftigen Umgebung, besetzt mit Wäldern und herrlich
anzusehenden Tälern war nichts zu erspähen. Das einzige,
was sie sahen, waren eigenartig konstruierte Gebäude, die sich
wie Schneckenhäuser in schwindelerregende Höhen den
Himmel emporschraubten. Als Lyr und seine Schützlinge ganz
unten ankamen, also am Ende der wendelartigen Treppe ohne Stufen,
berührte Lyr als erstes den Boden des Planeten Goderijan.
Hinter Lyr wäre Katja soweit gewesen, diese Wendeltreppe zu
verlassen, doch plötzlich blieb sie stehen. Lyr guckte nicht
schlecht.
»Was ist denn, Katja, warum gehst du denn
nicht weiter?«, fragte er erstaunt.
»Ach Lyr, gib mir noch ein paar Minuten,
ich möchte kurz mit den anderen reden.«, bat Katja Lyr
um diesen Aufschub.
»Ja, aber warum denn, was veranlasst dich
denn dazu?«, wollte nun Lyr genauer wissen.
»Lyr für dich mag es ja normal
sein, diesen Planeten zu betreten, aber für uns ist es ein
besonderer Moment. Mit dem Betreten dieses Planeten erfüllt
sich nicht nur ein Traum für uns, nein im Gegenteil, es erfüllt
sich ein Traum für die gesamte Menschheit. Seit jeher träumen,
forschen, und sterben Menschen auf der Erde, um das zu erreichen,
erleben zu dürfen. Nämlich, dass in ferner Zukunft der
Mensch, der Homo sapiens sapiens, seinen Fuß auf einen anderen
bewohnten Planeten in Frieden setzen darf. Dies ist für
uns ein denkwürdiger Augenblick, den wir, und sei es nur für
die Menschen auf der Erde, im Geiste leben möchten.«,
erklärte sie Lyr in einem Tonfall, bei dem die meisten eine
Gänsehaut bekamen. Lyr hüllte sich in Schweigen, denn er
verstand, was Katja damit meinte. Und er begriff, dass es für
seine Schützlinge einen sehr wichtigen Augenblick darstellte.
So beschloss er, einfach zu warten, bis sie ihr Ritual, sofern es, so
dachte er, ein Ritual darstellen sollte, beendet hatten. Katja drehte
sich zu ihren Kameraden um, um festzulegen, wer als erster Mensch
seinen Fuß auf diesen bewohnten Planeten setzen sollte oder
durfte.
»Also, Leute, wer von uns soll als erster Mensch diesen bewohnten Planeten
betreten. Vergesst nicht, vergleicht man die Mondlandung 1969 und
das Betreten des Mondes von Neil Armstrong mit unserem jetzigen Vorhaben,
einen bewohnten Planeten zu betreten, kann man durchaus die
Mondlandung und das Betreten des Mondes als Kinderspiel, als einen
Picknickausflug, belächeln. Also, wollen wir abstimmen oder
was?«, forderte Katja alle auf.
Für einen kurzen Augenblick verharrten
alle in einer bedrückenden Stille, dann starrte der Rest der
Gruppe, allesamt gleichzeitig auf einen ganz bestimmten aus ihrer
Gruppe. Selbst Katja folgte, als sie bemerkte, wen die Gruppe
meinte, ihren Blicken zu einem, der nun feuerrot in
seinem Gesicht anlief. Sie wählten ausnahmslos Norman Wiesener.
»Warum denn ausgerechnet ich, jeder von
euch wäre genau so gut dafür geeignet. Oder etwa nicht?«
Norman bekam keine Antwort, stattdessen starrten sie ihn weiterhin
an.
»Okay, Okay, ich mach es ja, nur tut mir
einen Gefallen und hört auf, mich die ganze Zeit so merkwürdig
anzustarren.«
Norman genierte sich zwar, aber trotz alledem
war er stolz. Stolz nicht auf sich, sondern auf das Vertrauen
innerhalb der Gruppe ihm gegenüber. Sofort wich ein jeder etwas
nach rechts, um Norman das Vorbeigehen zu ermöglichen. Dann
blieb Norman genau an der Kante zwischen dem Ende der Wendeltreppe
ohne Stufen und dem Boden des Planeten Goderijan stehen. Noch ein leichtes
Zögern und Norman hob ganz langsam und fließend sein rechtes
Bein. Norman senkte seinen Fuß behutsam ab und berührte
den Boden dieser Kultur. Sofort und ohne Verzögerung zog er
sein linkes Bein nach und als er fest auf diesem Planeten stand,
drehte er sich um, zeigte ein Lächeln mit Tränen in den
Augen, hob seine Arme, bündelte siegesbewusst seine Hände
zu einer Faust und ließ einen Schrei von sich, der jedem einzelnen
einen Schauer den Rücken hinunterlaufen ließ. Dann kam noch
der Jubel seiner Gruppe dazu. Und jeder von ihnen sprang förmlich
auf die Erde von der Wendeltreppe, auf die Erde des Planeten
Goderijan. Und als es vollbracht war, bildeten alle einen Kreis und
umarmten sich, so fest es nur möglich war. Nach ein paar Minuten
hatten sich Lyrs Schützlinge wieder einigermaßen beruhigt
und Lyr setzte sein Vorhaben fort, zum Heiligen Xarmax zu gehen.
Eine zeitlang liefen sie im Staube. Bis sie dann auf einen Pfad
kamen, der aus Stein zu sein schien. Dieser Pfad aus Stein glänzte,
als wäre er geschliffen und poliert worden. Wunderschön
war er anzuschauen. Während sie so langsam weiterhin diesen
polierten Pfad entlanggingen, auf dem immer nur eine Person gehen konnte, also
einer hinter dem anderen, guckten sich alle nach allen
Seiten um. Noch sahen sie immer noch nicht den Garten Eden, den
Norman von seinen Visionen beschrieben hatte. Aber immerhin, an
dieser Stadt wurde anscheinend an nichts, an rein gar nichts
gespart. Man konnte Bauten sehen, die man selbst gesehen haben muss,
die man unmöglich in ihrer Beschaffenheit beschreiben konnte.
Einfach traumhaft.
»Mann, Norman,
sieh dir diesen Turm an, was sagst du dazu, einfach irre oder?«,
äußerte sich Stephan hell begeistert.
»Wenn es denn ein Turm ist. Aber das
spielt ja im Endeffekt keinerlei Rolle. Wenn, das unsere Bau-Genies
auf der Erde sehen könnten, die würden vor Neid
erblassen.«
Und es ging weiter und weiter. So ungefähr
fünfzehn Minuten lang liefen Lyr und seine Schützlinge
quer durch den Garten, wie man sprichwörtlich sagt. Bis sie
dann auf ein sehr seltsames und scheinbar schwebendes Gefährt
zuliefen, vor dem Lyr stehen blieb.
»Sag bloß, wir sollen in diese
komische Kiste einsteigen?«, nörgelte Gregor mal wieder
herum.
»Mensch, Gregor, ich möchte nur
einmal einen Tag erleben, an dem du nichts zu meckern hast.«,
gab Peter im scharfen Ton Gregor zurück.
»So, meine Lieben, alles einsteigen, der
Flug wird ungefähr zwei Stunden dauern, dann treffen wir in der
Hauptstadt Bonchach ein.«, verkündete Lyr mit Wonne.
»Warum sind wir denn nicht gleich, also
direkt, in die Hauptstadt geflogen?« Eine berechtigte Frage, die
da Peter stellte.
»Weil hier die Reparaturen der Surenech
stattfinden.«, entgegnete Lyr.
Als dann Lyrs Schützlinge ihren Platz
fanden, ging es schon los. Der Überlandgleiter erhob sich
kerzengerade wie eine Rakete, nur nicht so ohrenbetäubend. Man
vernahm nur ein winzig kleines Summen. Im Nu befanden sie sich
ungefähr 40 bis 50 Meter über dem Erdboden.
Plötzlich blieb der Gleiter für wenige Sekunden abrupt
stehen, bevor er in einer ungeheuren Geschwindigkeit sein Ziel in
Richtung der Hauptstadt anstrebte.
»Du, Lyr, wie schnell sind wir in diesem
Moment?«, wollte Susanne wissen.
»Äh... In diesem Augenblick beträgt
unsere Geschwindigkeit, 640 km in der Stunde, natürlich in euren
Maßeinheiten.«, antwortete Lyr mit Genuss.
Plötzlich hallte ein Schrei durch den
Überlandgleiter, dass jeder Insasse vor Schreck zusammenzuckte.
Es war mal wieder Gregor, unser Angsthäschen.
»He, Gregor, sag mal, hast du jetzt ganz
den Verstand verloren?«, schrie ihn Peter an, der gleich neben
ihm saß.
»Du Fra... du fragst mich ob ich den
Verstand verloren habe. Mann, das ist doch nicht zu fassen. Das
gleiche könnte ich auch euch fragen. Fällt euch denn hier
im Gleiter überhaupt nichts auf?«, forderte nun Gregor
alle auf, sich umzusehen. Doch niemand bemerkte
irgendetwas auffälliges an Bord des Gleiters.
»Also, ich kann überhaupt nichts
Ungewöhnliches feststellen, ihr etwa?«, stellte nun
Norman die Frage. Doch auch der Rest und selbst Lyr guckten sich
etwas irritiert um, konnten aber nichts Außergewöhnliches
erspähen.
»So, dann sagt mir doch mal, wo verdammt
noch mal der Fahrer oder was weiß ich, na der Pilot von diesem
Gleiter geblieben ist. Urplötzlich war es totenstill in dem
Gleiter geworden. Alle starrten mit weit aufgerissen Augen und Mund,
nach vorne.
»Gregor hat Recht, ich kann auch keinen
Piloten sehen. Das gibt es doch nicht. Ja wo ist der denn hin?«,
stellte nun auch Sarah fest.
»Na, da glotzt ihr blöde aus der Wäsche,
was? Oh mein Gott, oh mein Gott, wir werden alle sterben.«,
fing Gregor das Schluchzen an. Gerade wollte Lyr das Wort
ergreifen, um die Lage etwas zu entspannen, da brach schon bei den
meisten seiner Schützlinge die pure Panik aus. Und Gregor kroch
derweil unter seinen Sitz und faltete seine Hände so als wolle
er beten.
»So beruhigt euch doch, das ist ganz
normal, hört ihr denn nicht, ich sagte, das dies ganz normal
ist.«, doch seine Schützlinge hörten ihn überhaupt
nicht, so sehr waren sie mit ihrer Panik beschäftigt. Lyr
wusste, dass er nun zu hartnäckigeren Mitteln greifen musste.
Lyr konnte Töne von sich geben, die in des Menschen Ohren
an die Schmerzgrenze gehen konnten, dass derjenige glaubte,
seine beiden Trommelfelle würden jeden Augenblick wie ein
Luftballon zerplatzen. Dann setzte Lyr ganz kurz diesen Ton ein. Im
nächsten Augenblick hielten seine Schützlinge mit beiden
Händen ihre Ohren ganz fest zu.
»So, meine Lieben, ich hoffe, ich habe
jetzt die gewünschte Aufmerksamkeit von euch? Es tut mir leid,
dass ich euch ganz kurz diesem Ton aussetzen musste, aber dennoch
blieb mir bei dieser panischen Hysterie keinerlei andere
Möglichkeit übrig, als so zu handeln. Und es tut mir
leid, dass ich vergaß, euch zu berichten, dass unsere
Überlandgleiter vollautomatisiert sind und folglich keinen
Piloten brauchen. Also, damit es jeder von euch verstehen wird:
Unsere Überlandgleiter fliegen per Autopilot, also völlig
automatisch.« Lyr drehte sich wieder in die Position in der er
vor der Panik stand.
Ach du meine Güte, dachte sich Gregor und
kroch wieder unter seinem Sitz hervor. Knallrot wie ein gekochter
Hummer lief er an. Und auch die anderen der Gruppe verloren kein
einziges Wort mehr, auch nicht während der ganzen Fahrt, so sehr
fühlten sie sich vor Lyr den Androiden blamiert. Der Gleitflug
ging zügig vonstatten. Und während sie so in ihren
Sitzen saßen, zwar noch etwas unsicher aber dennoch schon ein bisschen
vertraut, guckten sie durch die riesigen
Scheiben in die sagenhafte und märchenartige Gegend. Wahrlich,
was man da zu sehen bekam, war enorm, einzigartig, ja wunderschön
anzusehen. Norman fühlte sich in seinen Visionen, die er auf
der Erde hatte, bestätigt. Ihm war so, als kenne er diese
Gegend, ja diese Landschaft. Norman begann, ohne es zu merken, laut
und mit offenen Augen zu träumen.
»Und ich sehe sattgrüne, fruchtbare
Wiesen, die sich in Tälern aufteilen, Schluchten, in denen unzählige
und wild rauschende Wasserfälle begleitet von tosendem
Gedonner von den wie Marmor wirkenden steinigen Hängen
herabstürzen und sich zu einem See aus glitzernden Diamantenen
vereinen. Ich sehe und rieche das saftig satte,
nicht enden wollende Grün, bespickt mit Blumen aller Art, die
sich mir darbieten. Ja wahrlich, ich sehe den Garten Eden.«
Dann kam Norman wieder zu sich und guckte
wieder aus dem Fenster, als hätte er diese Vision gar nicht
erlebt. Plötzlich, zu Normans Verwunderung, klatschten alle aus
der Gruppe einen kräftigen Applaus. Zunächst klatschte
Norman mit, er wusste ja nicht, dass dieser Applaus ihm galt, doch
als er sich umsah, begriff er sehr schnell, dass diese Begeisterung
in Form von Händeklatschen doch ihm galt und nur ihm.
»Was soll denn das, warum applaudiert
ihr mir?«, fragte Norman verständlicherweise nach.
»Na, aber
Norman, nicht so bescheiden! Wir applaudierten dir für die sehr
süßen und sinnlichen Worte, die du uns vorgetragen
hast.«, erinnerte Susanne verlegen.
»Ach das, na ja, hab ich irgendwann mal
in einem Buch gelesen. Dennoch danke ich euch für den Applaus.«
Norman wurde ganz mulmig in der Magengegend.
Bisher konnte er sich an all seine Visionen, die er bis jetzt im
Geiste durchlebt hatte, stets erinnern. Das war für
ihn das allererste Mal, dass er nichts, ja, rein gar nichts
mitbekommen hatte. Wieder vergingen ein paar Minuten. Norman
bemerkte, dass Lyr der Androide ihn schon eine ganze Weile intensiv
begutäugte, was ihn irgendwie sehr nervös machte. Dann kam
Lyr auf ihn zu und setzte sich neben ihn.
»Was gibt's denn, Lyr? Hast du
vielleicht Neuigkeiten für mich?«, versuchte Norman nun
abzulenken.
»Norman, du brauchst keine Angst zu
haben. Das ist bei euch beiden, also Katja und dir ganz normal. Ihr
kommt jetzt hier auf Goderijan in einer neuen Phase eurer geistigen
und seelischen Bewusstseinsebene.«, versuchte Lyr ihn etwas
zu beruhigen.
»Was, wie bitte, was soll bei Katja und
mir normal sein? Also, ich weiß nicht, wer von uns einen Dachschaden
hat. Was soll denn das Geschwafel, wie geistige und seelische Phase,
und was ist mit dieser Ebene?«
Norman glaubte, jetzt endgültig den
Verstand verloren zu haben. Doch sein Innerstes sagte ihm das
Gegenteil.
»Na gut, dann noch einmal alles von
vorne, Lyr, okay?« Norman wartete auf eine erneute und
verständlichere Erklärung als die erste. Doch weit
gefehlt, Lyr begann in Rätseln zu reden.
»Gebt euch beiden mehr Zeit, noch könnt
ihr es nicht verstehen oder mit dieser euren ungeheuren Kraft, die
schon seit eurer Geburt in euch ruht, etwas anfangen, doch
schon sehr bald wirst du und deine Schwester Katja eine Veränderung
feststellen. Wehrt euch nicht dagegen, denn es wäre sowieso
zwecklos.«, gab Lyr Norman den Rat.
Norman spürte instinktiv, dass das, was Lyr ihm
gesagt und geraten hatte, nur gut gemeint und die Wahrheit ist.
Trotzdem wehrte er sich in seinem tiefsten Innersten.
»Lyr, hilf mir bitte, ich bekomme langsam
Angst vor mir selbst. Was ist nur los mit mir. Seit ich diesen
Planeten betreten habe, durchfluten mich Gefühle, die ich bisher
nicht kannte, mit denen ich absolut nichts anzufangen weiß. Lyr, darf
ich dir noch eine Frage stellen?«, fragte Norman am Rande
seiner geistigen und seelischen Verfassung.
»Gewiss doch, Norman.«
»Wie und auf welche Art werden Katja
und ich uns verändern?«
Körperlich werdet ihr die Gleichen
bleiben. Doch im innersten Winkel eurer selbst, ich meine, auf eurer
geistigen und seelischen Ebene, wird sich einiges bei euch beiden
verändern.« Lyr brach sein Wort, dem Heiligen Xarmax
gegenüber, denn all dieses durfte er Norman überhaupt nicht
erzählen.
»Und was wird sich für Katja und
mich verändern?« Norman drängte Lyr stetig weiter.
»Norman, ich dürfte dir dies alles
gar nicht erzählen, ich brach dadurch mein Wort dem Heiligen
Xarmax gegenüber.«, erwiderte Lyr.
»Du brauchst keine Angst zu haben, ich werde dieses Wissen mit ins Grab
nehmen, so wahr mir Gott helfe. Du bist doch mein Freund.«
Lyr war den Tränen nahe, obwohl er gar nicht weinen konnte,
verfiel er doch in tiefes Mitleid.
»Also, ich will nur noch das eine
wissen und ich lasse mich nicht so einfach abspeisen:
Was wird sich bei Katja und mir verändern?«,
forderte Norman Lyr nochmals auf.
Lyr zögerte noch einen
Augenblick... »Du und Katja, ihr werdet miteinander verschmelzen.«
»Wie, was meinst du denn mit
verschmelzen, Lyr?« Jetzt wollte Norman es genauer wissen. Und
Lyr wusste, dass Norman nicht eher Ruhe geben würde, bis er
diese Antwort hatte.
»Katjas geistige Fähigkeiten, in denen seit
ihrer Geburt diese außergewöhnliche Kraft ruht, und ihre
Seele werden sich mit der deinen vereinen, sozusagen, wie schon
gesagt, verschmolzen werden.« Lyr fiel es sichtlich schwer,
darüber zu reden.
»Und warum werden unsere, ich nenne sie
mal Energien, miteinander verschmolzen, ich meine, das muss ja auch
einen bestimmten Grund haben, oder etwa nicht?«, eine kluge Frage, die da Norman stellte.
»Weil deine Kraft, die in dir ruht,
unser Volk von dieser heimtückischen Krankheit heilen zu
können, nicht ausreichen würde. Nur mit vereinten Kräften
von Katja und dir ist ein Erfolg für uns und unser Volk sicher.
Sei dir gewiss, lieber Norman, dass ihr alle wieder unbeschadet und
gesund zu eurem Heimatplaneten zurückkehren werdet, dafür
verbürge ich mein künstliches Leben. Alles wird wieder so
sein, wie du dich auf dieser kleinen Sitzbank am Bahnhofshäuschen
zu einem kleinen Päuschen setztest und dabei einschliefst.
Weißt du, Norman, wir brauchen euch beide wirklich. Ich weiß auch,
dass es hier auf Goderijan viele unerklärliche und seltsame
Dinge oder Ereignisse gibt. Dennoch, es muss mit dem Sterben auf
Goderijan endlich vorbeigehen. Diese elende Krankheit, wobei schon
Millionen von Goderijanern an gebrochenem Herzen sterben mussten,
muss ein Ende finden. Hörst du, muss ein Ende finden.«
Ja, auch Lyr, obwohl er von künstlicher
Natur abstammte, war doch fähig zu trauern.
»Ist ja schon gut Lyr, ich kann dich gut
verstehen. Du wirst niemals alt und hast folglich die letzten
Jahrhunderte alles mit durchleben müssen. Ehrlich gesagt,
selbst mit der Tatsache, niemals sterben zu müssen, würde
ich mit dir niemals tauschen mögen. Lyr, du weißt nicht
zufällig, wie der Heilige Xarmax Katjas geistige und
seelische, ich nenne sie mal Energien, und die der meinigen
verschmelzen will? Ich meine, wie er dabei vorgehen wird?«
Norman gab nicht auf.
»Norman, glaube mir, ich habe dir alles
gesagt, was ich an Informationen vom meinem und vom Hauptcomputer
anzapfen konnte, wie ihr Menschen doch beliebt zu sagen.
Auch dies dürfte ich eigentlich gar nicht,
ohne Zustimmung des Hohen Rates.«, erklärte Lyr, nun schon langsam am Verzweifeln, Norman.
»Lyr, nur
noch eines zu guter Letzt. Ich kann mir beim besten Willen nicht
vorstellen, selbst wenn in Katja und mir tatsächlich
unglaubliche Kräfte ruhen, die nur darauf warten freigesetzt zu
werden, kann ich mir nicht vorstellen, mit diesen Kräften
Billionen von euerer Spezies das Leben zu retten. Denke doch mal
logisch nach, im Vergleich zum Universum sind Katja und ich nicht
einmal eine Mikrobe, ach was sage ich da, nicht einmal Atome oder gar
vielleicht auch rein garnichts, oder?«
»Mein lieber Norman, alles fügt
sich zu einem Mosaik. Wenn nur ein Steinchen fehlt, dann ist es kein
Mosaik. Ein solches Mosaik ist nur ein Mosaik, wenn es vollständig
ist. Es gäbe das Universum nicht, wenn es uns nicht gäbe,
das kannst du mir ruhig glauben. Es gibt nichts, was nicht
irgendwo hingehört. Alles ist Bestand und somit mit irgendeiner
natürlichen, physikalischen oder gesetzmäßigen
Mathematik mit einer realen Notwendigkeit verbunden. Was ich dir
damit sagen will ist: Alles, was du findest, entdeckst oder siehst,
gehört auch dahin. Selbst wenn es irgendwie, von irgendwas, oder
von irgendwem, dahin gelegt worden sei.«
»Ach Lyr, es gibt viel zu vieles, was ich
anscheinend nie begreifen werde. Na ja, ich glaube, wenn ich alles
begreifen würde, wäre ich vielleicht Gott.«,
erwiderte Norman betrübt.
»Sicher, Norman, da stimme ich dir zu.
Doch du musst lernen, dich in Geduld zu üben.
Jedoch zurück zu deiner Bitte, dir mehr
Informationen über den Hergang zu geben, also über die Prozedur, eure Kräfte
zu verschmelzen und somit gemeinsam freizusetzen. Ich bekam meine
strikten Befehle, die ich teilweise nicht einhielt. Und ich sagte
dir bereits, dass auch ich nicht mehr darüber weiß. Es liegen
keinerlei Daten darüber in meinem oder im Hauptcomputer vor. Nun denn, wenn
die Zeit dafür kommt, ja,
dann kommt auch der Rat und anschließend die Wahrheit und das
Reale ans Licht, wie ihr Menschen beliebt zu sagen.«
»Lyr, du sagtest, dass du mir teilweise
alles gesagt hast, was du über die Prozedur weißt.
Teilweise ist ja nicht Bestand des Ganzen,
oder täusche ich mich da.« Ja, Lyr war von Normans
Schlussfolgerungen tief beeindruckt.
»Eines kann ich dir noch
verraten, der Heilige Xarmax persönlich wird diese Prozedur
durchführen. Nur der Heilige Xarmax ist im Stande, eure Kräfte
zu vereinen und zu verschmelzen. Nur er besitzt das dazu nötige
Wissen, euch Katja und dich, in diese geistige und seelische Phase zu
bringen. Euch beide in eine neue Ebene des Bewusstseins zu
leiten.«
»Sag mal, Lyr, ich werde das dumpfe
Gefühl nicht los, dass Katja und meine Wenigkeit irgendwie als
Schlüssel benutzt werden.«
Lyr zögerte etwas, was Norman natürlich sofort auffiel.
»Lyr, dein Schweigen sagt mir alles, es
ist wie ein Jawort. Nichtsdestotrotz, eines jedoch möchte ich
dir zu diesem Thema noch sagen: Ich stehe nicht gerne im Dunkeln.«
Lyr schwieg zwar, dennoch fühlte er sich
nicht sehr wohl in seiner künstlichen Haut. Er wusste ganz
genau, was seine beiden Schützlinge durchmachten. Doch ihm waren
die Hände gebunden. Er sah diese Ängste, die seine beiden
Schützlinge durchleben mussten. Doch all dies gehörte
schon längst zur Prozedur, was Norman und Katja natürlich
nicht wissen konnten. Und Lyr dachte noch an das Wort 'Schlüssel',
das Norman erwähnte. Tatsächlich hatte Norman den, wie
man sagt, richtigen Riecher.
Kapitel 17, Ankunft auf Goderijan, Teil 2
Anfang und Kapitelübersicht
© 2012 by Peter Althammer
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