Kapitel 15
Urlaub auf Sinas
Alle hatten einen schweren Tag hinter sich und
alle hatten einen Bärenhunger und alle wurden so langsam aber
sicher etwas wütend auf Sarah, selbst ihr Vater verdrehte die
Augen, als Sarah wieder von vorne mit ihrer Fragerei begann.
Mittlerweile musste sie doch wissen, dass Lyrs Lieblingsbeschäftigung,
ja sogar sein Hobby war, nämlich zu reden und das meist ohne
Unterlass.
»Durchaus nicht Fräulein Sarah,
durchaus nicht. Zwischen einer konventionellen Küche, wie ihr
sie aus eurer Heimat kennt, die viel Platz einnimmt und nicht
selten Stunden in Anspruch nimmt und noch dazu sehr viel Energie
verbraucht ja, da gebe ich dir in allen Punkten Recht. Wenn du dies
als Küche deklarierst. Doch dieses mit unserer
Verfahrensweise zu vergleichen, ist schlichtweg falsch. Denn jedes
Menü ist bei uns schon Fix und fertig und hat eine Größe
wie die eines Knopfes, wie sie Katja auf ihrer Bluse trägt. Egal
welches Menü auch immer, es ist und hat die Größe
von nicht einmal einem halben Zentimeter. Dieses auf einen
Bruchteil seiner Größe dezimierte Menü wird anschließend durch ein
kompliziertes Verfahren wieder in seine Ursprungsform zurück
gebracht, ohne dabei an Qualität, Geschmack, Aussehen und
Gewicht zu verlieren. Dadurch sind wir in der Lage, für zwei
bis drei Jahrzehnte, natürlich in eurer Zeitrechnung,
Lebensmittel platzsparend in den untersten Frachträumen zu
lagern. Hätten wir nicht diese
Technik, wären wir nicht in der Lage, mit einer Besatzung von
insgesamt 2300 - oh ich vergaß euch dazu zu zählen, bitte
entschuldigt diesen Fehler, ich wiederhole - währen wir
nicht in der Lage, mit insgesamt 2308
Besatzungsmitgliedern mehrere Jahrzehnte in den Entferntesten
Winkeln des Universums zu reisen. Trotz der enormen Größe
unserer Raumschiffe hätten wir niemals soviel Platz, um für
jeden einzelnen die überlebenswichtigen Nahrungsmittel
unterzubringen. Und wenn es möglich wäre, davon nur ein
Prozent auf dem Raumschiff unterzubringen, dann könnte ich
ihnen exakt ausrechnen, für wie lange dieser Vorrat reichen
würde, nach ein bis zwei Monaten wäre die Reise wegen
Nahrungsknappheit beendet und von vorne herein zum Scheitern
verurteilt gewesen, weil die Vorräte schon alle aufgebraucht
wären. Wie sie nun erkennen müssen, Fräulein Sarah
würden wir nicht sehr weit kommen, es wäre für uns
unmöglich, in ferne Galaxien vorzudringen. Obwohl wir technisch
natürlich in der Lage sind, um vieles mehr als die
Lichtgeschwindigkeit durch den Raum und die Zeit zu reisen und
dadurch in die entferntesten Winkel des so großen Universums
vorzustoßen, würden wir kapitulieren müssen. Ich
hoffe, ich konnte ihnen helfen, Fräulein Sarah. Zu guter Letzt
noch eines, scheuen sie sich nicht, mich zu befragen, wenn Sie
irgendetwas auf dem Herzen haben. Wenn es mir möglich ist,
werde ich ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen.«
»So und jetzt lasset uns zum Abendmahl
schreiten. Ich darf doch voran gehen?« Und während
allesamt geschlossen, Lyr den Androiden zum Abendmahl folgten,
übernahm Lyr die Führung.
Während sie alle Lyr folgten, der in Richtung
Lift ging, befand sich eine Person in dieser Gruppe in
einem Gewissenskonflikt. Es war Sarah. Sarah fühlte sich nicht
sehr wohl bei dem Gedanken, so unfair gegenüber Lyr gewesen zu
sein. Auch das Misstrauen gegenüber Norman und Katja machte ihr
schwer zu schaffen. Nach und nach und recht spät begriff sie
Lyrs Versuch, zwischen ihr selbst und den anderen eine
Freundschaft, ein Kollektives miteinander auf der Basis des
Vertrauens in der Gemeinschaft aufzubauen. Ja, Sarah hatte ein
schlechtes Gewissen. Ihr wurde klar, dass sie alle durchschaut
hatten, dass alle ihre Versuche, Norman und Katja zu denunzieren
(beschuldigen), durchschaut wurden und sie sie deswegen verurteilen
und von nun an keines Vertrauens mehr würdigen
würden. Und wie erst musste sich ihr Vater für ihr
Handeln und Tun schämen. Natürlich wusste ihr Vater von
ihrem Vorhaben. Doch glaubte er bestimmt nicht, dass seine niedliche
kleine Sarah tatsächlich im Stande war, dieses Vorhaben zu
realisieren. Sarah beschloss, während des Abendmahls bei der
erstbesten Gelegenheit, sobald alle beisammen waren ohne zu
lügen die Karten offen und ehrlich auf den Tisch zu legen und das
ohne Wenn und Aber. Viele Fragen wurden während des
Abendmahls gestellt und auch beantwortet. Pro und Kontra gab es in
Hülle und Fülle. Es artete zu einer Diskussionsrunde
aus. Nur Sarah hüllte sich noch in Schweigen. Es fiel ihr
offensichtlich schwer, sich zu öffnen und sich vor allen Augen
ihr Unrecht einzugestehen, bis Katja die heiße Diskussionsrunde
abrupt beendete. Während des Abendmahls beobachtete Mary
Sarah schon eine ganze Weile. Ihr fiel Sarahs trauriger
Gesichtausdruck auf. Sie bekam das Gefühl, dass Sarah einen
innerlichen Kampf mit sich selbst führen musste. Ja, dass Sarah
etwas bedrückt. So beschloss Katja dem herzzerreisenden Anblick
seitens Sarah, ein jähes Ende zu bereiten und schlicht und
einfach einzugreifen. Noch befanden sich die Restlichen der Gruppe
in wilder und ungezügelter Diskussion und waren daher kaum zu
bremsen.
»He, Leute, hört mal her!«,
doch diese zeigten keinerlei Reaktion auf Katjas bitten.
»So hört doch mal zu!«, doch
es folgte wieder mal keine Reaktion. Katja wurde langsam aber sicher
etwas Sauer.
»Verdammt noch einmal, haltet endlich
die Klappeeeee.« Katja schrie offenbar so laut, dass nicht nur
die Runde an ihrem Tisch völlig verdutzt keinen Ton mehr
herausbrachte und innehielt. Nein, auch die restlichen 350
Dogon, die sich wegen ihrer Vielzahl stündlich und in
Hundertschaften mit dem Abendmahl, also gruppenweise, abwechselten,
waren völlig stumm geworden, ja regelrecht wie zu Statuen
erstarrt saßen sie auf ihren Stühlen.
»Als Katja sich in dieser riesigen
Kantine, also dem Essenssaal, in allen Richtungen umsah und in die
erstaunten Gesichter der Dogon blickte und bemerkte, dass sämtliche
Blicke der Dogon auf den Tisch, wo ihre Runde saß, richteten,
lief ihr Gesicht knallrot wie eine Tomate an. Einige Zeit lang
verharrte auch Katja wie alle anderen im Saal schweigend der Dinge.
Dann stand sie ganz langsam und bedächtig von ihrem etwas
quietschenden Stuhl auf, schluckte erst einmal und holte dann ganz
tief Luft.
»Äh, da... das war eine Übung.
Eine Übung zur Überprüfung der Reaktion. Das tun wir
Menschen regelmäßig. Äh... lasst euch bitte nicht
stören. Ihr könnt weitermachen, ich meine weiter futtern,
ich meine weiter essen.« Dann herrschte plötzlich, wie
auf ein Kommando hin, wieder reges Treiben und pausenloses Geschnatter im
Saal.
»Katja, was sollte das eben? Eine Übung
zur allgemeinen Reaktion?«
»Meine Güte, Norman, mir fiel halt
in dieser peinlichen Situation nichts Besseres ein« erklärte
sie ihm. Katja sah, wie einige in der Runde zu schmunzeln begannen,
verziert durch ein kleines verstecktes Lächeln.
»Sag mal, Katja, du wolltest uns doch
vorhin etwas sagen, oder irre ich mich da?«, wollte nun Peter
wissen.
»Ja, hierbei geht es um Sarah.«
»Um Sarah?«, erkundigte sich
Stephan aufhorchend. Nervös geworden zappelte er wie ein
hyperaktives Kind auf seinem Stuhl herum.
»Ja, um Sarah.«, bekräftigte
Katja nochmals eingehend.
»Wieso sprichst du in Rätseln,
kannst du mir nicht gleich sagen, um was es dabei überhaupt
geht. Ich glaube, dass ich ein Anrecht darauf habe, es ist
schließlich meine Tochter und nicht die deine.«
»Jetzt mach mal halblang, Stephan, du
musst doch nicht immer gleich mit dem Schlimmsten rechnen, wenn es
um deine Tochter geht. Begreife doch endlich mal, dass sie kein
kleines Kind mehr ist.«, denunzierte Katja Sarahs Vater, der
aber, außer dumm aus der Wäsche zu gucken, anscheinend
keine Lust hatte, sich zu verteidigen und es stattdessen lieber
vorzog, den Mund zu halten.
»Sarah, es
ist nicht gut, wenn du alles in dir hineinfrisst. Egal was für
Probleme du hast, wir werden dich nicht damit alleine dastehen
lassen. Also, lass es raus und mach dein schweres Herzchen ein
bisschen leichter. Du wirst sehen, dass es dir dann viel besser
geht. Nur noch eines, Sarah, eine Freundschaft zerbricht nicht von
heute auf Morgen, es bedarf vieler kleiner Worte, bevor sie zerstört
ist.«, da hatte Katja nicht einmal so unrecht. Natürlich
wussten die meisten in der Runde, was Sarah bedrückte.
Denn, ganz zufällig, als Mary Sarah in
deren Quartier besuchen wollte und schon ein, zwei Schritte im Gang
vor deren Wohnung stand, bekam sie unweigerlich mit, wie sie ihrem
Vater von ihrem Vorhaben gegen Norman und Katja erzählte.
Selbst Lyr der Androide stand sozusagen auf ihrer Liste. Doch böse
war ihr keiner, die von Mary eingeweiht wurden. Das einzige was sie
von Sarah erwarteten, war eine ehrliche Aussage von ihr und zwar vor
allen Augen in der Runde der Neun. Mittlerweile zählten die
acht auch Lyr dazu.
Alle Augen waren nun auf Sarah gerichtet.
Beschämt und leicht errötet hob sie ihren Kopf und
erwiderte den Augenkontakt. Dabei sah sie von links der Runde bis
hin nach rechts zum letzten der acht jeden einzelnen kurz aber
intensiv in dessen Augen. Was ihr sichtlich sehr schwer zu fallen
schien. Doch jeder, dem sie in die Augen sah, erwiderte
Sarahs Blick mit einem freundlichen Lächeln. Damit
beabsichtigten sie, ihr zu sagen, egal was du tatest oder
gegen uns vorhattest, wir werden dir verzeihen und dein Problem in
der Gemeinschaft gemeinsam lösen. Langsam, stotternd und
zögernd, begann Sarah ihr Vorhaben dem Rest in der Runde zu
beichten. Dann folgte ein herzzerreißender und hoffender, in
Tränen getränkter Blick von Sarah. Um es ihr ein wenig
leichter zu machen, legten allesamt und ohne ein Wort darüber
zu verlieren, ihre Hände auf die ihren, die flach und
verschwitzt vor Aufregung auf dem Tisch lagen. Langsam aber
dennoch zögerlich verzogen sich ihre Mundwinkel erleichtert
und mit einem befreienden Blick zu einem süßen Lächeln.
Sarah begriff in diesem Moment, dass sie sich nicht zu bedanken
brauchte, noch auf irgendeine Weise Stellung beziehen musste. Es
war nämlich alles gesagt und getan. Sarah hatte das Vertrauen
und die Freundschaft der Runde wiedererlangt.
Als nun das Abendmahl beendet war, standen
alle auf und nahmen zur Bestätigung ihrer wiedergewonnenen
Freundschaften Sarah ganz fest in ihre Arme. Nach dieser herzlichen
Geste, begab sich die Runde langsam aus dem Essenssaal hinaus und
warteten geduldig auf Lyr den Androiden, der sich gerade mit einem
der höhergestellen Dogon auf goderijanisch unterhielt. Die
höhergestellten Dogon trugen im Allgemeinen orangefarbene
kuttenähnliche Gewänder. Tiefrote Gewänder jedoch
trugen nur die Mitglieder des Hohen Rates. Jeder Dogon musste ihnen,
wenn sie sich begegneten, stets an jedem Ort und zu jeder Zeit die
Ehre erweisen, indem er oder sie stehen blieben. Dann folgte ein
sehr kurzes Ritual, vor dem sich kein einziger, ja selbst die
höhergestellten der Dogon mit den orangefarbenen Gewändern
entziehen durfte. Als nächstes, unmittelbar nach dem stehenbleiben,
mussten sie kurz die Augen schließen. Dann folgte ein
gedanklicher Austausch während des Vorbeigehens des Mitgliedes
oder der Mitglieder des Hohen Rates und zwar in der Sprache der
Goderijaner, man konnte es auch mit Telepathie vergleichen. Dabei
transferierte der betreffende Dogon gedanklich folgenden Satz:
"Baacheme ech fuchet Mahi Schibachee Xarmax,
ischtu Schibachee ochtuchu Foch ischtu chiptach, Schehet Bochwaae
Techeth."
Was soviel heißt, wie: "Gesegnet seid ihr vom Heiligen
Xarmax, seine heiligen Kräfte und sein Antlitz leuchte über
euch." Dieses Ritual dauerte im Allgemeinen nicht länger
als 2 bis 3 Sekunden.
Noch immer wartete die Runde auf Lyr den
Androiden.
»Seht nur, wie Lyrs Augen wieder
leuchten, manches Mal leuchten sie wie funkelnde blaue Diamanten,
findet ihr nicht auch?«, schwärmte Sarah für Lyr.
»Hört, hört, da scheint doch
jemand tatsächlich für diesen Blechhaufen zu schwärmen?«,
alberte Peter im Flüsterton.
»Ach was, Peter, wenn es hier eine Sonne
gäbe, dann könnte man tatsächlich meinen, du wärst
zu lange darunter gelegen.«, konterte Sarah mit Wonne.
»Sarah, ich hatte doch nur Spaß
gemacht.«, verteidigte sich Peter.
»Schon gut, Peter, ich hab es auch nicht
so gemeint.«, gab Sarah ihm zu verstehen.
»Ich gebe zu, dass ich jetzt ein kleines
bisschen ungeduldig werde.«, kam jetzt von Mary.
»Ja, ich finde auch, dass sich Lyr ganz
schön lange Zeit für sein Gespräch lässt.«,
bestätigte nun auch Norman.
»Mann, dieser Androide, das muss man ihm
schon hoch anrechnen, der hat die Ruhe weg!«, tadelte nun
Stephan den Androiden.
Kaum hatte Stephan seinen Tadel ausgesprochen,
da kam endlich Lyr auf sie zu.
»Ah, wie ich hörte, bekam ich mal
wieder eine wörtliche Rüge von einigen in der Runde der
Menschen?«, stellte Lyr fest.
Was, das hast du aus dieser Entfernung
gehört?«, vergewisserte sich Katja erstaunt.
»Aber gewiss doch, ich bin für euch
verantwortlich. Es ist mein höchstes Bestreben, zu jeder Tages-
und Nachtzeit für euch da zu sein.«, verkündete Lyr
voller Lieblichkeit und Stolz.
»So, Lyr, gehört das Lauschen auch
dazu? Norman versuchte nun, Lyr ein wenig zu ärgern.
»Mein Bester, ich beschränke mich
eher auf die Worte Überwachung, Betreuung und zu guter Letzt,
psychische Festigung durch seelische Unterstützung durch meine
Wenigkeit.« Lyr übertraf sich selbst mit seinem Kontra.
Als er dann auch noch in die baffen Gesichter seiner Runde guckte,
war es um ihn geschehen. In Anmut und Grazie fing er an, sich vor
Freude tänzelnd um die eigene Achse zu drehen.
»Kinder, jetzt ist es soweit, Lyr dreht
durch.«, stellte Mary fest.
»Nicht
doch, vielleicht ist ihm ja nur ein Kabel oder einer seiner
Mikrochips durchgebrannt?«, neckte Stephan mal wieder Lyr.
Als sich Lyr wieder etwas beruhigt hatte und
die Runde zur Aufmerksamkeit aufforderte, war es still vor der
Kantine geworden.
»Also, ich muss noch zum Hohen Rat und
für euch etwas aushandeln. Katja und Norman können euch
die Aufenthaltsräume zeigen, wo ihr eurem Drang zum Spielen
nachkommen könnt. Doch darf ich euch noch vorher bitten, euch bis
spätestens 9 Uhr 30 gemeinsam in einem euerer Quartiere
einzufinden, damit ich euch den eventuellen Verhandlungserfolg
mitteilen kann.« Allen war klar, dass Lyr etwas zum Wohle der
Runde vorhatte, doch was es war konnte natürlich keiner
erahnen. Deshalb fragte keiner danach. Sie wussten, dass sie von Lyr
sowieso nichts herausbekommen würden.
Nach einer kleinen Abstimmung waren sich alle einig.
»Okay Lyr, wir haben uns für Marys
Quartier entschieden.«, verkündete Norman.
»Fabelhaft, dann, meine Lieben, sehen wir
uns exakt um 9 Uhr 30 in Marys Quartier.« Kaum hatte Lyr seinen
Satz beendet, da war er schon von Dannen (Verschwunden).
»Sag mal, Katja, ist dieser Androide
eigentlich immer so eitel?«, wollte Mary wissen.
»Was? Das ist ja noch gar nichts, ihr
müsst ihn erst einmal erleben, wenn er beleidigt ist.«,
verkündete sie mit Schmunzeln.
»Ein Androide, der beleidigt sein kann?
Unglaublich!«, konnte Gregor kaum glauben, in dem er fragend
auf seiner Brille kaute.
» He, Leute, lasst noch eine Sicherung in
Lyr heile. Ich weiß, dass er einem so manches Mal ganz schön
auf die Nerven gehen kann. Doch ansonsten ist Lyr, wenn es um unser
Wohlbefinden geht, ausgesprochen penibel, trotz so mancher
Unbeholfenheit ist er doch stets bemüht, uns den Aufenthalt
so angenehm wie möglich zu machen. Ein wahrer Hauptgewinn ist
dieser Androide, das könnt ihr mir ruhig glauben.«,
verteidigte Katja nun Lyr.
Im nächsten Augenblick machte sich die
Runde geschlossen auf den Weg zu Marys Quartier, wo sie sich sofort
an jedem freien Platz, den das Wohnzimmer bot, in Wartestellung begaben. Gespannt und voller Ungeduld
wartete die Runde der Acht auf den Androiden. Obwohl Lyr immerhin
noch 45 Minuten Zeit hatte und obwohl alle wussten, dass Lyr ein sehr
pünktlicher Androide war, der es lieber vorzog, pünktlichst
genau, und das auf die Sekunde, zu jeder Verabredung zu erscheinen.
Viele Fragen standen nun zur Diskussion in der Runde in Marys
Quartier.
»Was er wohl für uns aushandeln
will?«, äußerte Norman ganz vorsichtig in sich
hinein.
»Norman, tu doch nicht so, als würdest
du Selbstgespräche führen. Sag doch einfach, was du gerade
denkst.«
»Und ihr? Seht euch doch mal an? Ihr sitzt da, wie bestellt und nicht
abgeholt. Sagt bloß die Warterei macht euch nicht auch so
langsam wahnsinnig? Also, mich nervt es gewaltig.«, gab Norman
offen zu.
»Ja, du hast ja Recht, Norman, uns allen
doch auch.« Stumm aber bejahend nickten alle mit dem Kopf. So
langsam wurde für die acht das Warten zur Qual. Jeder
versuchte so gut es ging, sich mit irgendetwas abzulenken oder zu
beschäftigen. Und wenn es nur sei, auf den Fingernägeln zu
kauen. Oder gar, sich seine Männlichkeit zu beweisen, sich am
Eichentisch mit Armdrücken zu versuchen, usw. Mit Ausnahme
von Sarah, sie wurde nämlich zur Türeguckerin befördert
und musste schon im Vorfeld das Ankommen des Androiden verkünden.
»Noch zwei Minuten, dann ist Lyrs Ultimatum
abgelaufen.«, erinnerte nun Gregor.
»Keine Sorge, der kommt pünktlich,
und zwar auf die Sekunde. Ihr werdet es schon erleben.«,
gab nun Katja zu verstehen, die Lyr ja um einiges besser kannte,
ausgenommen natürlich Norman.
»Und, kommt Lyr schon?«, fragte
Mary Sarah, die noch immer ihr Näschen durch den Türspalt
steckte, um Lyrs ankommen besser sehen zu können.
»Nein, noch nicht, ich sage es euch
schon, wenn er in Sicht ist.«, murrte Sarah zurück. Ja, auch Sarah
erging es auch nicht anders als den anderen. Auch sie konnte es
kaum erwarten. Dann war es so weit. Da kam Lyr fast schlendernd
wirkend, ohne Hast und Eile, natürlich wie immer pünktlich
wie eh und je wie eine Kirchenmaus angetanzt
»Achtung Leute, er kommt, Lyr kommt.«
Dann rannte Sarah von der Tür wie ein Sausewind zum nächsten
freien Platz und schmiss sich förmlich darauf, nahm ein neben
sich auf dem Tisch liegendes Magazin und blätterte darin, als
wäre ihr nichts wichtiger, als darin zu lesen. Jedoch war sie
so aufgeregt, dass sie nicht bemerkte, dass sie das Magazin verkehrt herum
in ihren Händen hielt. Langsam öffnete sich die Tür
und Lyr blieb im Türrahmen stehen.
»Willst du denn nicht hereinkommen,
Lyr?«, forderte Katja ihn auf.
»Gerne doch.« Und Lyr trat ein und
schloss hinter sich die Tür.
»Ich, Lyr, habe euch eine frohe Botschaft
zu verkünden.« In der Tat, Lyr hatte wirklich eine große
Überraschung sozusagen in seinem Ärmel.
»Lyr, bitte, spann uns doch nicht auf die
Folter!«, beschwörte Katja nun Lyr.
»Geduld, meine Liebe, Geduld, so hüllt
euch in Schweigen und lasset mich die frohe Kunde verkünden.
Lyr übertrieb natürlich mal wieder, wie meistens, und das
machte sich auch in den Gesichtern der anderen bemerkbar, die wie
schon des Öfteren genervt ihre Gesichtsmimik zum Spielen
brachten.
Warum in Gottesnamen muss er immer so übertreiben, dachten sich
einige der acht.
»Wir, die
Dogon, sind uns bewusst, wie schwer es für euch
freiheitsliebenden Menschen sein muss, Tag ein und Tag aus immerzu
in diesem Raumschiff sozusagen eingesperrt zu sein. Was unser
Heiliger Xarmax, der Hohe Rat und natürlich meine Wenigkeit
verstehen können, dass ihr großen nervlichen Belastungen
ausgesetzt seid.«
Doch plötzlich wurde Lyr durch das
Raunen (Geflüster) der acht jäh unterbrochen.
»Bitte, meine Lieben, so lasst mich doch
die frohe Botschaft verkünden?«, bat Lyr seine
Schützlinge, die sich nun bemühten, seinen für ihn so
wichtigen Worten zu lauschen.
»Wie dem auch sei. Mein Bestreben ist
nicht nur eure körperliche Gesundheit, sondern auch eure
psychische, mentale, seelische und zu guter Letzt eure geistige
Verfassung, die mir allerdings in letzter Zeit sehr zu denken
gaben. Wie euch bereits im Vorfeld vor geraumer Zeit gesagt wurde,
dauert unsere Reise noch einige Zeit, zwei Jahre, zehn Monate und sechzehn
Tage. Für euch Menschen eine verdammt lange Zeit. Da es mein
Bestreben und natürlich auch meine Aufgabe ist, alles in meiner
zur Verfügung stehenden Macht zu unternehmen, euch das Leben
mit uns so leicht und angenehm wie nur irgend möglich zu
machen, ging ich zum Hohen Rat, um ihm folgenden Vorschlag zu
unterbreiten: Ich bat den Hohen Rat, sich nach meinem
Vorschlag sogleich mit unserem Heiligen Xarmax in Verbindung
zu setzen um ihm auch diesen Vorschlag zu unterbreiten und forderte
sogleich eine Entscheidung. Was sogleich geschah. Ich kann mit Stolz
verkünden, dass sowohl der Hohe Rat als auch der Heilige Xarmax meinem
Vorschlag zustimmten. Der Heilige Xarmax wünscht euch seelisch
erholsames und friedliches Miteinandersein in der Zeit des Erholens
und der geistigen Genesung.«
»Was für eine Zeit des Erholens
denn?«, fragten jetzt einige fast gleichzeitig.
»Auf dem Weg zu unserem Planeten
Goderijan passieren wir dass Quatany-System. Und das in
genau in zwei Tagen, also in genau 96 Stunden nach eurer Zeitrechnung.
Dort angekommen, werden wir unser Mutterschiff in Warteposition
bringen. Das bedeutet, dass die nächsten vier Tage das Raumschiff
auf uns warten wird.« Lyr zog beabsichtigt die ganze Sache ein
wenig in die Länge, um den Überraschungseffekt noch
steigern zu können und natürlich auch ihre
Gesichtsausdrücke auf einer Art Film zu verewigen. Die er ihnen dann
im Nachhinein mit Wonne vorführen konnte.
»Ja, aber, gehen wir denn fort?«,
stellte, kreidebleich geworden, nun Mary Lyr die entscheidende
Frage.
»Gewiss, das tun wir. Wer mit auf die
Reise darf, ist natürlich auf das Genaueste festgelegt. Alle
Menschen hier an Bord, also, wie ihr euch denken könnt, seid ihr
damit gemeint, dann natürlich meine Wenigkeit, und zu guter
Letzt zwei Dogon aus dem Kollektiv.« Lyr genoss sichtlich
deren Verhalten.
»Verreisen? Ja, aber wohin denn?«,
bemerkte Sarah theatralisch.
»Wie schon
angesprochen, werden wir in zwei Tagen das Quatany-System erreichen.
Wir müssen durch dieses System, weil, zum Ersten, dies der
kürzeste Weg zu unserem Planeten Goderijan ist, und zum
Zweiten, weil uns am Rande dieses Systems die Zeitschleife
erwartet. Ihr Menschen nennt diese kosmischen Urgewalten Schwarze
Löcher. Da meine Überraschung so gut wie fast auf dem Weg
liegt kam ich auf diese Idee. Nachdem wir in eines unserer
Shuttles umgestiegen sind, werden wir dann unser Ziel mit
Quanten-Geschwindigkeit ansteuern. Dieses Ziel ist nur lächerliche
50 Millionen Kilometer von unserem Raumschiff entfernt.«
»Sag mal, Lyr, wie lange werden wir wohl
mit diesem Shuttle bis hin zu diesem Ziel brauchen?«, fragte
Gregor nicht gerade begeistert klingend.
»Das ist eine kluge Frage, die ich dir
gerne beantworte, Gregor. Wir brauchen exakt, eine Stunde und elf Minuten
bis hin zu unserem Ziel.« Gab Lyr zu Antwort.
»Lyr, willst du uns denn nicht endlich
erklären, wie dieses Ziel aussieht?«, drängte Katja
in Lyr ein. Und auch die anderen der Runde begannen, Lyr mächtig
Druck zu machen und schrien kopflos durcheinander. Das ging eine
ganze Weile so, bis Lyr schließlich klein bei gab.
»Ist ja gut. Schreit doch nicht alle
durcheinander, ich sage es euch ja. Aber nur, wenn ihr euch jetzt und
sofort beruhigen werdet.« Im nächsten Augenblick
herrschte Totenstille in Marys Quartier. Und Lyr dachte noch so ganz
nebenbei, wenn sie doch immer so gehorsam wären. Gespannt wie
kleine Kinder, die ungeduldig auf ihre Weihnachtsgeschenke warteten,
saß die Runde starr und mit einem durchdringenden Blick auf
ihren Plätzen. Einen Augenblick brachte Lyr keinen einzigen Ton
heraus, als er in diese gespannten Gesichter sah. So viel Neugier,
die doch die Menschen in ihren Herzen trugen. Würde mich nicht
wundern, wenn diese Spezies eines Tages das gesamte Universum
erobert. Die gefährlichste Waffe des Menschen ist und bleibt
seine Neugier, dachte sich noch Lyr.
»Lyr, was ist mit dir? Wir warten.«,
forderte Gregor im Namen aller.
»Oh, verzeiht mir, ich war kurz
abgelenkt. Also, unser Ziel ist ein Planet, auf dem wir sozusagen
vier Tage Urlaub machen werden.« Dieses mal war es Lyr, der
aufgeregt auf die Reaktion seiner Schützlinge wartete.
»Wow! Ein Planet?«, sagte Norman gepresst.
»Lyr, um was für einen Planeten
handelt es sich hier eigentlich und wie ist sein Name?«,
fragte Katja, mit runzelnder Stirn.
»Eines nach dem anderen, meine Liebe. Da
wir als erstes diesen Planeten entdeckten, nahmen wir natürlich
unser Recht wahr und nahmen ihn auch sogleich in Besitz. Fortan
tauften wir diesen Planeten Sinas, was soviel wie
"Paradies" heißt.«, verkündete Lyr bestimmend und
sichtlich stolz.
»He, Lyr? Du sagtest eben, dass er
unbewohnt ist. Soll das bedeuten, wenn wir dort angekommen sind, dass
wir die einzigen auf diesem Planeten Sinas wären?«, fragte Mary
leise, fast ängstlich, während der Rest der Runde nun
hellwach geworden aufhorchte.
»Ihr müsst euch nicht im Geringsten
über irgendetwas Sorgen machen. Dort wo wir residieren, also wo
wir uns aufhalten, sind wir absolut sicher.«, sagte Lyr ruhig und
tröstend.
»He, Lyr? Gibt es denn auf Sinas
überhaupt Leben?«, fragte Peter scharf.
»Mit dem
Wort 'Leben', mein Freund, meinst du wohl, ob sich auf Sinas
irgendwelche Lebewesen, also eine Zivilisation befindet? Dies
muss ich zu meinem größten Bedauern leider verneinen. Als
wir vor genau 700 Jahren, natürlich in eurer Zeitrechnung,
diesen Planeten entdeckten und das erste Mal betraten, begannen wir
natürlich gleich, den gesamten Planeten zu erforschen. Wir
sandten sogleich unsere Tschabtachs, das sind eigens dafür
hochentwickelte Roboter, die in kürzester Zeit, also in zirka
zehn Stunden imstande waren, die gesamte Oberfläche des Planeten
Sinas nach irgendeiner Art organischen Lebens
abzutasten.«
»Und, Lyr, sind diese Tschabtachs, wie
ihr sie beliebt zu nennen, sind die auch fündig geworden?«,
unterbrach nun Gregor mit leicht ironisch verzogenen Lippen.
»Durchaus, wir entdeckten mehrere Arten
von tierisch organischen Kreaturen. Von jeder Art nahmen wir jeweils
zwei von diesen Tierarten mit auf Goderijan, ein Männchen und
ein Weibchen. Dort mussten wir sehr bald und mit Bedauern
feststellen, dass wir mit diesen Tieren in keinerlei Hinsicht etwas
anfangen konnten. Wir stellten auch fest, dass ihre Gehirne sehr
klein und unterentwickelt waren. Ihre Intelligenz reichte
gerade mal, um Nahrung aufzunehmen und um sich zu vermehren. Zur
Zucht, also als Nahrungsmittel konnten wir sie auch nicht halten,
denn ihr Fleisch entpuppte sich als ungenießbar.
Wir stellten fest, dass durch ihre besondere Nahrung, die sie
bevorzugten, in ihrem Fleisch und ihren Knochenstrukturen
hochkonzentrierte Pflanzengifte sich ablagerten, gegen die diese
Tierarten immun waren, wir hingegen jedoch nicht.«
»Du willst uns damit sagen, dass diese
Tiere reine Pflanzenfresser sind?«, fragte Peter mit
gerunzelter Stirn.
»Ja, Peter, gut erkannt, das sind sie,
nämlich reine Pflanzenfresser. Das sind so ziemlich die
einzigen negativen Seiten auf Sinas, mit Ausnahme einiger sehr
heftiger Unwetter, die aber auf jedem Planeten immer wieder mal
auftreten.« Lyr tat sein Bestes, um seine Schützlinge auf
den kommenden Erholungsaufenthalt auf Sinas mental vorzubereiten.
»Lyr, und was tun wir, wenn ausgerechnet
bei unserem Aufenthalt auf Sinas plötzlich so ein heftiges
Unwetter über uns hereinbricht?«Schien Susannes Groll
berechtigt?
Ehrlich gesagt, halte ich das für
unwahrscheinlich. Sinas ist sehr beständig (unveränderlich),
wenn es sich um die Schlechtwetterzonen handelt. Wie schon einmal
angesprochen, nahmen wir Sinas vor 700 Jahren in unseren Besitz. Seit
dieser Zeit wird Sinas kontinuierlich von Generation zu Generation
und das von Tag zu Tag, von uns auf seiner gesamten Oberfläche
überwacht und beobachtet. Das ermöglicht uns, jede noch so
kleine Veränderung, sei es in seinem Klima, was ja auch die
Unwetter und die Temperaturen beinhaltet, oder sogar die Möglichkeit
einer Invasion fremdartiger und intelligenter Spezies in unserem
Territorium, ermöglicht, zu einhundert Prozent zu entdecken.
Worauf ich hinaus möchte, ist, euch zu bestätigen, dass es
in all den Jahrhunderten nicht einmal, vorerst was diese heftigen,
ja sogar orkanartigen Unwetter betrifft, ich wiederhole mich, nicht
ein einziges Mal vor Ende des Jahres vorzeitig ein solches Unwetter
ausgebrochen ist. Nun, ich kann euch versichern, dass ihr auf keinen
Fall in ein solches Unwetter geraten werdet.«
»Und warum nicht, Lyr? Was macht dich
denn da so sicher?«, unterbrach Susanne Lyr, die es jetzt
unbedingt wissen wollte.
»Weil wir schon vor längerer Zeit auf
Sinas eine Station erichteten. Eine sehr große und
überdimensionale unterirdische Stadt. Diese Stadt hat ein
Fassungsvermögen von mehr als fünfzig Millionen Personen
und sichert uns ein gutes Versteck vor eventuellen Feinden, natürlichen
Katastrophen und natürlich den Erhalt unserer Spezies. Diese
Stadt ist mit allem Komfort ausgestattet, den man für so einen langen
Zeitraum von immerhin dreißig Jahren benötigt, und natürlich
einem das Leben in so einer Lage enorm erleichtert.«, und Lyr
protzte mal wieder vor Stolz.
»Wow, Lyr! ihr habt auf Sinas
wahrhaftig eine unterirdische Basisstation errichtet?«,
vergegenwärtigte sich Norman.
»Ihr Menschenvolk würdet, und
dessen bin ich über jeden Zweifel erhaben, genauso handeln,
wenn ihr dazu in der Lage wärt, ich meine technisch gesehen, um
euch die Hoffnung auf eine weitere Zukunft zu erhalten und somit
eure Spezies vor dem Untergang und dem Aussterben zu bewahren. Wir,
unser Volk wurden in der Vergangenheit, schon zweimal mit dieser
Erfahrung konfrontiert und hätten beinahe alle unser Leben
verloren, ja unser gesamtes Volk befand sich in größter
Gefahr. Damals, bei dem allerersten Angriff kamen 400 Millionen
unseres Kollektivs ums Leben. Nach diesem so
schrecklichen Ereignis waren sich alle im Kollektiv einig,
dass sich so etwas nie wiederholen durfte. Der Hohe Rat schloss
sich unserem Vorhaben an. Was wir nun gegen den zweiten und bis
heute den letzten Angriff dieser so gewalttätigen Spezies
taten, kann ich euch auch erzählen.«
»Sag mal, Lyr, wie hieß denn
dieses feindlich gesinnte Volk?«, unterbrach Peter Lyr
neugierig.
»Ah... richtig, ich Dummerchen, ich habe
euch dieses bösartige Wandervolk ja noch gar nicht vorgestellt.
Nun, von wo sie genau herkamen, konnten wir bis heute nicht
herausfinden, da sie ja stetig unterwegs sind und von System zu
System reisen. Doch bei dem zweiten Angriff auf unser Volk konnten
wir sie, und das auch nur per Zufal, bei einem Kontaktgespräch
zwischen zwei Raumgleitern ihrer Flotte, abhören. Anfangs
konnten wir mit diesen Worten nichts anfangen, da wir ja ihrer
Sprache nicht mächtig waren. Doch dann, als wir diese Chiffre
in den Hauptcomputer eingaben, konnte dieser die
Worte innerhalb von nur fünfzehn Sekunden entschlüsseln und in
unsere Sprache übersetzen. Dabei erfuhren wir, dass dieses Volk
sich die Nohkui nannten.«, erklärte Lyr der Runde.
»Na wie
finde ich denn das? Was, die Nohkui? Na, ich finde, dieser Name passt
doch optimal zu diesen Missgeburten, zu dieser Ausgeburt der Hölle.
Oder etwa nicht?«, sagte Katja, nun vollgestopft mit
Emotionen.
»Mann, für wen halten sich diese
Monster überhaupt, für Gott oder so etwas ähnliches?
Nehmen die sich doch so einfach das Recht heraus, ganze Völker
dahinzumorden und noch dazu deren Planeten zu plündern. Ich
jedenfalls würde diesen Hundesöhnen den Garaus machen und
das, koste es, was es wolle. Ja, ich würde sie bis an den Rand
des Universums, ja bis ans Ende der Galaxien jagen. Ich würde
sie von einem Eck der Quadranten bis ins andere Eck wie ein Rudel
räudiger Hunde vor mir herhetzen. Das würde ich so lange
tun bis ihnen der Arsch auf Grundeis geht, ihnen keine Gelegenheit
mehr lassen, bis ihre Nahrungsvorräte sich dem Ende neigen, ja
so lange, bis sie anfingen, sich selbst aufzufressen, wie elendes
Getier. Und wenn dann die letzten noch übrig gebliebenen am
Ende sind, ja dann würde ich die letzten dieser Brut, dieser
Saat des Teufels, in tausende von kleinen Stückchen mit eurer
stärksten Waffe, dem Impuls-Implosions-Reaktionsdetonator,
pulverisieren.«, sagte Sarah finster.
Alle aus der
Runde sahen nun Sarah mit weit aufgerissenen Augen an. Sie konnten
nicht glauben, was sie da aus ihrem Munde zu hören bekamen. Was sie
anscheinend aus tiefster Seele sprach. Sarah war die Jüngste
der Gruppe und wie wir längst wissen, erst ganze fünfzehn Jahre alt,
doch mit ihrer Wortwahl verhielt sie sich eher wie eine Fünfundzwanzigjährige.
Manche in der Runde waren begeistert, andere wiederum sehr erschrocken.
Doch wie dem auch sei, alle spürten insgeheim, dass Sarah Recht
hatte und damit zu sagen versuchte, solange diese Nohkui, ja
dieses plündernde Mörder-Weltraum-Wandervolk durch die
Galaxien streifte, keine einziges Spezies, egal auf welchem Planeten
es siedelte, sich ihrem Heimatfrieden niemals sicher sein konnten.
»Früher oder später, so könnte
es ja sein, würden diese grausamen Wesen vielleicht sogar
unsere Heimat, die Erde, heimsuchen. Mann, ihr müsst euch das mal
vorstellen! Wenn ein so hochentwickeltes und uns in jeder Hinsicht
überlegenes Volk, das uns um Jahrtausende voraus ist, ich meine euch Dogon,
trotz alledem einen Verlust von hunderten Millionen Bewohnern zu
beklagen hatte. Wie viele Menschen würden dann bei einem
Angriff der Nohkui auf unsere Erde überleben? Na, kann jemand
von euch bis drei zählen?«, wandte nun Sarah, sehr
erregt ein.
»Mit größter
Wahrscheinlichkeit nicht sehr viele. Und wenn doch, dann würden
diese Überlebende vermutlich als Sklaven von dem Volk der
Nohkui gehalten.«, kam nun von Norman.
»Ich kann
deine Reaktion gut verstehen, Sarah, und dies spricht für dich.
Dies spricht für euch Menschen. Doch ihr Menschen sinnt immer
gleich nach Vergeltung. Ihr solltet endlich begreifen, dass wir ein
friedliches Volk sind und kein Volk der Gewalt und des Krieges. Wir
respektieren und achten die Lebensweise der bisher von uns
entdeckten Völkerwelten. Wir haben kein Recht, ihre Lebensräume,
also ihre Welten, sowie es dieses Volk der Nohkui im ständigen
Eifer seines Glaubens tut, zu zerstören oder mit einer
Vergeltungsmaßnahme sich ihrer zu entledigen und somit zu
werden, was sie verkörpern, nämlich das Böse. Wären
wir denn nicht sogleich mit dem Bösen eins? Und wären wir
denn nicht sogleich auch Brüder der Gewalt? Würden wir
durch dieses Handeln, denn nicht selbst die Erlöser verkörpern
und somit uns das Recht nehmen, ganze Völker mit ihren Welten
zu zerstören, mit unserer Präsenz oder gar Besetzung zu
verletzen und uns in ihre Lebensweise einzumischen oder sie gar zu
verändern? Nein und nochmals nein, wir werden unsere oberste
Direktive nicht und niemals verletzen. Die einzige Maßnahme,
die uns aber noch heute schwerlich in unseren Herzen lastet, war, die
Verminung munseres Territoriums, zu unserem Recht und Schutze, zur Selbstverteidigung
zu nutzen.«, verkündete Lyr, fest
entschlossen.
»Ja, aber Lyr, es wird bestimmt irgendwann der
Tag kommen, da es nicht mehr genügt, sein Territorium, also
seinen Quadranten zu verminen. Ihr werdet so nah eurem Feinde
gegenüberstehen, dass ihr seinen hasserfüllten Atem
riechen könnt. Und dessen müsst ihr euch im Klaren sein:
Er wird gegen euer Volk kein Mitleid zeigen. Er wird auch eurem
Volk keinerlei Möglichkeiten geben, zu eurem geheimen Planeten
Sinas zu fliehen. Weil, wenn er kommt, wird er gut vorbereitet sein.
Wenn das einst geschehen sollte, will dann euer Hoher Rat tatenlos
zusehen, wie das ganze Kollektiv abgeschlachtet wird, nur weil er
der festen Überzeugung ist, dass es falsch ist, sich und sein
Volk zu verteidigen? Und was ist mit eurem Heiligen Xarmax, war er
nicht jener, der, als euer Planet Goderijan angegriffen wurde und
vierhundert Millionen des Kollektives ihr Leben lassen mussten,
tapfer bei dem Angriff mit all den anderen, die nicht vom
Hauptcomputer auserwählt wurden und somit keinen Platz auf
irgendeinem der Schiffe oder Shuttles fanden, ausharrte und sie nicht
im Stich ließ. Gerade er als euer Oberhaupt hätte zu
jeder Zeit die Flucht zum Planeten Sinas antreten können.
Er tat es aber nicht. Und soll ich dir sagen,
warum? Weil er ein weiser und tapferer Mann ist. Weil er bereit war,
mit seinem Volk zu sterben und nicht zu flüchten, nur der
Überzeugung eines Glaubens wegen. Sich zu erwehren ist kein
Mord. Das ist das Gesetz der Natur. Da gibt es kein Wenn oder
Aber. So kann es mit euch nicht weitergehen. Ich frage mich nur, wie
euer Volk all diese Jahrtausende überhaupt überleben
konnte. Es gibt Situationen, da bleibt nur das Kämpfen übrig,
um dem sicheren Tod zu entgehen, um eure Spezies zu retten.«
Peter konnte nicht begreifen, dass die Dogon
lieber sterben wollten, als sich handfest und egal gegen welche
Feinde auch immer, zur Wehr zu setzen. Auch die anderen der Runde
dachten sich ihren persönlichen Teil. Und Lyr, ja Lyr spürte
und konnte genau an ihrem Verhalten feststellen, dass sie das Volk
der Dogon für Feiglinge hielten. Nur zwei in der Runde dachten da
ein bisschen anders, die beiden mussten es ja wissen. Sie kannten
Lyr und das Volk der Dogon schon um einiges länger als der
Rest der Runde. Ja, natürlich wissen wir, dass es sich hierbei
nur um Norman und Katja handeln konnte. Jedoch, in ein paar
Argumenten stimmten Norman und Katja dem Rest der Runde zu. Die
Dogon mussten lernen, sich besser zu verteidigen, sei es auch mit
Gewalt, wenn es nötig wäre. Denn irgendwann in ferner
Zukunft, würden die Feinde besser vorbereitet sein, als bei dem
vorherigen Versuch seitens der Nohkui, ins verminte Territorium
einzudringen. Denn die Dogon begingen einen entscheidenden Fehler:
Sie hätten die restlichen fünf Prozent niemals entkommen
lassen dürfen. Denn wo diese feindlich gesinnte Spezies
ursprünglich herkam, bevor sie zu einem räuberischen
mordenden Weltraumwandervolk wurde, gab es bestimmt noch sehr viele
mehr. Doch wie dem auch sei. Die gesamte Runde, Norman und Katja
inbegriffen, hatten nicht das Recht sich in die Überzeugung
der Dogon einzumischen. Dem käme gleich, die Dogon würden
versuchen, uns Menschen den Glauben an Gott abzusprechen.
»Ach, könnten wir nicht das Thema
ein andermal besprechen?«, forderte nun Peter
eindringlich?«
»Ja, genau, und würdest du uns nun
endlich sagen, ob es einigen Nohkui gelang, beim zweiten Angriff mit
ihren Raumschiffen in euren Sektor einzudringen?« fragte
Katja.
»Das kann ich sehr wohl. Kein einziges
Raumschiff dieses Volkes.« Irgendwie konnte man da ein
bisschen Stolz aus Lyr heraushören, doch Lyr damit zu
konfrontieren wollte keiner von ihnen.
»Wir wussten schon, dass diese Waffen enormen
Schaden anrichten konnten, doch zogen wir nicht die Sprengwaffen
der Nohkui und ihre verheerende Vernichtungskraft in Betracht,
die natürlich durch unsere Impulswaffen mit zerstört
wurden. Dadurch wurde die Kraft der Zerstörung vervielfacht,
was unweigerlich dazu führte, dass durch diese
Urgewalt an Reaktionen mit einem Schlag 95% ihrer mächtigen
Flotte sofort zerstört wurde.«
»Und was ist mit den noch verbliebenen
5% der Nohkui geschehen?«, wollte nun Mary wissen.«
»Da die restlichen in etwa 5% der Nohkui
in unser Territorium nicht eindrangen, ließen wir sie ziehen.
Wie schon erwähnt, kamen dabei bedauerlicherweise Millionen
von Nohkui ums Leben.«, sagte Lyr trotz allem mit einer ruhigen und
sanften Stimme. »Lasst mich noch auf den ersten Angriff der Nohkui
zurückblicken: Als der Tag des ersten Überfalls auf uns
hereinbrach, waren wir nicht vorbereitet. Viele Jahrtausende lebten
wir in Frieden und Abgeschiedenheit. Es kam natürlich auch vor,
dass wir bei unseren Forschungen und Erkundungsflügen
im unendlichen Raum des Universums auf besiedelte Planeten stießen,
die sogar von intelligenten Wesen bevölkert waren. Dennoch, mehr
als diese Wesen aus einer sicheren Entfernung ein bisschen
zu studieren, kam uns nicht in den Sinn. Dabei interessierte uns vor
allem, wie sie lebten, von was sie lebten, wie sie aussahen, und wie
sie sich fortpflanzten. Immer achteten wir peinlichst darauf,
nicht Einfluss auf ihre Kultur oder Religionen auszuüben. Wir
wollten diese entdeckten fremdartigen Spezies auf ihren Welten
nicht dem Aussetzen, was uns widerfahren war.
»Sag mal, Lyr, wie habt ihr euch denn
diese Art Konfrontation vom Halse halten können, wenn,
wie ihr sagt, ihr doch kein Volk des Krieges seid?«, fragte
Norman nun Lyr. Gespannt und mit offenem Gehör warteten die
restlichen der Runde auf Lyrs Antwort.
»Jeder von uns wird mit Schrecken an jenes
heimtückische Unglück zurückdenken, sollte er daran
erinnert werden. Doch bin ich, Lyr, gewillt, bei euch eine Ausnahme zu
machen. Es ereignete sich vor 2007 Jahren und 6 Tagen, im dritten
Monat. Wie so viele Male befand sich eine von uns ausgesandte
Expeditions-Crew, auf Erkundungsflug im äußersten
Gürtel des Lypanichu-Systems. Lypanichu bedeutet soviel wie
'Licht des Todes'. Als wir vor ungefähr 3000 Jahren das erste
Mal in diesen Quadranten eindrangen, wurde das
Expeditionsraumschiff mitsamt seiner Crew in dieses unheilbringende
und wirbelartige Licht förmlich hineingesogen, ja
sozusagen verschluckt und sie kehrten nie mehr zurück.
Doch zum Glück im Unglück konnten uns noch rechtzeitig
einige der Crewmitglieder vor ihrem Verschwinden den genauen
Standort vom Beginn des Lichtsoges und die genauen Koordinaten
des Ursprungs der Quelle übermitteln. Seither mieden wir diesen
Sog des Lichts, des Todes und reisten mit sicherem Abstand
darum herum.
294 Jahre später, vor 2007 und 6 Tagen des dritten Monats,
natürlich wieder in eurer Zeitrechnung, sandten wir eine
Expeditionscrew, wie schon berichtet, eben in diesen Quadranten des
äußeren Gürtels des Lypanichu-Systems, die aber
trotz festgelegtem Zeitpunkt ihrer Rückkunft nicht mehr
zurückkehrte. Zuerst dachten wir, dass die Expeditionscrew sich
trotz exakter Koordinaten und eingehender Warnung vor diesem
Lichtsog vielleicht aus reiner Neugier und Missachtung der
eigentlichen Order an den Berührungspunkt des Soges zu nah
heranwagte. Fortan dann erfasst wurden und somit für immer in
den Tiefen des uns Unbekannten verschlungen wurde. Auf die
Anweisung des Hohen Rates, sandten wir noch eine sehr viel
kleinere Crew mit einem Raumkreuzer in diesen besagten
Lypanichu-Quadranten, um eventuell eine Rettungsaktion durchführen zu
können. Doch als sie dort ankamen, eindeckten sie eine ganze
Flotte, ja eine ganze Armada von ungeheuren riesigen Raumschiffen,
die um einiges größer und mächtiger erschienen, als
die der unseren. Unsere Sensoren stellten bei einer Abtastung ihrer
Ladung und Bewaffnung und der Anzahl der Besatzung fest, dass diese
Spezies vollgepackt mit vernichtend gefährlichen Waffen
jeglicher Art waren. Unsere Expeditionscrew konnte uns noch
rechtzeitig alles Wichtige aufs Genauste melden, bevor sie
angegriffen und gnadenlos zerstört und somit vernichtet wurde.
Ein Drama, wahrlich ein Drama. Doch anhand dieser Koordinaten
blieben uns nur noch wenige, so ungefähr vier bis sechs Wochen, bis
der Feind in unseren Gebietsraum und schließlich in den Orbit
unseres geliebten Planeten Goderijan einfallen würden.«
Weiterhin und tief versunken horchte die
Runde Lyr dem Androiden gespannt, entsetzt und zugleich mitfühlend, zu.
»Weiter, Lyr, was geschah dann?«,
unterbrach Sarah nun sehr wissbegierig geworden.
»In einem
Notstandseilverfahren verfügte dann der Hohe Rat die
Evakuierung von je 2900 Mitgliedern des Kollektives pro
Großraumschiff, und wir besaßen seinerzeit immerhin schon
350 davon. Dann je 400 mal 75 Personen auf unseren schnellen
Raumkreuzern, 50 Personen pro Schiff auf unseren insgesamt 150
Forschungsschiffen, 320 pro Schiff, gemischt, bestehend aus Lasten-
und Versorgungsschiffen, wo je Schiff nötigenfalls auch bis zu 1200
Personen des Kollektives untergebracht werden konnten. Zu
guter Letzt, hatten wir noch unsere Shuttles. Vier Millionen
vierhunderttausend an der Zahl, die in den größeren
Städten genutzt wurden. In jedem einzelnen dieser Shuttles
konnte man bis zu 20 Personen unterbringen. Auch diese Shuttles
waren natürlich für die Reise nach Sinas voll und ganz
tauglich. Die genaue und exakte Anzahl der Evakuierten betrug somit
49 Millionen, 406 Tausend und Fünfhundert Dogon
(Goderijaner), jene welche die Gnade erhielten, einen neuen Anfang
auf einem Planeten beginnen zu dürfen. Na, kann sich von euch
schon jemand denken, was für einen Planeten ich damit meine?«,
fragte nun Lyr, mal wieder in seinem Element.
Jeder, aber auch wirklich jeder der Runde, hoben fast gleichzeitig
den Finger. Natürlich zur Freude von Lyr. Mit so viel Gehör
und Interesse seitens seiner Schützlinge, die ja meistens an
seinen Gesprächen oder Erklärungen nur herumnörgelten,
hatte Lyr natürlich nicht gerechnet.
»Mary du darfst mir die richtige Antwort
geben.« Ja, das war es, was Lyr liebte und brauchte, ja wonach
seine Schaltkreise förmlich lechzten, nämlich Gehör
und Anerkennung zu finden.
»Du meinst den Planeten Sinas, stimmt es
Lyr? Na sag es schon, habe ich Recht?« Ja, Mary war sich ihrer
Antwort hundertprozentig sicher, dass es Sinas war. Und wartete
natürlich dementsprechend und ungeduldig auf Lyrs Bestätigung.
»Ganz genau, Mary, du hast gut
aufgepasst, prima.«, lobte Lyr.
»Lyr, darf ich dir mal eine Frage
stellen?«, forderte nun Norman.
»Aber gerne doch, Norman.«
»Nach deiner Aussage erhielten
49.406.500 Millionen Dogon die Gnade, einen neuen Anfang auf dem
Planeten Sinas zu beginnen. Ja, aber, was ist denn mit den anderen,
ich meine mit den restlichen Bewohnern. Eure Einwohnerzahl bestand
doch schon damals aus mehreren Hunderten von Milliarden.«,
ging Norman hart mit Lyr ins Gericht. Doch Lyr zeigte keine
Gefühlsregung, was Norman sichtlich irritierte.
»Was glaubst du denn, Norman, was damals
bei dem Überfall mit meinen Brüdern geschehen ist?«,
konterte Lyr. Doch Norman fiel es schwer, auf diese Frage eine
Antwort zu geben, also beschloss Norman, überhaupt nichts zu
sagen und Lyr dass Wort zu überlassen.
»Wie ich sehen kann, ist es am besten, dass ich darauf antworte. Nun, die
Evakuierung fand tatsächlich statt. In nur drei Wochen
schlossen wir die nötigen Vorbereitungen ab und die
Auserwählten machten sich auf Geheiß unseres Heiligen
Xarmax, auf die lange Reise von etwa drei Jahren. Während
unser Heiliger Xarmax bei jenen blieb, die zurückbleiben
mussten. Im übrigen überließ der Hohe Rat mit Absprache
des Heiligen Xarmax die Auswahl, wer mitreisen durfte oder nicht,
dem Hauptcomputer, der wiederum diese Entscheidung per Mischung aus
Qualifikation und Zufall ermittelte. Als alle auserwählten auf
dem Wege zum Planeten Sinas waren, beschloss unser Heiliger Xarmax,
mit diesem fremden feindlichen wandernden Volk
Friedensverhandlungen aufzunehmen. Doch alle Versuche, sich auf einer
friedlichen Ebene zu treffen, scheiterten zu anfangs kläglich.
Mit allen nur erdenklichen und technischen Mitteln versuchten wir,
Kontakt zu diesem fremden Volk aufzunehmen. Eines war klar, die
Nohkui verweigerten sich und beabsichtigten tatsächlich, unser
gesamtes Volk mit Waffengewalt zu vernichten oder gar zu versklaven,
um alsdann seelenruhig unseren Planeten plündern zu können.
Doch am dritten Tage wurden wir mit etwas Glück gesegnet. Nach
unerlässlicher Mühe und dank unseres Hauptcomputers fanden
wir endlich die richtigen Signale, um uns in den Computer der
feindlich gesinnten Art einzuloggen. Dann kam eine Reaktion der
Feinde, die nun auf unsere Rufe antworteten. Diese Art
Wellensignale, die der Feind wiederum als Antwort zurücksandte,
konnten wir allerdings nicht deuten oder gar entziffern. Doch das
sollte bald keinerlei Problem mehr darstellen. Wir fütterten
unseren Hauptcomputer mit den empfangenen Signalen, der sie alsgleich
in eine für uns verständliche Sprache
umwandelte. Dann begannen die Verhandlungen. Dennoch spürte
und war sich unser Heiliger Xarmax absolut sicher, dass, wenn dieses
weltraumreisende Wandervolk plötzlich, und das nach einigem
Zögern, zu Verhandlungen bereit war, dass dies nur eine Art
Ablenkung dieser feindlichen Seite war. Dieses feindlich gesinnte
Volk würde mit absoluter Sicherheit bei der erstbesten
Gelegenheit, und das mit allen ihnen zur Verfügung stehenden
Waffen, angreifen und uns vernichten wollen.
Unser Heiliger Xarmax hatte einen, wie sagt ihr
Menschen doch, einen Trumpf im Ärmel. Er wusste ganz genau,
dass er nur noch wenige Tage Zeit hatte, das Blatt zum Wohle seines
Volkes zu wenden. Der Heilige Xarmax begriff sehr schnell, dass
dieses fremde Volk sich in großen Schwierigkeiten befinden
musste. Und er wusste, dass dieses weltraumreisende Wandervolk einen
langen Weg hinter sich hatte. Ja, dass dieses Volk viele, viele
Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte ziellos durch den unendlichen
Raum unterwegs war, immer auf der Suche nach neuen Welten, die sie dann plündern
konnten. Dieses Volk reiste nicht gezielt, was uns
und unseren Heiligen Xarmax klar war. Nein, vielmehr wanderten sie
einfach, wie man so schön sagt, der Nase nach in die
unendlichen Weiten des Universums, um irgendwann per Zufall durch
ihre einigermaßen weitreichenden Sensoren auf irgendeiner
Welt, ja auf einem oder gar mehreren Planetensystemen etwas zu entdecken.
Dabei haben sie es höchstwahrscheinlich nur auf Planeten
abgesehen, auf denen es intelligentes und kultiviertes Leben gab. Doch
dieses eine Mal schien dem Feind seine eigene Rechnung nicht
aufzugehen.«
»Und weshalb ging dem Feind seine
Rechnung nicht auf, Lyr.«, fragte Susanne mit leisem Ton.
»Nun, das ist ganz einfach zu erklären.
Weil wir uns schon im Vorfeld, also schon vor vielen Jahrhunderten
gegen eine solche, sagen wir mal Invasion, vorbeireitet hatten.
Da wir es nicht mit der Feuerkraft dieser
gigantischen Kampfgroßraumschiffe aufnehmen konnten, blieb uns
als Alternative nur noch die Verteidigung. Da wir kein Volk des
Krieges im üblichen Sinne sind, haben wir unseren gesamten
Quadranten, in den der Feind sehr bald eindringen wird, schon vor
langer Zeit komplett vermint, mit Impuls-Implosion-Reaktionstetonatoren
infiziert, sozusagen im gesamten Quadranten
verteilt, die selbst dieses kriegerische Volk mit keinen noch so
intelligenten Such- und Abtastmechanismen oder -arten von Scannern
erfassen und somit entdecken und vernichten könnten. Nur uns
ist die genaue Route bekannt, in der man ohne großes Risiko
passieren kann.«
»Ja, dann ist ja alles in bester Ordnung,
oder etwa nicht? Warum dann die Evakuierung und der Versuch durch
euren Heiligen Xarmax, Verhandlungen anzustreben, wenn sich doch
dadurch euer Problem von ganz alleine zu lösen schien? Das
verstehe ich nicht.«, unterbrach nun Gregor Lyr in seinem
Bericht.
»Gregor, nach dem ersten Angriff, war
unser Volk gezwungen, etwas zum Schutze aller zu tun, ohne jedoch
selbst in den Kampf ziehen zu müssen und somit wieder einmal
unser gesamtes Kollektiv zu gefährden. Wir verabscheuen rohe
Gewalt gegen jegliche Art von Leben. Nach langem hin und her in
unserem Innersten, spürten wir, dass uns nichts anderes übrig
blieb, als unsere Spezies zu retten. Wir haben das gleiche Recht,
in Frieden zu leben wie alle anderen Völker im unendlichen
Mosaik des Universums. Wir entschlossen uns dann, die gefährlichste
Waffe, die wir besaßen, in Betrieb zu nehmen. Wir begannen
unverzüglich, diese Waffe - Wie würdet ihr sagen? - scharf zu
machen. Lass mich einen Vergleich ziehen. Wenn ihr eure gesamten
atomaren Waffen alle auf einmal auf eurem Planeten einsetzen, also
zur Kernspaltung bringen würdet, dann wäre dies, wenn man
eure Sprengkraft mit unseren Impuls-Implosion-Reaktionstetonatoren
vergliche, ja dann wäre eure Sprengkraft
im Vergleich gegenüber der unseren nur ein Knall aus der Hand
eines Kindes, das gerade einen Knallfrosch zu Boden warf.
Doch lasst mich weiter berichten:
Während die Auserwählten längst
unseren Orbit verlassen hatten und sich schon einige Tage auf dem
Weg zum Planeten Sinas befanden, konnte es sich nur noch um Stunden
handeln, bis die Eindringlinge unseren Quadranten passieren würden.
Doch wie ihr bereits wisst, kam es nicht dazu, unser Plan ging auf.«
»Und was wurde aus den Auserwählten, die
sich auf dem Weg zum Planeten Sinas befanden?«, fragte Susanne
betont.
»Die wurden natürlich sofort wieder
zurückbeordert, es gab ja nun keinen Grund mehr sie, auf Sinas
umzusiedeln.«, bestätigte Lyr.
»Lyr, auf unserem Planeten geht es
teilweise auch nicht anders zu. Bei uns wird oft gekämpft.
Warum dies so sein muss, wissen meist nur die Mächtigen.
Politiker oder Industriebosse, die sich einen Dreck um das
Fußvolk scheren und nur ihre Machtpositionen vertreten, koste
es, was es wolle. Diese Machtkämpfe hat es schon seit jeher auf
unserem Planeten gegeben. Das wird sich auch in der Zukunft nicht
ändern, dessen bin ich mir sicher.«, erklärte Mary
fest.
»He, Leute, anstatt sämtliche
kostbare Zeit mit Gesprächen wie Krieg zu verplempern, sollten
wir uns lieber mal Gedanken über unsere bevorstehente Reise
zum Planeten Sinas machen?«, erinnerte nun Sarah jungenhaft
und doch zugleich adrett.
»Nun, Sarah, ich befürchte fast,
dass du mit deinem Vorschlag gar nicht einmal so im Unrecht liegst.«,
gab Lyr der Androide zum Erstaunen aller zu.
»Gut, hat
irgendjemand einen Vorschlag bezüglich des Ausflugs nach Sinas
zu machen?«, fragte Lyr und wartete auf eine Antwort seitens der
Runde. Doch außer einem ermüdeten Blick und einem
gekonnten Achselzucken schenkte keiner der Runde Lyr einen
Vorschlag.
»Na, dann werde ich mich, wie ihr beliebt
zu betonen, auf die Socken machen. Wenn euch irgendetwas auf dem
Herzen liegt, wisst ihr ja, wie ihr mich erreichen könnt. Bis
zur Abreise sind es noch etwas über 90 Stunden. In dieser Zeit
kann sich jeder einzelne von euch psychisch, also mental, auf unseren
gemeinsamen Ausflug vorbereiten. Und versäumt bitte nicht, für
die vier Tage die passende Kleidung einzupacken?«, schlug Lyr vor.
»Was ist denn die geeignete Kleidung
für diesen Trip?«, fragte Gregor mit gerunzelter Stirn.
»Was tragt ihr denn im Allgemeinen
auf eurem Planeten, wenn ihr hinaus in die Natur geht?«,
erkundigte sich Lyr.
»Na, das kommt ganz auf das Wetter
an.«, gab Katja dazwischenredend und bestimmend an.
»Wenn ihr damit das allgemeine Klima
auf Sinas ansprecht, dann könnt ihr ganz beruhigt sein. Denn
das dortige Verhalten der Tages- und Nachtzeiten ist meist
kontinuierlich, außer, dass auf Sinas alle 6 bis 8 Wochen in
einem Zeitraum von bis zu 5 Tagen eben dieses regnerische Unwetter
zum Ausbruch kommt, ist dieser Planet allen Lebens wohlgesinnt.«,
erklärte Lyr.
»Ich würde Vorschlagen, dass wir
vorsichtshalber von jedem etwas einpacken, falls das Unwetter
es sich doch noch kurzfristig anders überlegt. Schaden kann es
ja weißgott nichts, oder was meint ihr dazu?«, schlug
Norman vor.
Alle in der Runde nickten zustimmend.
»So, dann werde ich mich mal auf den Weg
machen und schon mal den für uns vom Hohen Rat zugewiesenen
Raumgleiter überprüfen.« So ging Lyr langsam, ruhig
und gemächlich aus Marys Quartier.
Da saßen sie nun allesamt wie
angewurzelt, ja wie bestellt aber dennoch nicht abgeholt. Es machte
den Anschein, als würde jeder der Runde auf irgendetwas
warten. Bis schließlich Katja das nervenaufreibende
Schweigen brach.
»He, was ist denn mit euch los? Freut
ihr euch denn überhaupt nicht auf den Ausflug? Ich jedenfalls
bin heilfroh, endlich mal wieder aus dieser Konservenbüchse
herauszukommen.«, erklärte Katja feststellend.
»Doch schon, natürlich freuen wir
uns, dennoch, und ich glaube, da spreche ich für alle in der
Runde, dass wir am liebsten zu Hause wären.«, erwiderte
Mary etwas traurig.
»Sinas soll ein Paradies an
einzigartigen Biotopen sein. Wenn das zutrifft, wird uns Sinas
bestimmt an unsere gute alte Mutter Erde erinnern.«, seufzte
Sarah innerlich.
»Ich und
Norman können ja verstehen, dass euch die Heimat fehlt.
Uns erging es anfangs auch nicht anders. Noch heute, nach so
vielen Jahren in dieser Zeitdimension, verspüren wir noch eine
sehr große und innige Verbundenheit zur Erde und unseren
Liebsten, die wir zurücklassen mussten, sie fehlen uns sehr, das
könnt ihr uns ruhig glauben. Dennoch solltet ihr nicht den
Kopf in den Sand stecken und lieber nach vorne schauen, einfach das
Beste aus dieser Lage zu machen, in der ihr euch gezwungenermaßen
befindet. Es nützt euch rein gar nichts, wenn ihr euch
gegenseitig zur Traurigkeit und somit in eine tiefe depressive
Gefühlslage aufstachelt. Ich kann euch versichern, bessere
Beschützer und Hüter wie die Dogon, die stetig um unser
Wohlergehen besorgt sind, gibt es nicht. Nicht im gesamten Universum
und auch nicht auf unserer Mutter Erde. Ihr solltet endlich
begreifen lernen, dass die Dogon keine andere Wahl hatten als so zu
handeln. Es geht hierbei nicht um irgendwelche Profitgierigen
Handlungen der Dogon. Vielmehr geht es hier ums nackte Überleben,
ja, um das Überleben einer Spezies, die am Abgrund steht.«
Einige aus der Runde guckten etwas beschämt, weil sie fühlten,
wie Recht doch Norman und Katja letztendlich hatten. Und irgendwie,
so schien es, sahen die meisten der Runde mit Achtung zu Norman und
Katja auf. Wie tapfer sie sich verhielten und wie lebenskundig die
beiden doch waren. Die Runde unterhielt sich an diesem Abend noch
sehr lange, über dies und jenes, über die Vorbereitungen
der bevorstehenden Abenteuerreise zum Planeten Sinas, die ihnen von
dem Volk der Dogon geschenkt wurde. Die Zeit, ja die Stunden bis hin
zu jener Stunde, zu der der Start des Raumgleiters stattfinden sollte,
zogen sich schleppend hin. Doch dann war es so weit. Noch eine
Stunde bis zum Countdown (Start). Wie immer trafen sich alle vor
ihren Quartieren, um auf Lyr zu warten, der sie dann zum Frühstück
geleitete. Und als sich alle im Essenssaal einfanden und an ihrem
gewohnten Stammtisch Platz nahmen, kamen zwei Dogon aus ihren
Reihen an ihren Tisch, eingehüllt in farbenprächtigen
Gewändern.
Durch das Tragen von Kapuzen konnte man kaum ihre Gesichter
erkennen. Mit Argwohn bemusterte die Runde die beiden Dogon, die
zunächst nur dastanden und sich ausschwiegen, bis schließlich
einer der beiden zu reden anfing.
»Seid gegrüßt, ihr Menschen
des Planeten Erde. Unseres Wohlwollens seid euch gewiss.« Worauf
von den beiden eine graziöse Verbeugung vorausging. Was die
Runde natürlich erwiderte.
»Aber bitte, so nehmt doch Platz und an
unserem Frühstück teil.«, forderte Norman herzlichst
auf. Als sie dann in der Runde Platz nahmen und ihre Kapuzen ganz
langsam abstreiften, verschlug es Norman und Katja die Sprache.
»Norman, siehst du, was ich sehe? Wir
kennen doch die beiden, oder etwa nicht?«, vergewisserte sich
Katja, bei Norman.
»Klar, Katja, und ob wir die beiden
kennen?« Im Nu rannten Norman und Katja um den halben Tisch
herum. Dann folge eine stürmische und herzliche Umarmung der
vier. Der Rest der Runde staunte nicht schlecht. Als sich dann die
Wiedersehensfreude der vier etwas gelegt hatte und alle wieder auf
ihrem Platz saßen, begann das Vorstellen der beiden Dogon.
»He, Leute,
darf ich euch vorstellen, der Dogon zur linken Seite neben Mary ist
unser Freund, Scha Bacheme Te, was soviel wir der Gutmütige
heißt, und der Dogon zur Rechten ist Schah Sachote Te, was
soviel wie der Weise bedeutet. Dann stellte Norman jeden einzelnen
mit seinem Vornamen vor.«
»Ja, sagt mal, ihr beiden, wie kommen wir
zu dieser Ehre?«, wollte nun Katja wissen.
»Hat euch denn euer Androide Lyr
nichts davon berichtet?«, erkundigte sich
Scha Bacheme Te, genannt der Gutmütige.
»Nein, nicht im Geringsten?«,
erwiderte Katja etwas erstaunt. Katja warf Lyr einen Blick zu, der
in diesem Moment alles aussagte.
»Katja, das sollte eine Überraschung
für dich und Norman sein.«, rechtfertigte sich sogleich
Lyr.
»Was dir im Übrigen auch gelungen
ist. Aber sagt doch mal, ihr beiden, was für ein Grund führt
euch zu uns in die Runde?«, fragte nun Norman betont fröhlich.
»Nun, der eigentliche Grund liegt doch
auf der Hand, wir sind die beiden Dogon, die euch zum Planeten Sinas
begleiten dürfen. Im übrigen verdanken wir das eurem
Androiden Lyr, der sich beim Hohen Rat für uns sehr lobenswert
aussprach. Wofür wir ihm sehr dankbar sind.«, erklärte
nun der Weise, Scha Sachote Te, freudig. Und bei Lyr begannen seine Augen voller Stolz zu rollen, als er so viel Lob
hörte.
»Aber nicht doch, das war doch nicht
die Rede wert. Jedoch freue ich mich natürlich, euch damit eine
Freude gemacht zu haben, bekundete Lyr leicht beschämt und
dennoch entzückt.
»Mann, das ist ja ein Ding.«,
bekundete Norman freudig.
»Sagt mal, ihr beiden, seid ihr schon mal
auf Sinas gewesen?«, fragte nun Gregor neugierig.
»Gewiss, der kommende Flug inbegriffen,
sind es exakt 23 Aufenthalte auf Sinas. Ihr braucht euch wirklich
keine Sorgen zu machen. Es ist ein wunderschöner Planet. Ihr
werdet den Aufenthalt genießen und die vier Tage werden euch
viel zu kurz vorkommen. Ihr werdet gar nicht mehr zurück
wollen. Es ist wirklich ein Paradies.«, sagte der Weise.
»Und wie, wenn ich fragen darf, sieht
das Programm aus?«, wollte nun Stephan wissen.
»Nun die vier Tage beinhalten eine
Wandertour, die einen ganzen Tag in Anspruch nehmen wird, wobei wir
uns die dort herrliche Natur eingehender ansehen und erleben
werden und eine festgelegte Tour, mit der wir uns die unterirdische Stadt
ansehen. Übrigens, dort werden wir uns auch gleich
einquartieren, usw. Aber alles möchten wir jetzt im Vorfeld
nicht verraten. Ich würde sagen, lasst euch überaschen.
»So, es sind noch genau 15 Minuten bis
zum Start, ich hoffe doch, dass niemand von euch etwas in seinem
Quartier vergessen oder liegenlassen hat?« Alle verneinten
kopfschüttelnd, folgten Lyr zum Lift und fuhren direkt zu
den untersten Starthangars, von wo sie starteten. Dort angekommen,
staunte die Runde nicht schlecht.
»Wow! Mann, ist das ein riesiges
Geschoss.«, ergänzte Sarah ihre Gedanken vor
Begeisterung.
»Ja, wahrlich, Sarah, da muss ich dir
Recht geben. Es ist wirklich enorm groß. Wenn ich mir
vorstelle, dass wir mit diesem Ding durch den Raum gleiten, und auch
noch auf einem Planeten landen sollen, wird mir ganz anders.«,
gab Gregor ängstlich und zweifelnd zu seinem Besten.
»Keine
Sorge, Gregor, das Ding, oder wie du es beliebst zu nennen, ist
sicherer als ein Spaziergang in deinem Quartier.«, beruhigte
nun Scha Bacheme Te, genannt der Gutmütige, Gregor.
»Meinst du?«, vergewisserte sich
Gregor, noch immer zweifelnd.
»Ganz gewiss, Gregor. Zudem müsstet
ihr Menschen doch das Fliegen gewohnt sein, obwohl eure
Flugmaschinen sehr anfällig für Abstürze sind und
schon viele den Tod kosteten.«, begutachtete der Gutmütige
mit seiner beweiskräftigen Aussage.
»Ja, ja, willst du mir etwa weismachen,
dass eure Flugmaschinen niemals defekt sind oder gar abstürzen
könnten?«, maulte Gregor zurück.
»Das mit Sicherheit nicht. Dennoch, in
den letzten 500 Jahren gab es keinen einzigen Vorfall hinsichtlich
dieser Probleme an unseren Flugmaschinen.«, verteidigte Scha
Bacheme Te, genannt der Gutmütige, seine Erkenntnisse.
»Na ja, Hochmut kommt bekanntlich vor
dem Fall.«, lästerte Gregor im Nachhinein. Was aber Scha
Bacheme Te, genannt der Gutmütige, nicht im Geringsten störte.
Auch Katja und Norman sahen sich mit
wechselnden Gefühlen diesen Raumgleiter etwas genauer an. Viele
Jahre sind nun schon vergangen, als Katja und Norman auf dieses
Raumschiff gezwungenermaßen entführt wurden. Natürlich
in die Zeit der Zukunft. Dennoch, als die beiden diesen Raumgleiter
sahen, dachten sie insgeheim das Gleiche: Wie es wohl wäre,
diesen Raumgleiter einfach zu Kidnappen, in die Zeitschleife bis hin
zu ihrem Sonnensystem zu fliegen und wieder nach Hause zu ihren
Liebsten, zu ihrer gewohnten Umgebung zu kommen. Doch beiden war
klar, dass dies Vorläufig nur ein Traum blieb. Sie konnten
nicht fliehen, auch wenn sie noch so viele Gelegenheiten bekämen.
Sie gaben diesem Volk ihr Wort. Sie gaben ihr Wort, diesem Volk auf
dem Planeten Goderijan mit aller Kraft ihres Geistes beiseite zu
stehen. Um sie von dieser schrecklichen und aufzehrenden
Seelenkrankheit, die sie einst von der Erde zu sich nach Hause, nach
Goderijan, einschleppten, zu befreien. Immer und immer wieder,
sprachen die Mitglieder des Hohen Rates von einer innewohnenden,
ja ruhenden Macht, die in Katja und Norman bis jetzt ungenutzt
verweilte. Diese Macht sollte, so der Hohe Rat, ein ganzes Volk
von ihrem Seelenleiden befreien, einem Seelenleiden, das sogar zum Tod
führen konnte. Nun gut. Norman und Katja fanden sich mit
ihrem Schicksal schon seit langem, ja schon seit Jahren, ab.
»He, ihr beiden, träumt ihr mal
wieder?«, bemerkte Mary so nebenbei und tippte Norman und
Katja leicht an den Schultern, wobei die beiden erschraken.
»Was ist los?«, fragte Norman. Und
auch Katja war etwas leicht irritiert.
»Seht ihr? Lyr steht schon vor der
Eingangsluke oder wie dieser Eingang genannt wird. Er winkt uns zu,
dass wir endlich kommen sollen. Also lasst es endlich hinter uns
bringen. Klar?«, gab Mary nun nervös geworden an.
»Ist ja
schon gut, wir kommen gleich nach.«, sagte Katja. Die beiden
gingen ganz langsam und gemächlich immer näher auf den
Raumgleiter zu. Umso näher sie herankamen, umso größer
wurde der Gleiter. Er war offengestanden sehr schön
anzuschauen. Ein Wunder der Technik war er gewiss. Und die Farbe
seiner Außenhaut konnte man fast nicht definieren. Wenn man
beim Näherkommen seinen Blick am Bug zu einer anderen Stelle
wandte, veränderte diese ihr Schimmern und Glänzen, als
passe sie sich den Gegebenheiten eines jeden Entdeckers an. Dabei wechselte die
Außenhaut ihre Farbe in vielen Gegebenheiten des Betrachters,
der dann jenen Gleiter nicht als Flugobjekt zu definieren vermochte,
sondern eher als einen leuchtenden Stern identifizierte. Der Bug war
mit zahlreichen positionsähnlichen Lichtern bestückt.
Eigenartigerweise konnte man dort keinerlei Fenster oder
Ausgucksluken erspähen. Seine Form, die er repräsentierte,
wenn man den Raumgleiter von unten und der Seite betrachtete, glich
eher einer glatt glänzenden und abgerundeten
Pyramide. Als Norman und Katja sich unmittelbar vor dem Eingang des
Raumgleiters befanden, blieben sie kurz vor Lyr dem Androiden
stehen, der ja bereits ungeduldig auf die beiden seitlich neben dem
Eingang wartete.
»Darf ich nun bitten, es ist Zeit, eure
Freunde sind bereits an Bord.«, drängte nun Lyr die
beiden. Als Norman und Katja sich im Innenteil des Gleiters
befanden, entpuppte sich jener als sehr komfortabel. Dieser eine
Raum bot eine Größe, schätzungsweise von etwas mehr
als 100 qm. Es standen darin mehrere Tische mit den
zugehörenden Stühlen die ein Sitzvermögen von
ungefähr 20 bis 25 Personen hatten. An den Wänden des
Raumes und fest eingebaut befanden sich Bildschirme, die ein
merkwürdiges Licht ausstrahlten. Auch gab es Regale, die
ringsherum fest an der Wand angebracht waren und auf denen eigenartige Figuren in Reih und Glied fest
positioniert standen. Was für eine Bedeutung sie hatten, wagte
keiner Lyr zu fragen, da die Befürchtung nahestand, dass der
Gute wieder einmal, statt nur zu antworten eine
minutenlange Rede daraus machte. Lyr beobachtete seine Schützlinge
aufs Genaueste. Er verfolgte die Neugier eines jeden einzelnen
seiner Gruppe, die gierig den Innenraum mit ihren Blicken und weit
aufgerissenen Augen abforsteten. Da standen sie nun, sich hartnäckig
umsehend im Innenteil des Gleiters und es schien so, als suchten
sie etwas, was Lyr und den beiden Dogon sehr wunderte.
»Kann ich euch vielleicht mit
irgendetwas dienlich sein?«, fragte Lyr etwas hinten herum.
»Äh, Lyr, das kannst du tatsächlich.
Wo sind denn die Sitzplätze für die Passagiere?«, fragte Sarah
nach.
Lyr und die beiden Dogon sahen sich verdutzt
an, als wüssten sie nicht einmal, was Sarah damit nur meinen
konnte.
»Was für Passagiersitzplätze
denn?«, fragte nun Scha Bacheme Te, genannt der Gutmütige.
»Was? Da gibt es doch tatsächlich
etwas, was die schlauen Dogon nicht wissen?«, gab Gregor mal
wieder lästernd von sich.
»Na, das ist ein Raum, wo sich alle in
spezielle Sitzplätze setzen und mit Gurten angeschnallt
werden. Beim Starten und auch wieder beim Landeanflug.«,
erklärte Sarah.
»Ich bin
hoch erfreut, dass du dir Gedanken um die Sicherheit machst, Sarah.
Doch in diesem Gleiter ist das natürlich nicht nötig. Auf
diesem Raumgleiter gibt es keinerlei Rückstöße oder
gar Vibrationen, so dass sich einer von euch verletzen könnte.
Außer jemand verletzt sich beim Hinfallen oder dergleichen.
Doch dafür können wir natürlich keine Garantie
geben.«, erklärte Lyr seinen Schützlingen.
Und während Lyr weiter und weiter
berichtete, sah sich Norman noch etwas genauer um und entdeckte
sogleich hinter einer durchsichtigen glasartigen Türe einige
Stufen, die nach oben zu führen schienen.
»He, Lyr? Komm doch mal her.«, rief
Norman. Lyr beendete sein Gespräch abrupt, als er Normans Ruf
vernahm und ging zu ihm nach hinten, worauf der Rest ihm folgte.
»Warum ist mein Freund Norman denn so
erregt?«, wollte der Androide sogleich wissen.
»Ach, nichts Schlimmes, ich sah eben durch diese Glastüre...«
»Panelium-Sulfite und kein Glas.«,
unterbrach Lyr, was eigentlich gar nicht seine Art war.
»Was, Panelium-Sulfite? Na egal. Was
ich wissen wollte, das sind doch Stufen, die nach oben führen,
nicht wahr?«, bekräftigte Norman nochmals.
»Sicher führen sie nach oben, und?«
Lyr schien nicht zu begreifen, was Norman damit zu sagen
beabsichtigte.
»Wahrscheinlich glaubt Norman, ihr
verbergt etwas vor uns.«, sagte Gregor, natürlich mit
Hintergedanken.
»Verbergen? Was sollten wir vor euch
verbergen wollen? Dort oben befinden sich die Ruhestätten.
Diese Räumlichkeiten werden aber nur bei längeren Reisen
benützt. Was für uns natürlich nicht in Frage kommt,
da wir in einer Stunde und zehn Minuten auf Sinas landen werden.«,
informierte Lyr seine Schützlinge.
»Natürlich.«, stimmte Norman zu.
»Aber bitte, wenn ihr euch gerne die
Räumlichkeiten ansehen möchtet?«, bot Lyr der Runde
an, die aber verneinten.
Dann beschloss die Runde, sich an die Tische zu
setzen. So saßen sie da und kauerten gelangweilt vor sich hin.
Sagt mal, habt ihr vielleicht etwas zu trinken hier an Bord?«,
wollte nun Peter wissen.
»Aber natürlich, was darf ich euch
denn anbieten?«, fragte Lyr die Runde.
»Äh, mir ein schönes großes
und eiskaltes Glas Bier bitte?«, scherzte Gregor und lachte
laut mit einem Gefühl des Triumphes, Lyr mal wieder eins
ausgewischt zu haben. Doch er sollte sich irren.
»Sehr wohl. Und was darf ich dem Rest
der Runde servieren?«, fragte Lyr sehr galant.
Mit einem Male brach die Runde in einem
Schweigen aus. Besonders Gregor, der sich schon als Sieger sah,
verschlug es den Atem.
»Sag bloß, Lyr, ihr habt hier
tatsächlich Bier an Bord?«, erkundigte sich Gregor noch
immer etwas zweifelnd.
»Aber natürlich, warum sollten wir
kein Bier an Bord haben?«
»Weil... Ach vergiss es, Lyr?«,
schmollte nun Gregor.
So bestellten alle ihr Getränk und
plötzlich verflog die Langeweile wie nichts. Und als alle
einige Schluck Alkohol intus hatten, wurde die Runde lockerer und
begann, Lieder aus ihrer Heimat Deutschland zu singen. Selbst die
zwei Dogon, Scha Bacheme Te, genannt der Gutmütige und Schah
Sachote Te, genannt der Weise, sangen in allen Tönen mit. Nur
Lyr der Androide konnte sich nicht so recht begeistern für
die etwas laute Folklore. Er zumindest übte sich mal wieder in
Sachen Beobachtung seiner Schützlinge. Dieses ständige
Beobachten tat er nicht um sie auszuspionieren, nein, im Gegenteil,
er lernte dadurch die Menschen besser kennen. Jedes noch so kleinste
Handeln oder Tun, speicherte er exakt auf seinem Speichermedium, wie
er immer beliebte zu sagen. Jedes Wort und die genaue Tonart,
also auch der genaue Tonfall wurde von ihm erfasst. Jede Emotion,
Ängste, Hass, Freude, ja, wirklich alles konnte er gebrauchen.
Wie andere auf der Erde Briefmarken oder dergleichen aus
Leidenschaft sammelten, so sammelte Lyr sämtliche
Verhaltenweisen und emotionale alltägliche Begebenheiten der
Menschen. Irgendwie bekam man bei Lyr das Gefühl, als würde
er gerne wie ein Mensch sein.
Die Zeit verging wie im Fluge und ehe
man sich versah, setzte der Raumgleiter bereits zur Landung auf dem
Planeten Sinas an.
»Alles mal herhören, meine Lieben.
Wir sind eben gelandet. Vergesst bitte euer Gepäck nicht, und was ihr
sonst so eingepackt habt.«, verkündete Lyr.
»Wir sind wirklich schon da? Aber ich
habe ja gar nichts davon gemerkt?«, stellte Stephan und
natürlich auch die anderen fest.
»Ich sagte euch bereits, dass es
keinerlei Vibrationen oder Vor- und Rückstöße in
diesem Raumgleiter gibt.«, protzte Lyr zurück.
Wie eine kleine Schar Entenküken stellte
sich die Runde mit ihrem Gepäck in den Händen
hintereinander. Einer nach dem anderen, voran natürlich Lyr der
Androide und die zwei Dogon. Als sie dann den leicht lehmigen
Erdboden auf Sinas berührten, reagierte jeder der Runde anders.
Gregor versuchte, auf Zehenspitzen zu gehen, um ja nicht seine
glänzend polierten Ausgehschuhe zu verschmutzen.
Stephan und seine Tochter Sarah, benahmen sich
schon eher interessierter als Gregor, der noch immer umherjammerte.
Die beiden sahen sich den Himmel an, der ein leichtes Rosarot
wiederspiegelte und seinem Betrachter ein wohliges Gefühl gab.
Mary kniete auf der lehmigen Erde und strahlte eine Begeisterung
aus, dass man meinen konnte, sie würde, wie Christoph Kolumbus Amerika,
diesen Planeten als Erste betreten. Susanne nahm diese ganze
Sache wie immer von der gelassenen Seite und frischte ihre
Lidschatten etwas auf. Und was tat Peter, ja Peter stand nur da,
starr wie eine Säule aus Marmor. Über was er sich wohl in
diesem Augenblick Gedanken machte, wusste natürlich nur er
allein. Norman und Mary beobachteten hingegen die Umgebung aufs
Genaueste. Vor allem hatten die beiden den angrenzenden Wald, der
sich so 400 m Entfernung in ganzer Breite des Augenwinkels erstreckte, im
Visier. Nach all dem bisher erlebten wurde dies allmählich
zur Gewohnheit, sich ständig in ihrer Umgebung umzusehen,
um auf etwaige Überraschungen vorbereitet zu sein. Lyr und die
beiden Dogon beobachteten das Treiben und Verhalten der
Menschenrunde.
»So, seid ihr soweit? Dann können
wir ja weitergehen.«, forderte Lyr auf.
»Wo ist denn diese Stadt, von der du
sprachst, Lyr?«, fragte Gregor.
»Aber nicht doch, Gregor, die kannst du
doch nicht von hier aus sehen. Außerdem ist diese Stadt
unterirdisch erbaut worden, so dass man sie weder zu Lande noch zu
Wasser oder geschweige denn aus der Höhe sehen kann.«,
erklärte Lyr.
»Und wie lange müssen wir mit
unserem Gepäck durch den Wald marschieren?«,
fragte nun Sarah nach.
»Keine Sorge, es ist nicht einmal 15 Minuten
Fußweg von hier entfernt. So, dann lasset uns ein
Wanderlied singen und frohen Mutes weiterschreiten.« Mit dem
Gepäck in den Händen und dem heulenden Gesang von Lyr und
den zwei Dogon konnte keine gute Laune in der Runde aufkommen.
Trotz alledem stapfte die Runde tapfer Lyr und den zwei Dogon
hinterher. Als sie nach ein paar Minuten den Wald erreichten,
verschlug es ihnen wie schon so oft den Atem. So etwas schönes
gab es nicht einmal auf der ganzen Erde anzusehen. Sie sahen
Pflanzen und Blumen in einem solch prächtigen Farbenspiel
harmonieren, dass es eine Wonne war, sie überhaupt nur
anzusehen. Man konnte diese Pracht an Pflanzen und sonderbaren
Früchten, die überall hangen, nur mit dem Garten Eden
vergleichen. Ein Wunder der Evolution, ein Wunder der dortigen
Natur.
»Du, Lyr? Kann man denn diese Früchte
überhaupt Essen?«, eine berechtigte Frage, die da Katja
stellte.
»Ich würde keinem dazu raten, sie
sind zwar für das Auge wunderschön anzuschauen, dennoch
sind sie hochgiftig.«, belehrte
Lyr seine Schützlinge.
Siehst du, Katja, auch die Schönheit
vermag ihr Inneres zu verbergen und durch List zu trügen.«,
versinnlichte Norman.
Immer weiter und weiter drang die Gruppe in
das nur leicht lichte Waldstück hinein. Ein paar Minuten
waren sie unterwegs, als ein bis ins Mark durchdringender Schrei
eines für die Runde unbekannten Tieres durch das Waldstück
hallte.
»He, Leute, habt ihr das auch gehört?«,
fragte Gregor ängstlich.
»Keine Angst, meine Lieben, das war nur
ein Quorlok, der ist, wie alle Tiere hier in diesem Gebiet, ein
Pflanzenfresser. Er ist absolut harmlos.«, beruhigte Scha
Bacheme Te, genannt der Gutmütige.
»Und wie sieht denn so ein Quorlok
aus?«, wollte nun Susanne wissen.
»Nun, er gleicht eher einem Milinn. Oh,
verzeiht, ich vergaß, dass ihr das erste mal hierseid. Also, wenn
man es mit irgendeinem Tier auf eurem Planeten Erde vergliche, dann
würde ich eher sagen, dass es mehr einem eurer schon
längst ausgestorbenen Saurierarten gleichkommt, so wie dieser
Brontosaurier, nur nicht so groß.«, erklärte Schah
Bacheme Te, genannt der Gutmütige.
»Und wie groß ist 'nur nicht so
groß'?«, fragte Gregor jetzt mit zitternder Stimme. Dann
sah Scha Bacheme Te seinen Kollegen Scha Sachote Te, genannt der
Weise, an, um ihm dass Wort zu überlassen.
»Ich würde seine gesamte Größe
auf die Hälfte des euren
Brontosaurus schätzen. Aber wie schon gesagt ist er sehr scheu
und würde sich nur aus dem Trieb der Selbsterhaltung
verteidigen oder gar angreifen.« Das war für alle in der
Runde und besonders für Gregor kein sonderlicher Trost, den
Gedanken hegen zu müssen, dass da draußen, tief im Wald,
irgendein Monstrum von einer halben Größe eines
Brontosaurus frei herumlief. Wie dem auch sei, blieb Lyr mit einem
Male abrupt stehen.
»Was ist, Lyr? Warum hält du an?«,
kam es aus der Runde.
»Weil wir angekommen sind.«, sagte
Scha Sachote Te, genannt der Weise.
»Wo sind wir angekommen?«,
erkundigte sich Mary, die sich durch die Runde schlängelte und
ihren Kopf über Normans Schulter streckte um besser nach vorne
sehen zu können. Doch etwas entdecken konnte sie nicht. sie sah
nur diese ihr unbekannten Pflanzenarten, die sich in allen
erdenklichen Formen und Farben darstellten.
»Entweder brauche ich ne neue Brille
oder ihr wollt euch mit mir einen Spaß erlauben. Habe ich
Recht?«, fragt Mary nach.
»Aber nicht doch. Im Augenblick kann
niemand von uns etwas sehen, geschweige denn etwas deuten.«,
sagte Scha Sachote Te, genannt der Weise.
»Ja, aber woher weißt du dann, dass wir
da sind?«, auch wieder eine berechtigte Frage, die da Sarah
stellte.
»Dann seht euch doch mal euren Androiden
an?«, deutete nun Scha Bacheme Te, genannt der Gutmütige,
an.
Alle Blicke richteten sich nun auf Lyr den
Androiden. Und tatsächlich, Lyr stand nur da, regungslos und
starr. Nach einer klitzekleinen Weile begannen Lyrs azurblaue Augen
zu Rollen und gaben ein pulsierendes und immer helleres Leuchten ab.
»Was tut denn Lyr da?«, fragte Peter zurückhaltend.
»Er kommuniziert.«, gab Schah
Bacheme Te, genannt der Gutmütige, zur Antwort.
»So, er kommuniziert also? Und darf ich
erfahren mit wem er kommuniziert?«, drängte Gregor hart.
»Lyr kommuniziert mit dem
Mutterschiff.«, gab diesmal Scha Sachote Te Antwort.
» Du meine Güte, lasst euch doch
nicht immer alles aus dem Munde ziehen und sagt mir, was da nun
wirklich vor sich geht.«, sagte Gregor nun mit jetzt festem
Ton.
»Entschuldigt, natürlich. Lyr befindet sich jetzt mit der Kommandostelle in
Kontakt, die wiederum ein verstärktes Signal zu Lyr zurück
sendet. Dieses Signal, müsst ihr wissen, ist wie ein Schlüssel
oder sagen wir mal, ein Code. Wenn nun Lyr diesen Code empfangen
hat, wird dieser Code erst einmal von Lyr überprüft. Er
wird auf seine Vollständigkeit, auf seine Richtigkeit der
Kombination hin, überprüft werden. Dann folgt eine
weitere Überprüfung seitens Lyr, ob der Sicherheitscode
auch wirklich vom Mutterschiff gesendet wurde. Wenn das geschehen
ist, dann folgt die gleiche Sicherheitsprüfung noch einmal, nur
in umgekehrter Reihenfolge. Wenn nun auch diese
Sicherheitsüberprüfung seine Richtigkeit hat, wird nun
das letzte Hauptsignal zum Öffnen der Schleusen freigegeben
und somit der Eintritt zum Vorderportal gewährt. An diesem
Vorderportal muss ein weiterer Code, und das wiederum von Lyr,
eingegeben werden. Ist nun dieser Code auch richtig, steht dem
Eintreten in die unterirdische Stadt nichts mehr im Wege. Sonst noch
Fragen? Hat das auch jeder von euch mitgekriegt?«, fragte
Scha Sachote Te, genannt der Weise, nach. Mit erstaunten Gesichtern
sah die Runde den weisen Dogon an. Sprach- und fassungslos
gleichermaßen warf die Runde Scha Sachote Te einen Blick zu,
der alles aussagte. Nämlich, dass sie nur Bahnhof verstanden
haben.
»Ach du Grundgütiger, was um
Himmelswillen erzählt uns dieser Dogon denn da? Habt ihr
vielleicht irgendetwas von diesem Code-Gequatsche überhaupt
verstanden? Also, ich nicht. Das ist vielleicht ne Riesensauerei,
die da diese verdamm...«
»Halt endlich deine verdammte Klappe!«, brüllte
der Rest der Runde Gregor an, der wie ein ängstliches
Hündchen vor Schreck zusammenzuckte und fortan, zwar etwas
beleidigt, aber dennoch, schwieg. Plötzlich konnten alle etwas
hören, es begann der Erdboden zu zittern, ja quasi zu vibrieren.
Es hörte sich an, wie aus einer Mischung von Geröll und
einem rauschenden Wasserfall. Was sie dann allesamt zu Gesicht
bekamen, überstieg bei Weitem ihr Wahrnehmungs- und
Vorstellungsvermögen. Eine unglaubliche Szenerie spielte sich
vor allen dort anwesenden Augen ab. Vor ihnen tat sich die Erde auf.
Helles, von dichtem Nebel und Rauch umschlungenes Feuer entwich,
langsam und schleichend kroch der Rauch aus dem schwarzen Schlund
der Tiefe empor, begleitet von einem Licht, das sich in nur allen
erdenklichen Farben präsentierte und sich schließlich in
den Weiten der Himmelssphären verlor. Katja bekam das Gefühl,
als täte sich in diesem Augenblick vor ihr der Schlund der
Hölle auf und entließ mit diesem entsetzlichem Getöse
den Geruch aus seiner unterirdischen und von Glut umgebenen Gruft
des Teufels Knechtschaft. Den einst Gott unser himmlischer Vater
den abgrundtiefen des Bösen, dorthinein auf ewig verdammte.
Als plötzlich wieder Ruhe einkehrte, tupfte einer der Runde an
Katjas linke Schulter, worauf sie sich schrecklich erschrak und
zusammenzuckte.
»Mann, Norman, musst du mich denn so
erschrecken?«,beschwerte sich Katja.
»Entschuldige, Schwesterchen, war doch
keine Absicht.
»Mann, du bist ja genauso erschrocken, wie
wir auch!«, stellte Norman fest.
Katja war heilfroh, als sie erkannte, dass
sie ihrer Phantasie nur etwas zu viel freien Lauf ließ und
somit ein klein wenig überreagierte.
»So beruhigt euch doch, es kann euch
nichts geschehen. Lyr hat nur soeben den Zugang zur unterirdischen
Stadt geöffnet.«, verkündete Scha Bacheme Te,
genannt der Gutmütige.
»Wo ist überhaupt Lyr?«,
wollte die Runde wissen, die ihn aus den Augen verloren hatte, während
sich allesamt, vor Angst und dem ohrenbetäubenden Lärm
in die Büsche schlugen.
»Lyr ist schon voraus, um alles vorweg
zu analysieren.«, erklärte Scha Sachote Te, genannt der
Weise.
»Na endlich, wurde ja auch langsam Zeit,
hab nen Bärenhunger.«, muckte Gregor mal wieder auf.
»Was will er denn im vorweg
analysieren? Ich dachte, dass alles in bester Ordnung sei, oder?«,
sagte Norman nun etwas nervöser geworden.
Hoffnungsvoll richteten allesamt ihre Blicke
auf Lyr, der sich, wie aus dem Nichts, wieder in Sichtweite befand
und darüber hinaus sich irgendwie merkwürdig verhielt.
»Was ist denn mit dem los, warum kommt
er nicht her?«, sagte Sarah ängstlich.
Auch die beiden Dogon
verbreiteten nicht gerade eine freudige Miene. Irgendetwas schien in
der Luft zu liegen. Dessen waren sich alle in diesem Augenblick
bewusst. Der Runde war bereits bekannt, dass die Dogon telepathische
Fähigkeiten besaßen und auch mit Lyr, obwohl er künstlich
erschaffen wurde, also ein Androide war, auf diese Art
kommunizieren konnten. sie wussten bereits, dass etwas nicht stimmte
und sie deshalb ihre Gesichter zu einer Mimik verzogen, die schon mit
einem Trauerspiel zu vergleichen war.«
Also, heraus mit der Sprache, Scha Bacheme Te,
was ist mit Lyr los und vor allem, was geht dort vor sich.«
Norman ließ nicht locker, er drängte, setzte die beiden
Dogon mächtig unter Druck, bis einer der beiden Dogon
schließlich klein beigab.
»Es tut mir leid, euch das sagen zu
müssen. So etwas ist noch nie vorgekommen. Ich bin ganz
verworren.«
»Ja, ist ja schon gut, ich will jetzt
endlich wissen, was passiert ist?«, unterbrach Norman Scha
Bacheme Te, genannt der Gutmütige.
»Lyr hat während der Analyse
festgestellt, dass sich das Portal im Inneren, also das dahinter
liegende Tor nach dem Außenportal, trotz des Hauptsignals,
das gesendet wurde, sich nicht geöffnet hatte. Zunächst
entschied Lyr direkt vor Ort, das System manuell, also selbst zu
überprüfen, was er auch sogleich tat. Doch mit größtem
Bedauern musste er feststellen, dass in diesem Fall nichts mehr zu
machen war. Seine Diagnose lautete: System defekt, System
zerstört.«, erklärte Scha Bacheme Te allen, die nun
sichtlich nervöser wurden.
»Was heißt hier 'zerstört', wie
konnte denn das überhaupt geschehen?«, schrie nun
Peter, der in seiner Aufregung wie ein kleines Hühnchen hin
und her lief und sich die Hände über dem Kopf schlug.
Und was bedeutet das?«, fragte Gregor
ängstlich auf seinen Fingernägeln kauend.
»Nicht so ungeduldig, meine Freunde!«,
forderte Scha Bacheme Te von der Runde.«
»Es bedeutet, dass Lyr mit absoluter
Sicherheit feststellen konnte, dass das System absichtlich
manipuliert wurde. Im Klartext, es wurde von irgendwem oder
irgendetwas vorsätzlich zerstört.« Scha Bacheme Te fiel es sichtlich schwer, zugeben zu
müssen, dass seine eigene Rasse doch nicht so vollkommen zu
sein schien, als er glaubte.
»Und was folgt jetzt, ich meine, was wird
nun aus unserem viertägigen Urlaub?«, fragte Gregor mit
heiserer Stimme.
»Es wird das Beste sein, ihr fragt ihn
das selbst.«, gab nun Scha Sachote Te, genannt der Weise, zur
Antwort. Und in der Tat kam Lyr unbeeindruckt, so schien es
zumindest, einhergeschlendert.
»Aufgeregt
und Hilfe suchend, lief die ganze Runde dem Androiden entgegen. Sie
drängten nun nach Antworten, und sprachen aufgeregt
durcheinander. Doch Lyr war trotz allem für seine
Selbstbeherrschung allseits bekannt. Einer musste ja seine Nerven
behalten. Geduldig wartete er so lange, bis es seinen Schützlingen
allmählich bewusst wurde, dass es bei ihm überhaupt keinen
Sinn hatte, wild und durcheinander zu quengeln, anstatt sich gezielt
und sinnvoll einem Plan zu widmen, einen Weg aus diesem Dilemma zu
finden. Nach einer weiteren Minute legte sich so langsam die
Aufregung. Dann war es still geworden in der Runde. Da standen sie
nun alle nebeneinander, ja fast in Reih und Glied formiert, dazu
noch schmollend, in sich die Hoffnung tragend, dass Lyr nun ein
Wunder geschehen ließe. Doch statt tröstende Worte zu
verteilen, schien er es für wichtiger zu halten, jedem
einzelnen von der Runde aufs genaueste zu be-gut-äugen, was
die Herrschaften allmählich, sehr nervös machte.
»Wie ich bereits weiß, hat euch schon
Scha Bacheme Te einen Teil von diesem, na sagen wir mal Verhängnis,
erzählt. Doch das ist, oh Heiliger Xarmax hilf uns, leider
erst der Anfang unserer missligen Lage.«, musste Lyr nun
eingestehen.
»Was meinst du mit dem Satz, dass es
erst der Anfang wäre?«, bangte mal wieder Gregor um sein
Wohlbefinden.
»Nun, um es verständlicher zu
machen, werde ich es euch in eurer Ausdruckweise klarmachen.«
Daraufhin folgte ein kurzes Schweigen, bevor Lyr mit dem Stand der
Situation herausrückte.
Wir sitzen ganz schön tief in der
Scheiße!«, stellte Lyr fest.
»Und was machen wir nun?«, fragte
Peter.
»Das Beste wird sein, dass wir zum
Raumgleiter zurückkehren und Sinas verlassen. Wir müssen
zwar zügigen Schrittes gehen, aber dennoch sehr wachsam sein.
Es wäre ja möglich, dass sich hier und außer
Reichweite meiner Sensoren doch noch einige Saboteure versteckt
halten.«
»Moment mal, sagtest du uns denn nicht,
dass es hier auf Sinas nichts gäbe, wovor wir Angst haben
müssten und dass wir hier vollkommen sicher wären?«,
erinnerte Sarah nochmals.
»Natürlich, das sagte ich, es traf
ja auch jahrhundertelang zu. Dies war auch viele Jahrhunderte ein
Ort des Friedens, ein Paradies seines Gleichen. Und es tut mir auch
leid, dass ich mich diesbezüglich geirrt habe. Es ist nun mal
so, dass sich die Dinge stetig ändern und das, ohne dass man was
dagegen tun könnte. Wir müssen jetzt standhaft sein und
zusammenhalten, denn der- oder diejenige wussten genauestens
was sie da taten. Aus irgendeinem Grund wollten sie oder wollte 'es' uns von der
unterirdischen Stadt fernhalten. Ich weiß nur nicht, warum. Doch
eines ist sicher, dieses 'Es' muss demnach Intelligenz besitzen.«,
stellte Lyr fest.
»Wie kommst du darauf, dass dieses Etwas
Intelligenz besäße?«, wollte nun Susanne wissen.
»Wir Dogon
sind, falls ihr es noch nicht bemerkt habt, ein sehr vorsichtiges
Volk, wenn es um fremdartige Spezies geht. Außerdem lassen
wir an Sicherheiten nur äußerst selten etwas aus. Daher
wurde es uns zur Gewohnheit, schon vorher auf dem Weg
und bei jeder Landung auf fremdeartigen Welten, so auch auf
Sinas, mit unseren hochempfindlichen Sensoren die Oberfläche auf Leben abzutasten.
Und auf Sinas eben, fanden wir nichts, außer tierischem und
pflanzlichem Leben. Natürlich abgesehen von den mikroskopischen
Kleinstwesen. Unsere Sensoren fanden bei keinem Male irgendwelche
Anzeichen von einer intelligenten Spezies. Als wir dann hier
ankamen, wie wir gerade feststellen mussten, war ja unser
Hauptportalsschleusensystem mutwillig zerstört worden. Was
mich dann schlussfolgern lässt, dass mit größter
Wahrscheinlichkeit Sinas schon eine längere Zeit von jener Intelligenz beobachtet
und ausgekundschaftet wurde, die dann die
unterirdische Stadt entdeckt und eben unser Hauptportal sabotiert
hat. Trotzdem, es ist mir ein Rätsel, wie sie die
unterirdische Stadt überhaupt finden konnten?«, bemerkte
Lyr noch nebenher.
»Na, vielleicht sind diese Wesen im
Besitz eines Ortungssystems, das ihr nicht kennt, das vielleicht
weitaus leistungsfähiger ist als das eure?«, sagte
Norman.
»Ja, daran hatte ich auch schon gedacht,
und ich befürchte, Norman, dass du in dieser Hinsicht Recht
behältst.«
»Also, ich glaube, dass ich nochmal in
die Schule muss, ich verstehe nämlich nur Bahnhof, Lyr?«,
gab Gregor leicht ironisch zu.
»Das ist doch ganz einfach zu
schlussfolgern, Gregor. Wenn dieses Etwas, das unser Hauptportal
zerstört hat, sich nicht mehr auf Sinas aufhält,
dann muss es fähig sein, wann immer es auch nur wollte, diesen
Planeten zu betreten oder zu verlassen. Ist doch logisch, oder? Und
nun frage ich euch, wie war es dieser Spezies möglich, quasi zu
kommen und zu gehen, wann es ihr beliebt und das auch noch, ohne
dabei von unseren Sensoren entdeckt zu werden?«, fragte Lyr
seine Schützlinge.
»Ach du meine Güte, mit einem
Raumschiff natürlich.«, kam Katja die Erleuchtung.
»Ganz genau, aber das wäre
natürlich nur eine der zwei Möglichkeiten die ich in
Betracht zog, sozusagen in Verdacht hatte.«, stellte Lyr seine
These vor.
»Und was vermutest du als die zweite
Möglichkeit?«, fragte Mary neugierig.
»Eine Zeitreise.«, kam trocken von Lyr.
»Eine Zeitreise, Lyr?«,
wiederholte Mary erstaunt.
»Ja, eine Zeitreise. Nehmen wir einmal
an, diese Spezies wäre von einem ihrer Raumschiffe auf die
Sinasoberfläche gebeamt worden. Dabei werden ihre Körper
in sämtliche Atomteilchen zerlegt, durch Zeit und Raum
transferiert, und am gewünschten Zielort wieder zusammengesetzt, als
Ganzes in ihrer Ursprungsform. Wenn sie wie wir
mit einem Shuttle-Gleiter oder ähnlichem hier auf Sinas
gelandet wären, müssten wir zumindest mit unseren Sensoren auf Plasmaspuren oder eines ihrer
körpereigenen Konsistentien gestoßen sein, was ja nicht der Fall war. Also kommt
eigentlich nur eine, noch übrig gebliebene Möglichkeit in
Betracht. Sie sind fähig, wann immer sie wollen, in der Zeit
vor- oder zurück zu reisen. Eine andere Möglichkeit gibt es
meines Wissens nicht.«, berichtete Lyr und fühlte sich
wie Sherlock Holmes.
Aber Lyr, das könnt ihr doch auch! Das
stimmt doch, oder? Ich meine, wie wären wir denn sonst hier?«,
stellte nun Peter fest.
»Da muss
ich euch, und besonders dir, Peter, eine herbe Enttäuschung
bereiten. Es stimmt schon, dass ihr durch Raum und Zeit gereist
seid. Aber auf natürliche Weise, indem wir uns die enorme und
überdimensionale, dadurch raumverzerrende, verschiedene
Geschwindigkeiten der Gravitation/nen von einem der von uns
entdeckten Schwarzen Löcher zu Nutze machten. Worauf
anscheinend diese Spezies nicht angewiesen ist. Sie können, und
dessen bin ich mir sicher, durch irgendeine Technik an irgendeinem
Ort, natürlich mit der Voraussetzung genauer Koordinaten, durch
ihre, sagen wir einmal, Zeitmaschine reisen.«
»Sag mal, Lyr, wäre es denn möglich,
dass diese Spezies durch ihre Fähigkeit der Zeitreise direkt
in den Bunker, entschuldige, ich meinte in die unterirdische Stadt
hinein gereist, sozusagen erst gebeamt und anschließend
transferiert worden sind?«, eine äußerst
berechtigte und kluge Frage, die da Katja stellte.
»Auch das, meine Liebe, hat mein System
schon ausgearbeitet und als eine weitere Möglichkeit in
Betracht gezogen. Wir können daher annehmen, dass sich diese
Spezies bereits in der unterirdischen Stadt befindet.«,
bestätigte Lyr.
»Aha, und darum die Sabotage?«,
meldete sich nun Sarah.
»Richtig, gut erkannt, Sarah.«,
belobigte Lyr sie.
Lyr, und was, nach deiner Meinung, könnten
sie denn in eurer unterirdischen Stadt wollen?«, fragte jetzt,
auch neugierig geworden, Susanne.
»Ich denke, dass sie es auf unsere
Rohstoffe und Lebensmittel abgesehen haben. Immerhin lagern dort
enorme Mengen, und das für mehrere Millionen von Dogon, die
damit weit über zwanzig Jahre auskommen könnten, wenn es denn
sein müsste.«, frönte Lyr.
»Lyr, eines noch: Sagen wir einmal, dass
sich diese Spezies tatsächlich in eurer unterirdischen Stadt
eingenistet hat, warum haben dann eure Sensoren sie bislang nicht
entdeckt?«, wollte nun Susanne genauer wissen.
»Auch diese und entscheidente Frage ist
berechtigt, Susanne. Wir konstruierten diese unterirdische Stadt so,
dass, wenn wir sie bewohnten, keinerlei Signal oder gar Peilungen
welcher Art auch immer, uns entdecken konnten. Und das ist
einhundert Prozent erwiesen, worauf ich aber in diesem Augenblick
nicht näher eingehen möchte. Wir halten uns sowieso schon
zu lange hier auf. Deswegen müssen wir sofort aufbrechen und
zum Gleiter zurückgehen. Am besten wird es sein, das schwere
Gepäck vorerst hier zu lassen, es würde uns nur behindern.
Versteckt es irgendwo in den Büschen. Und dann lasst uns
aufbrechen.«, gab Lyr freundlich Order.
Sag mal, Lyr, wie mir bekannt ist, kannst du
dich doch jederzeit in den Hauptcomputer einloggen. Ich meine, auch
von hier aus?«, fragte Norman nach.
»Normalerweise schon, aber seit den
letzten zwei Überfällen in den vergangenen Jahrhunderten,
ist es strengstens untersagt, egal von welchem Punkt aus, jeglichen
Gebrauch von Signalen zu führen, die die genaue Position des
Mutterschiffs verraten könnten. Mit Ausnahme, das Signal wird
direkt vom Mutterschiff her gesendet. Dort stehen uns technische
Mittel zur Verfügung, die eine Anpeilung oder gar Abtastung
seitens jeder uns feindlich gesinnten Spezies gegenüber dem Mutterschiff verhindern.«, erklärte Lyr.
»Ja, aber um Himmelswillen, Lyr, das ist doch ein Notfall. Du musst ein
Notsignal zum Mutterschiff senden!«, forderte Gregor, wobei er
dieses eine Mal gar nicht so Unrecht hatte.
»Glaubt ihr denn allen ernstes, wenn ich
diese Möglichkeit hätte, dass ich sie nicht schon längst
in Betracht gezogen und genutzt hätte?«, musste Lyr
eingestehen.
»Und was ist der Grund dafür?«,
fragte Stephan.
»Weil der Hauptcomputer im Mutterschiff
jegliche Art von Signalen noch vorher abfängt und in eine
andere Richtung ablenkt. Aus Sicherheitsgründen beschloss der
damalige Hohe Rat, dass jedes Signal, das trotz ausdrücklichen
Verbotes, von außerhalb in Richtung Mutterschiff gesendet
wurde, egal aus welchem Quadranten oder welcher Galaxie es auch kommen
mag, sofort durch unseren Hauptcomputer, der dies im Übrigen
selbstständig übernimmt, eine Modulation, also einem
Abweichungs-Gegensignal ausgesetzt wird. Wodurch wiederum das von
außen kommende Signal sofort erfasst und in eine andere
Richtung gelenkt wird. Somit wird jedem Feinde vorgetäuscht,
dass sich in diesen Galaxien, Quadranten und deren Bereichen
keinerlei Raumschiffe oder dergleichen aufhielten. Auch ich kann
dies nicht ändern.« Lyr bedauerte seine diesbezügliche
Unfähigkeit. Es gab für Lyr den Androiden nichts
Schlimmeres, als auf irgendeine Art und Weise zu versagen. Es drang
wie reines Gift in seine künstlichen Schaltkreise. Wie dem
auch sei, zog sich Lyr wieder in die Realität der
Wirklichkeit zurück und erinnerte seine Schützlinge an den
Rückweg zur Lichtung, wo sie mit dem Raumgleiter gelandet waren. Dann
machte sich die Runde, mit Lyr an der Spitze, und als Schlusslicht
den beiden Dogon, auf den Rückweg zum Raumgleiter. Schritt für
Schritt lief die Runde Lyr hinterher, der so alle fünfzig Meter
kurz stehen blieb um sich einmal um seine eigene Achse zu drehen.
Das tat er, um die gesamte Gegend in einem Radius von bis zu
zweihundert Metern auf feindlich gesinnte Arten mit seinem in ihm
eingebauten Scanner zu durchleuchten. Diese fünfzehn Minuten betrachtete
die Runde als die längsten ihres Lebens. Pure Angst machte sich
nun in allen breit. Mit jedem Geräusch, das sie von links oder
rechts, von hinten, vorne oder gar noch tiefer aus dem Walde hörten,
wuchs in ihnen der Zweifel, je wieder die Lichtung zu erreichen, wo
sich der ersehnte rettende Raumgleiter befand.
»Nur weg von hier, nur weit, weit weg
von hier.«, brummelte Gregor vor sich hin und bemerkte nicht
einmal, dass er mit seinem Gejammer die ganze Gruppe in noch mehr
Ängste versetzte und in ein Gefühl der
Hoffnungslosigkeit hineintrieb. Nach weiteren langatmigen Minuten
lichtete sich allmählich der Wald. Das Gelände gab mit nur noch
einzelnen Büschen und Bäumen das Tageslicht frei. Und je
näher sie dieser Lichtung kamen, desto schneller begann die
Runde ihre Schritte zu häufen. Bis Lyr plötzlich mit einem
Winken seines linken Armes Einhalt gebot.
»Wartet mal, so geht das nicht, ihr
müsst vorsichtiger sein.«, rügte nun Lyr seine
Schützlinge.
»Was ist denn mit dir los, Lyr? Dort,
sieh doch hin, es sind vielleicht nur noch 50 Meter bis zur
Lichtung. Wir brauchen also nur noch diese Anhöhe hinauf zu
flitzen, rein in den Gleiter und ab durch die Mitte, oder etwa
nicht?«, quengelte mal wieder Gregor.
»Menschenskind, Gregor, halt doch
endlich mal deinen vorlauten Mund. Lyr
wird schon wissen, was er macht.«, regte sich diesmal Peter
auf, der ja im eigentlichen Sinne Gregors Chef und Vorgesetzter auf
der Erde war. Sogleich zollte Gregor seinem Chef Respekt, indem er
alsgleich klein beigab und sich sofort nach dieser öffentlichen
Rüge vor einem Busch auf die Erde setzte und erstmals keinen
Ton mehr von sich gab. Was wiederum einige in der Runde in echtes
Erstaunen versetzte.
»Beruhigt euch doch, ihr dürft
jetzt nicht die Nerven verlieren. Lasst mich erst den Raumgleiter
scannen, in Ordnung?«, versuchte Lyr Ruhe in die Runde zu
bringen.
»Lyr, was erwartest du eigentlich auf
der Lichtung, ich meine, befürchtest du etwas ganz
bestimmtes?«, fragte Katja leise nach, die schon seit längerem
einen schrecklichen Verdacht mit sich trug.
»Es ist nur eine reine
Vorsichtsmaßnahme.«, gab Lyr etwas zu kleinlaut zurück.
»Ach, komm schon, Lyr, ich kenne dich
doch, im Schwindeln warst du noch nie ein Meister. Ich finde, du
solltest uns in dieser Situation, in der wir uns nun mal alle
befinden, auf keine Weise schonen. Wir müssen uns aufeinander
einhundertprozentig verlassen können. Einer muss über den
anderen Bescheid wissen, das ist unerlässlich. Und zudem, was
am wichtigsten ist, dass wir im Notfall zusammenhalten. Wir müssen
jeden Fehler, den wir machen, eingrenzen und wenn möglich sofort
und bedingungslos im Keim ersticken, wenn die Kacke am Dampfen ist.
Verzeihung, ich meinte natürlich, wenn es gefährlich
werden sollte. Und noch etwas: Ich kann mir gut vorstellen, dass du
in solchen Notfällen darauf programmiert bist, dein künstliches
Leben zu Opfern. Wenn du dies in Erwägung ziehen solltest, rate
ich dir, uns alle gleich mitzunehmen. Glaubst du im Ernst, wenn du
dich opfern würdest, dass wir hier auf Sinas überlebensfähig
wären? Es klingt hart, aber du musst dir im Klaren sein, dass
du für uns lebendig mehr wert bist als tot und in all deinen
Einzelteilen auf irgendeinem Schrotthaufen zu liegen. Ich weiß auch,
dass der Raumgleiter per Automatik zurück zum Mutterschiff
fliegen könnte. Sei es drum, doch kannst du mir mal sagen, wer
von uns im Stande wäre, die Koordinaten, die dafür nötig
wären, überhaupt einzugeben? Ich kann es bestimmt nicht.
Und der Rest hier, dessen bin ich mir sicher, auch nicht. Du bist
der einzige, der so gut wie alles technische beherrscht und wenn
nötig auch wieder reparieren kann. Was ich damit sagen will, ist,
und da spreche ich nicht nur für mich, nein ganz bestimmt auch
für alle anderen hier: Wir können es uns nicht leisten,
dich zu verlieren. Und lass dir gleich eines klar werden, sollten
die Eindringlinge erneut auf Sinas zurückkommen, haben wir mit
Sicherheit sehr schlechte Karten. Zudem stellt sich doch die alles
entscheidente Frage, wo wir uns denn eigentlich hätten,
verstecken sollen. In die unterirdische Stadt können wir nicht,
das ist klar. Faktum: Diese Möglichkeit, uns dort für
eine gewisse Zeit, zumindest die vier Tage bis die Rettung vom
Mutterschiff kommt, uns zu verschanzen, fällt hiermit ins
Wasser. Dann kommt noch erschwerend hinzu: Sollte diese Spezies im
Besitz von ähnlichen Geräten zum Aufspüren von
organischem Leben sein, kämen wir nicht sehr weit.«,
eine harte Konfrontation, die da Katja dem Androiden Lyr entgegenwarf.
Zum ersten mal gab Lyr trotz seiner
künstlichen Eitelkeit keinerlei Widerspruch zurück. Er
begriff insgeheim, wie recht doch Katja in diesem Fall hatte.
»Und ich
für meinen Teil kann mich nur meinem Schwesterchen Katja
anschließen. Doch noch eines vorweg: Entweder wir gehen alle,
und zwar geschlossen, das heißt, jetzt und gleich auf diese
verdammte Lichtung, und machen uns auf dem schnellsten Weg vom
Acker, oder...«
»Oder was, Norman?«, kam jetzt von Susanne.
»Oder es geht kein einziger auf diese
Scheiß Lichtung. Dafür werde ich sorgen, wenn es denn
sein muss. Dass schwöre ich bei meiner Ehre.«, sagte
Norman fest entschlossen.
Worauf alle, ein bisschen von Norman ermutigt,
kopfnickend bejahten. Selbst Lyr fand Begeisterung an Normans
Worten. Ja, Lyr war fasziniert von dem Mut seiner Schützlinge,
jedoch machte er sich große Sorgen um sie. Es gab nämlich
noch eine Vermutung, die Lyrs Empfindungsmatrix in seinem
Speicherzentrum aufs höchste beanspruchte. Klar, Lyr würde
jederzeit sein künstliches Leben für seine Schützlinge
geben, darauf war er ja vorprogrammiert. Er ahnte, etwas auf der
Lichtung zu sehen, was seine Vermutung bestätigte, was jedem
einzelnen zutiefst schockieren würde, wenn sich sein Verdacht
erhärten würde. Doch trotz ihrer Lage blieben alle relativ
gefasst. Ausgenommen mal wieder jener, der nun aufgeregt und
verzweifelt wie ein Nervenbündel hin und her zappelte und
immer wieder das Gleiche, zwar sehr leise, aber dennoch für
jeden verständlich in sich hinein murrte:
»Oh Gott, was sollen wir nur tun, oh
mein Gott, wir werden auf diesem Scheiß Planeten verrotten
müssen.« Ja, es war mal wieder Gregor, der wie immer die
Haltung verlor.
Keiner sagte mehr etwas dazu, sie waren es
leid, immer und immer wieder Gregor abzumahnen. Und offengestanden
wuchs auch dem Rest der Runde die ganze Sache über den Kopf.
Was auch Katja bemerkte.
»Wir sind bereit, ja bereit, der Wahrheit
ins Auge zu sehen. Wir sind bereit, diese verdammte Lichtung wie
knallharte Soldaten zu erstürmen. Nichts und niemand wird uns
unser Recht auf die Heimkehr zum Mutterschiff verweigern können
und in unserem Vorhaben aufhalten. Stimmt es, Leute, oder nicht?«
Norman versuchte, seinen Freunden ein wenig Mut einzuflößen
und sie anzutreiben, den leicht ansteigenden Hügel bis zur
Lichtung hochzustürmen.
»Norman hat Recht, lasst es uns tun,
jetzt gleich!«, schrie Gregor von Normans Worten aufgeputscht wie ein
Besessener. Gerade als sie alle auf die Lichtung losstürmen
wollten, um danach geschwind in den Raumgleiter zu flüchten,
setzte Katja dem Ansturm auf die Lichtung ein jähes Ende.
»Ich kenne
da ein paar Worte, die ich mal von einem Menschen hörte, der im
Sterben lag. Ich möchte euch diese Worte noch sagen, bevor wir
auf die Lichtung laufen.« Dann begann Katja die Worte des angeblich
einst Verstorbenen vorzutragen, und noch hinzuzufügen, ihm zu
gedenken. Ein kluges Verhalten, wusste Lyr um Katja. Denn Lyr
bemerkte die kleine Spitzfindigkeit, die da Katja an den Tag legte.
Lyr begeisterte sich für Katja und ihre Idee, die anderen in
ihrer Runde zur Raison zu bringen und zu verhindern, dass die
ganze Gruppe nicht doch noch beim Ansturm auf die Lichtung
eventuell in eine Falle geraten. Oder plagte Katja, genau wie
Lyr, ein ganz bestimmter Verdacht? War es wirklich nur ein Verdacht
oder war es schlicht und einfach Intuition, die da Katja und Lyr
empfingen?
Nun, das sollte sich bald, sehr bald,
herausstellen. Wie schon angekündigt begann Katja die letzten
Worte des Verstorbenen vorzutragen, während alle sich in ihren
Emotionen einigermaßen beruhigt hatten und nun einer nach dem
anderen begann, Katjas Worten zu lauschen.
»In diesem tapferen Gefühl, das
aus jener Lebensquelle entsprang, die keiner je in sich vermutete,
vertiefte sich eine Mischung aus allem, in sich ruhend, zwischen dem
guten Glauben und der Macht des Verderbens und dennoch das
Richtige zu tun, um zu erkennen, in seinem Seelenheil doch noch
dafür bestimmt zu sein, sich das wahre Innere zu bewahren.«
Katja sah genau, dass kein einziger in der Runde etwas davon
verstand. Dass irgendeiner überhaupt irgendetwas damit
anzufangen wusste. Sie guckten wie geistig verkümmerte
Individuen, die in nichts einen Sinn sahen und in dieser Entwicklung
stehen blieben. Einigen sah man ganz genau an, dass sie begannen,
darüber nachzudenken, ja darüber nachzudenken, den
dahinterliegenden Sinn zu finden. Herauszufinden, was diese Worte
mit ihrer jetzigen Lage überhaupt zu tun hatten.
Spätestens in diesem Augenblick sahen
Katja, Lyr und besonders Norman, dass ihre Mühe, die Runde vor
dem zu voreiligen Ansturm auf die Lichtung abzuhalten, vergebens
war.
Plötzlich lief der ganze Rest der Runde
hinterdrein, sogar Schah Bacheme Te, genannt der Gutmütige,
und Scha Sachote Te, genannt der Weise, wie eine wild gewordene
Herde Rinder, ja wie von Sinnen, als hinge ihr Leben daran, diese
Lichtung zu erreichen, an Lyr, Katja und Norman vorbei, und ließen
die drei quasi im Staube stehen. Lyr wusste um das Handeln
seiner Schützlinge, die im Ernstfall nun bereit waren, sich für
Norman und Katja, vor denen sie so große Achtung hatten,
zu opfern. Selbst Gregor in seiner panischen Angst, den sie
mittlerweile als Feigling abstempelten, war bei dem Ansturm auf die
Lichtung sozusagen an vorderster Front dabei. Lyrs
Empfindungsmatrix beschoss regelrecht seinen künstlichen
Speicher, eine Flut der Gefühle überkam ihn. Ein Gefühl,
das er bis dahin noch nicht kannte.
Auch Norman und Katja, die in ihrem Versuch
scheiterten, konnten vor Begeisterung kaum mehr einen klaren
Gedanken fassen. Dieses mutige Treiben der Runde auf die Lichtung
zu, fest entschlossen, bis zum Letzten zu gehen. Die Angst zu
überwinden, koste es was es wolle, bot ein wahrlich großes
Heldentum. Unglaublich, was sich da vor den dreien abspielte.
»Wie
wunderbar doch manche Menschen sind. So aufopferungsvoll, findet ihr
beide denn nicht auch?«, fragte noch Lyr. Lyr sah noch kurz
Norman und Katja in die Augen und er wusste, was in diesem Augenblick
zu tun war. Sie drehten sich um, alle drei mit dem Blick auf die
Lichtung gerichtet. Und mit einem Male sausten sie wie auf
Kommando den Hang hoch. Sie rannten wie noch nie in ihrem
Leben. Genau wie die Vorausstürmenden, ja genau so in einem wirren
todesmutigen Aufschrei. Und in diesem Augenblick wollten die drei
bei ihren Freunden sein, um mit ihnen der Wahrheit ins Auge zu
sehen. Seite an Seite vereint und wenn nötig bis zum letzten
Atemzug.
Norman, Katja und Lyr befanden sich erst auf der
Hälfte des Hanges unmittelbar unterhalb der Lichtung, während
die anderen schon nicht mehr zu sehen waren und folglich die
Lichtung erreicht hatten, schleppten sich die drei weiterhin der
Lichtung entgegen. Während bei der Überwindung der
Anhöhe schon die Siegesschreie der anderen zu hören
waren, wurde es auf einen Schlag still da oben auf der Lichtung.
Was die drei veranlasste, inmitten der Anhöhe kurz stehen zu
bleiben um zu lauschen. Doch nichts war zu hören, rein gar
nichts mehr. Eiskalt lief es Katja den Rücken hinunter, als
sie zu Norman und Lyr sah, die sich ungefähr zwei bis drei Meter
unter ihr positionierten und anscheinend die gleiche Befürchtung
hatten wie sie. In diesem Augenblick wäre keiner, so ihre
Motivation, in der Lage gewesen, sie aufzuhalten. Dann endlich war
es soweit, der Augenblick der Wahrheit nahte.
Die letzten Meter. Katja blieb stehen, um auf
Norman und Lyr zu warten, die noch immer einige Meter hinterherhingen.
Als sie sich nun auf gleicher Höhe sahen, reichten die
drei sich die Hände und gingen das letzte Stück hinauf,
der Lichtung entgegen. Schritt für Schritt stapften sie mit
schwerem Gang, wobei sich ihr Schuhwerk durch ihr Eigengewicht
immer mehr in den lockeren Erdboden eingrub, was auch ihr
schnelles Vorankommen um einiges lähmte. Doch endlich war es
fast geschafft. In Kopfhöhe konnten sie schon die verhasste und
doch ersehnte, ja scheinbar rettende Lichtung erkennen. Um mit
jedem weiteren fast zögerlichen Schritt der Wahrheit ein
bisschen näher zu kommen. Dann offenbarte sich den Dreien ein
niederschmetternder Anblick. Durch ihre neue Erkenntnis veränderte
sich Norman und Katjas Gesicht schlagartig zu einer Bleiche, die
einem Leichentuch gleichzusetzen war. Ihr Atem stockte, als die
drei sich genauer auf der Lichtung umsahen. Ihr erster Blick galt
ihren Kameraden, die schockiert und enttäuscht zusammengekauert
auf der lehmig feuchten Erde saßen und auf
den Fleck der Lichtung starrten, auf dem einst etwas stand. Etwas
stand, was ihnen die Chance gewährt hätte, diesem
schrecklichen Albtraum entfliehen zu können. Es war
verschwunden, es war weg! So mir nichts, dir nichts, einfach nicht
mehr da, nicht existent, der Raumgleiter. Lyrs, Katjas und Normans
Vermutungen hatten sich wie schon so oft einmal mehr bestätigt.
Da standen sie nun, stumm und in ihrem Gemüt geschwächt.
Und die anderen saßen auf dem lehmigen Erdboden. Fassungslos
und entkräftet starrten sie auf die nun leere Lichtung, wo
einst der Raumgleiter stand. Was nun, was für Möglichkeiten
bliebe ihnen denn noch? Sicherlich, die Rettung vom Mutterschiff
würde früher oder später kommen. Ihnen war in diesem
Augenblick klar und deutlich geworden, dass sie nun vier, wenn nicht gar
mehr Tage in diesem anscheinend himmlischen Paradies unter freiem
Himmel verweilen mussten. Einem Paradies, das durch einen Schatten
verdunkelt wurde, dem eine Macht zuzuordnen war, die sich nun als
Besatzer und Saboteur entpuppte. Ja, wahrlich, ihre jetzige Lage
sah gar nicht gut aus.
»Was machen wir denn nun, Lyr?«,
fragte Gregor kleinlaut und sichtlich nervös.
»Wenn ich
ehrlich sein soll, müsste ich erst noch alle Möglichkeiten,
die uns in dieser prekären Lage überhaupt noch bleiben,
auswerten. Eines jedoch vorweg: Wir dürfen jetzt nicht die
Nerven verlieren. Und wir müssen zusammen bleiben.«,
sagte Lyr um Mut machen.
»Das Beste wird sein, wir gehen erst
einmal unser Gepäck wiederholen, das wir in der Nähe der
unterirdischen Stadt versteckt haben.«, forderte Katja.
»Das ist eine prima Idee, Katja.«,
sagte Lyr.
»Ich nehme doch an, dass wir in dieser
Gegend unser Lager aufschlagen, oder?«, fragte Norman.
»Und wieso gerade hier?«, wollte
nun Mary von Norman wissen.
»Das liegt doch auf der Hand, dass wir
hier in der Nähe übernachten. Zum einen wären wir
vorgewarnt, falls einige dieser Saboteure auf der Lichtung landen
würden. Und zum anderen befänden wir uns nach den vier
Tagen gleich in der Nähe, wenn unser Rettungsteam mit seinen
Sensoren den Landeplatz, also die Lichtung und deren Umgebung nach
uns abtastet.«, stellte Norman einleuchtend fest.
»Da ist schon was dran.« Aber
hoffentlich landen die Saboteure nicht schon vor unserem
Rettungstrupp auf dieser Lichtung?«, warf nun Gregor mal
wieder ein.
»Deshalb müssen wir unser Lager
möglichst gut tarnen, auch wenn sie Ortungsgeräte haben.
Ich glaube, wo wäre denn der einzige und einigermaßen
sicherste Ort, ausgenommen, die unterirdische Stadt, die wir ja
sowieso nicht nutzen können. Ja, am besten wir bleiben hier in
der Nähe des Landeplatzes. Wenn sie uns hier nicht vermuten,
warum sollten sie dann ihre Ortungs-Scanner
einsetzen?«, kam Sarah in den Sinn.
»Genau, Sarah hat Recht, dort in der
unterirdischen Stadt haben sich ja einige dieser Saboteure
eingenistet, wie Lyr und Katja behaupten.«, lästerte mal wieder
Gregor.
»Anscheinend kann dein verkümmertes
Spatzenhirn eine solch große Vermutung an Datenmengen gar
nicht erst verarbeiten, oder?«, konterte Katja, die so langsam
aber sicher wirklich sauer auf Gregors Sticheleien wurde und ihm am
liebsten gehörig den Marsch geblasen hätte.
»Beruhigt euch doch wieder, lasst uns
nun aufbrechen und das Gepäck holen gehen, einverstanden?«,
fragte Lyr den Rest. Alle waren einverstanden, bis auf eine Person,
die sogleich den Finger hob, um auf sich aufmerksam zu machen.
»Ja, Peter, du hast noch Einwände
vorzubringen?«, fragte Lyr nach.
»Einen Einwand? Das ist so nicht ganz
richtig. Ich meine eher einen Vorschlag.«, warf Peter ein.
»Also, dann lass mal hören, wir
können, wie ihr beliebt zu sagen, weiß Gott jeden Vorschlag gut
gebrauchen.«, machte Lyr bekannt.
»Ich dachte
mir nämlich, dass wir uns in zwei Gruppen teilen könnten.
Die erste geht zurück und holt das Gepäck und die zweite
bleibt hier und geht auf Beobachtungsposten. Denn die Truppe, die
hier bleibt, kann von einem sicheren Abstand aus, die Lichtung
beobachten, um eine eventuelle Landung seitens der Saboteure
auszumachen. So sind wir vorgewarnt und können uns, wenn sie
wirklich hier auf der Lichtung landen, geschwind und außer
Reichweite ihrer Sensoren verstecken. Damit schlagen wir auf alle
Fälle zwei Fliegen mit einer Klappe. Zudem könnte es ja
sein, dass aus irgendeinem Grunde einer unserer Raumgleiter
vorzeitig hier landet. Dann wäre Gruppe zwei imstande, auf
sich aufmerksam zu machen.«
Peters Vorschlag war sprichwörtlich gar
nicht mal von schlechten Eltern, obwohl er wusste, dass Lyr
eigentlich die gesamte Runde zusammenhalten wollte, und das um
jeden Preis.
»Peter, dein Vorschlag könnte uns
durchaus gewisse Vorteile verschaffen, dennoch muss ich ihn leider
ablehnen. Ich werde es nicht zulassen, auch nur einen einzigen von
euch in irgendeine Gefahr durch eine Fehlentscheidung meinerseits
zu manövrieren. Aber ich bedanke mich für deinen
Vorschlag. Eines noch vorweg: Es wird auch niemanden, ich
wiederhole, niemanden hier gelingen mich auf irgendeine Weise zu
überreden. Entweder wir gehen alle und das geschlossen, oder
gar keiner. Das ist mein letztes Wort dazu.«
Mann, da staunten aber seine Schützlinge,
so entschlossen und kompromisslos hatten sie ihren Androiden seit
ihrer Bekanntschaft noch niemals erlebt. Und man merkte ihnen an,
dass Lyrs Entschlossenheit allmählich Wirkung zeigte. Mit
einem Male standen alle auf und zeigten durch ihre Mimik, dass sie
zum Aufbruch bereit waren. Lyr wartete noch einen Augenblick, bis
sich alle zu einer geschlossenen Gruppe formiert hatten. Dann ging
es los und die gesamte Gruppe, eingeschlossen Lyr und die zwei
Dogon von elf Personen marschierten in Richtung zu der
unterirdischen Stadt, wo sie vor gar nicht langer Zeit ganz in der
Nähe ihr Gepäck versteckt hatten, das sie nun dringend brauchten.
Diese kurze Route von zirka 15 Minuten Fußmarsch
gingen mal wieder schweigend vonstatten und unter größtmöglicher
Vorsicht. Als sie endlich ankamen, fand auch gleich ein jeder sein
Gepäck wieder, in dem alles Notwendige eingepackt war.
»So, wir müssen uns beeilen und uns sofort wieder auf den Rückweg machen.«
Keinem war es so nah an der unterirdischen
Stadt in diesem Waldstück nunmehr geheuer. Und wieder einmal
marschierte die ganze Truppe schweigend zurück bis zur Lichtung
hin.
»Hört mal alle her! Lasst uns einen
Kreis bilden und die nächsten Schritte besprechen. Wir müssen
uns beeilen. Es wird hier in zirka dreieinhalb Stunden dunkel sein.
Bis dahin müssen wir ein geeignetes Fleckchen für unser
Lager finden. Heute werden wir wohl oder übel unter freiem
Himmel schlafen müssen, da die Zeit einfach nicht ausreichen
würde, um uns eine Geeignete Behausung zu schaffen. Dennoch, wir
werden das morgen in aller Frühe nachholen.« beschloss
Lyr.
Lyr hatte sich weiß Gott zu einem nüchternen
und feldmarschallähnlichen Vorgesetzten mutiert. Doch jeder
begriff warum. Er verhielt sich so, wie er sich in Notzeiten eben
verhalten musste, um seine Schützlinge zusammenzuhalten und
schützen zu können.
»Ja, und mit was sollen wir uns, wie du
sagtest, eine Behausung errichten?«, außer regenfeste
Kleidung und Klamotten zum Wechseln für die vier Tage hat sich
doch keiner von uns etwas eingepackt.«, beschwerte sich Gregor mal
wieder.
»Das ist
jetzt nicht böse gemeint, Gregor, dennoch frage ich mich
wirklich, aus welcher Ahnenreihe du kommst und wie diese bis in die
heutige Zeit überhaupt überleben konnte. Ich meine, bei so
wenig Verstand, den dein Gehirn produziert, schon beachtlich!«,
lästerte dieses mal Mary, die Gregor sowieso auf dem Kieker
hatte.
»Hört doch endlich auf zu Lästern!
Schlimm genug, dass wir in dieser Scheiße sitzen müssen,
also machen wir doch lieber das Beste draus, oder etwa nicht?«,
wandte Norman ein. Dann kehrte wieder Ruhe ein.
»Wir werden uns aus Baumstämmen und
viel Gestrüpp eine Art Unterschlupf bauen.«, kündigte
Lyr an.
»Und wie, wenn ich mal fragen darf,
sollen wir etwa die Bäume, mit den Händen schlagen?«,
kam wieder von Gregor, der dem voraussichtlichen Sieg frönte.
»Das, meine Lieben, überlasst ihr
ruhig mir. Ich schneide sie mit meinem, nun sagen wir einmal, eine
Art Laser, den ich in meiner Ausrüstung mitführe.«,
sagte Lyr.
»Eine Frage hätte ich auch noch,
Lyr?«, signalisierte noch Sarah.
»Ich bitte darum!«, entgegnete Lyr.
»Was wollen wir überhaupt in den
vier Tagen essen? Die Tiere hier sind ja, wie du sagtest, nicht
essbar, weil sie hier das giftige Grünzeugs fressen. Eine
berechtigte und durchaus wichtige Frage, die Sarah stellte.
»Darüber solltet ihr euch keinerlei
Sorgen machen. Für gewisse Notfälle bin ich natürlich
vorbereitet. In meiner Ausrüstung befindet sich Nahrung in
Pillenform, die euch mindestens 40 Tage reichen würden. In
diesen Pillen befindet sich alles, was euer Körper braucht.
Sogar das Sättigungsgefühl mitgerechnet. Zudem, wenn
jemand Durst verspüren sollte, habe ich hochkonzentriertes und
komprimiertes wasserartiges Gel, das sich in Verbindung mit
Sauerstoff, also mit der Luft, die ihr atmet, in reines Trinkwasser formt,
das ihr dann getrost trinken könnt. Hat sonst noch jemand
Fragen?«, fragte Lyr seine Schützlinge.
Wie von einem telepathischen Gefühl geleitet, hoben allesamt
ihre Hand.
»Gut, gut, einer nach dem anderen bitte!
Norman, du möchtest auch etwas sagen?«
»Ich würde zu gerne mal wissen, in
wie viele Liter Wasser sich denn dein gesamtes Gel formen kann?«,
wollte Norman nun wissen.
»Insgesamt beläuft sich unsere
derzeitig gesamte Wassermenge auf 150 Liter.
Das wären dann auf zehn Personen hochgerechnet 15 Liter. Das
wiederum auf vier Tage aufgeteilt, 3,75 Liter pro Person und Tag.
»Klar, Lyr, will ich das! Könnten
wir denn nicht gleich etwas von deinem Wunder-Gel, und vielleicht
dazu noch eine deiner Wunderpillen haben? Ich weiß ja nicht, wie es
um die anderen steht, ich jedenfalls habe Durst und einen Bärenhunger.«,
forderte Norman.
»Aber
natürlich, ich vergaß, entschuldigt bitte.«, gestand Lyr,
öffnete seine Ausrüstungstasche, entnahm das Wasser-Gel
und aus einem Behältnis zehn Pillen,
und verteilte sie sogleich in der Runde. Norman, Scha
Bacheme Te, genannt der Gutmütige, und Schah Sachote Te, genannt
der Weise, nahmen ohne jegliche Bedenken sofort ihre Ration in
Pillenform mit einem kräftigen Schluck Wasser ein. Während
der Rest der Runde sich verwundert diese Pillen nur ansahen.
»Keine Sorge, ihr könnt sie
beruhigt schlucken, sie können euch nicht schaden?«, wies
Schah Sachote Te darauf hin.
»Na, dann wollen wir mal. Mehr als nen
heftigen Dünnschiss kann es ja wohl nicht geben.«, gab Gregor
von sich, der seine Pille hastig mit einem Wurf in die Luft
wirbelte, sie dann mit weit geöffnetem Mund wieder
auffing und hinunterschluckte. Gespannt beobachteten sie Gregor, der
plötzlich nach seinen melancholischen Anfällen wieder
übers ganze Gesicht lachen konnte.
»Wow! Das gibt es doch gar nicht, ich
bin ja schon satt! Das ging aber schnell.«, stellte Gregor zu
seinem Erstaunen fest, während er sein Sättigungsgefühl
mit einem Lauten und abstoßendem Rülpser bekräftigte.
Im Nu schluckte der Rest der Runde auch seine Ration.
»So, nun lasst uns ein Stück von
der Lichtung verschwinden und uns hier in der Nähe ein
geeignetes Fleckchen Erde suchen, um uns auf die kommende Nacht
vorzubereiten.«, sagte Lyr.
»Genau, hier sitzen wir ja wie auf
einem Präsentierteller serviert.«, gab Mary kühl und
dennoch besonnen zurück.
»Gut beobachtet, Mary.«, lobte
Norman sie, die daraufhin errötete und sich mit einer gekonnten
Drehung aus seinem Blickfeld wandte.
Wie beschlossen machten sie sich auf die
Suche nach einem geeigneten Lagerplatz, um dort gezwungenermaßen
zu übernachten. Sie beschlossen, nicht mehr als nur drei bis
vierhundert Meter von der Lichtung entfernt im Waldstück zu
lagern. So hatten sie den Vorteil, eine eventuelle Landung eines
Raumgleiters der Saboteure noch sehr gut hören und somit mehr
Vorwarnzeit zu ergattern, um sich schneller aus dem Ortungs- und
Sensorenbereich der Feinde zu entfernen.
Alle elf der Truppe, bildeten beim Eintauchen in den
Wald eine Front im Seitenabstand von jeweils zehn Metern, was
eine Seitenlinie von insgesamt einhundert Metern ergab, so dass
noch jeder den anderen im Blickfeld hatte also sehen konnte. Schritt für
Schritt tauchten sie in den immer undurchdringlicher werdenden Wald ein.
Bis sie schon etwas mehr als zirka dreihundert Meter hinter sich
gelassen hatten und plötzlich einer der Runde ein Pfeifsignal
von sich gab.
»He, hast du vielleicht ne Ahnung,
welcher Trottel hier durch die Gegend pfeift? Da können wir ja
gleich eine Leuchtkugel in den Himmel schießen und den Feinden
ein herzliche Willkommens-Liedchen singen.«, machte sich mal
wieder Gregor wichtig, der als neunte Person vom linken und
äußersten Anfang an gerechnet Norman förmlich anbrüllte, der sich als zehnter
durchs Dickicht schlug.
»Gregor, kannst du ein Geheimnis für
dich behalten?«, fragte Norman nunmehr Gregor und obwohl
diese Fragestellung seitens Normans mit der Gregors nicht im
Geringsten zu tun hatte. Worauf Gregor antwortete:
»Sicher,
Norman, aber klar doch, für dich doch immer.«, schleimte
sich Gregor mal wieder ein.
»Ich auch.«, antwortete Norman mit
einem schadenfrohem Lächeln und verließ die Frontlinie,
um in Richtung Mitte zu gehen, wo sich schon so langsam alle
versammelten.
»Nicht übel, dieser Standort. Im
Freien liegend, ungefähr einhundert Quadratmeter freier Platz,
umgeben von sehr dichten Büschen und Bäumen, und was noch
sehr wichtig ist, ein einigermaßen trockener Erdboden. Sarah,
da hast du ein sehr schönes Fleckchen Erde für unser
kommendes Lager gefunden. Alle Achtung auch, das hast du gut
gemacht.«, lobte Lyr Sarah.
Hört mal alle her, sammelt so viel
Gestrüpp und Blätter, wie ihr nur könnt. Auf die
Blätter könnt ihr euch dann legen, sie gewissermaßen
als Unterlage benützen. Und das Gestrüpp werdet ihr
ringsherum auftürmen, als Windschutz eben.«, gab Lyr die
Order.
»Und worauf sollen wir das Gestrüpp,
denn türmen?«, fragte Peter.
»Auch das dürfte uns keine Probleme
bereiten, habe mir schon eine Lösung erdacht. In einer Stunde
wird es erst dunkel, bis dahin schaffe ich es, noch ein paar
Baumpflöcke anzufertigen, die wir dann ringsherum in den Boden
rammen werden. Wenn sie fest im Erdboden eingebracht sind,
spannen wir das mitgebrachte Seil von Pflock zu Pflock, woran ihr
das Gestrüpp ringsherum befestigen könnt. So, ihr könnt
schon mal für die Pflöcke acht bis zehn Löcher um das
Lager herum buddeln, jedes Loch etwa 30 Zentimeter tief.«
Emsig machten sich alle ans Werk, ohne noch ein Wort vorzubringen.
Denn der Gedanke, dass sie die Nacht ungeschützt, ohne
eine Lagerstätte verbringen müssten, ließ alle
erschaudern. Langsam wurde es finster um die kleine Schar, das
Lager war den entsprechenden Bedürfnissen aller errichtet und
einigermaßen windgeschützt. Als sich nun alle darin
einfanden und es sich so gut es ging bequem machten, fehlte nur noch
eines, ein gemütliches und wärmendes Lagerfeuer.
Lyr, ich kann schon fast meine Hand nicht
mehr vor den Augen sehen. Warum also machen wir denn nicht ein
wärmendes kleines Feuerchen. Seht ihr, ich habe
dafür extra eine Feuerstelle in der Mitte angebracht?«,
fragte Gregor.
»Ich
bedaure außerordentlich. Das Feuer würde uns mit
Sicherheit bei einer eventuellen Landung der Saboteure verraten.
Doch seid beruhigt, auch dafür gibt es eine Lösung. Ich
kann mein Lasergerät auf eine maximale Wärmestufe stellen
die euch allen eine Wärme von mindesten 20 Grad garantiert.
Darüber hinaus wird das Gerät eine Lichtquelle erzeugen,
die nicht aus dem Lager entweicht und somit von außerhalb
nicht gesehen werden kann.« Ja da staunten seine Schützlinge
erneut, wozu Lyr alles im Stande war. Lyr konnte natürlich im
Vorfeld bei der Landung hier auf Sinas nicht wissen, was für
Schwierigkeiten sie ereilen würden. Dennoch zog er im kühnen
und klugen Vorausdenken diese Möglichkeiten in Betracht. Das
konnte man an den vorhandenen Mitbringseln an Geräten ersehen, die sich
nun als sehr nützlich erwiesen. Langsam löste die
Nacht den heutigen so bewegenden Tag ab und es kehrte Ruhe im Lager
der Runde ein. Das umfunktionierte Lasergerät spendete eine
mollige Wärme, so dass die Runde eingehüllt in ihren
Mänteln und Jacken mit den Köpfen auf ihren Gepäckstücken
liegend wie kleine Kinder, die nach dem Spielplatzbesuch erschöpft sind,
einschliefen.
Nur einer fand in dieser Nacht keine Ruhe. Es
war Lyr, der keinen Schlaf des Gerechten brauchte. Er war ja ein
Androide, der solche lebenswichtigen Eigenarten, wie die Menschen
oder Dogon brauchten, nicht an sich hatte. Obgleich er schon
neugierig wurde, wie es wohl wäre, ein Gefühl der Müdigkeit
zu bekommen. Oder ein Gefühl des Hungers zu verspüren, zu
weinen, eben alles was einen Menschen oder Dogon ausmachte. Noch beim
Beobachten seiner Schützlinge, wachsam und seine Sensoren auf
Empfang, schaltete sich Lyr auf Sparflamme, um seine Speichermedien
um einiges zu entlasten. So sparte er enorm an Energie, die er
normalerweise alle fünf Tage auf dem Mutterschiff auflud. Doch durch
seine heutigen Aktivitäten musste er mit seiner Energie sehr
sparsam haushalten.
Kapitel 16, Die Rettung
Anfang und Kapitelübersicht
© 2012 by Peter Althammer
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