Zu den Grenzen des Planeten Goderijan

Science Fiction Roman von Peter Althammer

Kapitel 14

Besuch vom Heimatplaneten Erde

Wieder in einer anderen und so fernen Zeit, auf dem Mutterschiff der Dogon:

Das Erwachen
 

»Katja, Katja, aufwachen!«, hallte es in Katjas Ohr, wie von einem Echo klingend. Katja hob ihren rechten Arm, doch er fühlte sich schwer wie Blei an, und sie ließ ihn wieder in seine Ursprungshaltung fallen. Ganz allmählich zog sie ihre Beine zu ihrem Körper an, doch auch diese wollten nicht willig sein.

»Ganz ruhig, Katja, es wird dir bald wieder besser gehen.«, hallte eine ihr bekannte Stimme entgegen. Katja verzog ihr Gesicht zu einer schmerzhaften Mimik. Jeder einzelne Knochen im Leibe schien sie zu schmerzen. Ihre Augen brannten wie Feuer. Das Atmen fiel ihr schwer und sie schien aus allen erdenklichen Poren zu schwitzen.

»Was ist geschehen?«, stellte Katja die Frage.

»Es wird bald besser, beruhige dich, Katja.«, hallte wieder eine bekannte Stimme in ihr rechtes Ohr. Katjas Gedanken kreisten wie in einem Karussell, und es fiel ihr schwer, ihre Gedanken zu ordnen.

»Lyr, Lyr, bist du es?«, fragte Katja ängstlich nach.

»Ja, Katja, ich bin es. Bleibe noch eine Weile liegen. Es wird bald besser werden und die Schmerzen werden nachlassen.«, riet ihr Lyr mitfühlend.

»Lyr, was ist mit Norman, warum kann ich ihn nicht hören?«, erkundigte sich nun Katja besorgt.

»Mache dir keine Sorgen, Katja. Norman ist noch nicht zu sich gekommen.«, fügte Lyr unbeschwert hinzu.

»Wieso, ist ihm was passiert, Lyr?«, bekam nun Katja um ihn Angst.«

»Aber nein, Katja, Norman geht es gut. Du musst wissen, dass es bei manchen eben etwas länger dauern kann, bis sie erwachen.«

»Bist du dir da sicher, Lyr?«, hakte nun Katja, etwas heller geworden, sorgenvoll nach.

»Natürlich bin ich mir sicher, Katja.«

»Na schön, Lyr, hilfst du mir mal bitte, aus diesem Sarg herauszukommen?«

»Aber gewiss doch, liebe Katja.«, schmeichelte Lyr und half ihr aus dem Sarkophag heraus.

»Sag mal, Lyr, was ist denn mit dir los? Gibt es denn einen besonderen Grund, so zu schmeicheln?«, wollte Katja wissen.

»Aber natürlich nicht, ich lese gerade von meinem Speicher, dass ihr Menschen das Schmeicheln sehr gerne zu haben scheint, also tat ich es.«, kommentierte Lyr.

»So, wenn du meinst Lyr.« Während Katja noch auf dem Podest neben ihrem Sarkophag stand und ihre Beine ausstreckte da guckte auch schon Norman aus der Öffnung seiner Schlafstätte.

»He, ihr beiden da, ich höre euch schon seit längerem zu. Trotz eurer Sorge um mich wäre es doch sehr nett, wenn sich nun mal einer um mich hier kümmern würde!«, beschwerte sich Norman vehement. Dann half Lyr erst einmal Katja die Stufen herunter und ging anschließend zu Norman.

»Darf ich bitten, lieber Norman?«, und beide gingen ebenfalls die Stufen hinunter. Schließlich standen wieder alle drei vereint.

»Lass dich drücken, Schwesterchen.«, und Norman umarmte seine Schwester so sehr, dass sie fast keine Luft mehr bekam.

»Halt, Norman, du brichst mir noch die Rippen?«, forderte Katja ihren Bruder auf.

»Sag mal, alles in Ordnung mit dir, Katja?«, erkundigte sich Norman und prüfte mit einem strengen Blick, ob an Katja auch wirklich noch alles dran war.

»Lass nur, Norman, außer dass mir einige Knochen und Wirbel eingerostet sind, fehlt mir, Gott sei es gedankt, nichts.«, beruhigte Katja nun Norman.

»Es ist Tatsache, dass menschliche Knochen nicht rosten können.«, berichtigte Lyr mal wieder.

»Ach du meine Güte, Lyr! Dass ist doch nur eine Redensart von uns. Wie oft sollen wir es dir noch sagen, dass du nicht immer alles so wörtlich nehmen sollst?«, ärgerte sich nun Katja.

»Ah ja, wieder eine Redensart, aber woher soll ich denn jedesmal wissen, wann es eine Redensart ist?«, fragte nun Lyr nach, der sich natürlich wieder etwas beschämt fühlte.

»Überhaupt nicht, Lyr, überhaupt nicht. Lass deine ständige Fragerei, und dieses Problem wird sich von selbst lösen, okay?«, ermutigte nun Norman.

»Na schön, ich werde es versuchen, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich unter solchen Bedingungen die Feinheiten eurer Sprache erlernen soll?«, hakte Lyr wie immer trotzig nach.

»Ja Lyr, lass gut sein.«, fügte Katja gelangweilt hinzu.

»Lyr? Sag bloß, dass die fünfzehn Jahre in dieser Schlafkammer schon vergangen sind?«, konnte Katja nicht begreifen.

»Natürlich, wenn ihr euch in diesem Stadium des todesähnlichen Schlafes befindet, merkt ihr keinerlei Zeitverlust.«, erklärte Lyr begeistert. Ja, wenn Lyr etwas gerne tat, ist es, etwas erklären zu dürfen. Da befand er sich in seinem Androiden-Element.

»Mann, Katja, es kommt mir wie ne Minute vor, ich kann mich sogar noch an unser letztes Gespräch erinnern, als du gerade deine Jogaübungen beendet hattest. Ist schon irgendwie komisch, nicht wahr?«, wunderte sich auch Norman.

»Stimmt, Norman, das geht ruck, zuck.«, bestätigte Katja, Normans Feststellung.

»Und was kommt jetzt, Lyr?«, fragte Katja nach.

»Ja, jetzt könnt ihr in eure Quartiere gehen und euch etwas frisch machen, wenn ihr mögt. Es wartet bereits ein ausgiebiges Essen im Speisesaal auf euch, reich an Elektrolyten, Mineralstoffen, Spurenelementen, essenszellen Fetten usw. In einer Stunde solltet ihr euch dort einfinden. Ihr müsst diese Nahrungsstoffe unbedingt, und das sehr bald, zu euch nehmen. Euer Körper braucht dies ganz dringend.«, drängte nun Lyr die beiden.

»Gut, Lyr, du hast ja Recht, aber sei mir nicht böse, ich muss erst unter die Dusche.«, erwiderte Katja, worauf sich Norman gleich anschloss.

»In Ordnung, aber vergesst es nicht, in einer Stunde!«, erinnerte Lyr nochmals.

»Kannst dich auf uns verlassen, ich habe einen solchen Bärenhunger, dass ich glatt ein ganzes Kamel auffuttern könnte.«, fügte Katja mal wieder mit ihren Redensarten hinzu, die sie eigentlich nicht vor Lyr hätte sagen dürfen.

»Ich weiß schon, alles nur eine Redensart.«, konterte Lyr.

»Mann, jetzt bin ich aber baff, du lernst ja schneller als ich und Norman gedacht hatten. Alle Achtung, Lyr, wir sind richtig stolz auf dich?« Norman zog einmal kurz und kräftig an Katjas Ärmel.

»He Katja, lob ihn nicht zu viel, sonst werden noch am Ende seine Schaltkreise durchbrennen.«, forderte Norman ganz leise, so dass es Lyr nicht hören konnte.

»Ja, schon gut, dann lass uns mal in unsere Quartiere gehen und den fünfzehn Jahre alten Staub abduschen, okay Norman?«, veranlasste Katja beherrschend.

»Gut, lass uns gehen.« Dann schritten die beiden ihres Weges in Richtung der Quartiere. Und während sie so liefen, fiel Norman etwas auf.

»Sag mal, Katja, fällt dir denn überhaupt nichts auf?«, wies Norman darauf hin.

»Was soll mir denn auffallen?«, fragte Katja nach.

»Na, wegen Lyr?«

»Wegen Lyr, Norman?«, wunderte sich nun Katja.

»Ja, siehst du denn nicht, dass er uns überhaupt nicht nachläuft. Ich meine, das tut er doch sonst immer, oder etwa nicht, Katja?«

»Jetzt wo du es sagst, sonst hatten wir immer Probleme ihn los zu werden, nicht wahr?«, hakte Katja nach. Irgendwie kam es den beiden nicht ganz geheuer vor.

»Komm, lass uns nach ihm rufen, dann werden wir schon sehen, was ihm wichtiger ist als unsere Wenigkeit.«, beschlossen nun die beiden. Gesagt getan:

»Lyr!«, riefen beide im Einklang nach ihm. Der sich sofort wieder umdrehte und im Sauseschritt vor ihnen stand.

»Ihr habt nach mir gerufen, was ist euer beider Begehr.«, verkündete Lyr, jetzt hochnäsig geworden.

»Sag mal Lyr, läuft hier im Mutterschiff vielleicht eine Party ohne uns?«, fragte Katja.

»Party, nicht dass ich wüsste, wie kommt ihr beiden denn darauf?«, stocherte Lyr nach.

»Nicht doch, Lyr, wir wollten lediglich wissen, was du vorhast, während ich und Norman sich frisch machen gehen?«, überzeugte nun Norman.

»Ach so, nun, ich werde im Frachtraum gebraucht.«, gab er ironisch von sich.

»Im Frachtraum, was sollst du denn im Frachtraum tun?«, fragte nun Norman neugierig geworden.

»Ist es nicht so, Lyr, dass du eigens für uns abgestellt wurdest? Ich hoffe, dass du mir meine Ausdrucksweise nicht übel nimmst.«, drängte sich Katja dazwischen.

»Halt, nun mal einer nach dem anderen, meine Lieben. Zum Ersten, ich wurde in den Frachtraum beordert, um die sechs Neuankömmlinge in Empfang zu nehmen. Und zum Zweiten, genau deswegen bin ich nicht mehr nur für euch zuständig. Wie ihr feststellen könnt, haben sich meine Aufgaben erweitert, was mich äußerst zufriedenstellt, will ich ganz nebenbei bemerkt haben.«, verkündete Lyr voller Stolz.

»Was? Die sind schon da, Lyr? Im Frachtraum? Wieso befinden sich unsere Mitmenschen eigentlich in einem von euren Frachträumen?«, wurde nun Norman leicht wütend.

»Seid unbekümmert, sie befinden sich in gutem Zustand.«, hatte sich wohl Lyr etwas zu genau ausgedrückt.

»Was? In gutem Zustand? Ich glaube, mich verhört zu haben, Lyr?«, erzürnte nun auch Katja.

»Du redest ja über unsere Kameraden, als seien sie Gegenstände, oder gar ein Postgut, das finde ich gar nicht nett von dir, Lyr!«, bekräftigte Norman.

»Ach, ich Dummerchen, verzeiht mir bitte meine Ausdrucksweise. Ich meinte natürlich, dass eure Kameraden, wie ihr beliebt sie zu nennen, sich in bester Gesundheit befinden.«, korrigierte sich Lyr.

»Das will ich auch meinen, Lyr.«, antwortete Norman schroff.

»Sag mal, Lyr, wann können wir sie sehen und wo wollt ihr sie eigentlich unterbringen? Ich meine, welche Quartiere werden sie beziehen?«, bombardierte Katja nun Lyr.

»Ja, klasse, dann schmeißen wir ne riesige Party, bis das Raumschiff zu wackeln und zu vibrieren beginnt.«, warf Norman ein.

»Nein, das geht doch nicht.«, unterbrach Lyr die beiden, die sich jetzt im Freudenrausch befanden.

»Nein? Wieso nein? Was hast du gegen ne starke Party, Lyr?«, wollte Katja enttäuscht wissen.

»Sie dürfen nicht geweckt werden. So der Beschluss des unseren Heiligen Xarmax.« Lyr fiel es sichtlich schwer, die beiden so enttäuschen zu müssen.

»Was? Wieso beschloss der eure Heilige Xarmax so einen Mist.«, fragte nun Katja richtig wütend geworden nach.

»Ja, wie kann er denn so etwas wollen? Ich meine, er wird doch bestimmt einsehen, dass wir gerne mit ihnen zusammen sein würden, Lyr?«, warf nun Norman ein.

»Ich kann euch beide ja gut verstehen. Auch ich finde es schade. Ich könnte mehr konservative Gespräche führen und somit viel mehr und schneller eure Sprache und Neigungen erlernen.«, fügte Lyr noch hinzu.

»Ach es ist ein Jammertal, wie schade.«, flüsterte Katja ganz leise vor sich hin.

»Sag mal, Lyr, können wir sie wenigstens sehen?«, fragte Norman nachdringlich.

»Das weiß ich nicht, da muss ich erst den Hohen Rat fragen. Soll ich es tun?«, vergewisserte sich Lyr?«

»Ja, ich bitte darum, Lyr. Frage bitte nach!«, drängte Norman.

»Einen Moment noch, muss mich erst in den Hauptcomputer einloggen.« In nächsten Moment fingen Lyrs Augen, wie es Norman und Katja schon so oft an ihm sahen, das Rollen an und nahmen in seiner azurblauen Leuchtkraft erheblich zu.

»So, das war es.«, verkündete er bescheiden.

»Na, dürfen wir nun, oder dürfen wir nicht?«, fragten Norman und Katja gleichzeitig.

»Der Hohe Rat beschloss, dass...«

»Bitte Lyr, erspare uns die einzelnen Floskeln des euren ach so hohen Rates. Verrate uns doch lediglich, was der hohe Rat denn beschlossen hat?«, forderte nun Norman hartnäckig.

»Der hohe Rat ist einverstanden. Aber geht euch erst einmal duschen, danach ist auch noch Zeit.«, verkündete Lyr stolz und erhobenen Hauptes.

»Na also, Lyr warum denn nicht gleich so?«

»Es freut mich, dass es euch freut. Wollen wir uns in einer Stunde vor euren Quartieren treffen?«, fragte Lyr nach. Und mit einem bejahenden Kopfnicken sahen sich Norman und Katja an.

»In Ordnung, Lyr, Treffpunkt vor unseren Quartieren in einer Stunde.«, versicherte sich Norman nochmals. Dann machten sich Norman und Katja auf den Weg, während Lyr indessen beschloss, wie schon angedeutet, in den Frachtraum zu gehen.

Nach wenigen Minuten kamen die beiden in ihren Quartieren an.

»Also, bis gleich, Katja, sprach noch Norman einen Gruß aus, bevor er in seinem Quartier verschwand.

»Okay, Norman, bis dann also!«, erwiderte Katja und verschwand ebenso in ihrem Quartier.

Die Stunde ging schnell vorbei, und Norman und Katja warteten schon eine Weile auf Lyr.

»Sag mal, Katja, ist die Stunde denn nicht schon um?«, wollte Norman noch wissen. Dann sah Katja auf ihre Armbanduhr:

»Ne, Norman, wir sind zehn Minuten zu früh dran.«, gab sie ihm zur Antwort.

»Na, Katja, hätte mich auch gewundert, wenn Lyr zu spät dran wäre. Er mit seiner Perfektion!«

»Stimmt, Norman, das wäre sehr ungewöhnlich gewesen.«

Katja bemerkte an Normans Gesichtsausdruck, dass er irgendwie Sorgen hatte.

»Na sag schon, Norman, was ist los mit dir?«

»Wie kommst du denn darauf, Katja?«

»Tu doch nicht so, Norman. Mittlerweile kenne ich deine Gesichtsausdrücke. Und der, den du jetzt aufsetzt, gefällt mir gar nicht.«, hatte Katja nicht einmal so Unrecht.

»Du hast Recht, Katja, weißt du, ich mache mir um unsere sechs Kameraden Sorgen. Hast du nicht auch das Gefühl, dass sie da fast schon wie Vieh aufbewahrt werden?«

»Aber nicht doch, Norman, sie sind doch erst angekommen. Sie werden bestimmt bald in die Schlafkammern kommen, dort sind sie gut aufgehoben.«

»Genau das ist es doch, was mich beunruhigt, Katja?«, warf nun Norman ein.

»Norman, kannst du mir sagen, was dich daran so beunruhigt?«

»Katja, überleg doch mal. Sie bekommen überhaupt keine Chance, dieses Wunder mitzuerleben.«

»Was für ein Wunder denn, Norman?«

»Na dieses Wunder eben. Katja, sieh dich doch mal um. Ich meine, wir befinden uns auf einem Raumschiff, das durch Zeit und Raum reisen kann. Stell dir nur mal vor, wir befinden uns doch tatsächlich viele Abermillionen von Lichtjahren von unserem Heimatplaneten entfernt, auf dem Weg zu einer anderen Welt. Einer Welt von sehr intelligenten Wesen, die sich anatomisch kaum von der unseren unterscheidet. Außer der Fähigkeit der Telepathie sind sie uns doch völlig gleich, oder?«

»Sicherlich, Norman, wenn man es von diesem Standpunkt aus betrachtet, magst du ja Recht haben, dennoch beruhigt es mich doch ungemein, dass unsere sechs Mitmenschen von diesem ganzen Zauber hier nicht viel mitbekommen werden. Stell dir nur mal diesen Schock vor, wenn wir sie aufwecken würden. Und was glaubst du, wie würden diese Herrschaften reagieren, wenn sie sich von einem Moment auf den anderen in eine ganz andere Zeit katapultiert sähen. Nicht auszudenken, wie ihr Verstand darauf reagieren würde. Ich glaube, da würden einige dieser Herrschaften doch glatt den Verstand verlieren. Ich hoffe, du siehst das ein, Norman. Vertrau mir, es ist bestimmt dass Beste für sie.«

»Mag ja sein, Katja, dennoch finde ich es schade, dass sie keine Chance bekommen sollen, dieses Abenteuer miterleben zu dürfen.«

»Wenn dir so viel daran liegt, können wir ja mal bei Lyr anfragen, was sich da machen lässt.«, fügte Katja hinzu.

»Glaubst du, dass sich der Rat hinsichtlich der Neuankömmlinge erweichen lassen wird?«, wollte noch Norman wissen.

»Tja, der Hohe Rat vielleicht schon, aber beim Heiligen Xarmax da sehe ich schwarz. Mir scheint, dass dieser Heilige Mann ganz genau weiß, was er tut.«, stellte Katja fest.

»Ja Katja, ich glaube, da muss ich dir Recht geben. Dennoch, einen Versuch sollten wir schon machen. Mehr als eine Abfuhr können die uns ja nicht geben, oder?«

»Ja, Norman, wenn dir so viel daran liegt. Trotzdem möchte ich ehrlich zu dir sein. Ich bin noch immer der Meinung, dass sie nicht aus ihrem Tiefschlaf erweckt werden sollten. Sie sollten nicht das mitmachen müssen, was wir beide bereits erdulden mussten. Hast du etwa schon vergessen, wie viele Todesängste wir beide ausstehen mussten, bis wir endlich begriffen, um was es hier überhaupt geht?«

»Ja doch, ich kann dich ja verstehen, Katja. Doch es gibt nicht nur Negatives über unsere bisherige Reise zu berichten, oder?«

»Sicherlich, Norman, sicherlich. Doch fürchte ich, dass einer dieser sechs Neuankömmlinge vielleicht nicht so mitspielen könnte, wie du es dir vielleicht vorstellst. Und was dann? Die Dogon, und das kannst du mir beruhigt glauben, wissen genau, was sie da tun. Wir sollten ihnen in ihrem Unterfangen keinesfalls in den Rücken fallen. Ungeachtet dessen, dass sie uns entführt haben.«

»Na gut, Katja, du hast mich überzeugt. War ja nur so ein Gedanke. Vergessen wir es einfach.«

Norman beendete seinen Satz mit einem Seufzer, der sich so elend anhörte, dass Katjas Herz weich wie Butter wurde und sie mit Norman Mitleid bekam. Was natürlich Normans Absicht war.

»Norman, du bist mir vielleicht einer. Na schön, ich werde noch heute Lyr ein wenig beschwatzen. Wäre doch gelacht, wenn ich diesen Schrotthaufen an Elektronik nicht doch für dein Anliegen ein bisschen zurechtstutzen könnte.«

»Danke, Katja, so gefällt mir mein kleines Schwesterchen.«, belobigte er Katja.

Katja sah wiederum auf ihre Armbanduhr.

»Jetzt müsste doch Lyr bald kommen, oder?«, fragte er Katja abermals.

»Lyr hat noch ganze zwei Minuten, Norman?«

»Mann, dieser Androide muss auch immer auf den letzten Drücker kommen.«, murmelte Norman in sich hinein, während er seine beiden Hände aneinanderrieb, als würde er frieren.

»Ah, sieh mal einer an, da kommt er ja.«

»Ja, ich kann ihn sehen. Sieh nur, Norman, wie er dahin schreitet, elegant und wie immer mit erhobenem Haupte.«

»Ja Katja, ich finde ihn richtig putzig, wenn er das tut. Ein künstlicher Dogon, der ein Gefühl des Stolzes zeigt, unglaublich.«

»Mich würde mal interessieren, ob es bei ihm nur ein gespeichertes Verhalten ist oder ob er wirklich und wahrhaftig so etwas wie Gefühle empfinden kann.«, fügte Katja noch hinzu.

»Du kannst ihn ja mal bei Gelegenheit fragen, Norman.«

»Worauf du dich verlassen kannst, Katja.«

»Ah, wie ich sehe, wartet ihr schon ungeduldig auf meine Ankunft. Nun denn, meine Lieben, lasset uns in den Transportraum schreiten. So folget mir.«, forderte Lyr die beiden auf und ging in müßiggängerischen Schritten voraus. Wieder ging es in einen dieser unzähligen Lifte, die auf dem ganzen Raumschiff, also in sämtlichen Etagen verteilt waren, wo man nur mit den Händen zu Klatschen brauchte, um nach oben oder unten zu fahren. Diesmal ging es scheinbar in einen Bereich, wo Norman und Katja noch niemals waren. Dort angekommen, die Fahrt dauerte ungefähr drei Minuten, führte Lyr Norman und Katja durch einen langen und sehr hell erleuchteten Gang. Katja hatte ein schönes rotes und mit vielen bunten Blumen verziertes Kleid an, das gerade mal bis zu ihren Knien reichte. Sie fühlte einen leichten und angenehmen kühlen Windhauch über ihre nackten Unterschenkel streicheln, der dabei den Saum ihres Kleides ein wenig umherflattern ließ. Weiter, immer weiter ging es in dem tunnelähnlichen Gang, der durch die hellen und gelbweißen Lichter reflektierend schimmerte und glänzte. Diese Art Flutlichter, die an den linken und rechten Seitenbereichen der Tunnelwände in Hüfthöhe angebracht waren und dadurch das optische Gefühl vermittelten, nicht enden zu wollen, füllten den Hohlraum mit einer angenehmen Wärme. So gingen sie eine ganze Weile lang, schweigend und doch sehr angespannt, zumindest was Norman und Katja anging. Plötzlich blieb Lyr stehen und hielt in seinem Schritt inne. Lyr wandte sich Katja und Norman zu.

»So, meine Lieben, wir sind gleich da. Bitte erschreckt nicht, wenn ihr die Neuankömmlinge seht. Sie befinden sich nämlich in einem eigens dafür gefertigten Behältnis. Aber seid gewiss, ihnen geht es sehr gut.«

Trotz des Versuchs seitens Lyrs, pochte den beiden der Puls bis in den Hals. Gespannt und mit weit aufgerissenen Augen sahen Katja und Norman zu, wie sich allmählich die pulsierende Wand aus Licht, die ihnen die Sicht ins Innere des Frachtraumes versperrte, langsam aber stetig vor ihnen aufzulösen begann, so dass sie freie Sicht in das Innere des Frachtraumes bekamen. Mit langsamen Schritten und weichen Knien, gefolgt von Lyr dem Androiden, schritten die beiden in den hinein. Lange Zeit war es doch her, dass sie Ihresgleichen begegneten. Norman und Katja sahen sich wortlos in die Augen, nachdem sie die sechs durchsichtigen Behältnisse auf dem schwarzen und kahlen Boden am Ende des Frachtraumes nebeneinandergereiht erspähten. Eine ganze Weile lang starrten sie ohne einen Kommentar auf diese sechs durchsichtigen Behältnisse, die irgendwie Särgen glichen. Katja beschloss, näher an die Behältnisse heranzugehen. Dann ging sie nach links zu dem ersten Behälter und beugte sich herab, um den darin liegenden Menschen besser sehen zu können. Dann lief sie einen nach dem anderen Behälter ab, bis sie plötzlich beim vorletzten abrupt und erschrocken stehen blieb.

»Katja, was ist denn, was hast du denn?«, eilte Norman mit dieser Frage zu Katja.

»Ich glaube es einfach nicht, ich kann es einfach nicht glauben. Wie klein doch unser Planet ist!«, wiederholte sie immer wieder. Norman beobachtete Katjas Verhalten aufs Genaueste und kam zu folgender Frage:

»Sag mal, kennst du vielleicht einen davon?«, erkundigte sich Norman neugierig.

»Ja, Norman, dieses Mädchen da, die kenne ich.«

Da staunte Norman nicht schlecht, als er das von Katja zu hören bekam.

»Was, dieses Mädchen kennst du?«, fragte Norman erneut.

»Ja, Norman, das Mädchen kenne ich. Es ist die gelähmte Sarah Hübner.«

»Oh Mann, du hattest Recht, als du vorhin sagtest, wie klein doch unser Planet sei. Was für ein Zufall, nicht wahr, Katja?«

»Nun, Norman, ob das Zufall ist, wird sich noch herausstellen. Sie sollen ja angeblich irgend etwas mit unserem Schicksal zu tun haben.«, äußerte sich Katja misstrauisch.

»Was meinst du damit, Katja?«, fragte Norman.

»Ach, das erkläre ich dir ein andermal.«

Dann ging Katja einen Schritt weiter zu dem letzten und sechsten Behälter und auch hier beugte sie sich ziemlich nah darüber.

»Dachte ich es mir doch!«, und Katja schüttelte ihren Kopf.

»Was dachtest du dir, Katja?«, wollte nun Norman wissen.

»Dass in dem letzten Behälter ihr Vater liegen muss, und das tuter auch.« Katja konnte es nicht glauben, dass die Dogon sogar ein schwer körperlich behindertes Kind entführten. Wenigstens darauf hätten sie doch Rücksicht nehmen können.

»Woher wusstest du denn eigentlich, dass auch ihr Vater dabei sein würde?«, fragte nun Norman neugierig geworden nach.

»Weißt du, Norman, du kennst doch auch Rednizkleineck, oder?«

»Und ob, Schwesterchen, sehr groß ist es ja wahrlich nicht.«, entgegnete Norman leicht spottend.

»Genau, Norman, und wie du auch weißt, ist in so einem kleinen Dörfchen der Klatsch und Tratsch nicht weit entfernt. Dort weiß doch jeder über jeden Bescheid. Ich kenne zwar die Familie Hübner nicht besonders gut, dennoch, so viel ist mir bekannt, dass ihr Vater die Verantwortung und die Erziehung für seine Tochter Sarah übernommen hatte. Er hat sogar Sarah zuliebe seinen Arbeitsplatz nach Hause verlegt, so dass es ihm möglich wurde, sich rund um die Uhr um sie zu kümmern.«, berichtete Katja.

»Ein guter Vater, den da Sarah hat. Doch sag mal, Katja, hat sie denn keine Mutter mehr?«

»Sie hat eine Mutter, doch so viel ich weiß, ist sie Pilotin und daher viel unterwegs. Ab und zu kommt sie nach Hause.«, sagte Katja aus.

»Armes Mädchen. Ich kann nicht verstehen, dass es immer wieder Elternteile gibt, die ihr eigenes Kind wegen eines Berufes im Stich lassen. So ein Kind braucht doch beide Elternteile und nicht nur den Vater oder nur die Mutter, was meinst du, Katja?«

»Sicherlich, Norman, da stimme ich dir voll und ganz zu. Dennoch solltest du dabei bedenken, dass es für manche Eltern nicht leicht ist, ihr Kind zu vernachlässigen. Oft gibt es schwerwiegende Gründe für ihr Handeln und Tun.«, verteidigte Katja Sarahs Mutter.

»Was für schwerwiegende Gründe könnten denn das Verlassen seines Kindes aufwiegen?«, kam leicht erzürnt von Norman.

»Nun, wie du ja jetzt weißt, ist Sarah gelähmt und muss ihr ganzes Leben im Rollstuhl verbringen. Hast du überhaupt ne Ahnung, was so ein Pflegefall überhaupt kostet?«, gab Katja von sich.

»Ach so, du meinst wohl aus finanziellen Gründen?«, vergewisserte sich Norman.

»Ganz bestimmt sogar, Norman.«

»Ach, es macht mich wütend, immer wieder dieser schnöde Mammon!«, meckerte Norman brummend in sich hinein.

»Ach Norman, wie Recht du doch hast.«, erwiderte Katja.

»Ich bemerke, dass euch beiden etwas bedrückt?«, beendete Lyr das Gespräch von Norman und Katja, während er sich ihnen näherte.

»Ja, Lyr, was du nicht sagst. Es ist sicherlich für dich schwer zu begreifen, dass es uns weh tut, unsere Mitmenschen in einer solchen Situation sehen zu müssen. Obgleich wir wissen, dass es ihnen gesundheitlich gut geht.«, gab Katja mit strenger Stimme von sich.

»Durchaus nicht, meine Liebe. Ich bin im Geiste immer bei euch.«, erwiderte Lyr leicht ironisch.

» Ach Gottchen, wie tröstend.«, lästerte Norman.

»Darf ich vielleicht erfahren, was euch so viele negative Gedanken bereitet?«, hakte Lyr nach.

»Lyr? Katja hat in zwei von den sechs Behältern den Vater und dessen Tochter wiedererkannt, die in der gleichen Ortschaft beheimatet sind, wo auch sie zu Hause ist!«

»Das ist mir bekannt, Norman.«, gab Lyr mal wieder stolz und eitel zu seinem Besten und das, ohne an das berühmte Pro und Kontra zu denken.

»Was, das weißt du schon? Aber wieso hast du uns denn nichts davon gesagt?« Katja kam jetzt erst recht in Rage.

»Verzeiht, ich hatte mir nichts dabei gedacht. Ich dachte nicht, dass es für euch von so großer Bedeutung ist.«, verteidigte sich Lyr.

»Und was ist mit der Tatsache, dass das Mädchen, das ihr mit verschleppt habt, querschnittsgelähmt ist? Wenigstens darauf hättet ihr doch Rücksicht nehmen können, oder?«, konterte nun Katja sehr aufgeregt.

»Auch das ist mir bekannt, müsst ihr wissen.«, gab Lyr nun leicht beschämt zu.

»Also, das ist doch... Ich kann es einfach nicht glauben. Das hätte ich nicht von euch gedacht.«, äußerte sich Norman sichtlich enttäuscht.

»So beruhigt euch doch. Es wird sich alles zum Besten wenden und das in jeder Hinsicht.«, gab Lyr mit einem sonderbarem Lächeln von sich.«

»Was ist mit dir, Lyr, was gibt es da zu grinsen?«, eine berechtigte Frage, die da Norman Lyr dem Androiden stellte.

»Nun, meine Lieben, höret und staunet was ich, Lyr, euch zu berichten habe. Lyr hat eine Überraschung für euch.«, verkündete er wieder einmal mit stolzem erhobenem Haupt.

»Eine Überraschung? So so, dennoch glaube ich nicht, dass du uns heute noch überraschen kannst.«, wandte Katja ein. Und auch Norman ließ diese frohe Botschaft kalt.

»Nun höret, der Hohe Rat hat sich erlaubt, seit mehreren Tagen eure Gedanken zu lesen und hat eure Sehnsucht und Bedürfnisse aufs Genaueste und interresiert studiert und analysiert. Und daher kam der Hohe Rat zu dem Entschluss, einem eurer Wünsche zu entsprechen.«

»Oh Gott, Lyr, mach es doch nicht immer so spannend und komme doch gleich zur Sache.«, forderte Katja nun doch etwas neugierig geworden von Lyr.

»Nun gut, so sei es. Der Hohe Rat hat beschlossen, dass morgen um Punkt zwölf Uhr mittags, natürlich nach eurer Zeitrechnung, eure Mitmenschen, also Euresgleichen, wie ihr sie beliebt zu nennen, dass die Neuankömmlinge aus ihrem todesähnlichen Tiefschlaf erweckt werden sollen.«

Gespannt, ja fast zappelnd wirkend, wartete Lyr der Androide auf eine freudige Reaktion von Norman und Katja. Doch weit gefehlt. Norman und Katja brachten vor Erstaunen keinen einzigen Ton heraus. Noch nicht.

»Ja seid ihr denn nicht erfreut darüber?«, fragte nun Lyr erstaunt.

Plötzlich, und wie von Sinnen, fingen Norman und Katja in dem Frachtraum zu tanzen und zu singen an.

Lyr hingegen hatte so etwas vorher noch nie gesehen und war, wie es nicht anders sein konnte, recht verwirrt.

»Ist das ein Ausdruck von Freude?«, fragte Lyr nun etwas bedrückt nach.

»Natürlich, was denkst du denn, Lyr. Glaubst du etwa, dass wir darüber unglücklich wären. Sag mal, weiß denn der Heilige Xarmax etwas davon?«, wollte nun Norman wissen.

»Aber gewiss doch, der Hohe Rat musste zwar seine ganze Kunst der Überredung anwenden, aber schließlich gelang es dem Hohen Rat doch noch, den unseren Heiligen Xarmax zu überzeugen, dass es doch sehr wichtig für euer Seelenheil sei. Und wie ihr bereits wisst, ist es dem unseren Heiligen Xarmax sehr wichtig, euch gesund und heil auf unserem Planeten Goderijan zu empfangen. Ihr beide steht im absoluten Vordergrund dieser ach so wichtigen Mission. Nun gut, jetzt müsst ihr aber unbedingt etwas Nahrung und sehr viel Flüssigkeit zu euch nehmen, wenn ihr Wert darauf legt, gesund zu bleiben.«

»Natürlich, Lyr, ganz wie du es wünschst. Geh voran und wir folgen dir.«

Dann begaben die beiden sich geführt von Lyr zum Essensraum. Kaum saßen sie an ihrem gewohnten Platz zu Tisch, fiel den beiden sofort etwas auf.

Sag mal, Norman, fällt dir heute etwas auf?«, fragte Katja etwas leicht verwundert nach.

»Ja, ich glaube zu wissen, was du meinst, Katja. Es ist heute etwas still hier, oder?«, erwiderte Norman.

»Still, sagst du, ich würde eher sagen totenstill. Dann sahen sich die beiden in dem sonst von Dogon überfüllten Essensraum um, doch niemand war zu sehen. Menschenleer war diese riesige Kantine.

»Sag mal, Lyr, haben die Dogon heute keinen Appetit? Oder ist etwas vorgefallen, was wir unbedingt wissen sollten?«, erkundigte sich Katja.

»Macht euch deswegen keine Sorgen. Sie sind im großen Konferenzraum. Ab heute Abend werden sie wieder mit euch dinieren.«, gab Lyr zur Antwort.

Nun sahen sich Norman und Katja wieder einmal ganz tief in die Augen und dachten vermutlich das Gleiche.

»Was wird denn da besprochen? Etwa etwas, was wir nicht erfahren sollen?«, erkundigte sich Norman aufhorchend.

»Ach, ihr Menschen, wie misstrauisch ihr doch immer wieder seid. Wenn ihr glaubt, es findet ein Komplott gegen euch statt, dann muss ich euch leider enttäuschen... eine Weile sah Lyr die beiden ganz ernst an, bis er schließlich zu lachen anfing.

»Was findest du so komisch an meiner Frage, Lyr?«, warf nun Norman wütend geworden ein.

»Entschuldigt bitte mein Fehlverhalten. Nun, Spaß beiseite. Es ist natürlich meine Schuld. Ich hätte es euch schon früher sagen müssen, dass wir Dogon nicht nur auf Nahrung und Wasser angewiesen sind, wie ihr Menschen, sondern...«

»So, auf was sind denn die Dogon noch angewiesen?«, unterbrach Katja nun Lyr neugierig.

Dann überlegte Lyr, wie er es den beiden am allerbesten erklären konnte, was sich als gar nicht so einfach erwies.

»Das ist gar nicht so einfach zu erklären. Nun gut, ich will es versuchen. Erinnert euch an euer Leben auf eurem Planeten. Von Kindesbeinen an musstet ihr lernen. Lernen um euch auf eurem Planeten und in den von euch geschaffenen Gesellschaften zurecht zu finden. Ich hoffe, ich liege da nicht falsch und meine Informationen sind richtig...«

»Ja, deine Informationen sind gar nicht mal so falsch, Lyr.«, unterbrach Katja Lyr erneut.

» So weit, so gut. Doch könnt ihr mir vielleicht sagen, was mit einem Menschen passiert, dem nichts aber auch rein gar nichts von klein auf beigebracht wurde?«, eine sehr merkwürdige Frage, fanden Norman und Katja, die da Lyr ihnen stellte.

»Nun, ich denke, außer dass dieser Mensch sich nicht in unserer Gesellschaft zurecht finden würde, höchstwahrscheinlich gar nichts.«, warf Katja als erstes ein.

»Und was denkst du, Norman, was würde nach deiner Meinung mit diesem Menschen geschehen?«

»Nun, da gibt es für mich nur eine Antwort.«, entgegnete Norman.

»Und die Antwort lautet?«, drängte nun Lyr.

»Dieser Mensch bleibt eben dumm?«

»Genau, jede eurer Antworten trifft für euch Menschen zu. Doch für uns Dogon wäre es tödlich.«

»Tödlich?«, vergewisserte sich Katja kreidebleich.

»Ja, tödlich. Wir Dogon können es uns nicht leisten, dass wir uns geistig, seelisch und psychisch verkümmern lassen. Da wir nur in einem kollektiven Zusammensein existieren können. Fehlt oder wird ein einziges Glied krank, oder sagen wir mal, funktioniert nur eine Einheit nicht richtig, kann das restliche Kollektiv nicht richtig funktionieren und läuft somit Gefahr, dem Untergang geweiht zu sein. Wir sind eine geistige und seelische Einheit. Und deshalb findet in regelmäßigen Abständen diese so lebenswichtige seelische und geistige Verschmelzung des Kollektiven statt. Noch Fragen, Norman, oder du, Katja?«, vergewisserte sich Lyr.

»Es tut uns natürlich leid, Lyr, verzeih unser Misstrauen.«, sprach Katja für sich und für Norman.

»Aber nicht doch, ihr braucht euch nicht zu entschuldigen. Ich sagte ja bereits, dass es meine Schuld war. Ich hätte euch schon vorher darüber aufklären sollen. Wenn ihr sonst noch Fragen habt, ich stehe euch jederzeit zur Verfügung.« Ja ja, Lyr war nun in seinem Element.

»Äh... Lyr, was steht eigentlich heute noch auf dem Programm, ich meine was sollen wir heute noch tun?« Eine berechtigte Frage, die da Norman stellte.

»Ich habe heute keinerlei Order vom hohen Rat erhalten, was euch betrifft. Also ich würde euch vorschlagen, dass ihr den heutigen freien Tag genießt und einfach ein bisschen faulenzt. Oder geht doch in die Kammer der Spiele? Ab morgen Mittag haben wir drei einiges zu tun.«, gab Lyr freudig von sich. Ja, Lyr freute sich wie ein kleines Kind auf den morgigen Tag, wenn dann die sechs Neuankömmlinge aus ihrem todesähnlichen Tiefschlaf erweckt werden. Denn damit erweiterten sich seine Aufgaben.

»Na prima, dann werden wir heute faulenzen und den schönen Lenz heraushängen lassen.«, entgegnete Katja und fuhr mit dem Mittagsessen fort.

»Also dann, meine Lieben, muss ich euch für den Rest des heutigen Tages leider euch selbst überlassen. Ich hoffe, dass ihr zurechtkommen werdet?« Lyrs Eitelkeit kannte auch heute keine Grenzen. Norman und Katja mussten sich das Grinsen verkneifen, um Lyr nicht zu beleidigen.

»Oh, Lyr, es wird zwar schwer für uns werden, aber ich glaube, wir werden es schon schaffen.«

»Gut, sehr gut. Sollte jedoch etwas dringendes anfallen, so könnt ihr mich jederzeit rufen.«, gab Lyr eitel und sich wichtig nehmend von sich.

»Gut, Lyr, dass beruhigt uns ungemein.«

»Also, bis morgen Mittag so zehn Minuten vor elf Uhr vor unseren Quartieren?«, forderte Katja von Lyr.

»In Ordnung, und viel Spaß ihr beiden.« Und Lyr ging seiner Wege.

»Mann Katja, dieser Androide kann einem manches Mal ganz schön auf die Nerven gehen.«

»Klar Norman, aber ich finde ihn trotzdem irgendwie süß.«

»Im Ernst, du findest ihn süß, Katja?«

»Na ja, nicht immer, aber wenn er sich so verhält wie gerade eben ist er schon putzig.«

»Nun gut, Katja, was machen wir nach dem Essen? Hast du vielleicht eine Idee?«

»Ja, Norman, wir könnten in deinem Quartier Karten spielen, wenn du Lust dazu hast?«

»Klar, Katja, ist ne prima Idee.«

Als Norman und Katja das Mittagessen beendet hatten, gingen die beiden wie vorher besprochen in Normans Quartier und spielten gerade eine Partie Skat.

»Skat, ich habe gewonnen.«, bekundete Katja freudig ihren Sieg über Norman.

»Na da kann man nichts machen.«, musste Norman eingestehen.

»Sag mal, Norman, ich habe ganz den Eindruck, dass du nicht ganz bei der Sache bist. Was ist los mit dir?«, forderte Katja etwas besorgt um Norman.

»Na ja, weißt du, ich muss an morgen denken, wenn unsere Neuankömmlinge wiedererweckt werden. Ehrlich gesagt mache ich mir da ein wenig Sorgen.« Diesen sorgenvollen Blick kannte Katja bereits. Und sie wusste, dass es ihm ernst war.

»Norman, was genau für Sorgen machst du dir denn?«, hakte nun Katja nach.

»Na ja, weißt du, Katja, wie werden sie reagieren, wenn sie sich plötzlich in einer anderen Zeit wiederfinden? Ich meine, ich kann mich noch gut an mich selbst erinnern. Welche panische Angst ich da hatte. Ich glaubte in diesem Augenblick, ich müsste den Verstand verlieren. Hoffentlich geht alles gut, Katja?« Ja, Norman machte sich echt große Sorgen um die Neuankömmlinge.

»Ganz bestimmt, Norman. Du wirst sehen, dass sich alles zum Besten wenden wird. Außerdem haben unsere Kameraden im Frachtraum einen Vorteil, den wir zuerst nicht hatten.«

»Und was für ein Vorteil wäre das, Schwesterchen?«

»Nun, nachdem sie wiedererweckt wurden, sind sie nicht alleine, so wie es uns passiert ist. Wir werden auf jeden Fall dabei sein, wenn sie ihre Augen öffnen. Wir können sie dann gleich beruhigen und sie über ihre neue Situation aufklären.«

»Da hast du Recht, Katja.«

»Ich weiß, dass ich Recht habe, Norman.«

Trotz allem guten Zureden seitens Katjas hatte Norman kein gutes Gefühl dabei. Sicherlich freute er sich auf die sechs Neuankömmlinge. Mal wieder andere Gesichter seinesgleichen zu sehen und natürlich neues von ihrem Heimatplaneten in Erfahrung zu bringen. Doch irgendwie schlugen in ihm die Alarmglocken und seine Gefühle der Vorahnungen drückten ihn ganz mächtig in seiner Magengegend. Insgeheim hoffte Norman jedoch, dass Katja Recht behielte und er sich dieses eine Mal irrte. Die beiden spielten noch ein paar Partien Skat, bis es Zeit zum Abendbrot wurde und sie sich in den Essensraum begaben.

Die Reise mit dem Mutterschiff ging weiter, immer tiefer tauchte dieses mächtige Raumschiff in den Andromedanebel ein, in den Weiten des unendlichen Universums, nach jenem Ort, wo die Dogon sich hinsehnten, wo sich ihr Planet namens Goderijan befand.


Am nächsten Morgen so gegen 6 Uhr 30 im Quartier von Katja:
 

Katja schlief noch tief und fest. Eingekuschelt in ihrer rosaroten Bettdecke, so dass nur noch ihr linker Fuß am Ende des Bettes herausguckte, als plötzlich ihr Schönheitsschlaf, sozusagen ihr Schlaf der Gerechten, abrupt unterbrochen wurde.

»Guten Morgen, gut erwacht, habe selten so gelacht.« Kein Zweifel, dass dies nur Lyr der Androide sein konnte. Der mit einer grauenhaften und piepsigen Stimme sein Bestes im morgendlichen Gesängen versuchte, um anscheinend Katja in Fröhlichkeit einzustimmen. Katja glaubte, sich noch in einem Traum zu befinden, doch als sie einigermaßen zu sich kam und dieser süßen und lieblichen Stimme lauschte, bekam sie fast einen Anfall.

»Lyr, um Himmelswillen, bist du wahnsinnig geworden? Hör auf damit, ich steh ja schon auf. Bitte nicht mehr singen.« Dann richtete sich Katja in ihrem Bett mit ihrem Oberkörper auf, um auf dem Bett in die Schneidersitz-Position zu kommen. Es folgte ein Blick zu Lyr, der diesem alles sagte.

»Okay Katja, habe schon verstanden, ich wollte ja nur an das Frühstück erinnern. Gut, wir sehen uns beim Frühstück. So, und nun gehe ich zu Norman, er wird bestimmt meine gesangliche Genialität zu schätzen wissen.« Ob sich da Lyr nicht ein wenig täuschte?

»Na dann, viel Glück, du Blechhaufen.«

Auch Norman befand sich noch tief in seinem menschlichen Element, nämlich dem Tiefschlaf.

»Morgenstund hat Gold im Mund!«, versuchte er bei Norman ein bisschen Lob zu seinem genialen Gesang zu bekommen. Wie man sich doch irren kann.

»Norman traute seinen Ohren nicht. Wenn er etwas nicht ausstehen konnte, ist es, dass man ihn auf so grausame und gemeine Art aus seinem Schönheitsschlaf riss. Natürlich erkannte er sofort die Stimme, von wem dieser Gesang ausging.

»Sag mal, Lyr, sind denn jetzt alle deine Schaltkreise durchgebrannt? Mach ja, dass du Land gewinnst, bevor ich dich in deine Einzelteile zerlege und aus diesen Teilen einen neuen Toaster mache.«

Und Norman warf Lyr sein Kopfkissen entgegen, das aber Lyr mit Bravur auffing.

»Es ist mir aus eurer Geschichte bekannt, dass ihr Menschen euch nun mal schwer tut, zwischen Geheul und Genialität unterscheiden zu können. Außerdem beabsichtigte ich nur, dich an das Frühstück zu erinnern.«, da schritt Lyr dahin, trotz erhobenen Hauptes offenbar in seinem künstlichen künstlerischen Stolz verletzt.

»Ach du meine Güte, hat dieser Blecheimer nen Dachschaden.«, murmelte Norman noch in sich hinein, während er sich auf seinem Bett räkelte und streckte.

Werde erst einmal unter die Dusche gehen und danach sehe ich mal nach, ob mein Schwesterchen schon wach ist. Kann mir aber gut vorstellen, dass Lyr auch schon bei ihr war und sie genervt hat.«, dachte sich Norman.

Während sich Norman und Katja für das Frühstück vorbereiteten, lief Lyr der Androide auf dem Gang vor den Quartieren auf und ab, um die beiden zum Essenssaal zu begleiten. Zudem hatte Lyr die Order vom Hohen Rat bekommen, Norman und Katja auf ihr Verhalten hinsichtlich der Neuankömmlinge hinzuweisen, die ja wie wir wissen um zwölf Uhr aus ihrem todesähnlichen Tiefschlaf erweckt werden sollten und mit Rat und Tat an jedermanns Seite zu stehen. Dann war es soweit. Als erstes kam Norman, frisch gebohnert, geschniegelt und gestriegelt aus seinem Quartier.

»Guten Morgen, Lyr.« Doch Lyr schien etwas beleidigt zu sein, jedenfalls gab er Norman keinerlei Antwort.

Ach, komm schon, Lyr, sei doch nicht beleidigt. Es war doch nicht so gemeint. Manche Menschen sind nun mal im Halbschlaf, wenn sie mit einem solch schönen Gesang geweckt werden, etwas rüpelhaft.«

»Gut, Norman, ich verzeihe dir, aber es war nicht gerade nett von dir.« Dann hob Lyr mal wieder voller Stolz sein edles und künstliches Haupt. Und Norman musste sich wiederum das Lachen verbeißen.

»Ich geh mal schnell zu Katja rüber und sehe nach, ob sie schon fertig ist. Dann können wir ja gemeinsam zum Frühstück gehen. Okay, Lyr?« Doch kaum hatte Norman seinen Satz beendet, da schritt schon Katja aus ihrem Quartier. Sie trug ein wunderschönes Kleid aus blauen Samt und silbern schimmernder Seide, bestückt mit süßen kleinen Rüschen, die wie kleine Juwelen in allen nur erdenklichen Farben leuchteten wenn sie sich bewegte.

»Wau, Katja, du siehst ja bezaubernd aus. Echt super.«, bravurte Norman seine Schwester.

Lyr hingegen sah nicht einmal hin und drehte seinen Kopf einfach weg.

»Psst, er ist beleidigt. Hat er dich heute früh auch mit einem Gesang geweckt?«, flüsterte Norman Katja ins Ohr.

»Und ob, ich dachte, ich müsste ihm seinen übergroßen Kopf abreißen.«, äußerte sich Katja.

»Tu mir einen Gefallen, Katja, sei doch ein bisschen nett zu ihm, okay? Er hat es ja nicht böse gemeint.«, forderte Norman sein Schwesterchen lieb auf.

»Na gut, wenn es unbedingt sein muss, aber eines sage ich dir, das wird keinesfalls zur Gewohnheit werden, sonst bildet sich dieser Blechhaufen noch ein, er könnte mit uns umspringen wie es ihm beliebt, klar?«

»Natürlich, Schwesterchen.«

Dann ging Katja auf Lyr zu.

»Lyr, sei wieder mein bester und treuster Freund, sei doch wieder lieb, ja?« Und auch Katja musste sich wiederum das Lachen verkneifen. Zu komisch gab sich doch Lyr in seiner Eitelkeit.

»Dir sei vergeben, liebe Katja. Nun, dann lasset uns zum Frühstück schreiten. Lyr drehte sich mit einer eleganten und leichten Drehung einmal um die eigene Achse, so dass er in Richtung des Essensraumes perfekt zum Stehen kam und schritt mit sanftem und großzügigem, an nichts fehlendem Elan voraus.

»Unglaublich,«, flüsterte Norman in Katjas Ohr, »ein Androide, der alle Vor- und Nachzüge eines Menschen besitzt.«

»Wenn ich wieder zu Hause bin, Norman, und das alles hier erzählen sollte, glaubt mir das kein normal denkender Mensch.«

»Glaubst du mir, Katja?«

Lyr begleitete, wie schon einmal erwähnt, Norman und Katja zu Essenssaal. Bei dieser Gelegenheit wies Lyr die beiden in die Order des Hohen Rates ein. Lyr sollte Norman und Katja mitteilen, wie sie sich beim Erwecken der Neuankömmlinge aus ihrem Tiefschlaf verhalten sollten. Doch Norman und Katja kannten die Rasse Mensch natürlich besser als der Hohe Rat. Um den Hohen Rat nicht zu brüskieren, hörten sie sich geduldig während des gesamten Frühstücks Lyrs Vortrag an, den er vom Hohen Rat bekommen hatte. Als sie dann das Frühstück beendet hatten, war es bereits 8 Uhr 45. Norman und Katja hatten dann folglich noch 3 Stunden, fünfzehn Minuten Zeit, bis es zwölf Uhr war um dann auf die sogenannte Wiederauferstehung aus dem todesähnlichen Tiefschlaf ihrer Mitmenschen live mitzuerleben. Sie wollten unbedingt bei ihnen sein, um sie zu begrüßen und gegebenenfalls zu trösten und zu beruhigen, falls es nötig sei. Außerdem gab es einiges zu besprechen und auch in Erfahrung zu bringen.

Norman, Katja und Lyr verbrachten die letzten Stunden bis zu dem Countdown natürlich zusammen. Sie vertrödelten die Zeit die ihnen noch blieb im Computerraum. Dann endlich war es soweit.

»So, meine Lieben, es wird Zeit. Wir haben noch zirka 15 Minuten.«

Lyr ging wie meistens voraus und Norman und Katja folgten ihm natürlich. Dann fiel, während sie Lyr folgten, beiden etwas auf.

»He, Lyr? Wo willst du den hin?«, rief Norman zu Lyr.

»Ja, das möchte ich auch gerne mal wissen, zum Frachtraum geht es doch eigentlich hier nach links entlang und dann mit dem Lift bis zum vorletzten unteren Stockwerk, oder etwa nicht, Lyr?«, griff nun auch Katja wörtlich ein.

»Sicher geht es in dieser Richtung zum Frachtraum, doch ich frage mich ernsthaft, was ihr da wollt?«

Norman und Katja schauten sich sprachlos an, es hatte den Anschein als glaubten die beiden, dass bei Lyr irgendeine Sicherung durchgebrannt wäre.

»Was wir da wollen, na was werden wir dort schon wollen. Wir wollen zu unseren Neuankömmlingen.«

»Aber nicht doch, ihr Dummerchen. Eure Kameraden befinden sich doch längst nicht mehr im Frachtraum.«, legte Lyr entschlossen fest.

»Und, bitteschön, wo sind sie denn nun dann?«, eine berechtigte Frage, die da Katja stellte.

»Ich kann es gar nicht glauben, wo im Allgemeinen wird man denn auf dem Mutterschiff vom Tiefschlaf erweckt?«, stellte Lyr nun beide auf die Probe.

Wiederum sahen sich die beiden an, als könnten Sie nicht bis drei zählen. Bis es Norman 'wie von den Schuppen fiel'.

»Natürlich, Menschenskind, Katja, wir sind wirklich Dummerchen. Überlege doch mal, da waren wir auch schon!«, fast gleichzeitig kam es aus ihrem Munde.

»Die Schlafkammern. Ja, Lyr, sie befinden sich in den Schlaf- und Aufwachkammern, stimmt es?«

»Genau, es ist doch klar, ihr beiden, dass sie in diesen Behältnissen niemals die Gesundheit und ihr Leben wieder völlig und ohne Komplikationen wiedererlangen könnten. Dazu sind diese Behältnisse nicht geschaffen und konstruiert worden. Sie dienten lediglich als Übergangszeit bis im Schlaf- und Aufwachraum alles für sie vorbereitet wurde. Wir können und werden niemals ein Risiko auf Kosten eines Lebens eingehen. Egal um welches Leben es sich dabei handelt. Können wir jetzt weitergehen? Wir haben nur noch zehn Minuten Zeit.«, drängte nun Lyr.

»In Ordnung, dann lass uns gehen, wir folgen dir, Lyr. Und so gingen sie in Richtung der Schlaf- und Aufwachkammern bis zu jener Kammer, in der ihre Mitmenschen schon bereit lagen, bereit, um einem Abenteuer entgegenzusteuern, das ihre Vorstellungskraft bei weiten überschreiten wird.

Norman und Katja durften nicht sofort diese Kammer betreten, als sie vor dem Eingang standen, da sie sonst einigen Strahlen ausgesetzt wären, die sie nur im Zustand des Tiefschlafes hätten überleben können. Hinzu kommt noch, dass Norman und Katja diese Prozedur schon hinter sich hatten und den molekular- und genverändernden Energiestrahlen schon ausgesetzt waren. Sie warteten, bis sie die Freigabe bekamen, um in die Kammer eintreten zu dürfen. Norman lief aufgeregt auf und ab, während Katja in Hockestellung an der kahlen und kalten Wand mit ihrem Rücken angelehnt auf ihren Fingernägeln kaute. Natürlich bemerkte Lyr ihre Nervosität und versuchte es mit beruhigenden Worten:

»Geduld, meine Freunde, Geduld. Ihr kennt doch diesen Spruch. Geduld ist die Tugend des Gütigen. Stammt von euch Menschen.« Doch Lyr wurde klar, dass er in diesem Fall nichts ausrichten konnte um Normans und Katjas Gemüter zu beruhigen. Dann endlich war es soweit. Das gleißende und grelle Energie-Tor begann sich langsam aufzulösen, so dass man schon leicht hineinsehen konnte. Schließlich verflüchtigte sich das Energie-Tor komplett und Norman und Katja konnten in die Kammer hineinsehen.

»So, ihr beide könnt jetzt unbehelligt und ohne Gefahr eintreten.«, gab Lyr zu verstehen.

Norman und Katja gaben sich die Hand und gingen mit langsamen und leicht zögerlichen Schritten in die Kammer hinein. Nach nur wenigen Metern blieben sie stehen und warfen ihre Blicke hoch, wo sich die sechs nach Marmor aussehenden Altäre befanden. Da standen sie nun in zwei bis drei Metern Abstand nebeneinandergereiht, ja wie festgemauert wirkend, auf dem schwarzen und leicht glänzenden kahlen Boden. Katja und Norman drehten sich kurz zur Seite, um nach Lyr zu sehen, als wollten sie ihn um Hilfe bitten.

»Geht nur eine dieser Stufen hoch, eure Freunde werden jeden Moment erwachen.«, gab Lyr den beiden noch einmal Mut.

»Lyr, wir würden lieber hier unten warten, wir können doch nicht bei allen sechs gleichzeitig sein, oder?« Da spricht einiges dafür.

»Aber natürlich, ganz wie ihr es wünscht.«, äußerte sich Lyr in Verständnis.

Norman und Katja beobachteten jeden einzelnen Sarkophag aufs Genaueste, während Lyr wiederum einen Meter vor dem Tor wartete und Norman und Katja genau in Augenschein nahm. Dann folgte ein minutenlanges Warten. Gespannt und mit hellwachem Blick starrten und lauschten beide auf ein Zeichen des Erwachens der Neuankömmlinge. Dann, mit einem Male, vernahmen Norman und Katja ein Stöhnen, ein Husten, ein Jammern und sogar ein Fluchen. Plötzlich kam einer der Neuankömmlinge endlich zum Vorschein. Es war Mary, Mary Ritley. Langsam, und zitternd am ganzen Leib, erhob sie sich, bis sie im Sarkophag aufrecht stand. Entsetzen spiegelte sich auf ihrem Gesicht wieder. Gebannt und mit weit aufgerissenen Augen starrte sie schweigend nach unten in Richtung Norman und Katja. Norman und Katja pressten sich ein Lächeln in ihre Mundwinkel um es dem Neuankömmling ein wenig leichter zu machen.

»Bitte, Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Es ist alles in bester Ordnung.«, gab Katja mit zitternder Stimme von sich. In diesem Augenblick konnte sich Katja nicht mehr beherrschen. Sie rannte, ja sie stolperte fast die Stufen des Altars hoch zu Mary Ritley. Im Nu standen sich die beiden gegenüber. Schweigend, Gesicht an Gesicht, blickten sie sich ganz tief in die Augen. Von diesem Moment an wussten beide, dass hier eine neue und ewige Freundschaft geboren wurde. Zögernd und mit zittriger Stimme gab Katja ihr einen Kuss.

»Willkommen!«

»Was ist passiert? Wo bin ich denn hier?«, wollte Mary Ritley wissen.

»Komm, lass uns erst mal nach unten gehen und auf die anderen warten.«, forderte Katja die Wiedererweckte mit freundlicher und beruhigender Stimme auf.

»Was für andere denn?«, fragte Mary irritiert.

Dann half Katja ihr aus dem Sarkophag heraus und nahm ihren linken Arm ganz fest an sich. Sachte und sehr vorsichtig stiegen die beiden langsam und dennoch stetig die Marmorstufen des Altars hinunter, wo schon Norman die beiden empfing und ganz fest in seine Arme nahm. Norman und Katja konnten ihre Tränen nicht mehr unter Kontrolle halten, zu tief überwogen ihre Gefühle der Freude.

»Mein Name ist Mary, Mary Ritley.«, stellte sie sich noch etwas unsicher vor.

»Ich bin Katja und das ist Norman. Wir erklären dir alles etwas später. Wir müssen erst noch auf die anderen warten.«

Einer nach dem anderen erhob sich aus den Sarkophagen und wurde von Norman und Katja die Marmorstufen nach unten begleitet, wo sich alle versammelten. Alle stellten sich namentlich vor. Langsam beruhigten sich die Gemüter. Dann fiel Stephan etwas auf.

»Wo ist Sarah, wo ist meine Tochter?«, schrie er wie wild geworden umher. In seiner schier grenzenlosen Aufregung rannte er von Altar zu Altar, sämtliche Stufen empor und blickte starr vor Angst und Entsetzen in jeden Sarkophag hinein, bis er schließlich seine Tochter Sarah in einem der Sarkophage erspähte.

»Gott sei es gedankt.«, erleichtert beugte sich Stephan über den Sarkophag und streichelte Sarah übers Haar. Doch plötzlich verzerrte sich sein Gesicht in einem Trauerspiel. Stephan schaute mit weit aufgerissenen Augen zu Katja hinunter.

»Katja, was ist mit ihr? Warum wacht sie nicht auf?«, schrie Stephan verzweifelt Katja zu.

»Beruhige dich doch, Stephan, es ist alles in Ordnung. Bei manchen dauert das Erwachen eben etwas länger.«, redete Katja in Stephan ein.

»Stimmt aufs Genaueste.«, meldete sich Lyr der Androide, der sich plötzlich auf zirka einen Meter hinter den Neuankömmlingen heranschlich, natürlich wie immer erhobenen Hauptes. Wie auf Kommando und fast zur gleichen Zeit, drehten sich die Neuankömmlinge um und starrten mit starren Blicken auf dieses unbekannte Wesen, auf Lyr, den Androiden. Auch Stephan, der noch oben bei seiner Tochter Sarah auf deren Altar neben ihrem Sarkophag stand, blieb förmlich die Spucke weg.

»Ihr braucht euch nicht zu fürchten, Lyr wird euch nichts tun. Darf ich euch vorstellen, Lyr der Androide. Er ist eigens für uns erschaffen worden. Er wird sich die nächste Zeit um uns alle kümmern. Wenn ihr also Fragen jeglicher Art auch immer habt, könnt ihr euch getrost an ihn wenden. Es gibt nichts, was er euch nicht beantworten könnte. Na ja, fast nichts.«, erklärte Katja.

Lyrs Schaltkreise schienen Regelrecht vor Stolz und Eitelkeit zu schmelzen, als er diese für ihn so wunderbaren Worte von Katja vernahm. Seine azurblauen Augen begannen hell zu erleuchten, so sehr hatten ihn diese Worte angetan.

»Was ist jetzt mit meiner Tochter, kann ihr denn niemand von euch helfen. Seht doch wenigsten mal nach, ob es ihr gut geht. Vielleicht ist ja etwas schief gegangen?«, schrie Stephan verzweifelt nach unten.

Dann schritt Lyr hervor und schwebte, ja glitt fast, die Marmorstufen des Altares hoch, wo sich Stephan und seine Tochter befanden. Stephan war es anscheinend nicht ganz geheuer, als er Lyr fast auf Tuchfühlung gegenüber stand und wich ein wenig ängstlich zur Seite.

»Fürchte dich nicht, Stephan, ich bin auch dein Freund. Die restlichen Sieben standen weiterhin schweigend unten und beobachteten das Geschehen. Dann blickte nun auch Lyr in den Sarkophag und setzte ein freundliches lächeln auf.

»Mach dir keine Sorgen, mein menschlicher Freund, deiner Tochter geht es sehr gut. Auch sie wird in Kürze erwachen.«, bestätigte Lyr diese für ihn eindeutige Tatsache.

»Aber wenn sie wach ist, wird es ein Problem geben...«, deutete Stephan aufgeregt.

»Mein lieber, mein Name ist Lyr.«, forderte Lyr berechtigterweise.

»Lyr? Gut, Herr Lyr. Sie sollten dennoch erfahren, dass meine Tochter seit Kindesbeinen an querschnittsgelähmt ist. Wir bräuchten daher dringend einen Rollstuhl für Sarah.«, berichtete Stephan nun sehr aufgeregt.

»Das, mein lieber Stephan, ist uns bekannt und wird nicht nötig sein. Sie sollten sich daher keinerlei Sorgen machen, es ist alles zugunsten ihrer Tochter Sarah getan worden. Darin liegt auch der Grund, warum ihre Tochter etwas länger mit der Zeit des Erwachen benötigt als der Rest von euch.«, verkündete Lyr stolz.

»Was habt ihr denn zugunsten meiner Tochter getan?«, wollte nun Stephan mit einer kindlichen Neugier wissen.

»Nun, Stephan, wir haben ihre Fortbewegungsglieder wieder regeneriert.«, berichtete Lyr.

»Was habt ihr? Also, jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr.«

Ja, Lyr beliebt des Öfteren eine gehobene Aussprache zu führen.

»Nun, da du mir anscheinend nicht wörtlich folgen konntest, versucht eben meine Wenigkeit, sich ein bisschen verständlicher auszudrücken. Wir haben diese Krankheit die ihr Menschen Querschnittslähmung, eigentlich Kinderlähmung, nennt, bei deiner Tochter beseitigt, oder, um es noch deutlicher auszudrücken, deine Tochter Sarah ist wieder vollkommen gesund.« Lyr konnte sich kaum in seiner Lieblingsbeschäftigung, nämlich dem Reden, im Zaum halten.

»Herr Lyr, sie meinen, dass meine Tochter wieder gehen kann?« Stephan traute seinen Ohren nicht.

»Aber gewiss doch. Fräulein Sarah kann gehen wie jeder von euch Neuankömmlingen. Doch wird sie einige Zeit brauchen um ihre Beinglieder wieder richtig einsetzen zu können. Sie muss erst lernen, ihren Füßen zu vertrauen und ihr Gehirn darauf einzustellen. Nach einer gewissen Zeit wird sie wieder ganz normal gehen können.«,

»Nach einer Gewissen Zeit, soviel ich weiß, dauert so was Monate bis sich der Körper und das Gehirn daran gewöhnt haben. Ihre Beine sind doch solch eine plötzliche Belastung gar nicht gewöhnt. Ihre Beine und Rückenmuskeln sind kaum vorhanden und müssen durch ständige Gymnastik und hartes Training gestärkt und aufgebaut werden.« Stephan versuchte Lyr zu erklären, dass so etwas in so einer kurzen Zeit überhaupt nicht möglich sei. Was aber Stephan natürlich nicht wissen konnte ist die Tatsache, dass die Dogon in Sachen Krankheiten zu heilen um Jahrtausende dem Menschen voraus waren.

»Ich sehe, mit dir, Stephan, werde ich es für den Rest unserer gemeinsamen Reise nicht gerade leicht haben. Aber nun gut, ich werde versuchen es dir zu erklären. Und während Lyr so gut es ging Stephan der Dogon mächtigen Fortschritt und medizinische Überlegenheit zu offenbaren versuchte, begann Sarah zu erwachen. Dann unterbrach Lyr seine Aufklärung in Sachen Medizin abrupt.

»Sieh hin, deine Tochter ist erwacht.«

Stephan beugte sich abermals über den Sarkophag seiner Tochter und streichelte sie sanft über ihre etwas kühlen und weichen Wangen.

»Liebes, hab keine Angst. Ich bin es, dein Papa.« Stephan liefen vor Glück und Freude die Tränen über die Wangen.

»Papa, Gott sei Dank. Ich hatte einen furchtbaren Traum.« Sarah dachte, sich noch im Halbschlaf zu befinden und ihren Vater hörend, dass sie zu Hause in ihrem Bett läge und nur schlecht geträumt hätte. Doch die Ernüchterung folgte sogleich.

»Bitte erschrick nicht, du hast nicht schlecht geträumt. Wir befinden uns woanders, wo genau, kann ich dir noch nicht sagen. Aber Angst brauchst du keine zu haben, die anderen Leute sind sehr nett und befinden sich in der gleichen Situation wie wir beide. Wir müssen nun das Beste daraus machen. Und noch etwas, Kleines. Ich weiß, dass alles ein bisschen zu viel über dich hereinstürzen mag, dennoch ist es meine Pflicht, dich darauf vorzubereiten. Du bist nicht mehr gelähmt.« Stephan tat es sehr Leid, seine zarte Tochter mit so vielen einschneidenden Neuigkeiten und Veränderungen regelrecht zu bombardieren, dennoch blieb ihm ja keine Wahl und auch keine Zeit, um seine Tochter geistig und seelisch darauf vorzubereiten. Sarah hörte ihres Vaters Worte ganz genau. Noch fürchtete sie sich, ihre schweren Augenlider zu öffnen. Insgeheim wünschte und trug sie in sich die Hoffnung, dass sie gleich in ihrem Zimmer, in ihrem Bett aufwachen würde, um dann festzustellen, dass tatsächlich alles nur ein schlimmer Traum war. Doch je länger sie die Augen geschlossen hielt, umso mehr spürte sie die Realität. Sie spürte das erste Mal, und das nach so vielen Jahren, ihre Beine und ihre Hüften wieder. Sie spürte das gleiche angenehme Gefühl, dass sie empfand, wenn sie sich zu Hause wusch und sie den warmen Wasserstrahl über ihre Hände fließen ließ, ja genauso spürte sie, dass ihr Blut, ihr warmes Blut, in ihren Füßen durch sämtliche Adern und Venen floss. Doch trotz alledem breitete sich schier pure Angst in ihr aus. Großen Mut musste Sarah nun in sich mobilisieren und gegen jegliche Zweifel und Ängste ankämpfen. Mit dem restlichen Mut der Verzweiflung öffnete sie ihre noch immer schweren Augenlider. Sarah erblickte sofort ihren Vater, der ihr ein sehr zärtliches Lächeln schenkte. In diesem Augenblick fühlte und spürte sie, dass ihr Papa und sie selbst sich nicht in Gefahr befanden. Behutsam und sehr vorsichtig griff sich Stephan die rechte Hand seiner Tochter, um ihr beim Aufsetzten behilflich zu sein. Stephan spürte das Zittern von Sarah in seiner Hand.

»Ruhig, Kleines, du brauchst dich nicht zu fürchten.«, versuchte er sie zu beruhigen.

Im Nu befand sich Sarah in der Sitzposition. Als nächstes griff Stephan nach Sarahs zweiter Hand und hob sie mit einem leichten Ruck in die Stehposition. Er umklammerte mit seinen beiden kräftigen und muskulösen Armen Sarahs ganzen Oberkörper, um damit zu verhindern, dass sie Gefahr läuft, vom Altar zu stürzen. Im nächsten Augenblick hob er Sarah aus dem Sarkophag und ließ sie sanft auf ihre Füße herab. Noch stand Sarah zitternd und wackelig auf ihren Füßen, dann fest auf ihren eigenen Beinen. Tränen flossen beiden über ihre Gesichter. Dann blickte Sarah zu den anderen, die auch wie gebannt zu ihr hochsahen und im nächsten Moment zu applaudieren begannen. Stephan wollte gerade eben Sarah die Stufen hinuntertragen, da winkte sie ab. Ganz fest umklammerte das einst gelähmte Mädchen die linke Hand ihres geliebten Vaters und setzte mit dem linken Fuß zur ersten Marmorstufe an. Wackelig und unter größter Anstrengung gelang der erste selbstständige Schritt seit ihrer Kindheit im Alter von zwei Jahren. Sarah schloss die Augen beim Bewältigen dieser so harten Stufen aus Marmor. Denn sie wollte jedes Gefühl der wiedererlangten Lebendigkeit ihrer Füße und Hüften in vollen Zügen fühlen und auskosten. Und sie dachte an jene Zeit, als sie des öfteren aus ihrem Fenster die Nachbarskinder beobachtet hatte, die über Stock und Stein flink wie kleine Wiesel fröhlich umhersprangen. Und sie dachte an jenen und einzigen Wunsch, einmal so wie diese Nachbarskinder umherzutollen und zu springen, zu tanzen und auf einen Fußball mit aller Kraft, mit einem ihrer Füße zu treten, so dass dieser Fußball weit, weit in den Himmel empor schoss und jener Ball die Wolkendecke aufriss und es dadurch zu regnen begann. Stufe für Stufe ging es aus eigener Kraft nach unten, dem Fußboden entgegen. Noch zwei Stufen, noch eine Stufe und Sarah berührte den ersehnten festen und in einer glatten Ebene gefestigten Fußboden. Zwar noch immer etwas gestützt von ihrem Vater, aber dennoch auf ihren eigenen Füßen, wollte sie es noch bis zu ihren neugewonnen Freunden schaffen und ging mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht auf die anderen zu, um sie höchstpersönlich und aus eigener Kraft zu begrüßen. Eigentlich wollten alle ihr entgegengehen und sie ganz fest umarmen und Sarah zu ihrer Tapferkeit gratulieren, doch ihr Vater verneinte dies auf den Stufen mit einem eindeutigen Kopfschütteln. Und auf einmal war es geschafft. Sarah umarmte als erste Katja, denn sie kannten sich bereits. Dieses junge Mädchen, um das sie nach ihrer Entführung so sehr Angst hatte. Und alle schlossen den Kreis der Freundschaft, indem sie sich wie Brüder gleichzeitig ihre Arme reichten. Dann folgte ein menschliches Ritual. Katja begann, das Vater Unser zu beten:

»Vater unser, der du bist im Himmel...«, und alle beteten mit. Mit Ausnahme von Lyr, der verwundert dieses Treiben begutachtete. Nachdem das Gebet beendet war, trat Lyr in den Kreis der kleinen Runde und verkündete, welche Order er vom Hohen Rat bekommen hatte.

»So meine lieben Neuankömmlinge, der Hohe Rat äußerte den Wunsch, dass es für euch von Vorteil wäre, euch sogleich im großen Saal einzufinden. Dort wird euch eure jetzige Lage, in der ihr euch nun befindet und die Notwendigkeit eurer Entführung näher erläutert.« Ja, Norman und Katja hatten diese Unterredung des Hohen Rates schon vor längerer Zeit erläutert bekommen und interessierten sich folglich nicht dafür. Trotzdem beschlossen die beiden kurzerhand, sich an dieser Rede des Hohen Rates als Zuhörer zu beteiligen. Außerdem sahen Norman und Katja den Neuankömmlingen an, dass es doch besser wäre und sie sich um einiges sicherer fühlen würden, wenn die beiden bei der Rede des Hohen Rates dabei wären. Die Neuankömmlinge wussten bereits, dass Norman und Katja sich an diesem Ort gut auskannten und schon längere Zeit hier verweilen mussten. Was aber die Sache noch schwieriger machte, ist die bestehende Tatsache, dass die Neulinge noch keinerlei Ahnung hatten, wo sie sich überhaupt befanden und wie weit entfernt sie doch in Wirklichkeit von ihrem Heimatplaneten waren. Norman und Katja befürchteten eine aufkommende Panik, oder gar einige Nervenzusammenbrüche, vielleicht sogar einen schockartigen Zustand mancher Neuankömmlinge. Und genau da wollten die beiden zur Stelle sein um etwas dagegen zu unternehmen und wenn, wenigstens Erste Hilfe leisten zu können.

»So, darf ich euch nun bitten, mir in den großen Saal zu folgen?« Und Lyr ging voraus in Richtung des Liftes. Als alle sich darin befanden, klatschte Lyr in seine Hände und der Lift fuhr eine Etage höher in das vierte Stockwerk. »So, wir sind gleich da.« Alle verließen den Lift und folgten Lyr dem Androiden. Schon nach wenigen Metern gerade aus, blieb Lyr vor dem Mächtigen Tor aus gleißendem Licht stehen. Etwas ängstlich, verwundert und dennoch erstaunt, betrachteten die Neuankömmlinge dieses helle Lichter-Spektakel, als handele es sich um eine Kunstvorstellung eines namhaften Künstlers. Im Nu begann dieser Wirrwarr an Lichter-Spektrum rapide an Leuchtkraft zu verlieren, bis schließlich dieses energiegebündelte Licht die Sicht und den Weg ins Innere dieses großen Saales freigab.

»Tretet nur ein, fürchtet euch nicht.« Doch die Neuankömmlinge zögerten noch. Lyr fiel auf, dass alle am Eingang stehen blieben, statt ihm zu folgen und sich erst einmal den großen Raum in Ruhe ansahen.

»Grund gütiger, sie verhalten sich ja genau wie ihr am Anfang. Genau das gleiche Misstrauen gegen uns. Die gleiche Neugier auf alles Unbekannte.« Lyr wurde sichtlich nervös, denn er wusste, was mit diesen sechs Neuankömmlingen auf ihn zukommen wird. Hatte er schon mit Norman und Katja einige Schwierigkeiten zu meistern. Aber gleich ganze sechs Menschen auf einmal zu betreuen kam ihm doch etwas schwierig vor. Na, eigentlich sind es ja mit Norman und Katja im Ganzen gezählt acht Menschen. Doch Lyr ließ es sich fast nicht anmerken. Und Lyr wiederholte sich.

»Grund gütiger, Grund gütiger. Nun, da hat der Hohe Rat viel Vertrauen in mich gesetzt, so denke ich.«, zeichnete sich Lyr in hohem Lob selbst aus, um sich Mut zuzusprechen.

»Aber sicher doch, Lyr, du wirst das Kind schon schaukeln.«

»Was werde ich? Ach so, wieder nur so ein Spruch von euch Menschen, stimmt doch, oder?«

»Du lernst schnell, mein künstlicher Freund.«

Norman versuchte, Lyr ein wenig zu ärgern, aber dieser Versuch schlug fehl. Na ja, man kann nicht immer der Gewinner sein, dachte sich Norman.

»Ist alles in Ordnung mit dir, Lyr?«, erkundigte sich Katja bei ihm.

»Aber sicher doch, macht euch um mich keinerlei Gedanken. Ich weiß nur eines, euch zu beschützen und zu behüten, das ist meine oberste Direktive und wenn es mich mein eigenes künstlich erschaffenes Leben kosten sollte. Ich bringe euch alle acht heil auf Goderijan und wieder heil zurück nach Hause auf euren Planeten, den ihr Erde nennt.«

So hatten Norman und Katja Lyr den Androiden noch nie erlebt. Von dieser ernsten Seite noch niemals. Es klang für die beiden fast so, als mache sich dieser Androide ernsthafte Sorgen um die Menschen an Bord des Mutterschiffes. Aber warum, wenn doch alles in bester Ordnung sein sollte? So wie es Lyr jeden Tag bestätigte, wenn man danach fragte. Was könnte Lyr so in Zweifel bringen. Verbarg er oder gar die Dogon am Ende doch noch etwas vor Norman und Katja und jetzt zu guter Letzt auch noch vor den Neuankömmlingen? Doch was könnte dies sein? Ist das freundschaftliche und nette Verhalten am Ende doch nur von den Dogon vorgespielt oder gar eine Fassade? Ein abgekartetes Spiel? Nein, das konnte sich Norman nicht vorstellen. Schon längst hätten seine Sinne und seine Vorahnungen ein Alarmzeichen von sich gegeben. Katja sah nun Lyr etwas merkwürdig an, wie Norman feststellen musste. Dann sahen sich Norman und Katja wieder einmal tief in die Augen. Norman wusste, was Katja mit ihren Blicken sagen wollte und Katja begriff schnell das gleiche.

Na, egal, was es mit Lyrs Verhalten auf sich hatte, kommt Zeit, kommt Rat. Ich und Katja werden dieser Sache, wenn die richtige Zeit dafür da ist, auf den Grund gehen, dachte sich Norman.

Und ob Zufall oder nicht, den gleichen Gedanken hatte gerade Katja. Als die beiden sich in die Augen spitzten, mussten sie lächeln. Hatten sie doch tatsächlich den gleichen Gedanken.

»Würdet ihr bitte nun eintreten und auf den vordersten Rängen Platz nehmen?«, drängte nun Lyr erneut. Doch keiner der Neuankömmlinge rührte sich vom Fleck. Kurz darauf ging Norman von Katja gefolgt auf die Neuankömmlinge zu und blieb unmittelbar vor ihnen stehen.

»Was ist mit euch los, warum fürchtet ihr euch so sehr?«, fragte Norman.

»Wer garantiert uns, dass dies nicht irgendeine Falle ist? Dass man uns nicht zu Forschungszwecken benutzen will? Oder dass diese Wesen nicht doch noch Schlimmeres mit uns vorhaben?«, durchaus eine berechtigte Frage, die da Peter Lenz stellte.

»Sind denn ich und Katja nicht Beweis genug? Wir sind schon viele Jahre in der Obhut der Dogon, und seht uns doch genauer an. Nicht ein Leid wurde uns angetan, nicht ein Kratzer zugefügt.« Norman begann zu zweifeln ob die Neuen ihm Glauben schenken würden. Doch anmerken lassen durfte er es sich nicht.

»So, ich weiß nicht viel von dir, Norman, außer dass du Streckengänger für die Bundesbahn bist und jeden Morgen vom kleinen Bahnhäuschen von Rednizkleineck aus deine Arbeit beginnst. Das weiß ich, weil ich dich des öfteren vor längerer Zeit auf den Schienen gesehen habe. Doch über Katja weiß ich etwas mehr. Zum ersten, sie kann gar nicht wie du vorhin behauptet hast, seit längerer Zeit hier an diesem Ort sein. Weil ich sie erst noch kurz vor ihrer eigenen Entführung an der kleinen Sitzbank neben dem Bahnhofshäuschen mit eigenen Augen gesehen habe. Das hatte ich sogar auf einem Videoband. Ich weiß zwar nicht, wie lange wir in diesen komischen Särgen geschlafen haben, aber eines weiß ich bestimmt: Länger als ein, zwei Tage bestimmt nicht. Also, wie kannst du mir das nun erklären?«, forderte Sarah von Norman. Und Norman war von Sarahs Redegewandtheit tief beeindruckt.

»Sarah, genau um dies alles aufzuklären, ist bestimmt der eigentliche Grund, warum ihr hier in den großen Saal eingeladen wurdet.«

»So, wenn diese Wesen so mir nichts dir nichts einfach unbescholtene Bürger entführen können und diese auch noch in Angst und Schrecken versetzen, ohne jegliche Reue zu zeigen, dann frage ich mich, wozu sie noch im Stande sind!«, gab Stephan von sich.

»Natürlich seid ihr etwas misstrauisch. Ich kann es euch nicht verübeln, ja, Katja und ich können euch sehr gut verstehen. Dennoch, glaubt ihr denn nicht wenigstens uns, wir sind Menschen genau wie ihr.«

»Und wenn diese Wesen euch einer Gehirnwäsche unterzogen haben? Das kann doch sein oder etwa nicht?«, stellte nun Mary Ritley fest.

»Soll ich dir sagen, was ich denke, Mary?«, meldete sich nun wieder Katja.

»Ja, das würde mich schon interessieren?«, wollte nun Mary wissen.

»Ich glaube, dass du zu viele Science-Fiction-Filme geguckt hast.«, ärgerte sich nun Katja.

Urplötzlich begann Lyr der Androide zu Lachen, dies hörte sich quasi so saukomisch an, dass nun auch Katja lachen musste und dann folgte Norman und wie man so schön behauptet, steckt Lachen bekanntlich an. Und wie wahr dieser Spruch doch ist! Plötzlich fingen all die anderen auch das Lachen an. Dieses Lachen artete in einen absoluten Lachkrampf aus. Sie lachten wie sie noch nie in ihrem Leben je lachen mussten. Sie hielten sich die Bäuche vor lachen. Nach einiger Zeit beruhigten sich die Gemüter und es wurde wieder Totenstille im Bereich des Einganges. Bis plötzlich Sarah, zwar noch sehr geschwächt und noch immer sehr wackelig auf ihren Beinen, hervortrat.

»Was soll es, mehr als sterben kann man hier auch nicht. Außerdem hätten sie uns längst etwas antun können, als sie uns entführt und gewissermaßen eingeschläfert hatten, ich jedenfalls gehe nun zu den vorderen Rängen und setze mich auf meinen Allerwertesten. Was ihr tut, ist mir im Augenblick egal. Mir jedenfalls tun höllisch die Beine weh.

Als der Rest der noch fünf verbliebenen Neuankömmlinge dieses tapfere Verhalten der noch sehr geschwächten Sarah Hübner sahen, liefen sie ihr einfach nach und nahmen auf der rechten Seite auf dem ersten Rang Platz und harrten der Dinge. Wortlos folgten Lyr, Katja und Norman und setzten sich eine Reihe hinter den Neuankömmlingen. Minuten des Wartens folgten. Keiner sprach auch nur ein Wort. Es herrschte Totenstille. Es war so ruhig in dem riesigen Saal, dass man des Nachbars Atem hören konnte. Langsam aber sicher konnte man von weitem Schritte hören. Erst ganz leise, dann immer lauter, bis schließlich erkenntlich wurde, dass jeden Moment diese Wesen den Saal betreten würden. Mit starrer Haltung und nervösen Blicken horchten die Neuankömmlinge gespannt auf. Norman und Katja beobachteten die Neuankömmlinge aufs Genaueste.

Die beiden verschwiegen absichtlich das Aussehen der Dogon. So kam es natürlich, dass sich die Neuankömmlinge alles Mögliche vorstellten, was nun in dem Saal zum Vorschein kommen könnte. Sicherlich stellten sich einige Monster mit langen Tentakelarmen vor. Oder behaarte tierähnliche Gestalten, die sich ihrer Sprache bemächtigten um mit ihnen kommunizieren zu können, usw. Doch als dann der Hohe Rat in den Saal kam, staunten die Neuankömmlinge nicht schlecht. Auf einmal beugte sich Sarah zu Norman nach hinten und schaute ihn an.

»Ja, aber, die sehen ja genau wie wir aus, Norman?«, sagte sie aufgeregt.

»Na klar doch, was dachtest du denn, Sarah?«

»Ich dachte eher an... Ach ist doch egal.«, mehr mochte sie in dem ganzen Geschehen nicht erklären.

»Meine Lieben Neuankömmlinge, ich freue mich heute, sie hier bei uns auf unserem Mutterschiff, auf unserer gemeinsamen und langen Reise recht herzlich begrüßen zu dürfen.«

Aufregung machte sich in diesem Augenblick in der Runde der Neuankömmlinge breit.

»Dann beugte sich Stephan zu Norman und Katja nach hinten. Entsetzen stand in seinem Gesicht.

»He, Norman und Katja, was schwafelt der denn da? Was meinte der mit 'Mutterschiff' und 'lange Reise'?« Ja, jetzt war der Groschen offensichtlich gefallen.

»Höre doch einfach zu, Stephan, und du wirst alles erfahren. Und das gilt für euch alle. Ihr könnt derzeit nichts daran ändern, also akzeptiert endlich eure Lage.«, fauchte Norman mit lautem Ton die Neuankömmlinge an.

»Äh... Norman, gibt es vielleicht ein Problem unter euch? Sprach nun der Redner, ein Mitglied des Hohen Rates zu Norman vom erhöhten Podest aus.

»Nein, Hoher Rat, es ist alles in Ordnung, sie können Fortfahren.«

Der Hohe Rat bestand aus 28 Mitgliedern und einem, sagen wir mal, Führer, ein Oberhaupt, das mehr Macht besaß, als die restlichen 28 Mitglieder. Dennoch konnte das Oberhaupt des gesamten Hohen Rates ohne die 28 Mitglieder nichts alleine entscheiden. Sozusagen eine Koalitionspartnerschaft. Dieser Hohe Rat gehörte nicht zum Kollektiv und agierte unabhängig. Das perfekte Zusammenspiel und die Unabhängigkeit von dem Kollektiv, also dem Volke in sich selbst, ermöglichte es dem Hohen Rat, auch in Krisenzeiten gerechte, notwendige und ungezwungene Entscheidungen zum Wohle aller, also zum Wohle des gesamten Kollektives zu fällen. Nur einem untersteht der Hohe Rat und das bei jeder Entscheidung. Nämlich dem Heiligen Xarmax. Wenn er eine Entscheidung der insgesamt 29 Mitglieder des Hohen Rates ablehnte, hatte dies Hand und Fuß und konnte auch nicht angefochten werden, außer der Heilige Xarmax lenkt ein, also ist mit dieser oder jener Entscheidung des Hohen Rates einverstanden.

So führte der Oberste des Hohen Rates sein Plädoyer an die Neuankömmlinge fort. Von A bis Z sprach er und gab auf jede von den Neuankömmlingen gestellte Frage auch gewissenhaft Antwort. Aus dieser Ansprache entwickelte sich eine heiße, jedoch ernsthafte Diskussionsrunde. Sogar Lyr, Norman und Katja beteiligten sich daran. Über mehrere Stunden dauerte diese Diskussion an. Über alle Zweifel und Ängste wurde offen und fair gesprochen und sogar teilweise verhandelt. Bis der Hohe Rat sein Schlussplädoyer ankündigte:

»Nun wollen wir diese tiefsinnigen Worte in unseren Herzen aufnehmen und sie nicht wieder vergessen. Meine lieben Neuankömmlinge, ich und alle hier auf diesen Raumschiff, dessen bin ich mir sicher, werden von nun an und auch in der nächsten Zeit in Freundschaft und Harmonie für- und miteinander zusammen alle aufkommenden Probleme meistern. Es wird euch an nichts fehlen, was ihr an materiellen und essentiellen Dingen benötigt und teilweise auch euch wünscht. Auch an Nahrungsmitteln haben wir für euch, und das vorzüglich, gesorgt. Sollte einer von euch noch Fragen haben, so könnt ihr euch an unseren treuen Androiden Lyr wenden, der euch rund um die Uhr zur Verfügung stehen wird. In diesem Sinne beende ich nun die heutige Diskussion und bedanke mich im Namen unseres Heiligen Xarmax, der euch auf dem Raumschiff aufs herzlichste willkommen heißt und euch Grüße von unserem Planeten Goderijan sendet.

Dann standen allesamt auf, um dem Hohen Rat die Ehre und den nötigen Respekt zu erweisen, was dem Hohen Rat sehr gefiel. Mit einer kurzen Verbeugung, vermutlich um den Respekt zu erwidern, verließen alle 29 Mitglieder den großen Saal.

Sichtlich etwas erleichtert und zufrieden sahen Norman und Katja die Neuankömmlinge, dennoch war etwas Betroffenheit auf ihren Gesichtern. Es war den beiden völlig klar, dass es nun zu anfangs sehr schwer für sie sein wird. Es lag mit Sicherheit daran, dass sie nicht einmal mehr die Zeit hatten, sich von ihren Liebsten und Freunden zu verabschieden. Ihre Heimat, in der sich jenes Zuhause befand, wird ihnen die nächste Zeit sehr fehlen. Und nichts kann dies je ändern. Nicht einmal der feudalste Luxus auf diesem gigantischen Raumschiff. Doch die Zeiten, so sagt man, werden die Wunden im Herzen heilen oder zumindest lindern. Dann gingen sie geschlossen in Richtung Lift, natürlich geführt, wie sollte es auch anders sein, von Lyr, dem Androiden. Lyr beschloss, als erstes die sechs Neuankömmlinge, und das noch vor dem Abendmahl, in ihren Wohnungen einzuquartieren. In der dritten Etage angekommen, begann Lyr eine kurze Aufklärung zu starten.

»So, meine Lieben, nun kommen wir zur Aufteilung eurer Quartiere. Wie ihr bereits erkennen könnt, befinden sich an jeder Tür der Wohnstätte bereits Namen. Ich bin mir dessen sicher, dass jeder von euch lesen kann. Lest die Namen sämtlicher Türen und entziffert die euren. Habt ihr die euren erkannt, wird diese Wohnstädte auch dieser Person, zugeordnet.« Ja, da ging Lyr förmlich in seinem Element auf.

»Haste da noch Worte, Katja? Sieh ihn dir doch nur mal an, was für ein eitler Blechhaufen dieser Androide doch ist.«, meckerte Norman zu Katja.

»Ach, lass ihn doch, ich finde ihn süß, Norman.«

»Ich glaube, Katja, dass habe ich schon einmal von dir gehört. Na ja, Katja, manchmal kann diese Nervensäge auch ganz lustig sein. Irgendwie mag auch ich ihn gut leiden.«, gab Norman offen zu.

»Das glaube ich dir gerne, so wie der Spruch: Nicht immer, aber dafür immer öfter.«, konterte nun Katja.

»Mag sein, Schwesterchen, mag sein.«, erwiderte Norman.

»So meine Lieben, wie ich sehe, hat nun jeder von euch seine Wohnstätte ausfindig gemacht, doch noch eines vorweg, jedes Quartier ist von uns genau so eingerichtet wie das Original bei euch zu Hause. Das heißt im Klartext, es wird alles genauso identisch aussehen wie bei euch daheim. Dies hat den Zweck, dass ihr auf der langen Reise, die ihr hier an Bord verbringt, wenigstens ein Stück Heimat vorfindet. Natürlich bin ich mir dessen bewusst, dass all das euer bisheriges Leben und eure Heimat nicht im Geringsten ersetzen kann. Aber es wird ein vertrauter Anblick für jeden von euch darstellen und euch, so hoffe ich, ein kleines bisschen trösten.

»So, in einer Stunde gibt es das Abendmahl, ich werde euch dann genau um 18 Uhr 30 vor euren Quartieren erwarten. Wir können dann geschlossen in den Essensraum gehen, wenn es euch recht ist?«

Alle bejahten mit einem Kopfnicken und begaben sich in ihre neu zugewiesenen Quartiere.

Norman und Katja blieben noch etwas auf dem Flur stehen, um sich noch etwas zu unterhalten.

»Na, Norman, was sagst du, die Neuankömmlinge haben sich eigentlich ganz wacker geschlagen, oder?«, deutete Katja an.

»Stimmt, Katja, bis auf diese kleine Meuterei, die sie vor dem großen Saal veranstaltet haben. Hätte eigentlich mit viel mehr Panik gerechnet.

»Du, Norman, ich hätte da eine Idee, wir könnten doch nach dem Abendbrot alle in eines unserer Quartiere einladen, oder?«

»Klar könnten wir das und was folgt dann?«, belächelte Norman sein Schwesterchen.

»Wie, was meinst du mit 'und was folgt dann'?«, warf Katja sich wundernd ein.

»Katja, ich meine doch nur, was wir dann mit den Neuankömmlingen anfangen sollen?«

»Was weiß ich, Norman, ist doch eigentlich egal, die Hauptsache ist doch, dass wir uns erst einmal richtig kennenlernen und zum anderen, dass wir ihnen in ihrer Verzweiflung zur Seite stehen, oder etwa nicht? Es kann doch nicht sein, dass dir diese Leute, die Unseresgleichen verkörpern, so vollkommen egal sind.«, gab sie schnippisch zurück.

»Was redest du da wieder, Katja, natürlich sind sie mir nicht egal. Dennoch bin ich der Meinung, dass wir sie vorerst in Ruhe lassen sollten. Wenigstens ein paar Tage, bis sie sich in aller Ruhe an ihr vorläufiges Zuhause gewöhnt haben. Außerdem sollten wir ihnen die nötige Zeit lassen, damit sie erst einmal ihre Gedanken ordnen können, die durch diese drastische Veränderung ziemlich durcheinander sein müssen. Katja, erinnere dich wie es uns zu Anfang erging.«

Katja dachte kurz nach. Irgendwie überzeugten sie Normans Worte.

»Vielleicht hast du Recht damit, Norman, es wird bestimmt das Beste sein.«

Schließlich bemerkte Norman ein bisschen Traurigkeit aus Katjas Stimme.

»Was ist mit dir, Schwesterchen?« Norman bemerkte in Katjas haselnussbraunen Augen ein Glitzern.

»Sag schon, du heckst doch wieder mal was aus, oder?«, drängte Norman in ihr Gemüt ein.

»Ach woher. Ich finde, wir sollten uns jetzt umziehen. In einer Dreiviertelstunde gibt es Abendbrot.«, erinnerte Katja nochmals Norman.

»Okay, dann wollen wir mal. Also, Katja, bis nachher.« Im Nu verschwanden die beiden in ihren Quartieren.

Währenddessen, links, nur zwei Türen zwischen Katjas und Marys Quartier weiter, befand sich Stephan und Sarahs Quartier.

Schon einige Minuten lang standen Stephan und seine Tochter Sarah wortlos in ihrem nachgeahmten Wohnzimmer.

»Wow! Sarah, hier sieht es tatsächlich wie bei uns zuhause aus.« Stephan wollte seine Tochter ein bisschen aufheitern, doch nach ihrem Schweigen zu urteilen, schlug dieser Versuch fehl.

»Sarah, bitte, indem du dich ausschweigst, veränderst du unsere jetzige Situation doch auch nicht. Ich meine, dass wir hier auf diesem großen Raumschiff nicht besonders glücklich werden können, versteh ich ja. Aber du musst wissen, dass wir das Beste daraus machen sollten. Wir dürfen auf keinen Fall den Fehler begehen und die Nerven verlieren. Und sieh doch mal, etwas Gutes hat diese Entführung doch trotzdem mit sich gebracht, du kannst wieder gehen, das hast du dir doch immer gewünscht, stimmt es, mein Liebes. Wie lange willst du mir noch Sorgen machen?«

Weißt du, Papa, es ist nicht nur unsere Entführung, die mir Kummer bereitet.«, wies Sarah hin.

»So, mein Liebes, was bedrückt dich denn sonst noch?«, fragte Stephan.

»Ich vermisse Mama so schrecklich.« Sarah standen die Tränen in den Augen.

»Ich weiß, Kleines, aber du hast doch selbst vom Hohen Rat gehört, dass, wenn wir wieder nach Hause kommen, überhaupt keine Zeit vergangen sein wird. Folglich geht alles seinen normalen Gang.«, erklärte er Sarah.

»So, und wenn es wirklich zutrifft, dass dann alles seinen normalen Gang geht, dass es dann so wäre, als wären wir niemals fort gewesen, was ist dann mit meinen Beinen, ich meine, werde ich dann wieder gelähmt sein und zeitlebens in diesem verdammten Rollstuhl verbringen müssen?«, da stellte Sarah ihrem Vater eine Frage, die ihm Angst einjagte. Zögerlich und leicht stotternd musste er kapitulieren.

»Weißt du, das kann ich dir beim besten Willen nicht beantworten. Dennoch, ich werde nicht eher Ruhe geben, bis ich vom Hohen Rat eine klare und ehrliche Antwort bestätigt bekomme. Das, mein liebes Kind, verspreche ich dir.«

Schwörst du es mir, Papa?« Mit ihren himmelblauen und großen Augen sah Sarah hoffnungsvoll ihren Vater an.

»Ja, Sarah, ich schwöre es dir.«

»Papa, ich liebe dich, das darfst du niemals vergessen.« Dann ging Sarah, noch immer etwas wackelig auf den Beinen, auf ihren Vater zu und umarmte ihn und begann zu weinen.

»Ist ja gut, Sarah, lass es heraus. Du bist mein tapferes Mädchen. Weißt du, es würde mir das Herz brechen, wenn dir etwas geschehen sollte. Hab keine Angst mehr, ja? Ich werde niemals zulassen, dass irgendwas oder irgendwer dir Schaden zufügt.« Ja, Stephan machte sich wirklich Sorgen um seine Tochter. Das lag daran, dass alles erlebte hier an Bord des Raumschiffes für seine Tochter merklich, also mit der Zeit, zu viel wurde.

Sarah löste sich von der Umarmung ihres Vaters und begann, sich in ihrem nachgeahmten und zugleich vorerst neuem Zuhause, umzusehen. Zuerst ging sie in die Küche und öffnete einige Schubladen, in denen die Familie ihr Essbesteck und was man sonst noch so für verschiedene Mahlzeiten gewöhnlich zu nutzen pflegte, aufbewahrte. Doch sie waren leer. Als nächstes öffnete sie die oberen Schränke, in denen sich eigentlich Teller, Tassen und sonstiges an Gefäßen befinden sollten. Auch hier guckte Sarah wieder einmal ins Leere.

Komisch, früher musste ich meinen Vater rufen, wenn ich etwas aus den oberen Küchenschränken benötigte. Und jetzt brauche ich nur meine Arme auszustrecken und kann sie alleine öffnen. Es ist schon ein wunderbares Gefühl, unabhängiger zu sein, dachte sich Sarah.

Während sie weiterhin die Küche inspizierte, machte sich ihr Vater im Wohnzimmer etwas nützlich, in dem er, genau wie seine Tochter, begann herumzuschnüffeln.

»Mann, das gibt es doch gar nicht, dass kann es doch nicht geben? Genau identisch, wie Zuhause.«, meckerte er mal wieder im Selbstgespräch.

Stephan ging an eines der drei großen Wohnzimmerfenster. Es stach ihm nämlich gleich ins Auge, dass von den Fenstern Tageslicht in die Wohnstube fiel. Als er den dichten Fenstervorhang beiseite schob, konnte er nicht mehr als diese Helligkeit des sonst gewohnten Tageslichts erkennen.

»Hab ich es mir doch gedacht, künstliches Tageslicht, mehr ist nicht dahinter. Dann fiel es ihm 'wie Schuppen vom Kopfe'. Mann wie blöde bin ich eigentlich, wir befinden uns ja in einem Raumschiff. Natürlich kann ich da nicht nach außen in meinen Garten sehen. Ja, ja, die Macht der Gewohnheit.«, so dachte er sich noch.

»Mist noch einmal, wenigstens die Aussicht zu den Sternen hätten sie uns lassen können.«, murmelte er und ertappte sich mal wieder im Selbstgespräch.

Plötzlich kam Sarah etwas aufgeregt zu ihrem Vater ins Wohnzimmer.

»Ist was geschehen, Sarah?«, guckte er sie etwas besorgt an.

»Aber nein. Papa, guck mal in die Fächer vom Wohnzimmerschrank und sage mir, was du siehst.« Sarah war auf die Reaktion ihres Vaters gespannt.

»Gut, wenn du meinst.« Sogleich befolgte er den Rat seiner Tochter und öffnete eine der Schubfächer. Seine Augen guckten erstaunt.

»Nanu! Was ist... das gibt es doch gar nicht. Wo sind denn all unsere Sachen. Da war auch unser echt silbernes Besteck drin. Und wo ist Großmutters Schmuck, den sie dir vererbt hat?«

Tja, Papa, in der Küche sieht es auch nicht anders aus, alles leer. Nicht eine einzige Tasse, nicht ein einziger Teller oder dergleichen.«, wies Sarah so ganz nebenbei daraufhin.

»Was ist hier eigentlich los, was für ein Spiel spielen die mit uns?«, versuchte Sarahs Vater zu ergründen.

»Das, mein lieber Papa, würde auch meine Wenigkeit zu gerne in Erfahrung bringen. Aber das, lieber Papa, werden wir schon herausfinden. Und zwar sehr bald. Stellte Sarah, nun auf Kampfeslust eingestellt, fest.

»Und wie willst du etwas herausfinden. Glaubst du im Ernst, du kannst einfach so mir nichts, dir nichts zu einem dieser Dogon gehen und darauf hoffen, dass er sämtliche Vertraulichkeiten des Hohen Rates einfach so ausplaudert? Die halten doch zu Ihresgleichen, darauf kannst du wetten.«, kommentierte Stephan seine Tochter.

»Nicht doch, Papa, ich bin doch nicht so verrückt und schneide mir selbst ins Fleisch, indem ich mein Vorhaben den Dogon so einfach in den Schoß lege. Nein, und nochmals nein.«

»Von wem denn dann?«, unterbrach ihr Vater nun neugierig geworden?

»Na rate mal, Papa, wer wohl kennt sich hier von uns Menschlinge am besten auf diesem Raumschiff aus, das sind doch jene welche, die am längsten hier sind, oder?«

Dann fiel es Sarahs Vater wie von einem Blitz getroffen in den Schoß.

»Natürlich, das können nur dieser Norman und die Katja?«

»Genau, ins Schwarze getroffen, Papa.«

»Menschenskind, dass ich da nicht selbst darauf gekommen bin, Töchterchen.«

»Ach, ist doch egal, wer die Idee dazu hatte, die Hauptsache ist doch, wir haben endlich die Möglichkeit, mehr in Erfahrung zu bringen und somit die Gelegenheit, uns vorzubereiten und wenn nötig uns zu verteidigen, falls diese Dogon doch noch etwas Böses mit uns vorhaben.«

»Ja, schön und gut, aber was macht dich denn da so sicher, dass ausgerechnet die Dogon den beiden vertrauen und in alle ihre Vorhaben einweihen?«, eine kluge Frage, die da ihr Vater stellte.

»Warum ich mir da so sicher bin, willst du wissen? Das beweist doch ihr längerer Aufenthalt hier auf dem Raumschiff, den sie anscheinend in vollen Zügen genießen, oder hattest du, seitdem wir hier an Bord sind, je das Gefühl, dass die beiden Kinder der Traurigkeit sind?« Sarah kam jetzt gedanklich erst richtig in Schwung.

»Wenn ich es mir recht überlege, sehr traurig kamen die beiden mir wirklich nicht vor. Ja, Sarah da könntest du gar nicht mal so falsch liegen.«

»Und Ob, zudem kommt noch erschwerend hinzu, dass die beiden ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu diesem zusammengeflickten elektronischen Drahthaufen pflegen.

»Was für einen Drahthaufen?«, wollte ihr Vater wissen.

»Ich meine doch Lyr den Androiden. Ich kann es einfach nicht glauben, dass es hier mit rechten Dingen zugeht. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, die in Frage kämen.«

»Und die wären, Sarah?«

Entweder die beiden spielen uns ein doppeltes Spiel vor und arbeiten Hand in Hand zusammen, oder, und ich tendiere mehr für das Letztere, die beiden, also dieser Norman und diese Katja, sind auch Androiden.«, was da Sarah für einen Verdacht aussprach, verschlug doch ihrem Vater glatt den Atem.

»Sarah, um Gottes Willen, ja begreifst du denn nicht was du da behauptest? Ich meine, du selbst hast doch dieses Verschwinden von der Katja ausgeplaudert, die Aussage gemacht, dass du diese Katja, als sie in Rednizkleineck auf dieser kleinen Sitzbank vor dem Bahnhäuschen entführt wurde, selbst gesehen hast und die Entführung auf Videoband hattest. Selbst ich sah mir das Band an. Dann frage ich mich, wie es denn sein kann, dass sie ein Androide ist. Ich meine, es ergibt doch überhaupt keinen Sinn, seinen eigenen Androiden zu entführen. Oder was meinst du?« Ja, so leicht machte ihr Vater es seiner Tochter nicht.

»Sicherlich, Papa, wenn du Recht behieltest, läge ich wohl oder übel falsch. Dennoch, ich glaube zu wissen, was sich da in Wahrheit abgespielt hat. Ich nehme an, Norman und Katja wurden genau wie wir entführt und auf dieses Raumschiff verschleppt und in einem Moment der Unachtsamkeit, vielleicht als sie tief und fest schliefen, mit irgend einem Mittel betäubt und heimlich durch diese zwei, die sich nun fälschlicherweise als Unseresgleichen ausgeben, ersetzt. Du hältst meinen Verdacht für eine vorübergehende Paranoia, stimmt es nicht, Papa?« Sarah wartete ungeduldig auf eine Antwort von ihrem Vater.

»Nun, nicht ganz, Schatz. Alles, so glaube ich, ist hier auf dem Raumschiff möglich, bedenkt man diesen unglaublichen Fortschritt und diese immense Technik, mit der diese Dogon aufwarten, sollten wir bei unseren Nachforschungen deinen Verdacht eventuell berücksichtigen.

»Doch ich dachte, du wolltest dich bei den beiden einschmeicheln, also ne Scheinfreundschaft anfangen, um sie besser aushorchen zu können.«, konterte jetzt Stephan.

»Aber Papa, dabei bleibe ich auch, ich schlage somit zwei Fliegen mit einer Klappe.«

»Also, sei mir nicht böse, Sarah, jetzt verstehe ich nur noch Bahnhof.«, wunderte sich Stephan.

»Aber Papa, das ist doch gar nicht so schwer zu verstehen. Sollten die beiden, dieser Norman und seine Schwester Katja, wirklich fälschlicherweise Androiden sein und ich mich an sie heranschmeißen, dann ist es nur ganz natürlich, dass sich im Laufe der Zeit eine Freundschaft entwickeln wird. Und was machen Freunde, die sich gerne haben und selbstverständlich vertrauen? Na Papa?«

»Äh... Da fällt mir jetzt im Moment nichts ein.«

»Gut, dann sage ich es dir: Sie erzählen und vertrauen sich alles an, aber nur in dem Fall, dass sie auch wirklich Unseresgleichen, also echte Menschen aus Fleisch und Blut sind. So wie in unsrem Fall. Sollten sie jedoch, was ich vermute, doch Androiden sein, werde ich in diesem Zeitraum überhaupt nichts aus ihnen herausbekommen, weil sie Androiden sind, die von den Dogon gelenkt und gesteuert werden.

Genau das war es, was Stephans Tochter unbedingt als seelische Stärkung in ihrer verzweifelten Lage jetzt dringend benötigte. Einen sicht- und erkennbaren Ausweg, der ihr die Hoffnung schenkte, dass sie, ihr Vater und all die anderen irgendwann wieder heil und gesund nach Hause kommen würden. Um dieses Gefühl wollte Stephan seine Tochter nicht berauben. Er musste sie unter allen Umständen dabei unterstützen. Denn, ehrlich gesagt, selber glaubte Stephan nicht im Geringsten, dass die Dogon etwas Böses im Schilde führten. Im Gegenteil, er glaubte, dass diese Dogon ein friedfertiges Volk sind. Ein Volk, das sich in sehr großer Notlage befand. Ein Volk, das keine andere Wahl hatte und nur noch in den Entführungen einiger Menschen seinen letzten Ausweg sah. Ein Volk, das uns Menschen seit Anbeginn in Frieden leben ließ. Und ein Volk, dass die Macht hatte und besaß, uns jederzeit zu versklaven oder gar zu vernichten.

Schlicht und einfach, Stephan glaubte fest daran, dass die Dogon ein Volk sind, die um ihre Existenz und um ihr nacktes Überleben kämpften.

Wider besseren Wissens beschloss also Sarahs Vater, das Spielchen mitzuspielen, was sich seine Tochter um ihre Angst zu verdrängen ausmalte oder einbildete, wie auch immer. Dies war ein Ventil, das seine Tochter als letzten Ausweg benutzte. Dessen war sich Stephan noch nie so sicher wie in diesem Augenblick. Und er musste sich absolut sicher sein, dass es bei dieser seelisch und psychischen Abwehrhaltung auch bliebe und nicht, dass seine Tochter eventuell einen Ausweg in ihrer Angst suchte, die ganz tief in ihrem Innersten brodelte und irgendwann überhand nehmen könnte und sie sich vielleicht in ihrer Verzweiflung etwas antun könnte. Mittlerweile wurden Stephan und seine Tochter doch noch fündig. Als Stephan ins Schlafzimmer ging und den dazu gehörenden Kleiderschrank inspizierte, fand er seine komplette Ausstattung an Kleidungstücken vor.

»Na, wenigstens an meine Kleidung haben die Dogon gedacht.«, wunderte er sich.

»Und auch bei Sarah hingen sämtliche Kleidungsstücke fein säuberlich nebeneinander in Reih und Glied auf den Kleiderbügeln. Und im Nebenfach, auf DIN A 4 zusammengefaltet, stapelten sich Unterhemden und was man sonst noch so an Unterwäsche benötigt. Auch im Badezimmer war alles vorhanden, was man zum Reinigen seines Körpers benötigte. Anscheinend hielten die Dogon sehr viel von Körperhygiene, denn dieses Waschzeug war nicht identisch mit den Sachen, die Stephan und seine Tochter eigentlich zuhause zu benutzen pflegten. Alles war für beide in vierfacher Ausführung vorhanden. Von der Seife, Zahncreme bis hin zum Waschlappen war alles da, nur halt viermal.

»Du, Papa, in fünfzehn Minuten müssen wir fürs Abendbrot fertig sein. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was ich für einen Hunger habe.«, erinnerte Sarah ihren Vater.

»Ach so, gut Kleines, ich ziehe mich nur noch schnell um. Mann, Liebes, ich bin auch sehr hungrig, ich könnte jetzt ein ganzes Pferd verschlingen.«

Während sich Stephan und seine Tochter zum Abendmahl fertig machten. Ein Tür weiter quälten eine Person ängstliche Gedanken. Es waren Mary Ritleys Gedanken, die auch sie mit Schaudern zu beherrschen versuchte. Doch Mary war von einem ganz anderen Schlag. Klar, das Wort Angst kannte sie wie jedermann. Dennoch, für Mary wurde die und das Wort Angst, teilweise zu ihrem Kapital. Denn dieses miese Gefühl musste Sie oft durch ihren Beruf über sich ergehen lassen. Mary hatte meist das Glück, wenn sie sich, egal ob in Deutschland oder im Ausland auf zahlungskräftigem Kundenfang befand, meist in irgendwelche rätselhafte Phänomene verstrickte, oder durch einen dummen Zufall in größte Lebensgefahr geriet. Sie lernte gezwungenermaßen, damit umzugehen. Daher hatte die Angst, die einen Menschen auf die Dauer innerlich zerfressen konnte, keine Chance, von ihr Besitz zu ergreifen oder gar die Oberhand zu gewinnen.

»Ich frage mich, wache oder träume ich. Das darf doch alles nicht wahr sein. Ich hoffe, dass wir bei dieser Geschichte halbwegs gut davonkommen. Meine Güte, genau wie dieser Lyr gesagt hatte, es ist alles genau identisch. Selbst die kleinste Kleinigkeit. Nur die Sachen in den Schränken, also das Materielle, muss ich feststellen, fehlen. Außer der Kleiderschrank, der ist wie ich es von zuhause her gewohnt bin, gerammelt voll.«, dachte sich Mary.

Mary war stets auf ihr Äußerliches bedacht. Das brachte ihr Beruf mit sich. Da genügte nicht nur ein gut aufgetragenes Mage up, nein im Gegenteil, die Garderobe musste stets erneuert werden. Mary musste ständig mit der neusten Mode vor ihren Kunden aufwarten können. Tja, und das wurde natürlich zur Gewohnheit.

»Na ja, hier in diesem Kaff, ach ich vergaß, ich befinde mich ja in einem Raumschiff. Ich glaube hier werde ich mich nicht so modisch aufpäppeln müssen. Außerdem glaube ich nicht, dass es hier in dieser übergroßen Blechdose eine Butik oder der gleichen gibt. Na, was soll's. Da werde ich halt mit dem was vorhanden ist, ein bisschen improviSieren müssen. Wie sagt man so schön, Not macht erfinderisch. Auweia, jetzt fange ich schon an, Selbstgespräche zu führen. Mann, wie weit bin ich geistig gesunken. Kein Wunder bei einer Gesellschaft von Außerirdischen, die nicht einmal selbst mit ihren Problemen fertig werden. Wie soll man denn bei so vielen Nostalgien, die in diesen Quartieren herrschen, einen klaren Kopf behalten. Nun, irgendwie werden wir das Kind schon schaukeln.«, dachte sich noch Mary, während sie sich umzog, um sich genau wie all die anderen auch auf das Abendessen vorzubereiten. Und da war dann noch Gregor Wagner, unser Athlet, der sein Quartier gleich links zwischen Mary und Peter bezog. Er erlebte gleichermaßen eine Überraschung, als er nur oberflächlich seine Einrichtung bemusterte. Seine Reaktion glich fast der der anderen. Wie wir bereits wissen, war Gregor ein Streber in geschäftlichen Dingen. Wo er nur konnte, versuchte er, jeden Mitarbeiter in Peter Lenz' Agentur auszubooten. Doch in den 5½ Jahren, die Gregor bereits in der Agentur beschäftigt war, gewöhnten sich die Kollegen allmählich an sein Verhalten, zumal der Chef Gregor unmissverständlich vor aller Augen klarmachte, dass nur die Zusammenarbeit für ihn zählt. Und dass er den Einzelkämpfer, die auf eigene Faust und auf Kosten des gesamten Teams spielen, von Grund auf nicht ausstehen konnte und dass diese und seine Mitarbeiter bei ihm keine Zukunftsaussichten in seiner Firma hatten. Von diesem Zeitpunkt an hielt sich Gregor einigermaßen zurück. Gregor war auch ein Single ersten Grades, vor drei Jahren hatte er sich verlobt, doch diese Beziehung ging nach wenigen Wochen in die Brüche, als diese junge und attraktive Frau seinen wahren Charakter kennenlernte. Auch er, so kann man sagen, war mit der Agentur verheiratet und leistete sehr gute Arbeit.

Und Peter, der Boss und Macher der Agentur für Rätselhafte Phänomene? Nun über ihn brauchen wir gar nicht erst viel zu erzählen. Er bezog zwischen Gregor und zu guter Letzt Susanne sein Quartier. Er fühlte sich genauso einsam wie all die anderen. Dennoch war er nicht der Typ Mensch, der nicht doch noch irgendwie einen Plan im Kopf hatte, wie er sich am besten bei allen beliebt machen konnte, um sie alle zu seinen Gunsten ausspielen zu können. Ja, so war er, in allen Lagen ein hinterhältiger und nur auf seinen Vorteil bedachter Streber. Trotz alledem konnte er nichts dafür. Es war eben seine Natur.

Und da war ja auch noch Susanne Kobitsch, das 'Mädchen für alles', die uns ja auch bereits, so wie all die anderen, bekannt sein dürfte und die als einzige diese Entführung als ein Abenteuer interpretierte. Sie bekam zu ihrer Freude das letzte Quartier ganz links am Ende des Flurs und hatte somit nur einen Nachbarn zu ihrer Rechten, es war Peter, ihre heimliche und einzige große Liebe. Susanne hatte niemanden außer ihrer Arbeit. Einige ihrer Kollegen in der Agentur bezeichneten sie des Öfteren als alte Jungfer. Doch das störte Susanne nicht im Geringsten. Als sie ein junges Mädchen war, schwor sie in ihrer Gemeindekirche, am Fuße des Kreuzes, sie wuchs nämlich in einem kleinen Dorf nahe Regensburg auf, dass sie nur eine Beziehung beginnen würde, wenn sie wahrhaftig und mit ganzem Herzen verliebt sei. Verliebt war Susanne in ihrer gesamten Jugend nicht ein einziges Mal. Klar gab es ein paar Jungs, die sie ganz nett fand, dennoch, mehr als ein kindliches Küsschen verteilte sie nie. Im Gegenteil, sie verteilte lieber haufenweise Körbe. Susanne war in ihrer Jugend ein sehr begehrtes und wunderschönes Mädchen. Trotz der vielen Anfragen bei ihrer Großmutter willigte sie niemals einem Antrag ein, so dass sich ihre Großmutter manches Mal doch sehr über ihr Verhalten wundern musste. Doch statt mit ihrer Enkelin darüber zu reden, schwieg sich ihre Großmutter lieber aus. Die Jahre verflogen für Susanne in liebloser Qual und Sehnsucht nach dem unbekannten Liebsten, nach der wahren großen Liebe. Diese Zeit hinterließ natürlich ihre Spuren des Älterwerdens, die Fältchen, die sich von Jahr zu Jahr immer tiefer in ihr hübsches Gesicht gruben, ja gar einbetteten, und die ihr leise zuflüsterten, dass es langsam Zeit wurde, seinem Liebsten endlich zu begegnen. Dann ihre hübschen Haare, die von diesen silbernen Fäden durchzogen wurden, die man nur mehrmals im Jahr durch Chemie geschickt verbergen konnte. Ja all das ertrug sie, ohne sich zu versündigen. Weil ihre Hoffnung, den Liebsten ihres Lebens zu begegnen, niemals wankend wurde. Bis zu jenem Tag, an dem sie bei der Agentur von Peter Lenz vorstellig wurde. Von diesem Tage an, und wir wissen bereits, dass auch Susanne schon über viele, viele Jahre bei Peter arbeitete, schwor sie sich, entweder diesen Peter Lenz oder gar keinen. Tja, und seit dieser Zeit lebt sie nur noch für drei wichtige Dinge in ihrem eigentlich einsamen Dasein. Zum Ersten für Peter, zum Zweiten für die Agentur und zu guter Letzt für die winzige Hoffnung, dass eines Tages Peter auch ihr seine Liebe offenbaren würde. Obwohl Peter nicht im Geringsten von Susannes Zuneigung und innigen Liebe zu ihm wusste oder es auch nur vermutete. Ja, er hatte überhaupt keine Ahnung, dass Susanne seit dem ersten Arbeitstag wahnsinnig in ihn verliebt war. Susanne war ein Einzelkind. Sie wuchs bei ihrer Großmutter auf. Ihre Eltern starben schon sehr früh, als sie noch ein kleines Kind von vier Jahren war. Ihre Eltern hatten gemeinsamen Selbstmord begangen. Ansonsten hatte sie keinerlei Verwandte, außer einem Onkel in Nord-Australien, den Sie aber nur von einem alten Foto her kannte. Dieses Foto hatte Susanne am Sterbebett ihrer Großmutter mütterlicherseits erhalten. Keine Adresse, keine Telefonnummer, nur das Foto, auf dem auf der Rückseite eben dieses Wort Nord-Australien geschrieben stand. Daher vermutete Susanne, dass ihr Onkel in Australien zu Hause sein musste. Aber das war ihr irgendwie egal. Sie kannte ihn ja nicht persönlich und sie wusste ja nicht einmal, ob dieser angebliche Onkel aus Australien überhaupt noch unter den Lebenden weilte. Daher kam für Susanne jedenfalls diese nichtgeplante, außergewöhnliche und ungewöhnliche Art des Reisens als Abwechslung gerade recht. Sie hatte nichts und niemanden zu verlieren. Etwas besser ausgedrückt, Susanne kam dieser außerplanmäßige Urlaub - und das in der Hauptsaison - gerade recht.

Nachdem sich mittlerweile alle für das heutige Abendmahl zurechtgemacht hatten, versammelten sie sich nach und nach auf dem Flur. Im Nu begrüßten sich alle freundlich, während Katja die Neuankömmlinge bat, auf Lyr den Androiden zu warten. Sie versuchte, ihnen begreiflich zu machen, dass Lyr die absolute Pünktlichkeit in Person war. Und wenn Lyr 18 Uhr 30 und 4,5 Sekunden gesagt hätte, dann wäre er um 18 Uhr 30 und 4,5 Sekunden zeitgenau vor den Quartieren gestanden. Also beschlossen alle, auf diesen überpünktlichen Androiden zu warten.

Während sich Katja mit Norman und Stephan unterhielt, kam Sarah bedächtig und langsam auf Katja zu. Mit einem sonderbaren Blick auf Katja blieb sie etwa einen halben Meter wortlos vor ihr stehen.

»Oh, Hallo Sarah, es ist schön, dass du dich zu uns gesellst.«, begrüßte Katja sie herzlich. Und auch Norman schenkte ihr ein herzliches Lächeln.

»Hallo Katja, die Freude ist ganz auf meiner Seite.«, gab sie mit Hintergedanken zurück.

»Und, schon sehr hungrig, Sarah?«, wollte Katja wissen.

»Oh ja, ich könnte einen ganzen Elefanten verdrücken.«, erwiderte sie.

»Also eines muss man ja den Dogon lassen, kochen können die, das ist unglaublich.«, belobigte Norman die Kochkunst der Dogon.

»Das kannst du Norman beruhigt glauben. Egal was du dir dort bestellst, die haben alles. Da kannst du, wenn du Lust auf etwas Ausgefallenes hast, dich bewirten lassen wie ein Kaiser.«, bestätigte Katja Normans Tipp.

»Das ist ja Klasse. Sagt mal, ihr beiden, wo ist denn hier die Küche?« Sarahs Vater war nicht gerade von ihrer Frage begeistert, denn er wusste, was seine Tochter im Schilde führte.

»Die Küche, wieso willst du wissen, wo sich die Küche befindet?«, fragte Katja verdutzt nach.«

»Tja, wie so viele Menschen, zeige auch ich Interesse für gutes Essen. Vielleicht werde ich mit ein bisschen Glück gesegnet und kann einem dieser Meisterköche ein paar ausgefallene Rezepturen abluchsen. Ich hege schon lange den Gedanken, irgendwann einmal ein eigenes Kochbuch zu veröffentlichen. Na, was sagt ihr dazu, ist das nicht ne Spitzen-Idee?«, schwindelte Sarah, bis sich die Balken bogen. Ganz zum Erstaunen ihres Vaters.

»Ja, durchaus eine gute Idee, Sarah.«, bestätigte Katja.

Dann folgte ein Schweigen in der kleinen Runde, während Sarah mit großen Augen und offenen Mund auf ihre Frage, wo sich denn nun diese fragliche Großküche befände, ungeduldig wartete.

»Nun, ich warte!«, drängte Sarah weiter.

»Die Sache ist die, Sarah, da gibt es ein winzig kleines Problem.«, gab Norman ihr fast im Flüsterton zu verstehen.

»Was? Das gibt es doch gar nicht! Angeblich werdet ihr doch schon seit Jahren in dieser überdimensionalen Sardinenbüchse gefangengehalten. Und da wollt ihr mir allen Ernstes weismachen, dass ihr nicht wüsstest, wo sich hier diese Küche befindet?« Sarah glaubte, Norman und Katja an ihrem wunden Punkt getroffen zu haben und natürlich die richtige Frage gestellt zu haben um die beiden unsicher zu machen und um sie aus ihrer Defensive herauszulocken.

»Genau das trifft zu. Es hat uns nie interessiert, also haben wir auch nicht danach gefragt.«, gab nun Norman zur Antwort.

»Sarah, es wird das Beste sein, du fragst Lyr, wo sich die Küche befindet, okay?«, riet ihr Norman.

»Das werde ich auch tun, verlasst euch drauf.«, ärgerte sich nun Sarah.

»Du kannst ihn ja gleich fragen, denn da kommt er schon, pünktlich wie eh und je.«, riet auch Katja dem Mädchen Sarah.

Als Sarah diesen Androiden Lyr kommen sah, wurde ihr Gesicht aschfahl.

»Äh... Da... Das ist doch nicht so wichtig. Das hat doch noch Zeit, oder was meint ihr?«, ja, ja, als Norman, Katja und sogar ihr Vater sahen, wie Sarah eine Mischung aus Respekt und Angst vor Lyr zeigte, mussten sie sich schon ein wenig das Schmunzeln verkneifen.

»Guten Abend, ihr Lieben. Wie ich ersehen kann, seid ihr schon bereit zum Abendmahl. Prächtig, prächtig. Ausgehvorzüglich. Dann lasset uns zur Nahrungsaufnahme schreiten.«, verkündete Lyr mit Wonne.

»Du, Lyr, warte mal einen Augenblick.«, rief Katja Lyr zurück.

»Aber gerne, meine liebe Katja, was ist dein Begehr? Vorerst noch eine kleine Winzigkeit. Verzeiht meine veränderliche Sprache, ich übe mich in einer gehobenen gesellschaftlichen Stilebene der feinen Gesellschaft eures Planeten. Ich hatte mich in den Hauptcomputer eingeloggt und entdeckte in einem kleinen Winkel eines Speicherspektrums doch tatsächlich mehrere komplette Bibliotheken. Wie konnte sich nur dieses kleine Speicherfeld so lange vor mir versteckt halten.« Und Lyr kam mal wieder so richtig in Fahrt und in sein Element.

»Lyr, bitte!«, unterbrach nun Katja, um Lyr Einhalt zu gebieten.

»Oh... verzeih mir, Katja, wie kann ich dir behilflich sein?«, horchte Lyr schließlich auf.

»Dieser jungen Dame konnten Norman und meine Wenigkeit auf eine bestimmte Frage leider keine Antwort geben, worüber sie sich sehr echauffierte.« Sarah hörte, worüber Katja und Lyr sich unterhielten und sah nun etwas beschämt auf den Fußboden. Was auch Lyr sogleich bemerkte.

»Aber nicht doch, Fräulein Sarah, kein Wesen in den Weiten des Universums ist allmächtig oder gar allwissend. Ein Beispiel: Auf eurem Planten gibt es viele Tausende von Bibliotheken. Und in jeder einzelnen Bibliothek gibt es wiederum Tausende von Büchern. Diese beinhalten wiederum das Wissen von mehrere Jahrhunderten, wenn nicht gar von Jahrtausenden. So, und jetzt sehen sie mich an, ich besitze das Wissen von mindestens fünftausend Bibliotheken, die ich in meinem Speicher jederzeit, und das in einer Nanosekunde, abrufen kann. Das Gleiche gilt auch für das Wissen unseres Planeten. Und was ich in meinem Speichermedium nicht abrufen kann, hole ich mir von unserem Hauptcomputer. Und jetzt, Fräulein Sarah, hören sie mir genau zu. Und trotz aller Vorteile, die ich gegenüber den organischen Wesen besitze, bin auch ich nicht fehlerfrei. Und selbst unser Hauptcomputer konnte mir im Verlauf meiner Existenz nicht immer eine Antwort, die ich ihm stellte oder abrief, geben. Sie sehen, Fräulein Sarah, es gibt also keinen Grund auf Norman und Katja böse zu sein. Ihr Menschen solltet euch nicht gegenseitig so viel Misstrauen vor die Füße werfen oder euch gegenseitig, aus welchen Gründen auch immer, rivalisieren. Sondern in Güte, in Harmonie und im gegenseitigen Zusammenhalt miteinander und nicht gegeneinander sein. Versucht ein kollektives Team zu sein, wo sich ein jeder auf den anderen ohne Zweifel, Gier oder gar Neid verlassen kann. Ihr braucht euch mehr, als euch bewusst ist und mit der Zeit werdet ihr erkennen müssen und die Erfahrung machen, dass es nichts kostbareres gibt, als eine wahre und innige Freundschaft, die nur durch gewisse Entbehrungen und Prüfungen zu einer Bruderschaft gereifen kann, die letztendlich gegen alles Übel Bestand hat. Nun, kleines Fräulein Sarah, möchte ich ihre Neugier stillen. Sie fragten, ob es hier an Bord des Raumschiffes eine Küche gäbe. Ich muss dies verneinen. Sämtliche Nahrungs- und Genusmittel, sowie jede Form trinkbarer Flüssigkeiten, oder Flüssigkeiten, die zur körperlichen Hygiene dienen, kommen aus dem, ihr würdet es als Kellergeschoss bezeichnen, aus diesen Tieffrachträumen. Bei Gelegenheit, wenn es euch interessiert, können wir gerne einen Rundgang durch dieses, sagen wir einmal, Labyrinth der Genüsse machen. Jede Speise, die ihr zu euch nehmt, wird durch ein sehr kompliziertes Verfahren vollautomatisiert von unseren Deklinen, ihr würdet sie als Roboter bezeichnen, zusammengestellt. Und durch ein weiteres Verfahren auf seine Ursprungsgröße gebracht und je nach Mahlzeit erwärmt. Und in diesem fertigen Zustand, natürlich unter Berücksichtigung der richtigen Temperatur, mit allen Vitalstoffen, Vitaminen, Spurenelementen, Eisen, Kupfer usw., die euer Körper benötigt, versehen. Dann werden durch ein besonderes Transportverfahren die inzwischen fertigen Mahlzeiten nach oben zu unseren Sachebs, ihr würdet hier wiederum diese Männer als,Ober oder Kellner deklarieren, geliefert. Diese Menüs werden je nach Bestellung an die dafür vorgesehen Personen am Tisch angerichtet.«

» Ja, und das Geschirr wäscht sich wohl von alleine, oder was?« Diese Fragestellung seitens Peters klang irgendwie lästernd.

»Aber nein, Peter, wo denkst du hin? Allerdings kann man diese Gefäße nicht als Geschirr deklarieren. Unsere Gefäße bestehen nämlich aus reinem Magninium. Aber dir dies zu erklären, würde eine lange Zeit in Anspruch nehmen, die ich im Augenblick nicht besitze.«, erwiderte Lyr.

Die meisten der acht Neuankömmlinge fühlten sich etwas beschämt, sie redeten sehr schlecht über diesen Androiden, sie konnten nicht im Geringsten erahnen, wie nett und besorgt er doch um das Wohlergehen ihrer selbst war. Sie konnten nicht wissen, dass er ein so hilfsbereiter Androide mit so viel Feingefühl und Fürsorge bestückt war. Eines war nun klar, sie sahen diesen Androiden und sogar Norman und Katja von nun an mit anderen Augen. Und zwar im guten Sinne.

»Lyr? Wenn dort Speisen zubereitet werden, handelt es sich nach meiner Meinung doch um eine Küche, oder etwa nicht?«, tja, Sarah konnte es einfach nicht lassen, es lag nun einmal in ihrer Natur, alles für sie ungewisse so lange zu erfragen, bis sie eine für sie verständliche Antwort bekam. Also sozusagen einen hieb- und stichfesten Beweis.





 Kapitel 15, Urlaub auf Sinas

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