Kapitel 16
Die Rettung
Am nächsten Morgen auf dem Mutterschiff im Konferenzraum des Hohen Rates,
Zeit: 6 Uhr 30
Grund des Zusammentreffens: Dass Eintreffen einer Nachricht des Heiligen Xarmax.
Verständigung: Mitteilung wurde übersetzt in die Sprache der Menschen.
»Ich begrüße Sie, Hohe Herren
des Rates. Ich habe sie hier einberufen, um nun einmal mehr über
unsere Gäste von dem Planteten Erde zu beraten. Wie mir soeben
von unserem Heiligen Xarmax verkündet wurde, ist es ihm ein tiefes Bedürfnis, die Menschen in absoluter
Sicherheit zu wissen. So riet mir der Heilige Xarmax, eine Eskorte
auf Sinas zu entsenden, das Ziel des viertägigen Urlaubs der Menschen, gewissermaßen als zusätzlichen Schutz, was
ich sogleich unserem Heiligen Xarmax zu seiner vollsten
Zufriedenheit bestätigte. Zudem ging dieser Entscheidung, die
unser Heiliger Xarmax fällte, ein Traum voraus. Schon gleich
sollten wir dem Wunsch unseres Heiligen Xarmax entsprechen und in
die Tat umsetzen.« Der Hohe Rat wusste schon um die
Dringlichkeit der Order des Heiligen Xarmax, so dass er umgehend
eine Eskorte von 25 Dogon in einem weiteren Raumgleiter zum Planeten
Sinas anordnete. Sie wiegten sich in die Hoffnung, dass alle der
Runde der Menschen sich in Sicherheit befanden und heil und gesund
wieder auf das Mutterschiff zurückkehren würden.
Trotz der Sorge um ihre Gäste kannten
sie die Tauglichkeit und Perfektion des mitgesandten Androiden
Lyr. Einen Androiden, der mit absolutem Prinzip sämtlichen
Situationen durchaus gewachsen war. Seine Fähigkeiten, aus
bestimmten Situationen zu lernen und sie geschickt einzusetzen, ist
in seiner Klasse unersetzlich, wenn nicht gar einzigartig.
*
Auf Sinas, nur wenige Zeit später, im Versteck der Runde:
Nachdem sich Lyrs Ruhezustand automatisch ausschaltete und sich
seine Lebensenergie wieder verdoppelte, gab er ein Stöhnen der
Erleichterung von sich, wobei er, natürlich ungewollt, die ganze
Runde aus dem Schlaf riss und sie in helle Aufregung versetzte.
Gregor war natürlich mal wieder der schnellste, wenn es
gefährlich wurde. Mit einem Ruck sprang er auf, trampelte wie
ein wildgewordener Schimpanse über Mary und Sarah hin weg, die
gerade durch Lyrs Freudenschrei aufgeschreckt worden waren.
»Mensch, Gregor, du Trampel, kannst du
nicht besser aufpassen wohin du trittst?«, schrie Mary ihn an.
»Entschuldige bitte, aber jemand hat
doch eben noch geschrieen, oder habe ich das etwa geträumt?«,
fragte Gregor nach.
»Nein, das hast du nicht. Ich muss mich
für mein zu lautes Gezeter entschuldigen. Aber dieser
morgendliche Energiegenuss hat mich im wahrsten Sinne des Wortes
glatt von den Füßen gehauen.«, bekräftigte Lyr.
So allmählich rafften sich alle aus
ihrem molligwarmen Schlafplatz auf und begannen, ihre zu dickwarme
Kleidung, die sie am Vorabend anzogen, wieder in ihre Gepäcktaschen
einzupacken.«, während Lyr derweil zehn Pillen für
das Frühstück zusammenzählte, um sie dann mit etwas
Wasser zu verteilen.
Als nun alle ihre Ration zu sich genommen
hatten und auf eine weitere Idee seitens Lyr warteten, begann
sich Lyr auf einmal sehr merkwürdig zu verhalten. Lyr drehte
erst seinen Kopf in Richtung der zirka dreihundert Meter entfernten
Lichtung und rollte wie schon so oft heftig mit seinen azurblauen
Augen, die dabei in ihrer pulsierenden Leuchtkraft an Intensität
zunahmen.
»Lyr, was hast du denn?«, fragte Sarah erstaunt.
»Ja, was ist denn mit dem los?«,
drängte sich Gregor dazwischen.
»Wenn Lyr mit seinen Augen rollt und
leuchtet, sage ich euch, dann ist was im Gange.«, bestätigte
Katja der Runde.
»Ich würde vorschlagen, dass ihr
euch nun in Deckung begebt, meine Sensoren orten in diesem Moment
ein Raumfahrtzeug, dass sich sehr schnell der Lichtung nähert.«,
meldete Lyr in geübter Haltung.
»Was, ich kann nichts hören.«, sagte Gregor aufgeregt.
»Na, Lyr? Weißt du schon, um welche
Raumschiffklasse es sich denn handelt?«, wollte nun Norman
wissen.
»Nein, noch
nicht, Norman, aber bald.« Da lagen sie nun auf dem Boden
innerhalb ihres notdürftig erbauten Lagers, umgeben von Büschen
und Blätterwerk. Man sah ihnen an, dass sich die Angst, entdeckt
oder gar getötet zu werden, auf ihren Gesichtern abzeichnete.
Absolutes Schweigen herrschte nun unter ihnen. Nur noch so mancher
zittriger Atem jener war zu hören, die der ständigen
Anspannungen nicht gewachsen waren. Es nahm zu, dieses
ohrenbetäubende Geräusch, diese Eigenheiten, die
Raumschiffe beim Flug des Startens und der Landung von sich gaben
und dabei ihre geballten Energien freisetzten. Plötzlich ein
kleinlauter Aufschrei von Sarah.
»Da, Lyr, zwischen den Bäumen, ich
konnte es für einen Augenblick sehen.«, deutete Sarah
sehr aufgeregt.
»Beruhige dich doch, Sarah. Sagte
Susanne, die ihrerseits die ganze Aufregung mit einem würgenden
Schlucken zu verdecken versuchte.
»Lyr, was ist denn nun, weißt du jetzt, was für ein
Raumfahrzeug es ist.«
Also, was sagen deine Sensoren?«,
drängte jetzt Gregor.
»Meine Sensoren sagen mir, dass es ein
Raumgleiter unserer Klasse ist.«, gab Lyr so mir nichts dir
nichts zu, ohne auch nur ein winziges Zeichen der Nervosität
an den Tag zu bringen.
»Was, warum um Himmelswillen, verstecken
wir uns eigentlich noch? Lasst sie uns rufen, bevor sie wieder
wegfliegen.«, krächzte Gregor förmlich. Mit einem
Satz stand Gregor auf und setzte zum Anlauf über die künstlich
errichtete Abgrenzung aus Baumstämmen, Zweigen und Büschen
an, um dann in Richtung der Lichtung zu stürmen. Jedoch wusste
Norman das zu verhindern. Norman sprang mit einem gekonnten
Hechtsprung Gregor entgegen, wobei er ihn an den Füßen
packte und zu Boden warf.
»Mensch, Norman, bist du jetzt von allen
guten Geistern verlassen? Lass mich gefälligst los, du
Blödmann. Ich muss dahin, seid ihr denn alle blind?«
»Gregor, drehe jetzt nicht durch. Wir
wissen doch gar nicht, ob es sich vielleicht um die Saboteure handelt?«,
versuchte Norman Gregor klarzumachen.
»Was meinst du mit Saboteuren? Hast du
denn nicht Lyr gehört? Er sagte, dass es einer unserer
Raumgleiter sei. Das stimmt doch, Lyr, oder?«, jetzt war es
soweit, Gregor verlor seine Haltung. Er war sichtlich mit seinen
Nerven am Ende. Gregor schaute zu Lyr auf und hoffte auf eine
Verteidigung seitens Lyrs. Doch Lyr gab keine Antwort.
»Was ist denn mit dir los, Lyr? Warum
sagst du denn nichts?«
»Gregor, verstehst du nicht, was Lyr uns
damit sagen möchte? Lyr ist nur vorsichtig. Lyr glaubt, es
handelt sich höchstwahrscheinlich um unseren Raumgleiter, den
uns diese verdammten Saboteure doch glatt vor der Nase geklaut
haben. Kapierst du das denn nicht? Es könnte sein, dass es
der Feind ist und nicht die unseren. Was glaubst du, was die mit uns
machen werden, wenn wir da so einfach aufkreuzen und Hallo sagen?«
Gregor beruhigte sich langsam wieder. Man sah
ihm an, dass er über Normans Worte nachdachte.
»Entschuldigt bitte, ich habe wohl etwas
die Nerven verloren. Sicherlich hast du Recht. Wir müssen
vorsichtig sein und dürfen keinerlei Risiko eingehen.«
Gregor richtete sich wieder auf und ging schmollend auf seinen Platz
zurück.
»Lyr, diese
Ungewissheit und das tatenlose Herumsitzen macht mich krank. Wie wäre
es, wenn wir uns wenigstens bis auf Sichtweite anschleichen würden,
so können wir uns ein besseres Bild von der ganzen Situationen
machen. Und falls diese Bastarde etwas im Schilde führen, haben
wir den Vorteil, ihnen eventuell zuvorzukommen, was meinst du
dazu?«, schlug Katja vor.
»Ein logisches Vorhaben, dennoch, als
solches sehr riskant, ja sehr gefährlich, würde ich
sagen.« Lyr war von dieser Idee nicht gerade begeistert.
Jedoch war ihm bei jeder ausschreitenden Aktion seiner Schützlinge
bewusst, dass er den Schutz hier am Lagerplatz nicht mehr all zu
lange aufrecht erhalten konnte.
»Gut, einverstanden. Doch allzuviel
halte ich nicht davon. Ich würde vorschlagen, wir bilden wieder
eine Front, in zehn Metern Abstand voneinander. Sind
damit alle einverstanden?«, fragte Lyr nach.
»Aber natürlich, Lyr, sind wir
das.«, antwortete Norman, während die anderen
kopfnickend bejahten.
Sofort machten sich allesamt ans Werk, einen
Teil der Abgrenzung beiseite zu räumen um besser nach außen
zu gelangen. Im Nu formierten sie sich. Dann stapften sie Schritt
für Schritt durch das morastige Waldstück in tiefer und
geduckter Haltung in Richtung der besagten Lichtung.
Nach einiger Zeit war die ganze Gruppe schon ziemlich nahe an die
Lichtung herangekommen.
So nahe, dass sie nicht gesehen werden konnten,
aber dennoch die ganze Lichtung, wo ihr Raumgleiter stand,
übersehen konnten. Alle richteten ihre Blicke, und das alle paar Meter,
auf Lyr, um ständigen Augenkontakt zu ihm beizubehalten. So
bemerkten sie auch gleich, dass Lyr ein Zeichen gab, in
Stellung zu gehen. Sofort ließ sich die
gesamte Gruppe auf den nasskalten und schlammigen Boden fallen. Und
tatsächlich, vor dem Raumgleiter standen vier der Saboteure,
jene welche, die sich ihres Raumgleiters diebhaft bemächtigt hatten.
Mit Schaudern musterte die Gruppe diese Spezies, die nicht im
Entferntesten Ähnlichkeit mit ihnen selbst aufwiesen. Sie hatten
kleinere und ovale, kahle Köpfe. Augen hatten sie, jedoch
rund wie mittelgroße Knöpfe. Ihre Beine wiesen eine
stelzenhafte, zu dünn, ja fast lächerlich wirkende
Erscheinungsform auf und wurden zudem noch von einer Art überlangen
Form geprägt. Die Haut dieser Spezies, die aus ihrer eng
anliegenden Kleidung hervorguckte, hatte eine Farbe, die in den
morgendlichen Sonnenstrahlen leicht weiß und silbrig
schimmerte. Man bekam auch beim längeren Hinsehen das
bestimmte Gefühl, dass diese Haut der eines Fisches, nämlich
einer silbrigen Finne, ähnelte. Die Kleidung im Übrigen
hatte die Form eines Taucheranzuges und lag, wie schon angedeutet, sehr
eng auf ihrer Haut. Zudem kam noch hinzu, dass ihre
Gesichtkonturen nicht ganz vollständig zu sein schienen, da man
keine Nasenöffnungen oder dergleichen erkennen konnte. Alles in
allem kam der Runde diese Spezies eher wie tierische Kreaturen vor,
als die Menschen oder die Dogon. Mary lief es bei diesem Anblick
eiskalt den Rücken hinunter. Auch den anderen konnte man den
Ekel ansehen, den sie bei diesem Anblick ausgesetzt waren. Und Lyr
war mal wieder die Ruhe selbst. Wieder einmal winkte Lyr. Doch
diesmal gab er das Zeichen zum Rückzug, was den meisten
in der Runde natürlich missfiel.
Innerlich wütend und mit wutverzerrten Gesichtern
robbte die Gruppe einige Meter zurück, um dann besser in
gebückter Haltung den Rest des Weges durch Gestrüpp und
Geäst zu gehen. Dorthin, wo Lyr schon längst wartete und
wo sie sich ungestört über die neue Lage unterhalten
konnten.
»Sag mal, Lyr, hast du denn dein letztes
bisschen an künstlichem Verstand verloren? Was soll das denn
eigentlich? So nah kommen wir niemals mehr an den Raumgleiter heran,
ohne dabei entdeckt zu werden.«, fuhr Gregor mal wieder aus
der Rolle.
»Mann, fängt denn das schon wieder
an? Gregor, uns hat es auch nicht gerade gefallen, den Rückzug
anzutreten. Lyr wird schon dafür einen triftigen Grund gehabt
haben. Oder Lyr?«, sagte Norman.
»Es ist ein Hinterhalt.«, deutete Lyr
daraufhin.
»Eine Falle?«, hakte Sarah nach.
»Ja, eine Falle, sie hatten uns erwartet.«,
bekräftigte Lyr zudem.
»Wie kommst du darauf?«, wollte
nun Mary wiederum wissen.
»Das war ganz einfach zu kombinieren.
Was für einen Grund hätte diese Spezies gehabt, erst
unseren Raumgleiter von der Lichtung zu stehlen und dann so mir
nichts dir nichts und zudem ganz frech wieder auf der Lichtung zu
landen?«
»Ja, das leuchtet mir schon ein. Aber
warum, wenn es denn eine Falle ist, sollten sie dann eine Wache von
vier Mann am Raumgleiter zur offensichtlichen Sicherung abstellen?«
Eine kluge These die da Mary aufstellte.
»Meine Sensoren sagen mir, dass sich im
Augenblick kein Lebewesen in der Nähe des Raumgleiters mehr
befindet. Woraus ich schlussfolgere, dass sie sich irgendwo
außerhalb der Reichweite meiner Sensoren versteckt halten
müssen und darauf lauern, dass wir den Raumgleiter stürmen
um damit von diesem Planeten zu flüchten.«
»Ja, aber wohin könnten sie denn so
schnell verschwunden sein? Ich meine, das ist doch in der kurzen
Zeit gar nicht möglich, so schnell aus dem Bereich deiner
Sensoren zu kommen, oder?«, ja Mary hatte da nicht einmal so
Unrecht mit dieser Feststellung.
»Da, mein liebes Kind stimme ich dir
voll und ganz zu. Ich glaube zu wissen, wie sie dies zustande
brachten. Es gibt nur eine vernünftige und logische Erklärung
dafür.«, warf Lyr ein.
»Und was glaubst du, Lyr?«, wollte
nun Norman wissen.
»Durch Beamen.«
»Durch Beamen?«, fragte Norman.
»Ja, durch Beamen, womit man lebende
Materie in ihre sämtlichen Atome zerlegen und Augenblicke
später an einen beliebigen Ort transferieren und wieder in
seine Ursprungsform zusammensetzen kann.«
»Ach ja, jetzt fällt es mir wieder
ein, wir sprachen schon mal darüber. Aber sag doch mal, dann
muss doch auch der Ort von dem sie gebeamt worden sind, nicht
allzu weit entfernt sein, oder?«, kam wieder von Mary.
»Das trifft zu, Mary?«, bejahte Lyr.
»Und wie weit kann man sich denn nun
eigentlich beamen?«, wollte nun Stephan wissen.
»Im
eigentlichen Sinne nicht sehr weit. Es wird ja im Allgemeinen nur
als Personentransportmittel genutzt und von Orbits der Planeten, zu
eben dessen Oberflächen gebeamt.«
Also habe ich doch Recht, dass, wenn der Feind
dieser Art von Personentransportmittel sich bediente, er auch ganz in
der Nähe sein müsste.
»Gut aufgepasst, meine Liebe. Das trifft
exakt zu. Doch denke ich nicht, dass sie sich irgendwo im Orbit des
Sinas mit einem ihrer Raumschiffe versteckt halten, sondern direkt
auf Sinas.«, erklärte Lyr seinen Schützlingen.
»So, hier auf Sinas? Ja und wo denn
hier, Lyr?«, fragte Gregor nun neugierig geworden.
»Wo befände sich denn der einzige
Ort, wo sich diese Bestien versteckt halten könnten um von
keinerlei Sensoren aufgespürt zu werden?«, fragte Lyr
seine Schützlinge, die jetzt ernsthaft nachgrübelten.
»Natürlich? Menschenskind nochmal, dass ich da nicht gleich drauf gekommen bin! Die
unterirdische Stadt! Ja, Lyr, du sagtest selbst, sie sei so erbaut
worden, dass kein Signal zu ihr hindurchdringen könne,
stimmt es? Hab ich Recht oder nicht?«, forderte Susanne mit
Argusaugen.
»Perfekt, Susanne, und gut erkannt.«,
lobte Lyr sie.
»Ja, und wie soll es nun weitergehen,
Lyr?«, fragte Peter.
»Peter, mir sagen mittlerweile meine
Gewissensmodule, dass es so nicht weitergehen kann. Dennoch solltet
ihr nicht vergessen, dass alles was ich an Entscheidungen treffe,
die mit euch zu tun haben oder für euch ein Risiko darstellen,
gegen meine strickten Befehle geht. Selbst dem Anschleichen in
die Nähe des Feindes zur Lichtung hin durfte ich eigentlich
nicht zustimmen. Das könnte mich eventuell meine künstliche
Existenz kosten. Aber um dies mache ich mir weniger Gedanken, als
dass euch etwas zustoßen könnte. Trotz alledem habe ich
mich entschlossen, gegen alle Regeln und zu eurem Besten zu
handeln. Es ist mein Bestreben, euch wieder und sicher auf das
Mutterschiff zurückzubringen. Die Konsequenzen daraus muss
ich nun mal wie ein wahrer Androide hinnehmen. Ich habe daher alle
Befehlsregler, die sich im Falle einer Meuterei sämtlicher
Empfindungsmodule aus meinem Speichermedium löschen würden,
deaktiviert, so dass ich von nun an nach gutem Dünken und
eigenmächtig Handeln kann. Doch bedenkt einige Tatsachen: Wenn
ich vom Feinde zerstört werden sollte, seid ihr von diesem
Augenblick an auf euch alleine gestellt. Zumindest bis das
Rettungsteam euch zur Hilfe eilt. Das, meine Lieben, muss euch im
Klaren sein.«
In Lyr vernahm die Runde einen Unterton, der
ihnen überhaupt nicht zusagte.
»Lyr, sag uns erst mal, was du vorhast,
bevor du gehst. Du hast doch etwas vor, oder?«, fragte Katja
nach.
»In der Tat, das habe ich. Ich habe
mich entschlossen, unseren Raumgleiter wieder in unseren Besitz zu
bringen und zwar im Alleingang. Und noch etwas: Darüber zu
diskutieren ist von vorne herein zum Scheitern verurteilt.«,
kündigte Lyr fest entschlossen an. Die Runde war empört.
Jeder versuchte, Lyr die Sache auszureden. Besonders zwei schienen
mehr als besorgt zu sein. Es waren Norman und Katja.
»Lyr, überdenke noch einmal
alles!«, sagte Katja, mit flehendem Gesichtsausdruck.
»Katja, es
ist nicht nötig, sich Sorgen zu machen. Trotzdem danke ich dir.
Mein Entschluss steht fest. Mit jedem Tag, den wir hier länger
verbringen müssen, wächst die Gefahr, in die Falle dieser
Kreaturen zu gehen. Nicht auszudenken, was euch bei diesen Scheusalen
alles geschehen könnte.«
Lyr war entschlossen, die ganze Sache schnell
und unkompliziert durchzuführen. Seine Handlungsaktionen konnte
Lyr schon im Vorfeld abspeichern, so dass ein Fehler fast
ausgeschlossen war. Durch diese Maßnahme konnte und ging er
quasi im Bruchteil einer Nano-Sekunde seinen Plan so oft durch,
bis auch noch der kleinste Fehler in seinen Handlungen ausgemerzt
war und somit der Plan aufs genauste durchgeführt und beendet werden konnte,
wenn Lyr dazu bereit war. Dadurch konnte Lyr sicher sein, dass sein
Vorhaben zum sicheren Erfolg führte. Mit der Ausnahme des
Unwahrscheinlichen, das sich auf den puren Zufall stützt.
Diese winzige Winzigkeit konnte Lyr jedoch ausschalten, indem er
seine eigene Initiative seines Planes mit der des Zufalls
verkoppelte und somit mit einer Wahrscheinlichkeit von 100% vom
Erfolg gekrönt wurde.
Hört doch mal her und beruhigt euch
wieder. Ich bitte euch jetzt, so schnell wie möglich die
letzten einhundert Meter ins Lager zurückzukehren und euch
dort so lange ich weg bin zu verschanzen. Verhaltet euch ruhig und
wachsam. Dort wartet ihr auf meine Rückkehr. Tut mir einen
Gefallen: Gebt gegenseitig auf euch acht. Was ich damit meine ist,
wenn einer von euch die Haltung, also die Nerven verlieren sollte,
kümmert sich der Rest der Runde um ihn. Noch eines: Ich besitze
zwei Laserwaffen. Eine davon werde ich euch hierlassen. Ich bin
zwar wie ihr wisst gegen Gewalt, aber so befindet ihr euch
wenigstens in der Lage, wenn ihr während meiner Abwesenheit
angegriffen werdet, euch zu verteidigen. Norman, du wirst die
Laserwaffe an dich nehmen. Ich brauche dir zu dem Umgang mit dieser
Waffe nicht viel erklären. Auch diese Waffe besitzt sozusagen
ein Sensorenortungssystem, nur halt im Kleinformat und ist auf die
Zellstruktur des Feindes eingestellt. Sollte sich der Feind, auf den
diese Zellstruktur passt, näher als 30 Meter im Radius nähern, fängt das
Lasergerät an zu vibrieren. Danach brauchst du nur noch den
Laser nach oben zu halten und den Auslöser zu aktivieren.
Aktivieren kannst du diesen Laser aber nur, indem du ihm ein
Wort zuweist.«, vermerkte noch Lyr der nun von Norman
unterbrochen wurde.
»Du meinst, ich soll mir irgend ein Wort
ausdenken?«, fragte Norman.
»Genau,
Norman, wenn du das Wort gewählt hast, sprichst du es langsam
und deutlich zweimal aus. Danach ist deine Stimmfrequenz und das
Wort auf dem Gerät erfasst und schließlich aktiviert.
Wodurch sich sogleich der Laserschuss löst, der sich dann selbstständig
sein Ziel in eben diesem Radius sucht. Diesen Vorgang kannst du nach
Belieben wiederholen, was du auch solltest. Auch wenn du den Feind
nicht sehen kannst, erkennt diese Waffe durch ihr
Sensorortungsgerät die sich in diesem Radius befindlichen
Feinde vollautomatisch und eliminiert diese. Egal wie oft du den
Laser aktivierst, er wird nur so lange einen Laserschuss abfeuern,
wie sich Person in dem angegebenen Radius von 30 Metern aufhalten.
Ausgenommen in dem kleineren Radius von 5 Metern, in dem ihr euch
befindet. Wie du sehen kannst, eine leicht zu bedienende Waffe,
jedoch in ihrer Wirksamkeit nicht zu unterschätzen.«,
fügte Lyr noch hinzu.
»Gut, Lyr, dann wähle ich jetzt ein
Wort.« Norman überlegte kurz, hob die Laserwaffe bis zum
Anschlag hin und sprach laut und deutlich, zweimal:
»Sternenkind, Sternenkind!«
»So, prima gemacht, Norman.«,
jetzt ist, wie ihr sagen würdet, die Waffe scharf.«
Lyr sah seinen Schützlingen genau an, dass
ihnen seine Entscheidung, im Alleingang dem Feind entgegenzutreten,
nicht gefiel. Aber was blieb ihm denn übrig. Mit
jeder Minute die er verstreichen ließ, wuchs die Gefahr, dass
der Feind sich vielleicht doch noch entschloss, den Lagerplatz
anzugreifen. Denn eines war ihm klar, die Kreaturen auf der
Lichtung inszenierten nur ein Spielchen, um die Runde aus ihrer
Deckung zu locken. Überall lauerten sie und er wusste und
musste auch annehmen, dass auch der Feind über ähnliche
Sensoren und Ortungsgeräte verfügte. Ja, dass dieser Feind
ein Spiel, nämlich sein Spiel, spielte. Ein Spiel, das offenbar
einem Hobby oder noch schlimmer, einer Treibjagd ähnlich kam.
Lyr begriff dies als einziger und vermochte dieses Geheimnis bisher
gut zu verbergen. Zudem wusste er, dass seine Schützlinge nicht
dumm waren und durch ihre neugierige Unbeholfenheit des
Rätsels Lösung schon sehr bald nahegekommen wären.
Lyr begann, alles Unnötige an Ballast, das er mit sich trug,
abzulegen.
Ein letzter Blick auf seine Schützlinge
und die zwei begleitenden Dogon und er marschierte los. In
unbehaglichem Gefühl sah die Runde ihm nach.
»Sagt mal, Leute, wollen wir hier
wirklich nur dumm herumsitzen und Lyr die Kastanien alleine aus dem
Feuer ziehen lassen?«, sagte Norman.
Es folgte auf Normans Frage ein kurzes Schweigen.
»Du hast Recht, Norman, wir können
Lyr die ganze Sache nicht alleine austragen lassen, ich schlage vor,
dass wir Lyr nachschleichen.«, fügte Katja hinzu.
»Und wenn es brenzlig wird?«,
warf Gregor ein.
»Na, dann stehen wir ihm natürlich
zur Seite, was sonst?«, gab Peter tapfer von sich.
»Und wie, wenn ich mal fragen darf?
Keiner, aber auch niemand von uns hat irgendeine Erfahrung im
Nahkampf gemacht, oder?«, protestierte Gregor aufs Schärfste.
»Mann, Gregor, bist du vielleicht ein
Heuchler. Du Angsthase, dann bleib meinetwegen hier. Ich jedenfalls
werde hier nicht tatenlos herumsitzen und Lyr die ganze Drecksarbeit
alleine machen lassen.«, sagte Susanne fest entschlossen,
während sich die anderen schon zum Kampf fertig machten, fest
entschlossen, dem Feind entgegenzutreten. Gregor gefiel das ganze
überhaupt nicht. Doch alleine wollte er auch nicht zurückbleiben
und schloss sich daher den anderen an. Mit ernsten
Gesichtern und dem Mut der Verzweiflung gingen sie auf die Spur des
Androiden.
Wie schon von Lyr gelernt, formierte sich die
Gruppe zu einer Linie und pirschte sich durchs Dickicht. Norman übernahm
dabei die Rolle von Lyr, der sich vermutlich schon an der Lichtung
befand. Vor Norman lag ein mächtiger Baumstamm, der
vermeintlich von einem Sturm entwurzelt wurde. Er hob wie eine
Katze, die sich auf Beutezug befand, sein rechtes Bein und sprang
mit einem gigantischen, ja kolossalen Satz darüber hinweg.
Auf der anderen Seite angekommen ging er
sogleich wieder in gebückter Haltung weiter, wobei er aber
gleich wieder stehen blieb um in Horchhaltung überzugehen.
Plötzlich hörte Norman ein Geräusch in seiner Nähe
und winkte mit seiner rechten Hand, um die anderen zu verständigen,
in Deckung zu gehen. Sofort gab Katja, die sich von Norman nur
einige Meter entfernt aufhielt, das Zeichen weiter.
»He, Norman, was ist los?«,
flüsterte Katja, wobei sie auf allen Vieren zu Norman hinüber
kroch.
»Sei leise, Katja, ich glaube, da ist
jemand.«, sagte Norman aufgeregt.
»Wo denn? Ich kann nichts sehen.«,
bekräftigte Katja.
»Dort, hinter dem großen Busch.«,
deutete Norman.
»Nimm doch den Laser und brenne diesem
Bastard einen Schuss auf seine Schuppen?«, schlug Katja vor.
»Das habe ich schon versucht, doch es
funktioniert nicht.«, ärgerte sich Norman.
»Mist, was machen wir denn jetzt,
Norman?«, fragte Katja.
»Was weiß denn ich. Am besten wird es
sein, dass wir vorerst in Deckung bleiben und abwarten?«,
schlug Norman vor.
»Ich werde am besten jetzt die anderen
zu uns herwinken, okay?«, sagte Katja.
»Ja, in Ordnung, aber sie sollen her
kriechen und leise sein.«, gab Norman die Order.
Als sich alle wieder vereint sahen, fühlte
die Gruppe sich in ihrem Vorhaben bestärkt. Doch die Angst, was
bei dem Ansturm auf der Lichtung alles geschehen könnte, blieb
auf ihren Gesichtern stehen. Das Geräusch wurde immer lauter
und lauter und schien sich in ihrer Richtung zu bewegen. Schweiß
stand einigen auf der Stirn, Norman hielt seinen Laser immer fester
in seiner Hand. Obwohl er nicht funktionierte, trug er dennoch die
Hoffnung in sich, damit bluffen zu können, falls sich nun
gleich der Feind zeigte. Geknister von zertretenem Geäst
konnte die Gruppe schon wahrnehmen, so nah schien sich schon der
Feind vor ihnen zu befinden. Gespannte Gesichter sahen der Richtung
entgegen, aus dem die Geräusche kamen. Schauderhafte Szenarien
malten sich einige aus, die sich nunmehr wie Gift in ihrem Gehirn
einbrannten und ihre Ängste nur noch verstärkten.
Doch bereit waren alle. Bereit, ihren Tribut
für ihr Überleben zu zollen. Dann folgte eine
Schrecksekunde, als sich der angebliche Feind zeigte. Absolute
Hochspannung überfiel die Gruppe.
»Was macht ihr denn hier? Ich sagte doch,
dass ihr zum Lager zurück solltet!«, als die Gruppe Lyr
sah und nicht den Feind, fiel ihnen ein Stein vom Herzen.
»Du, Lyr? Gott sei es gedankt, ich hätte
mir beinahe in die Hosen gemacht. Warum musst du dich denn so
anschleichen?«, fragte Norman.
»Meine Sensoren sagen mir nicht, um wen
es sich dabei handelt, sondern nur, dass sich jemand in meiner Nähe
befindet.«, erwiderte Lyr ruhig.
»Mann, bin ich froh, dass dieser Scheiß
Laser nicht funktionierte. Nicht auszudenken, was diese Strahlen mit
dir gemacht hätten.«, ergänzte Norman seine
Gedanken.
»Na, ich
schätze, sie hätten ihn in einen Schrotthaufen zerlegt.«,
lästerte mal wieder Gregor.
»Das finde ich gar nicht lustig,
Gregor!«, konfrontierte Katja Gregor mit lautem Ton.
»Danke für deine Hilfe, Katja. Und
dich, Gregor, muss ich leider enttäuschen. Der Laser ist in einem
einwandfreien Zustand. Er feuerte seine Strahlen nur deshalb nicht
ab, weil sich in seinem eingestellten Radius von 30 Metern, kein
organisches Leben aufhielt. Und ich, wie du sicherlich schon
bemerktest, war zu der fraglichen Zeit der einzige, der sich in
diesem Radius aufhielt. Bin ich etwa aus organischem Bestand?«,
fragte er nun Gregor mit einem hämisch klingenden Unterton,
wonach Gregor sich unversehens von Lyrs Frage abwandte und sich
umdrehte, was Lyr wiederum entzückt bestätigte, diesen
Wortkampf gegen Gregor gewonnen zu haben.
»Lyr, was tun wir jetzt?«, fragte
Sarah so ganz nebenbei, obwohl sie die Antwort eigentlich schon
kannte.
»Zum Ersten befürchte ich, dass ihr
die Antwort schon wisst und zum Zweiten, dass ich euch nicht daran
hindern kann. Ihr habt vor, die Lichtung zu erstürmen, so ist es
doch, oder?«, wollte Lyr wissen. Was alle mit einem bejahenden
Kopfnicken bestätigten.
»Gut, so sei es. Dann lasst es uns tun,
okay?« Auch Lyr war nun fest entschlossen, dem Ganzen ein Ende
zu setzen. Keiner seiner Schützlinge hatte zu diesem Zeitpunkt
eine Ahnung, wie der Ansturm auf die Lichtung enden würde. Doch
trotz der schlechten Aussicht auf Erfolg waren sie sich noch nie in
ihrer Entscheidung so sicher. Dann kam der
Moment der Wahrheit. Lyr und die beiden Dogon sahen ruhig und
gelassen zu, wie sich der Rest der Runde die Hände reichte, um
sich ein letztes Mal Mut zuzusprechen.
Dann ein hasserfüllter Blick auf die
Lichtung, gefolgt von einem erlösenden Schrei des Angriffs. Und
alle begannen, wie von einem Rudel hungriger Wölfe gehetzt, der
Lichtung entgegenzustürmen. Sie rannten wie noch nie in
ihrem Leben, vorneweg Lyr, gefolgt von Schah Bacheme Te, genannt
der Gutmütige, und Schah Sachote Te, genannt der Weise, und
hinterdrein der Rest der Runde. Dann, nach weiteren hundert Metern,
die Lichtung. Im Nu schossen lichtergrelle Blitze über ihre
Köpfe hinweg, die durch die feindlichen Waffen abgefeuert
wurden. Norman schmiss sich mit einem gekonnten Hechtsprung hinter
ein halb verwittertes Wurzelwerk, um den Laserschüssen der
Feinde auszuweichen. Dann sah er hinter sich, um nach den anderen zu
sehen, die, wie er sehen konnte, auch schon in Deckung gegangen waren.
Das war es wohl. Durch den zu starken Beschuss durch die Feinde wurde ihrem
Ansturm auf die Lichtung ein jähes Ende gesetzt. Nur einer
ließ sich davon nicht aufhalten. Es war Lyr, der mal ein Stück
lief und dann wieder in eine knietiefe Haltung überging, um
mehrere Laserschüsse abzugeben. Wie tapfer und selbstlos doch
dieser Androide vorging. Begeisterung machte sich in der Gruppe
breit. Durch Lyrs tapferes Verhalten wurde die gesamte Gruppe so
sehr angespornt, dass sie sich im Nu wieder formierte und abermals
einen Angriff auf die Lichtung starteten. Schließlich, im
wirren Durcheinander kam dann das Unvermeidliche. Sarah, die noch
immer durch den Heilungsprozess ihrer Kinderlähmung gehandicapt
war, also mit den anderen nicht so ganz mithalten konnte, wurde von
einem der Strahlen getroffen und fiel neben ihrem Vater zu Boden.
Als Stephan seine Tochter bewusstlos zwischen dem losen auf dem
Boden herumliegenden Geäst liegen sah, ließ er einen
verzweifelten Schrei los, der sich bis in sämtliche Eingeweide
der gesamten Gruppe bohrte. Von diesem Schrei der Verzweiflung
aufgeschreckt sammelten sich alle, wo Sarah verletzt lag, hoben sie
mit vereinten Kräften auf und verschanzten sich mit ihr hinter
einer dichteren Baum- und Buschgruppe, um vor des Feindes Beschuss
einigermaßen sicher zu sein. Wortlos standen alle um die daliegende
und sichtlich schwerverletzte Sarah herum. Kniend legte
Stephan ihren Kopf auf seinen Schoss. Zärtlich strich er ihr
mit seinen Händen über ihre Wangen, während er weinte
und ratlos immerzu mit seinem Kopf schüttelte.
»Nicht meine kleine Sarah, nicht mein
Töchterchen, nein, nicht sie!«, sprach er immer und immer
wieder laut in sich hinein. Noch immer standen alle schweigend um
Sarah und ihren Vater in einem Kreis herum. Auch sie konnten dieses
Unglück nicht begreifen, geschweige denn, geistig und seelisch
verarbeiten. Stephan hob seinen Kopf und sah seinen Gefährten
einem nach dem anderen tief in die Augen. Besonders den beiden
Dogon warf er nun einen verzweifelten, ja mit Wut erfüllten Blick
zu.
»Na, seid ihr nun zufrieden? Hättet
ihr uns nicht von unserem Planeten verschleppt, wäre das
nicht passiert!«, schrie Stephan die beiden an.
»Beruhige dich doch, Stephan, sie wird
bestimmt wieder gesund. Sie wird es schaffen.«, versuchte Lyr
zu beruhigen.
»Ich kann euch allen nur nahelegen,
wenn meine Tochter stirbt werde ich euch alle zur Verantwortung
ziehen. Darauf habt ihr mein Wort.«, besiegelte Stephan sein
Versprechen.
Keiner nahm Stephan diese Worte übel.
Jeder würde in diesem Fall seine Nerven verlieren, wenn es um
einen lieben Menschen geht. Auch all die anderen machten sich große
Sorgen um Sarahs Zustand. Plötzlich fing Lyr wieder einmal mit
seinen Augen zu rollen an, was ein klares Zeichen für seine
Schützlinge war.
»He, seht mal Lyr an, er rollt mal wieder
mit seinen Augen?«, deutete Gregor mit festem Ton.
»Du hast Recht, Gregor, das bedeutet,
dass uns wieder etwas bevorsteht, oder?«, warf noch Katja ein.
»Mann, nimmt denn diese Scheiße
überhaupt kein Ende?«, murrte Mary hinterher.
Gespannt beobachtete die Runde Lyr aufs
Genaueste. Bis schlagartig abermals auf der Lichtung ein Geräusch
zu hören war. Wie aus dem Nichts und aus heiterem Himmel
tauchte ein zweiter Raumgleiter auf.
Lyr, sag schon, kommen jetzt noch mehr von
diesen Ekelpaketen auf der Lichtung an?«
Doch ehe Lyr Susanne Antworten konnte,
erklang schon heftiges Kampfgetöse. Die gesamte Lichtung schien
zu brennen, so hell erleuchtet war sie nun. Man konnte sehen, wie
die Umrandung der Lichtung, wo noch einige Bäume standen,
regelrecht in tausende von Stücken zerfetzt wurde, die sich
weit in den Wald verstreuten. So ging es einige Minuten lang. Dann
war es wieder still geworden.
»Lyr, was ist denn nun, was melden deine
Sensoren?«, drängte Stephan, fast wahnsinnig vor Sorge
um seine schwerverletzte Tochter.
»Ich habe gerade eben eine Nachricht
erhalten. Es ist einer unserer Raumgleiter.« Zum Ärger
aller machte Lyr mal wieder ein Geheimnis daraus.
»Meine Güte, Lyr, so lass doch jetzt
deine Geheimnistuerei. Was für eine Nachricht hast du denn
erhalten?«, quengelte mal wieder Gregor herum.
»Hiermit verkünde ich euch, dass
wir gerettet sind. Die Feinde wurden in die Flucht geschlagen und
die Lichtung übernommen. Wir sollten aber nunmehr keine Zeit
verlieren. Ich trage Sarah und ihr folgt mir. Sie warten bereits auf
der Lichtung auf uns.
Es folgte ein Aufschrei der Erleichterung.
»Noch eines vorweg, mein Bester:«,
deutete Katja mit heiserer Stimme.
»Gerne doch, Katja?«, erwiderte
Lyr bedächtig.
»Was wird denn nun aus der
unterirdischen Stadt, falls sich dort tatsächlich einige dieser
Kreaturen eingenistet haben?«
»Nun, das wird in der nächsten
Zeit der Hohe Rat entscheiden müssen.«
Ganz sanft und äußerst vorsichtig
erhob Lyr die schwerverletzte Sarah und schritt in Richtung
Lichtung, gefolgt vom Rest der Gruppe, wo sie bereits erwartet
wurden. Während Lyr Sarah in seinen Armen trug, hielt Stephan
die Hand von Sarah und fügte in seinen Gedanken ein kleines
Gebet hinzu. Nach einer Weile erreichten alle die Lichtung und
stiegen in den Raumgleiter hinein, wo Sarah sofort in eines der uns
schon bekannten durchsichtigen Behältnisse gelegt
wurde. Dann, wie von Zauberhand, verfiel Sarah in eine Art Tiefschlaf,
wobei auch bei den Betreffenden eine gewisse Körperstarre
einsetzte, die absichtlich von den Dogon hervorgerufen wurde. Somit
bezweckten die Dogon, dass sich gegebenenfalls innere Verletzungen
nicht verschlimmerten. Stephan harrte noch eine Weile neben dem
durchsichtigen sargähnlichem Behältnis aus. Im nächsten
Augenblick erhob sich der Raumgleiter von der Lichtung und tauchte
mit einer ungeheuren Geschwindigkeit in die Fjorde des unendlichen
Alls in Richtung des Mutterschiffes ein.
»Macht euch keine Sorgen, Sarah kann nun
überhaupt nichts mehr geschehen.«, tröstete Lyr,
als er in die betroffenen Gesichter seiner Schützlinge sah. Was
aber sichtlich nicht viel zu nützen schien. Mit Ausnahme von
Norman und Katja, die es sich natürlich nicht anmerken ließen,
und die von den medizinischen Möglichkeiten der Dogon wussten.
Sanft strich Stephan mit seinen beiden
Händen über Sarahs Wangen. Man konnte ihm ansehen, dass er
schwer schluckte und sich große Selbstvorwürfe machte.
Lyr näherte sich ihm und griff ihn leicht an seiner rechten
Schulter, um ihm deutlich zu machen, dass es Zeit wurde, den
sargähnlichen Behälter zu schließen und den so
wichtigen Tiefschlaf von Sarah nicht länger zu stören.
Die Stunde verging
sprichwörtlich wie im Fluge und schon näherten sie sich
dem Mutterschiff. Erschöpft, schmutzig und mit den Nerven
völlig am Ende, ging ein jeder sofort in sein Quartier, mit der
Ausnahme von Stephan, der noch eine Weile im Genesungsraum bei seiner
Tochter Sarah blieb.
»Stephan, du musst jetzt den Raum
verlassen. Deine Tochter braucht jetzt unbedingt die heilende
Strahlung.«, forderte Lyr ihn auf.
»Heilende Strahlung? Was für eine
heilende Strahlung denn?«, fragte Stephan schockiert nach.
»Dir das zu erklären, würde
mehr Zeit in Anspruch nehmen, als wir für deine Tochter haben.
Ich versichere dir, dass ihr nichts geschieht. Bis morgen früh
ist sie wieder völlig gesund und munter. Man könnte auch
sagen, wieder völlig heile.«, vergewisserte er Stephan.
»Lyr, kann ich denn nicht doch noch eine
Weile bei ihr bleiben?«, fragte Stephan nach.
»Aber Stephan, du könntest ihr doch
nicht helfen. Du müsstest außerhalb des Genesungsraumes
bleiben, weil die Strahlung dir schaden würde, da sie nur auf
ihre Genetik eingestellt ist. Und zudem, sieh dich doch an. Du bist
völlig erschöpft.
»Na schön, Lyr, sicher hast du
Recht, wie meistens.«, erwiderte Stephan mit einem leichten
Schulterzucken.
»So ist es brav, Stephan, morgen sieht
alles wieder anders aus. Sarah wird mit Bestimmtheit zum Frühstück
erscheinen. Und das in aller Frische.«, beruhigte er ihn.
Dann begleitete Lyr Stephan noch bis zu
seinem Quartier und ging danach seinen gewohnten Kontrollgängen
nach.
Wenig später im großen Saal auf Etage 4, wo der Hohe Rat sich beliebte zu beraten:
»Meine Lieben! Wir sind nunmehr wieder
einmal zusammengekommen, um den schrecklichen Vorfall, der sich auf
Sinas ereignete, zu beraten, bei dem sogar unsere Erdengäste
bedroht und einer von ihnen sogar verletzt worden ist. Wie uns bereits
Lyr unser Androide berichtet hat, hat sich eine feindlich gesinnte
Spezies auf unserem zweiten Planeten versteckt und somit unser
Territorium verletzt. Zudem kommt noch erschwerend hinzu, dass diese
Spezies sich eventuell unsere unterirdische Stadt, also unseren
geheimen Zufluchtsort, besetzt hält. Da wir keine Spezies der
Gewalt sind, fiel es uns um so schwerer, zu entscheiden, einen
Angriff auf Sinas zu starten um unsere Interessen zu wahren. Diese
schlechte Botschaft sandten wir unserem Heiligen Xarmax und wir bekamen
sogleich folgende Weisung, die im übrigen beschlossene Sache
ist:«
Meine Brüder und Schwestern! Ein Angriff
gegen die feindlich gesinnte Spezies auf dem Planeten Sinas wird
abgelehnt. Der Planet Sinas wird hiermit aufgegeben. Wir dürfen
nicht Gewalt mit Gegengewalt vergelten.«
»So viel zu unserem Vorschlag an den
Heiligen Xarmax, die Spezies auf Sinas angreifen zu dürfen.
Trotz alledem sollten wir nun nicht verzagen.
Eine gute Nachricht bleibt ja trotz alledem bestehen, nämlich,
dass wir bald zu Hause sind und in den Orbit unseres geliebten
Planeten Goderijan eintauchen werden. Im Großen und Ganzen ist
unser Heiliger Xarmax mit unserer erfolgreichen und sehr langen
Reise im höchsten Maße zufrieden. Besonders auf unsere
Gäste, die Menschen, freut sich unser Heiliger Xarmax und kann
es kaum erwarten, sie im Heiligen Tempel empfangen zu können.
Aus diesem Anlass beschloss zudem unser Heiliger Xarmax, ein großes
Fest zu Ehren unserer Ankunft zu geben.«
Am nächsten Morgen, 7 Uhr 30 in Normans Quartier:
Norman befand sich gerade beim Rasieren, als
es an seine Tür klopfte.
»Ja, herein!«, brüllte Norman
vom Badezimmer quer durchs Quartier.
»Einen schönen guten Morgen
wünsche ich dir, Norman.«, äußerte sich Katja
wohlvergnügt und bei bester Laune.
»Ah, Katja, du bist es. Was verschafft
mir das Vergnügen?«, fragte Norman scherzhaft nach.
»Na, mir scheint, Lyr war noch gar nicht
bei dir. Also kannst du die brandneue Nachricht ja noch gar nicht
wissen.«, bemerkte Katja so ganz nebenbei.
»Was für eine brandneue Botschaft
denn?«, fragte nun Norman neugierig geworden nach.
»Na, dass wir sehr bald auf Goderijan
ankommen werden.«, verkündete Katja mit freudigem
Gesicht.
»Was, das ist doch kein Scherz von dir
Katja, oder?«
»Nein, Norman, das hat Lyr gesagt. Mann,
bin ich vielleicht froh, dass wir bald da sind. War Ne lange Zeit,
nicht wahr, Norman?«
»Natürlich war das ne lange Zeit,
dennoch, vergiss bitte nicht, dass wir die gleiche Zeit wieder nach
Hause brauchen.«, erinnerte Norman daran.
»Sicher, Norman, aber es geht voran und
das ist das Wichtigste, oder?«, konterte nun Katja.
»Natürlich, Katja, da hast du mal
wieder Recht. Aber lass uns nun frühstücken gehen, ja?«
»Natürlich, Norman.«
So begaben sich alle in den Frühstücksraum und erfreuten
sich der frisch schmeckenden Brötchen.
Während des Frühstücks fiel allen Stephan auf, der,
wie Lyr versprach, auf seine Tochter wartete.
»Sarah geht es doch gut, nicht wahr
Lyr?«, erkundigte sich Stephan.
»Aber gewiss doch, im übrigen würde
ich dir raten einmal nach rechts zu blicken, ich glaube, da möchte
sich noch jemand in unsere Runde setzen.«, verkündete
Lyr die frohe Botschaft.
Da stand sie nun, völlig gesund und
putzmunter. Stephan traute seinen Augen kaum. Nach dieser so
schweren Verletzung, die seine Tochter erlitten hatte, stand sie
lächelnd, als wäre überhaupt nichts passiert, vor dem
Eingang. Jetzt hielt ihn nichts mehr auf seinem Stuhl. Geschwind wie
eine Katze stürmte er von seinem Platz auf Sarah zu. Bei ihr
angekommen fielen sich die beiden herzzerreißend in die
Arme.
»He, ihr beiden, wollt ihr euch denn
nicht zu uns setzen?«, scherzte nun Mary, wobei ihr ein Stück
Wurst aus dem Mund fiel.
»Seht euch
doch mal Mary an, sie braucht womöglich bald ein
Sabberlätzchen.«, spaßte nun auch Peter, der sich
vor Lachen kaum noch halten konnte. Und so saßen sie nun alle
zusammen, glücklich vereint und teilweise vergessend, dass auf
sie noch eine große Aufgabe wartete. Mit der Zeit entpuppte
sich das Frühstück als eine Schabernacksrunde, in der
offensichtlich ein jeder auf seine Kosten kam. Bis aus noch
unerklärlichen Gründen, und ganz plötzlich, das
Raumschiff leicht erbebte.
Norman sah auf die vor ihm stehende Tasse, in
der sich noch etwas Tee befand. Er beugte sich vor, um sich besser in
dem goldenbraunen Sud spiegeln zu können. Mit jedem Beben, die
sich nun häuften, gewann es an Stärke. Dann sah Norman, wie
sich sein Abbild in dem spiegelnden Sud des Tees immer mehr und
mehr verzerrte, bis schließlich diesem Schauspiel ein jähes
Ende folgte. So wie dieses Beben und Erzittern kam, so erlosch es
auch schnell wieder. Mit einem Male herrschte Totenstille im
gesamten Essenssaal. Viele verwunderte Gesichter, vor allem der hier
bis zu zweihundert anwesenden Dogon, blickten um sich, um die
Ursache des kleinen Bebens zu ergründen. Auch die Runde suchte
in ihren leicht und starr erschrockenen Gesichtern eine Erklärung
zu finden. Nach weniger als einer Minute schien dieser Vorfall wieder
vergessen zu sein und jeder widmete sich seines eigentlichen
Vorhabens, nämlich gemütlich zu Frühstücken.
»Lyr, ich will ja nicht neugierig
erscheinen, aber kannst du mir sagen, was das eben zu bedeuten
hatte?«, schaltete sich mal wieder Gregor als erster ein.
»Ehrlich gesagt weiß ich das auch
nicht. Meine Sensoren zeigten keinerlei Gefahr an. Und auch in der
Kontrollstation ist alles in Ordnung. Es zeigte sich lediglich eine
kleine Gravitationsstörung in der Leitmatrix der
Steuerungseinheit des automatischen Steuerungssystems des
Hauptcomputers. Darüber sollten wir uns im Allgemeinen
keine Sorgen machen, da dies durchaus eine natürliche Ursache
haben kann. Es könnte zum Beispiel geschehen, wenn ein
Stern stirbt. In seinem Sterben bringt er ganze Systeme zum
schwanken und aus dem Gleichgewicht, die sich aber nach einer gewissen Zeit
wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzen. Dadurch entstehen
wellenartige Formationen, die sich durch eine ganze Galaxie
ausdehnen können. Ihr müsst euch eine Tsunamiwelle auf
euren Weltmeeren vorstellen, die sich auf eure Küsten zubewegt.
Ich denke, dass wir eben so eine Art Weltraum-Tsunami
erleben durften.«, erzählte Lyr begeistert, der sich mal
wieder in seinem Element zu fühlen schien.
»Ein Weltraum-Tsunami, Lyr? Bist du dir da
ganz sicher?«, fragte Gregor nach.
»Sicher, nein. Natürlich bin ich
mir nicht sicher. Ich schlussfolgerte nur aufgrund des Berichtes
des Computers. Ich kann mich natürlich auch irren.«,
entgegnete Lyr. Und wie sich Lyr irrte.
Nach einer kurzen Weile, die meisten hatten
schon den kleinen Vorfall vergessen, das Frühstück neigte
sich dem Ende zu, begann es plötzlich wieder zu beben. Doch
dieses Mal schien es bei einem leichten Beben nicht zu bleiben. Dann
erfolgte ein schriller Alarmton. Es bebte diesmal so stark, dass die
Tassen, ja alles was sich auf den Tischen befand, zu tanzen anfing.
Es wurde immer stärker, das Beben, und so langsam wurden die
sich im Essenssaal befanden, nervös. Einige unserer Runde am
Tisch, versuchten sich verzweifelt am Rand des Tisches festzuhalten.
Zwecklos, denn das Mutterschiff begann, sich merklich zur
Seite zu drehen und zwar so stark, dass durch die künstliche
Schwerkraft, die an Bord wirkte, die Tische und auch die Stühle mitsamt
denjenigen die auf ihnen saßen, in genau diese Richtung
rutschten. Die Neigung des Mutterschiffes erfolgte nun so arg, dass
man das Gefühl bekam, es habe vor, sich auf den Kopf zu
stellen. Viele fingen zu schreien an, als die Erschütterungen noch mehr an
Intensität zunahmen. Ein Chaos hoch zehn folgte
sogleich. Sie stolperten, sie fielen wie kleine Spielbälle
umher. Einige versuchten dümmlicherweise, den Essensraum
fluchtartig zu verlassen, doch wohin sollten sie denn flüchten?
Sie befanden sich doch in einem Raumschiff und nicht auf einer
Oberfläche in einem Gebäude, wo sie sich hätten nach
draußen retten können. Andere umklammerten sich,
schupsten gegeneinander, so dass man den Eindruck gewann, es handele
sich um ein Kampfschauspiel in einer frühgeschichtlichen Arena
der Römer, und nicht um eine Panik. Wiederum schwächte
sich das Beben ab und die entsetzten Gemüter beruhigten sich
allmählich wieder. Unsere Runde war einige Meter von ihrem
Tisch ringsherum verstreut. Katja und Norman lagen in einer Ecke des
Saales eng umschlungen und natürlich fassungslos. Der Rest
befand sich auch nicht weit. Gregor zum Beispiel hatte nur einen
Stuhl gefunden um dessen Beine er sich klammerte und jammerte wie
ein kleines Kind. Dann war das Beben völlig erloschen. So als
hätte es nie stattgefunden. Allmählich beruhigten sich die
Gemüter wieder und es war wieder still im Essenssaal geworden.
Totenstille beherrschte nun den Saal. Sofort begannen einige, die
Tische und Stühle wieder aufzuräumen, ja, sie wieder an
ihren ursprünglichen Platz zu stellen. »He, sagt mal, hat
irgendjemand von euch Lyr gesehen?«, fragte Susanne leise,
fast ängstlich.
Alle verneinten schulterzuckend.
»Da, seht mal, was leuchtet da hinten
unter dem Tisch?«, entdeckte Gregor. Sofort ging die gesamte
Runde dorthin. Es war Lyr der Androide, der so leuchtete. Lyr lag
auf seinem Rücken und leuchtete in allen nur erdenklichen Farben.
»Was hat er denn? Warum steht er denn
nicht auf?«, fragte Sarah verständlicherweise.
»Er hat sich anscheinend verletzt.«,
sagte Katja.
»Wahrscheinlich sind ihm ein paar Drähte
durchgebrannt.«, machte sich Gregor mal wieder lustig.
»Gregor! Hör endlich mit deinem
Geläster auf, sonst vergesse ich meine gute Erziehung und hau
dir eine auf dein Schandmaul!«, warnte ihn Norman, der
eigentlich kein gewaltsamer Mensch ist.
»Los, helfen wir ihm aufzustehen.«,
schlug Katja vor. Was sie auch gleich in die Tat umsetzten.
Als Lyr dann endlich wieder auf seinen künstlichen Beinen zum
Stehen kam, guckte er nicht schlecht. Von seinem Fall wusste er
scheinbar nichts und offenbar kam er erst beim Aufstehen zu sich.
»Was ist geschehen? Warum haltet ihr
mich denn fest?, fragte Lyr, sichtlich in seiner Emotionsmatrix
verwirrt.
Was genau diesen Defekt auslöste, können
wir dir auch nicht sagen, aber wenn, dann musst du während
des Bebens beschädigt worden sein. Oder was meinst du?«, fragte
Norman.
»Tja, da mögt ihr vielleicht Recht
behalten. Ich werde mich testen und sofort meinen Hauptspeicher auf
Fehler überprüfen. Ihr entschuldigt mich bitte für
einen Augenblick, ja?«
»Aber natürlich, Lyr. Wir warten
dann so lange.«, gab Katja Lyr zur Antwort.
Interessiert beobachtete die Runde Lyr bei
seiner Selbstüberprüfung. Und schwupps, war er auch schon
fertig.
»War das alles, Lyr?, wollte Gregor wissen.
»So beruhigt euch schon. Mit mir ist
alles in Ordnung. Der Sturz hat nichts mit meinem fast kompletten
Ausfall zu tun, soviel ist sicher. Doch muss ich zu meinem größten
Bedauern feststellen, dass ich doch nicht so perfekt bin wie
angenommen. Es gibt also doch etwas, was mich außer Gefecht
setzen kann. Während des Bebens erfasste eine gewisse, mir
noch unbekannte Strahlung, mein komplettes System.«, stellte
Lyr zu seinem Bedauern fest.
»Du meinst, dass diese Strahlung dir
einen Virus verpasst hat. So wie es auf unseren Computern auf der
Erde öfter vorkommt?«, unterbrach Mary.
»Nicht ganz, aber so ungefähr.«,
antwortete Lyr.
»So weit, so gut, Lyr, aber was mich noch
viel mehr interessiert ist, woher eigentlich diese Strahlung
kam. Kann es denn sein, dass es mit diesem unbekannten
'Weltraumtsunami' zu tun hat?«, fragte nun Norman beherzt nach.
»Nun, ich möchte euch diesbezüglich
nicht in Aufregung versetzen, solange ich nichts Genaueres darüber
weiß.«
Der Runde fiel auf, dass Lyr mal wieder etwas
vor ihnen zu verbergen versuchte. Sie wussten nur allzu gut,
dass Lyr es nicht böse meinte, etwaige Informationen zu
verbergen. Meist tat er dies nur, wenn es Informationen waren, die
die Runde in Aufregung versetzen könnten.
»Lyr, wir kennen dich doch. Du bist mit
Abstand der schlechteste Lügner im gesamten Universum. Also,
nun spann uns nicht auf die Folter und rück mit der Wahrheit
raus.
»So sei es denn: Es ist etwas
schreckliches geschehen. Dieses Beben, das wir gerade eben
verspürten, stammte nicht, wie von mir angenommen, von einem
Weltraum-Tsunami, sondern von einer sterbenden Welt.« Lyr
senkte seinen Kopf und nach kurzem Zögern fing er schließlich
zu erzählen an:
»Die Welt
der Bhakunus ist vollständig zerstört worden. Ich weiß,
dass dieses Volk euch nicht bekannt ist. Doch erlaubt mit bitte,
euch ein bisschen von ihnen zu erzählen. Wir lernten das Volk
der Bhakunus vor etwa 750 Erdenjahren auf einer unserer
Expeditionen kennen. Sie waren uns von Anfang an friedlich gesinnt.
In jener fernen Zeit befanden sich die Bhakunus, genau wie wir, auf
einer Expedition. Und in den folgenden Jahrhunderten entwickelte
sich zwischen uns eine tiefe und innige Freundschaft. Zum Wohle
aller tauschten wir unser Wissen aus und lernten so manches Neue
und Nützliche dazu. Das einzige Handicap, das sich uns in den
Weg stellte, war die enorme Entfernung, die zwischen ihrer und der
unseren Welt lag. Also beschlossen wir, uns nur alle 30 Erdenjahre,
und das abwechselnd, auf unseren Planeten zu besuchen. Ansonsten
beschränkten wir uns auf einer Art mündlichen
Signalsprache, die ihr aber mit der euren Art wie Funkwellen,
Radiowellen, Impulse, usw. nicht vergleichen dürft. Und nun ist
dieses Volk, die wir als unsere Freunde sahen, für alle Zeiten
ausgelöscht. Unser gesamtes Volk befindet sich in tiefster
Trauer.
» Oh.. Gott, was für ein grausames
Schicksal doch dieses arme Volk ereilte.«, wandte Peter
mit leicht zitternder Stimme ein.
Auch die anderen machten sich ernsthafte
Gedanken darüber und sandten Lyr Blicke zu, die keinerlei Worte
mehr bedurften. Ihre Gedanken kreisten ins Unbegreifliche. Sie
konnten nicht verstehen, dass es Völker im Universum gab, die
keinerlei Emotionen, also Gefühle und, wie wir Menschen es
bezeichnen würden, Menschlichkeit, besaßen. Die so mir
nichts, dir nichts, ganze Welten auslöschten, nur um an ihre
Ressourcen und Bodenschätze zu gelangen, sozusagen plünderten.
Nun, eine ganze Weile verharrte die gesamte Runde im tiefen und
emotionalen Schweigen. Bis dann Katja Norman ansah um ihn
schweigend zu bitten, diese Situation zu entspannen. Was Norman
sogleich in Angriff nahm.
»He.. Leute so beruhigt euch doch. Ich
bin der Meinung, wir gehen ein bisschen in den Aufenthaltsraum und
lassen so richtig die Sau raus. Wir könnten doch die
Spielautomaten so richtig zum Glühen bringen, na was meint ihr
dazu? Und Norman wartete auf eine Reaktion.
»Ja, das ist eine ausgezeichnete Idee,
Norman.«, warf Lyr nun in die Runde ein.
Der Rest der Gruppe schien nicht sehr viel
von diesem Vorschlag seitens Norman zu halten, dennoch bejahten sie
schweigend mit einem Kopfnicken. Dann machten sie sich geschlossen
auf den Weg in dem Aufenthaltsraum.
*
Währenddessen auf Sinas, in der
unterirdischen Stadt, wo sich der Feind, sozusagen die bis jetzt
aggressivste Spezies, eine Art Ausgeburt der Hölle, in diesen
Quadranten der Goderijaner einschlich:
Eines war den Dogon
(Goderijanern) klar, diese Spezies hatte es nicht alleine auf den
Planeten Sinas abgesehen, nein, er diente ihnen lediglich als
Zwischenbasis, um einen weiteren Angriff auf Goderijan vorzubereiten.
Von wo dieses bösartige Volk genau herkam wussten die
Goderijaner bis heute nicht. Doch eines war bereits bekannt, sie
verhielten sich wie Wanderheuschrecken oder Wanderameisen, die auf
ihren Streifzügen von Quadrant zu Quadrant fremde Welten
überfielen, systematisch alles Leben auslöschten, um zu
plündern was ihnen nur zwischen die Finger geriet. So schnell
wie sie kamen, so schnell verschwanden sie auch wieder, und was sie
hinterließen, war Leid und Elend und völlig zerstörte
und ausgebrande Planeten. Wie schon bekannt, war das Volk der
Goderijaner kein gewalttätiges Volk, doch es blieb ihnen am
Ende nur eines übrig, wenn sie überleben wollten, nämlich
der Kampf der Verteidigung. Eine harte Zeit für das Volk der
Goderijaner, sie hatten schon genug Probleme auf ihrem Planeten, mit
einer Krankheit die sie selbst als die 'unendliche Traurigkeit'
bezeichneten, mit der sie sich einst auf der Erde infiziert hatten und an der von
Generation zu Generation immer mehr dieser Nachkommen verstarben.
Obwohl der Heilige Xarmax befahl, dass Gewalt
nicht mit Gegengewalt vergolten werden soll, wird ihm am Ende, so
kam auch der Hohe Rat zu dem Entschluss, nichts anderes übrig
bleiben, als seine Welt und sein Volk zu verteidigen.
Der Anführer der Angreifer in der unterirdischen Stadt
auf Sinas:
»Aheele loo Lupthaee illgolh haofehe ebt
uftebwah, Goderijaner.
»Endlich ist es bald soweit und wir
werden dieses primitive Volk der Goderijaner endgültig
ausrotten und dieser Quadrant mit diesem Planeten wird bald uns
gehören!
Kapitel 17, Ankunft auf Goderijan
Anfang und Kapitelübersicht
© 2012 by Peter Althammer
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