Zu den Grenzen des Planeten Goderijan

Science Fiction Roman von Peter Althammer

Kapitel 3, Das Raumschiff, Teil 2

Wieder in München, Ruferstr.16 Agentur. Rätselhafte Phänomene.
 

Peter war am Wochenende mal wieder in Feldgriesen. Dort lag ein zauberhafter Ort mit einem wunderschönen und fischreichen See, wohin er sich in seiner ganzen Freizeit flüchtete, um sich von seinen geschäftlichen Aktivitäten zu erholen. Schon vor Jahren hatte er sich in diesem Ort und den dazu gehörenden See ein kleines Häuschen gekauft, das er aber nur im Urlaub oder an den Angelwochenenden bewohnte. Keinen Stress, kein Autolärm und vor allem keine Telefonanrufe. Peters Vorteile lagen darin, dass er niemandem davon erzählt hatte. Keiner von seinen Geschäftskollegen kannte sein Ziel, wenn er ins Wochenende oder in den Urlaub fuhr. Nicht einmal seine engsten Verwandten erfuhren bisher von der Existenz seines Fluchtortes.

Peter saß in seinem Bürosessel und grübelte in sich hinein. Dann entschloss er sich, seinen Anrufbeantworter abzuhören. Peter hatte sich zur Gewohnheit gemacht, immer freitags vor dem Start in sein heiß ersehnte Angelwochenende seinen Anrufbeantworter einzuschalten, den er jeden Montagmorgen bei Arbeitsantritt abspielte. Beim Durcharbeiten seiner letzten Berichte, die er freitags nicht mehr fertig bekam, hörte er nun den Anrufbeantworter ab. Dabei wurde er bei einer der Meldungen hellhörig. Sofort spulte er zu dieser fraglichen Stelle zurück und horchte nochmals auf.

»Hä, ja, Hallo... Hä, guten Tag. Ich möchte Ihnen etwas Außergewöhnliches erzählen, jedoch noch nicht meinen Namen nennen. Noch nicht. Also, es geht um eine Geschichte, nun eine Geschichte ist es nicht gerade, aber es ist ein echtes Phänomen. Ja, ein echtes Phänomen. Und ich möchte Ihnen...« Peter hörte sich die ganze Geschichte von dieser jungen Frau an. Geschichte? Ja, für Peter roch es nach einem Phänomen.

»Susanne... Susanne?«, schrie Peter wieder einmal wie ein Choleriker, als hätte er den ganzen Tag nichts anderes zu tun als sich in seiner Tonart zu üben.

Susanne, die gerade Kaffee aufbrühte, ließ fast vor Schreck die Kanne fallen. Dann stellte sie die Kaffeekanne in die Fassung des Aufbrühgerätes und machte sich geschwind auf den Weg durch den engen Flur. Der Gang stand auf beiden Seiten mit unzähligen Kartons voll, die sich bis zur Decke hoch auftürmten. Es galt schon beinahe als Kunststück, ohne zu stolpern in eines der Büros zu gelangen.

»Was ist, Chef?«

»Ah, da bist du ja, Susanne. Hier rufe doch bitte mal diese Nummer an und mache mir einen nächstmöglichem Termin mit dieser jungen Dame. Ach ja, und noch etwas. Ich möchte außerdem mit einem ihrer Erziehungsberechtigten sprechen, denn diese Dame hörte sich doch sehr jung an, für mein Gefühl zu jung, okay Susanne?«

»Klar Chef, aber unter welchem Namen darf ich diese Dame denn begrüßen?«

»Nun Susanne, der Name ist mir nicht bekannt.«

»Wie bitte?« Aber woher wissen Sie...«

»Susanne, höre auf, mir immer Löcher in den Bauch zu fragen und tue einmal das, was ich von dir verlange. Es handelt sich hierbei um eine Meldung, die ein sehr junges Mädchen auf dem Anrufbeantworter hinterließ. Sie hörte sich zumindest sehr jung an. Sie wollte ihren Namen nicht preisgeben. Außer dieser Nummer und die Hoffnung auf eine gute Geschichte haben wir nichts. Also kümmere dich gefälligst darum.«

»Ist ja schon gut, Chef, ich gehe ja schon.«

»Warte, Susanne, noch etwas. Kannst du mir noch einen Gefallen tun?«

»Klar Chef, gerne.«

»Nenn mich nicht immer Chef, wie oft muss ich dir das noch sagen.«

Ohne weiteren Kommentar ging Susanne wieder einmal beleidigt in ihr Büro, um sogleich die neue Order zu erledigen. Gregor der Athlet stand schon lauernd vor Susannes Büro, aus Angst etwas verpasst zu haben.

»Na, Susanne, gibt es was Neues vom Alten?«, fragte Gregor bedrängend.

»Oh ja, der Alte, wie du ihn zu nennen beliebst, riecht ne heiße Geschichte.«

»Ist doch prima, oder?«

»Ja sicherlich, ist bestimmt ne tolle Geschichte.«

»Oho, das klingt aber nicht nach Begeisterung. Höre ich da etwa Missgunst in deiner Stimme? Was ist los, Susanne?«

»Ach, Gregor, weißt du, immer muss Peter mich anschreien, ich kann es schon nicht mehr hören, sein ständiges Meckern. Irgendwann werfe ich den ganzen Kram hin.«

Gregor kannte Susanne gut genug. Er wusste, dass Susanne niemals ihren Job aufgeben würde und ahnte, dass sie Peter mal wieder mit dem Wort Chef anredete.

»Ist mal wieder das berühmte Wort, wie zum Beispiel Chef gefallen, nicht wahr Susanne, habe ich Recht?«

»Mann, was ist denn schon dabei, er ist doch auch mein Chef, oder nicht?«

»Klar ist er das, aber du kennst ihn ja. Er kann es nun mal nicht leiden, akzeptiere das endlich, Susanne.«

»Das tue ich ja, aber es rutscht mir halt immer wieder raus.« Nichts desto trotz ging Susanne an ihren Arbeitsplatz, um sogleich diese fragliche junge Dame anzurufen.

Susanne wählte die Nummer, die Peter ihr gegeben hatte und wartete, dass sich jemand meldete.

Sarah hatte stets ein mobiles Telefon in ihrer Nähe, so dass sie jederzeit erreichbar war und wenn nötig Hilfe anfordern konnte.

»Ja, Sarah Hübner am Telefon?«

»Guten Tag, hier spricht die Sekretärin von Peter Lenz, Agentur für rätselhafte Phänomene. Sie sind doch die junge Dame, die am letztem Freitag eine Nachricht auf unseren Anrufbeantworter hinterlassen hat?«

»Ja, ja, sicherlich, die bin ich, aber ich dachte, dass ich mit dem Herrn Lenz persönlich sprechen könnte.«

»Ja, wenn Sie darauf bestehen, werde ich Sie mit dem Herrn Lenz verbinden, einen Moment bitte.«

»Susanne stellte die Verbindung zu Peters Büro her, wo alsgleich Apparat 3 klingelte.«

Wenn dieser Apparat klingelte, wusste Peter automatisch, dass der Anruf von Susanne zum Gespräch weitergeleitet wurde.

Sofort hob Peter Apparat 3 ab.

»Ja, Peter Lenz am Apparat, was kann ich für Sie tun?«

»Hä, ja, hier ist das junge Fräulein, die am Freitag diese merkwürdige Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter hinterließ. Mein Name ist Sarah, Sarah Hübner.«

»Es freut mich, endlich ihre Bekanntschaft zu machen, Fräulein Hübner. Sie brauchen sich im Bezug auf ihre Nachricht, die Sie uns hinterlassen hatten, keine Gedanken zu machen. Es gibt leider viel zu wenig Menschen, die wie Sie den Mut besitzen, ihre rätselhaften Phänomene in die Öffentlichkeit zu tragen.«

»Oh ja, Herr Lenz, Sie sprechen wahre Worte. Also das war so, ich...«

»Hä, entschuldigen Sie, Fräulein Hübner, dass ich Sie unterbreche, aber ich bekam irgendwie den Eindruck, dass Sie noch sehr jung sind. Natürlich mindert es nicht die Glaubwürdigkeit ihres, na sagen wir einmal, Erlebnisses. Dennoch muss ich Sie darauf hinweisen, sollten Sie noch minderjährig sein, bräuchte ich eine Genehmigung von einem ihrer Erziehungsberechtigten, um überhaupt in ihrem Fall irgendetwas zu unternehmen. Ich hoffe, Fräulein Hübner, dass Sie Verständnis dafür haben. Das schreibt nunmal das Gesetz vor. Deshalb halte ich es für besser, dass wir diesen Fall nicht am Telefon besprechen sollten. Ich schlage Ihnen vor, dass Sie sich erst einmal mit ihren Eltern besprechen und wenn Sie das Okay haben, wir uns bei Ihnen zu Hause treffen und nach eingehender Prüfung ihres Falles alles in die Wege leiten.«

»Ja, Herr Lenz, ich bin ja erst fünfzehn Jahre alt und ich glaube, das wird das Beste sein. Ich mache Sie trotzdem darauf aufmerksam, dass ich querschnittgelähmt bin und in einem Rollstuhl sitzen muss. So werden Sie sicherlich verstehen, dass ich Ihnen in keiner Weise entgegen kommen kann.«

»Machen Sie sich hierüber keine Sorgen. Alles was zu diesem Fall erledigt werden muss, werde ich für Sie in die Wege leiten. Natürlich nur, wenn es sich wirklich feststellen lässt, dass es ein außergewöhnliches Phänomen ist. Doch vorher möchte ich mich noch einmal bestätigt wissen, Sie haben also wirklich das ganze Ereignis auf einer Videokassette. Und Sie haben dieses Phänomen eigenhändig mit einer Videokamera gefilmt? Verzeihen Sie, aber ich muss mich da absichern, denn vieles entpuppt sich letztendlich als Betrug.«

»Sie können mir ruhig glauben, ich habe alles auf Videoband. Es ist keine Erfindung von mir, Herr Lenz.«

»Dann ist es ja gut. Noch etwas, haben Sie außer meiner Person und ihren Eltern irgendjemandem etwas von ihrem Erlebnis erzählt, oder weiß jemand, zum Beispiel ein guter Freund oder ein Vertrauter, von der Kassette?«

»Bis jetzt niemand.«

»Gut, das ist prima.« Also, Fräulein Sarah, dann werden wir uns alsbald treffen müssen, sobald ich das Okay eines ihrer Elternteile habe.«

Man spürte Sarahs drängen. Sarah sah sich schon im Fernsehen. Sie träumte förmlich mit offenen Augen. Diese Augen begannen, einen gierigen Blick wiederzuspiegeln und man könnte meinen, es stünde ein Zettel auf Sarahs Stirn, wo geschrieben steht, ich verkaufe ein Geheimnis.

»Legen Sie nach unserem Gespräch nicht auf, meine Sekretärin wird Sie noch nach ihrer genauen Anschrift fragen. Dann bis auf bald, so hoffe ich, Fräulein Sarah.«

»Gut, dann bis auf bald.«, erwiderte Sarah.


*
 

Jetzt hatte Sarah ein Problem. Eigentlich wollte sie es vor ihrem Vater erst einmal geheim halten, und nun das. Nun, da half alles nichts, irgendwann einmal musste sie es ihrem Vater schonend beibringen. Sein Okay brauche ich auf alle Fälle. Da hilft alles nichts. Denn Papa arbeitet ja von zu Hause aus. Und dadurch ist er folglich die meiste Zeit zu Hause, dachte sich Sarah.

Tja, Sarah hatte da nicht einmal so unrecht. Noch war sie nicht alt genug, um selbst eine solche Entscheidung zu treffen. Und wenn es um Entscheidungen ging, die Sarah betrafen, kannte Sarahs Vater kein Mitleid. Er überließ nichts dem Schicksal, dass Sarah vielleicht von irgend was oder irgend jemandem Schaden nehmen könnte. Sicherlich würde dann ihr Vater denken, dass diese Agentur alles andere als eine Agentur sei. Und mit Recht. Viele junge Mädchen wurden heutzutage mit allen möglichen Versprechungen gelockt. Sie wurden auf gemeinste Art und Weise ausgebeutet und ausgenutzt und dadurch an Leib und Seele zutiefst verletzt. Von wo es für die meisten kein Entrinnen mehr gab. Also war Sarah gezwungen, ihrem Vater diese unglaubliche Geschichte, die sie auf Videoband hatte, vorzuführen. Sie hatte es sich nun einmal in den Kopf gesetzt.


*

Wieder in die Ruferstr. 16 München:
 

»Verdammt noch mal, das darf doch nicht wahr sein! Bei dem Mädchen hat ja noch der Papa Staat die Hände drauf. Menschenskind, was mach ich denn jetzt. Was ist, wenn es doch eine heiße Geschichte ist. Die Konkurrenz schläft nicht. Meine Güte, jetzt führe ich schon Selbstgespräche.«

»Susanne, Susanne?«, schrie Peter aus ganzer Lunge.

Susanne kam in Windeseile angerannt, als wäre der Teufel hinter ihr her.

»Was ist denn, Chef, äh Peter?« fragte Susanne erstaunt und erschrocken.

Auch Gregor, unser Athlet, kam neugierig hinterdrein.

»Könnt ihr euch das vorstellen? Die Kleine, die mit mir ernsthaft verhandelte, was schätzt ihr wie alt die ist.«

Weder Gregor noch Susanne wussten darauf eine Antwort.

»Gut, dann sage ich es euch, ganze 15 Jahre alt. Was sagt ihr dazu?«

»Nun, ich glaube, dass sich hier ein Problem anbahnt.« entgegnete, Gregor mit tiefer Stimme.

Und Susanne gab natürlich auch ihre Meinung zum Besten.

»Tja, da hat der Papa Staat noch die Hände auf des Mädels Schoß.«

»Ja Susanne, das dachte ich mir vorhin auch. Was machen wir nur?«

Gregor und Susanne sahen sich axelzuckend an.

»Trotzdem, entweder sie spricht mit einem ihrer Eltern über die ganze Sache, oder ich lasse die ganze Sache sausen, Punktum.« , ärgerte sich Peter.

Dann dachte Peter kurz nach.

»Oder ich könnte versuchen, in den Besitz dieser Kassette zu kommen. Denn wenn diese Kassette kein Blender ist, ich meine, wenn da wirklich ein echtes Phänomen darauf zu sehen ist, nicht auszudenken! Stellt euch nur mal vor, diese Aufnahme könnte in die falschen Hände geraten. Außerdem glaube ich nicht, dass diese Sarah Hübner sich der Tragweite bewusst ist, wenn sie denn wirklich ein echtes und unbestechliches Phänomen auf ihrer Kassette besitzt.« äußerte Peter sich besorgt.

»Sag mal Peter, glaubst du, dass an dieser Geschichte der Hübner was dran ist, ich meine dass diese Kassette wirklich existiert?« machte Gregor mit dieser Andeutung Peter nervös.

»Das hoffe ich vor allem für uns.

Wir müssen jetzt sehr schnell Handeln. Wir müssen unter allen Umständen verhindern, dass das Militär davon Wind bekommt. Die würden das Mädchen mit ihren Methoden fix und fertig machen. Mein Instinkt sagt mir aber, dass da durchaus etwas drann ist. Ich habe da so ein Gefühl, das mir mal wieder keine Ruhe lässt. Und bis jetzt konnte ich mich zu neunzig Prozent darauf verlassen. Okay, Susanne, in einer Stunde machst du mir ne Verbindung zu dem Mädchen, dann werden wir ja weitersehen.«

»Gut Chef. Mach ich.«

»Und nenn mich nicht immer Chef.«

Während Susanne und Gregor in ihre Büros zurückkehrten, suchte Peter nach seinem Feuerzeug, das er irgendwo auf seinem Schreibtisch verlegt hatte, der mit unzähligen Akten und Notizen belagert war. Ein Wirrwarr, das Seinesgleichen suchte, in dem anscheinend nur er sich zurechtfand.


*

Währenddessen ungefähr 120 Kilometer nördlich von München:
 

Sarah machte sich längst Gedanken über diesen Herrn Lenz, nach dem Telefongespräch. Wie sie es wohl ihrem Vater beibringen konnte, dass sie ihn zwecks seiner Videokamera angelogen hatte. Sarah kam nämlich zu der Erkenntnis, dass eine Lüge der anderen folgte. Sie fühlte sich durch ihre eigene Lüge in die Ecke gedrängt. Sie fühlte instinktiv, dass Lügen auf die Dauer nicht fruchten konnten. Jetzt erst begriff sie. Schon so oft wurde Sarah von ihrem Vater aufgeklärt, dass sich Lügen nicht auszahlen würden. Also beschloss Sarah, alles zu sagen, ja reinen Tisch zu machen. Auch musste sie damit rechnen, dass ihr Vater sehr von ihr enttäuscht sein wird. Trotz alledem. Alles würde sie ihm nun mit offenem Herzen darlegen. Und das ohne, wenn und aber. Und inständig hoffte sie, dass ihr Vater, wie schon so oft, ihr verzeihen würde. Sie wusste dass er sie, wie die meisten Väter, abgöttisch liebte. Und dass sie ihm daher sehr wehtat.

»Nun, Sarah, da musst du jetzt durch, in den sauren Apfel beißen. Reiß dich zusammen und sei tapfer.«, gab Sarah im verzweifelten Selbstgespräch von sich.

»Papa? Papa?«, schrie Katja wieder einmal nach ihm.

Sarahs Vater war gerade dabei, seine Steuererklärung zu berechnen, da hörte er Sarahs Ruf. Und sofort ließ er wieder alles stehen und liegen und eilte die Treppen ins Hochparterre zu Sarahs Zimmer.

»Ist alles in Ordnung, Kleines?«

»Aber ja doch Papi, du brauchst dir nicht immer gleich Sorgen um mich zu machen, wenn ich nach dir rufe, es muss doch nicht immer gleich etwas mit mir geschehen sein.«

»Verzeih Liebes, aber deine Rufe klingen immer nach einem verzweifelten Hilfeschrei.«, wobei ihr Vater dieses eine mal gar nicht so Unrecht hatte.

»Was wolltest du eigentlich, Sarah?« Sarah fürchtete diesen Moment, in dem sie die Karten offenlegen musste.

Es war nicht leicht für sie, ihren Vater mit der Wahrheit wehzutun. Dennoch, da wollte sie jetzt durch. Komme danach, was wolle.

»Papi, hast du etwas Zeit für mich, weißt du, ich muss dir unbedingt einiges beichten?«

»Es muss schon was Schlimmeres sein, wenn Sarah beichten will, denn das kommt nicht allzu oft vor.», dachte sich noch Sarahs Vater.

»Nun gut Kleines, ich höre?«

»Ja, weißt du, Papa, ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll.«, gab Sarah in wehmütigen Worten von sich.

»Weißt du, Kleines, ich würde es mal mit der Wahrheit versuchen.«

Noch immer stockte Sarah der Atem, doch sie hatte bereits A gesagt, dann musste sie auch B sagen.

»Ja, Papi, das wollte ich gerade tun, ich meine mit der Wahrheit beginnen.« Dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und begann.

»Weißt du, Papa, ich hatte mir doch am vergangenen Freitag die Videokamera von dir ausgeliehen.«

»Ja, Liebes.«, unterbrach er Sarah fordernd.

»Ja, und du kannst dich bestimmt noch an die Geschichte erinnern, die ich dir erzählte, damit ich sie von dir bekomme.«

»Also, wenn sie nicht der Wahrheit entsprach, ich meine deine Geschichte, dann bin ich schon etwas enttäuscht von dir, denn sie klang sehr gut ausgedacht von dir.«

Immer schwerer fiel es Sarah zu sprechen, so dass es unausweichlich und unmöglich für sie wurde, die Tränchen zu verdrücken.

»Ich weiß, Papa, dass es nicht recht war, dich so anzulügen, aber ich konnte doch nicht zusehen wie diesem Mädchen Leid angetan wird. Ich musste mir doch eine Geschichte ausdenken, um an deine Videokamera ranzukommen. Ich weiß doch, dass du sie nicht gerne weggibst.«

»Wa... was für ein Mädchen, wer wollte einem Mädchen etwas antun und was für ein Mädchen meinst du eigentlich, Sarah? Geht es dir gut, hast du Fieber Kind?« Sarahs Vater war ganz durcheinander, er machte sich offenbar große Sorgen.

»Papa, mir fehlt doch nichts. Warum kannst du mir nie richtig zuhören?«

Sarah weinte, ja es sah so erbärmlich und herzzerreißend aus, dass Sarahs Vater fast selbst die Tränen kamen und er schlucken musste.

»Entschuldige Liebes, nun beruhige dich doch erst einmal, dann werde ich dir zuhören ohne dazwischenzureden.«

»Hast du denn so viel Zeit, Papa?«

»Na ja, eigentlich wollte ich meine Steuererklärung heute noch fertig machen, aber was soll es, du bist mir jetzt wichtiger. Das hat bis morgen auch noch Zeit. Das wird unseren Vater Staat schon nicht gleich in den Ruin treiben.«

Und Sarah erzählte, ja Sarah erzählte alles, von A bis Z, nichts ließ sie aus. Nach jedem Satz den sie beendete, bemerkte Sarah, dass ihr Vater begann, ihr liebevoll in die Augen zu sehen. Obwohl sie eigentlich mit einem Wutausbruch von ihrem Vater rechnete, bewunderte sie ihn, dass dem nicht so war. Im Gegenteil, ihr Vater war nicht einmal erstaunt. Er war die Ruhe selbst.

»So, Papa, jetzt weißt du alles. Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das alles tut. Wirklich Papa.«

»Ich weiß mein Kind.«

»Papa, was ist mit dir, warum siehst du mich denn so an?«

»Liebes, weil ich jetzt weiß, was ich schon immer wusste. Du bist ein ganz außergewöhnliches liebes Mädchen. Jetzt weiß ich auch, dass meine Erziehung Früchte trägt. Sarah, für eine Lüge habe ich niemals Verständnis, das weißt du auch. Ich wollte dir eigentlich nur begreiflich machen, dass es auch Ausnahmen geben kann. So wie zum Beispiel, wenn es um das Wohl eines Mitmenschen geht.«

Jetzt begriff Sarah überhaupt nichts mehr.

»Papa, was meinst du damit?«

»Du hast mir heute wieder einmal gezeigt, dass sehr viel Gefühl und Menschlichkeit in dir und deinem Herzen wohnen. Ich bin sehr stolz auf dich. Es ist schön, miterleben zu dürfen, wie mein kleines Mädchen langsam aber sicher zu einer klugen und erwachsenen Dame wird.«

Sarah konnte sich nicht mehr halten und streckte ihre kleinen und zierlichen Arme nach ihrem Vater aus, der sogleich ihre Zuneigung mit einem zärtlichen und sanften Kuss auf ihre Stirn erwiderte. Eine zentnerschwere Last fiel Sarah von ihren Schultern.

»Also Kleines, die Lüge mit der Kamera vergessen wir ganz geschwind. Ich hätte an deiner Stelle wahrscheinlich auch nicht anders gehandelt. Aber was die Erlaubnis mit dieser Agentur betrifft, da kann ich noch nicht mein Okay geben. Dazu möchte ich mir erst einmal dieses Videoband ansehen. Und danach sollte ich diesen Peter Lenz mit seiner Agentur unter die Lupe nehmen. Du musst mich auch verstehen, ich kann dir nur ein Okay geben, wenn ich mir absolut sicher sein kann, dass dieser Lenz einen einwandfreien Leumund besitzt?«

Sarah war erleichtert, dass sie mit diesem Phänomen nicht mehr alleine dastand. Ja, in diesem Augenblick liebte sie ihren Vater so sehr, dass sie ihn wortwörtlich am liebsten mit Haut und Haaren auffressen würde.

Sarah beobachtete ihren Vater genau. Sie war auf seine Reaktion sehr gespannt. Sie platzte vor Neugier. Und als Sarahs Vater sich in ihrem Zimmer auf dem Bett sitzend das fragliche Video ansah, wurde er kreidebleich. Verwundert sah er Sarah an. Dann stand er von ihrem Bett auf und ging, zum Erstaunen von Sarah, wortlos aus ihrem Zimmer. Sie war wie geschockt. Sie begriff nicht, was mit ihm los war. Jede Reaktion hätte sie erwartet. Schreien, weinen, ja sogar in Ohnmacht zu fallen. Alles, nur das nicht. Sie hatte mit einer solchen Reaktion von ihrem Vater nicht gerechnet. Dann drehte sie sich mit ihrem Rollstuhl in Richtung Ausgang zur nächsten Tür, die ins Wohnzimmer führte. Doch als sie dort ankam, war von ihrem Vater nichts zu sehen. Als nächstes sah sie in der Küche nach, doch auch dort hielt er sich nicht auf.

»Aha, dann kann er ja nur in seinem Arbeitszimmer sein.«

»Papa, Papa?«, rief sie etwas laut nach ihm.

Doch es folgte keine Antwort von Papa.

Sarah beschloss, so laut zu schreien, dass ihr Vater denken musste, dass ihr was zugestoßen wäre. Etwas anderes fiel ihr in dieser Aufregung nicht ein. In Vaters Arbeitszimmer konnte sie nicht mit ihrem Rollstuhl gelangen, das befand sich ja im ersten Stock. Wie sollte sie denn da mit ihrem Rollstuhl hochkommen.

»Papa, Papa?« Schrie sie aus tiefster Seele.

Sie schrie so laut, dass es sogar die Nachbarn hören müssten. Doch wieder keine Reaktion.

Das war das allererste mal, dass ihr Vater auf ihren Ruf nicht reagierte. Sarah machte sich nun große Sorgen.

Dann kam Sarah ein schrecklicher Gedanke. Er wird sich doch nichts antun, dachte sich Sarah.

»Es kann auch sein, dass er einen Schock hat. Das beste wird sein, dass ich die Polizei anrufe. Halt, das geht ja nicht. Es soll doch niemand etwas von dem Phänomen erfahren. Was Mach ich denn nur. Oh Gott, was mach ich nur?« , gab Sarah im ständigen Selbstgespräch von sich.

Doch es nutzte ihr nichts, Hilfe musste sie holen. Es ging ja schließlich um ihren Vater.

»Nun gut, ich muss Hilfe herbeirufen.«

Dann rollte sie wieder in ihr Zimmer, wo sich ihr eigenes Telefon befand. Sie nahm den Hörer ab und rief die für diesen Ort zuständige Polizei an.

»Rednizkleineck, Kriminalinspektion 1, Oberwachtmeister Kliegel am Apparat. Was kann ich für sie tun?«

»Äh ja, mein Name ist Sa...« plötzlich wie aus dem Nichts, kam eine Hand dazwischengefahren und riss ihr den Hörer aus der Hand.

Sarah wandte sich zu Tode erschrocken in die Richtung, aus der die pfeilschnelle Hand gekommen war.

»Papa, du, aber wa...?«, fiel es ihr schwer zu sprechen. Ihr steckte noch vor Schreck ein Kloß im Hals. Dann begann sie zu weinen.

»Wer ist am Apparat, bitte?« , fragte ihr Vater den Zuhörer am anderen Ende der Leitung. Er wollte sich sicher sein, wer dran war.

»Oberwachtmeister Kliegel.«

Oberwachtmeister Kliegel war der älteste Polizist in diesem kleinen Ort. Er galt als Choleriker, der seine kleine Truppe, bestehend aus vier weiteren Kollegen, mit militärhaftem Ernst schikanierte. Doch nichts desto Trotz mochten ihn alle in diesem Ort, da er sich selbstaufopfernd und einsatzfreudig zeigte, wenn es um die Kinder dieses Dorfes ging.

»Es befand sich doch eine Dame in der Leitung?«, fragte der Wachtmeister neugierig nach.

»Oh ja, entschuldigen Sie, das war meine Tochter, die Sie aus Sorge um mich anrief. Es tut mir Leid, meine Tochter dachte, dass ich mich in Gefahr befände. Sie müssen wissen, meine Tochter ist querschnittgelähmt und als Sie mich rief, ich befand mich gerade in meinem Arbeitszimmer, hatte ich vermutlich ihren Ruf überhört. Und da geriet Sie in Panik.«

»So, da geriet Sie in Panik? Wie heißen Sie?«, kam sehr forsch die Forderung des Wachtmeisters.

»Die Familie Hübner. Ich bin Stephan Hübner, der Vater von Sarah.«

Aha, die Hübners also. Na ja, dieses eine mal drücke ich noch mal ein Auge zu. Ich habe nämlich mehr zu tun als Anrufe von verschreckten Kindern anzunehmen, vor allem, wenn es falscher Alarm ist. Nun gut, klären Sie bitte ihre Tochter über die Wichtigkeit des Notrufes auf!«

»Aber sicher, Sie können sich ganz auf mich verlassen, es kommt ganz bestimmt nicht wieder vor. Und wenn, dann ist es mit Sicherheit wirklich dringend. Und danke noch mal. Auf Wiedersehen, Oberwachtmeister Kliegel.« Dann legte er den Hörer wieder auf.

»Grund gütiger, Kind. Was hast du dir dabei gedacht, gleich die Polizei anzurufen?«

»Aber ich dachte, du hättest dir etwas angetan. Du hast dich plötzlich so merkwürdig verhalten.« Als Sarahs Vater sah, dass sie weinte, wurde ihm recht schwer ums Herz.

»Verzeih, Kleines. Du hast Recht, es war sehr egoistisch von mir.« Aber ich war so geschockt von diesem Geschehen, dass ich alles was ich bisher glaubte, in Frage stellten musste. Ich kann es immer noch nicht begreifen. Sarah, das ist unglaublich, bist du dir überhaupt im Klaren, ich meine, du bist dir doch bewusst, was du da für einen Beweis in Händen hältst. Weißt du überhaupt, wie sich dadurch dein Leben verändern kann und was für Folgen diese Aufzeichnung für uns alle hätten?«

Sarah wurde sehr neugierig, aber dennoch war sie sich der Tragweite nicht bewusst, wie diese Aufnahme ihr Leben verändern könnte.

»Was meinst du mit verändern, Papa?«

Sarahs Vater sah seiner Tochter tief in die Augen und er konnte sehr viel daraus lesen.

»Da fragst du noch, Kleines? Nun gut, ich will versuchen es dir so gut wie möglich zu erklären. Nehmen wir einmal an, du möchtest diese Aufnahmen an die Öffentlichkeit preisgeben und bestimmte Experten befinden deine Aufzeichnung, was dieses Phänomen betrifft, für echt und das werden sie, nach allem was ich da gesehen habe. Im Nu wäre die gesamte Presse und das Militär hier und würde unser schönes Rednizkleineck in eine Quarantäne-Station verwandeln. Sie würden dir keine Ruhe mehr lassen, dich testen, dich unentwegt ausfragen, ja dich rgelrecht verhören, immer und immer wieder. Dass wollen wir doch nicht, oder?«

»Aber Papa, du hast doch selbst gesagt, dass ich vielleicht mit diesem Lenz zusammenarbeiten dürfte. Der Herr Lenz weiß doch mehr als irgendjemand anders, wie man sich in solchen Fällen verhält. Oder etwa nicht, Papa?«

»Dass mag schon sein. Aber glaube mir, mein Kind, letztendlich will er doch auch nur diese Geschichte verkaufen. Oder was glaubst du, wovon diese seine Agentur lebt? Liebes, ich meine es doch nicht böse. Ich will doch nur dein Bestes. Du glaubst mir doch, Kleines?«

»Natürlich glaube ich dir, Papa. Und was mache ich nun, wenn dieser Lenz hier anruft, ich habe ihm doch meine Nummer gegeben und das wird er, darauf kannst du dich verlassen.«

»Nun, in diesem Fall werde ich wohl oder übel mit diesem Herrn ein paar ernsthafte Worte reden müssen.«

»Aber Papa, wir können diese Geschichte doch nicht einfach unter den Teppich kehren, was wird denn dann mit diesem armen Mädchen, der Katja Moser?«

In diesen Augenblick konnte natürlich Sarahs Vater nicht ahnen, dass seine Tochter ganz andere Pläne mit diesem Wunder hatte. Ja, dass seine Tochter die Reine Gier erfasste und sich schon als superreiche und weltbekannte Persönlichkeit in allen Radios und Fernsehstationen sah.

»Verdammt noch mal, daran hatte ich in all dieser Aufregung gar nicht gedacht. Du hast Recht, solange wir nicht wissen, was aus dem Mädchen geworden ist, können wir diese Geschichte nicht einfach beiseite kehren. Ach, dass bei uns das Pech nicht abreißen will. Ich verstehe das nicht.«

»Aber Papa, ob das mit Pech zu tun hat, wird sich noch herausstellen. Wir sollten uns jetzt vielmehr Gedanken darüber machen, wie wir der Katja helfen könnten. Und Glaube mir, wenn es jemand kann, dann nur einer.«, ging Sarah wieder einmal geschickt zum Angriff über.

Denn intuitiv hoffte sie, dass dieser Peter Lenz nicht nur ein profitgieriger Geschäftsmann war. Nein, vielmehr plädierte sie dabei auf dessen Berufs-Erfahrung in außergewöhnlichen Fällen.

Während, sich beide einen Plan ausdachten, wie sie der Katja Moser am besten behilflich sein konnten, klingelte Sarahs Telefon.

»Papa, gehst mal ans Telefon?«

»Klar, mache ich. Ja, hier bei Hübner.«

»Guten Tag, hier spricht die Sekretärin von Peter Lenz, Susanne Meinert, Agentur für rätselhafte Phänomene. Mit wem spreche ich bitte?«

»Grüß Gott, Sie sprechen mit dem Vater von Sarah Hübner, was kann ich für Sie tun?«, erwiderte Stephan.

»Ja, bleiben Sie bitte am Apparat, ich verbinde Sie mit meinem Chef, den Herrn Lenz.«

»Ja gut, ich warte.«, erwiderte Stephan recht freundlich.


*

München, Ruferstr.16:
 

Peter suchte noch immer sein Feuerzeug, das sich irgendwo auf dem Schreibtisch zwischen den vielen Akten und Schriftverkehr liegen musste.

»Das kann es doch nicht geben, es muss doch irgendwo sein.«

Und während Peter weitersuchte, klingelte das Verbindungstelefon.

»Mist, ausgerechnet jetzt.«

»Ja Susanne, was gibt es denn so dringendes?«

»Chef, ich habe jetzt ihre gewünschte Verbindung in der Leitung. Kann ich sie durchstellen?«

»Was, welche Verbindung denn?«

»Na von dieser Sarah Hübner, allerdings ist ihr Vater am Telefon.«

»Ah ja, natürlich, ist mir doch glatt entfallen. Das trifft sich gut, ich wollte sowieso mit ihren Eltern sprechen. Mit welchen von beiden spielt letztendlich sowieso keine Rolle. Gut, Susanne und danke. Und noch etwas, nenne mich nicht immer Chef, ich warne dich.«

»Ich werde mich bemühen, Chef, Hä, entschuldige bitte, Peter.«

Und Susanne wendete sich wieder, aber zugleich amüsiert, ihrer Arbeit zu.

Peter hob von Apparat 3 den Hörer ab, um Sarahs Vater zu begrüßen.

»Guten Tag Herr Hübner, ich darf mich erst einmal vorstellen, ich heiße Peter Lenz von der Agentur rätselhafte Phänomene. Ich freue mich, ihre Bekanntschaft zu machen.«

»Ja, guten Tag Herr Lenz, Stephan Hübner ist mein Name. Dennoch, ob ich mich freuen kann, wird sich noch herausstellen. Meine Tochter hat mir bereits alles erzählt, was dieses Phänomen und das heimliche Gespräch mit Ihnen angeht. Ich möchte Ihnen auch gleich sagen, dass ich mir dieses Video angesehen habe. Und ich finde, dass es nicht gut wäre, bei einer eventuellen Veröffentlichung der Videoaufnahme meine Familie mit hineinzuziehen. Bestimmt haben Sie dafür Verständnis, Herr Lenz.«

»Natürlich kann ich Sie verstehen, Herr Hübner. Es war nicht ganz fair von mir, Ihre Tochter in ihrem Vorhaben zu ermutigen. Aber dennoch bin ich davon überzeugt, dass es sehr schade wäre, wenn wir dieses anscheinend außergewöhnliche Ereignis der Welt verschweigen würden. Doch trotz alledem und ungeachtet dessen, wie Sie sich auch entscheiden werden, hoffe ich doch inständig, dass ich mich demnächst bei Ihnen persönlich für etwaige Umstände entschuldigen darf, Herr Hübner.« Ein kluger Schachzug von Peter Lenz.

Worauf Stephan Hübner glatt hereinfiel.

»Na ja, wenn das so ist, will ich mal nicht so sein. Auch ich bin der Ansicht, dass wir uns treffen sollten und das sehr bald. Denn was ich auf diesem Band gesehen habe, macht mir doch etwas Angst. Ich kann mir das einfach nicht erklären, dass so etwas überhaupt möglich ist. Ich kann es Ihnen auch nicht erklären, Herr Lenz, wenn Sie mich danach fragen sollten. Dazu muss ich diese Aufzeichnung meiner Tochter erst einmal gründlich unter die Lupe nehmen.«

Es waren genau diese Worte, die Peter Lenz hören wollte. Sein Motto war, niemals Druck bei seinen Meldern machen. Und wenn es noch so wichtig und ungewöhnlich sei, erzählen die meisten Melder ihre Erscheinung von ganz alleine. Melder nannte Peter diejenigen, welche ein Phänomen erlebten und dies bei seiner Agentur anzeigten. Jeder konnte ein Melder für Peter sein, aber Sie mussten natürlich einige Punkte aufweisen können. Einer dieser Punkte wäre zum Beispiel ein hieb- und stichfester Beweis. So wie es bei Sarah Hübner der Fall zu sein schien. Natürlich könnte auch bei Sarah ein Betrug dahinterstecken. Doch der Behauptung, dass Sie eine Aufnahme auf einer Kassette besäße, musste Peter nachgehen. Allein schon der Konkurrenz wegen, die ja bekanntlich auch nicht schläft und genau so schnell zuschlägt wie eben Peter. Und wie Recht er doch hatte. Es ist eine heiße Geschichte.

»Herr Hübner, kann ich davon ausgehen, dass Sie und ihre Tochter Sarah sich dazu bereit erklären, mit mir und der Agentur zusammenzuarbeiten?«

»Ich bin mir nicht so sicher, Herr Lenz. Es kommt darauf an, was Sie unter dem Begriff Zusammenarbeit verstehen.«, erwiderte Sarahs Vater.

Natürlich wird er mit Peter zusammenarbeiten. Doch ohne irgendeine Prüfung zum Schutze seiner geliebten Tochter konnte er verständlicherweise noch nicht ganz zusagen. Außerdem war es ihm wichtig geworden, ja so sehr wichtig, dass er nun eine endgültige Aufklärung des außergewöhnlichen Phänomens wollte. Noch schwerer wiegte das Verlangen, Katja Moser zu helfen und die Entführung durch das unbekannte Wesen aufzuklären.

»Nun, unter einer Zusammenarbeit verstehe ich, dass wir alle zusammen dieses ungewöhnliche, ich darf einmal sagen, Ereignis, ja dass wir dieses ungewöhnliche Phänomen aufklären werden. Und das mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Herr Hübner, ich verstehe ihre Sorge sehr gut und ich kann auch ihre Zweifel mir gegenüber verstehen. Doch wenn wir dagegen nichts unternehmen und die Sache einfach unter dem Wort Geheimnis belassen, wird es nur weitere drei Menschen mehr auf diesem Planeten geben, die niemals eine Antwort bekommen werden. Eine Antwort auf wenigstens eines von so vielen Wundern, die unser unendliches Universum verbirgt. Folglich gibt es nur eines, was wir tun können, was wir gemeinsam tun sollten. Nämlich, was ich schon einmal zu Ihnen sagte. Wir müssen alle uns zur Verfügung stehenden Mittel benutzen. Was halten Sie davon, Herr Hübner.«

Ja, das klingt glaubwürdig, aber was wollen Sie nun wirklich von mir?«, gab Stephan argwöhnisch von sich, natürlich mit Recht.

»Ich will von Ihnen hören, dass Sie bereit sind alles dafür zu tun, mit mir zu tun, was dafür nötig ist. Ohne, wenn und aber. Versuchen Sie mir zu vertrauen, Herr Hübner. Und glauben Sie mir, ich verstehe nicht nur, mein Geschäft zu leiten, sondern ich bin auch ein Profi in Sachen rätselhafte Phänomene.«

»Nun gut, Herr Lenz, Sie haben mich geschickt um ihren Finger gewickelt. Ich bin bereit. Und wie geht es nun weiter, Herr Lenz?« Ja, Stephan wurde sicherlich um den Finger gewickelt.

Aber es sollte der Tag kommen, an dem Stephan und seine Tochter dieser einen und wichtigen Entscheidung eine gravierende Veränderung verdanken sollten. Eine Veränderung, die ihr ganzes Leben umkrempeln wird und das nicht im schlechten Sinne.

»Als erstes würde ich vorschlagen, dass wir uns dieses Videoband gemeinsam bei Ihnen zu Hause ansehen. Und zum zweiten müssen wir, also meine Crew und ich, diese Aufnahme einem Test unterziehen.«

»Einem Test unterziehen?« Peter war von Stephans Misstrauen nicht gerade begeistert, das konnte Peter auch deutlich an Stephans Seufzer hören.

»Ja einem Test unterziehen. Sie brauchen sich deshalb keine Gedanken machen. Es ist ein Test, bei dem wir die Art des Phänomens begutachten und auswerten. Sie können sich dies jetzt nicht vorstellen, aber wir hatten Fälle, bei denen sogar ich irregeführt wurde.«

»Glauben Sie, Herr Lenz, dass sich meine Tochter diese Geschichte einfach nur aus den Fingern gesogen hat? Und was ist mit dem Video? Ich habe es mir angesehen und ich konnte keinen Trick erkennen. Außerdem, woher sollte meine Tochter die Fähigkeit haben, einen so täuschungsähnlichen Videofilm zu drehen. Sie wissen ja, dass meine Sarah gelähmt ist.«, entgegnete Stephan verteidigend.

»Aber nein, Herr Hübner, im Gegenteil. Ich bin wie Sie der festen Überzeugung, dass das was Sarah aufzeichnete, sie auch eindeutig erlebte. Sie können mir glauben, es gibt ne Menge junger reicher Leute, die keine Kosten scheuen, um ihren langweiligen Alltag mit einem genialen Streich zu krönen. Dieser Test dient ausschließlich der Erkennung der Echtheit. So verfahren alle Agenturen. Wir wollen uns doch die Peinlichkeit ersparen, dass sich diese Geschichte als einmaliger und genialer Betrug entpuppen würde?«

»Natürlich, da muss ich Ihnen Recht geben, Herr Lenz. Und wann wollen wir uns treffen, um sich gemeinsam die Aufzeichnung anzusehen?«

»Herr Hübner, das beste wird sein, dass wir uns bei Ihnen zu Hause treffen und dort alles unter Dach und Fach bringen. Dort können wir auch über die Gage sprechen, wenn tatsächlich mit dem Material etwas anzufangen ist. Sind Sie damit einverstanden?«

Der letzte Satz, den Lenz aussprach, machte Stephan doch etwas nervös. Denn was eine Gage ist, wusste Peter und er begriff auch, dass in Verbundenheit mit der Gage auch die Bekanntmachung seiner Tochter und seiner Wenigkeit gemeint waren. Stephan roch förmlich die Gier dieses Peter Lenz, was ihm sehr missfiel. Er hatte eigentlich an eine Hilfsinitiative für Katja Moser gedacht, nicht an eine Bereicherung durch gewinnbringende Bekanntmachung.

»Hä, was meinen Sie mit einer Gage, Herr Lenz.«, fragte Stephan herausfordernd und zugleich eindringlich.

»Herr Hübner, ich kann mich nur wiederholen. Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen um ihre Tochter zu machen. Ich würde niemals zulassen, ihre Tochter auf irgendeine Weise in Misskredit zu bringen. Denoch, ohne Bekanntmachung geht es heutzutage wirklich nicht mehr. Ich will ehrlich zu Ihnen und ihrer Tochter sein. Unser Geschäft lebt davon. Durch unsere Zusammenarbeit können wir einiges erreichen und diesen brisanten Fall eventuell aufklären. Ich glaube das liegt in unserem gemeinsamen Interesse, nicht wahr Herr Hübner?«

»Wenn das so ist, kann ich Ihnen nicht wiedersprechen, Herr Lenz. Sie müssen mich auch verstehen, es wird heutzutage viel zu viel Schindluder mit uns Otto Normalverbraucher getrieben.«

»Natürlich, dem stimme ich zu.«

Einige Worte von diesem Peter Lenz hatten ihn schon überzeugt. Und instinktiv hoffte Stephan, dass, wenn schon die Öffentlichkeit in Kenntnis gesetzt werden muss, dann sollte natürlich auch ein Vorteil für Katja Moser herausspringen. Vielleicht, so dachte sich noch Stephan, war seine Tochter Sarah doch nicht die einzige, die dieses Ereignis an der kleinen Bank bei dem Bahnhofshäuschen beobachtete. Und vielleicht, aber nur vielleicht, würde sich dieses Phänomen doch als Irrtum herausstellen und sich für Katja Moser zum Guten wenden.

»Nun gut Herr Lenz, dann wird es wohl für alle beteiligten das beste sein, dass Sie mich und meine Tochter gleich Morgen so gegen 14 Uhr besuchen kommen. Ich hoffe, das ist für Sie machbar?«

In Peter kam Freude auf, als er sich seiner Geschichte sicher war. Besser konnte es für ihn und seine Agentur nicht laufen.

»Aber natürlich ist es machbar, Herr Hübner, das ist kein Problem für mich. Also, dann verbleiben wir bis morgen so, in Ordnung, Herr Hübner?«

»Ja gut, dann bis morgen, Herr Lenz.«

»Auf Wiedersehen, Herr Hübner.« Und Peter legte den Hörer wieder auf.


*

Wieder bei den Hübners:
 

Und fast zeitgleich legte Sarahs Vater den Hörer auf die Gabel.

»Nun gut, jetzt habe ich wenigstens die Sache ins Rollen gebracht.«, flüsterte Sarahs Vater im Selbstgespräch.

Sarah sah ihren Vater mit großer Erwartung an, man konnte ihr die Neugier förmlich von den Augen ablesen.

»Und, Papa?«, fragte Sarah nochmals nach.

»Tja, Sarah, dieser Lenz wird morgen um 14 Uhr zu uns kommen.«

»Und weiter?«

»Er möchte sich auch gleich das Video ansehen.«, entgegnete ihr der Vater.

»Oh Mann, das ist ja ein Ding, jetzt können wir der Katja bestimmt helfen, nicht wahr, Papa?«

Doch den letzten Satz hatte ihr Vater gar nicht mehr wahrgenommen. Zu sehr war er in seinen Gedanken vertieft, als er plötzlich jäh davon herausgerissen wurde.

»Papa, Papa.«, schrie Sarah ihren Vater an.

»Was, oh, entschuldige, ich war gerade in meinen Gedanken vertieft.«

»Du hast mir überhaupt nicht zugehört, was ich gerade sagte.«

»Verzeih Kleines, aber ich dachte mir gerade, dass hoffentlich alles gut gehen wird, ich meine mit dieser eigenartigen Geschichte. Sarah, auch ich muss ständig an das Mädchen Katja Moser denken. Ob es ihr gut geht, ob sie wohlbehalten ist.«

Diese Frage, die sich ihr Vater stellte, stellte sich Sarah auch und sie konnte ihren Vater gut verstehen, dass er sich Sorgen um die Katja machte.

»Ja, Papa, ich hoffe auch, dass es ihr gut geht. Aber mach dir nicht so viele Sorgen, es wird sich schon aufklären.«

Doch für Sarahs Vater war dies eine zu schlichte wörtliche Beruhigung von seiner Tochter.

Denn es blieben noch so viele unbeantwortete Einzelheiten übrig, als dass er sich sicher sein konnte, dass es dem Mädchen Katja gut gehen sollte. Und eine davon ließ ihm einfach keine Ruhe. Ja, diese eine Frage wollte er als erstes klären und das noch heute.

Sarah beobachtete ihren Vater aufs Genauste.

»Was grübelst du denn jetzt schon wieder, Papa?«

»Weißt du, Liebes, es gäbe da eine Frage, die ich mir immer und immer wieder stelle. Die mir einfach keine Ruhe lässt.«

»Und um welche handelt es sich dabei?«, fragte Sarah ihren Vater.

»Na ja, sag mal, hast du dir nicht auch schon die Frage gestellt, warum die Katja von nichts und niemandem vermisst wird? Keine Meldungen im Fernsehen oder im Radio? Merkwürdig ist, dass keiner von ihrer Sippschaft sich bisher nach ihr erkundigt hat. Ich meine, ich sollte wenigstens ihrer Mutter Bescheid geben. Doch würde sie mir glauben? Es ist zum Haare ausraufen. Ich weiß wirklich nicht, wie ich mich verhalten soll.

Sarahs Vater hatte Recht, auch Sarah kam das sehr merkwürdig vor.

»Ja, Papa, jetzt wo du es sagst. Das ist schon sehr merkwürdig, sehr merkwürdig.«

»Sag mal, Sarah, hast du vielleicht die Telefonnummer von der Katja Moser?«

»Nein Papa, tut mir leid. Ich kannte Katja nur vom Sehen, außer ein paar Worte hier und da mit ihr zu wechseln, war da nicht viel.«

Sarahs Vater hatte da einen Einfall.

»Sarah, wir müssten herausbekommen, warum niemand bisher von ihrer Familie ne Vermisstenanzeige startete. Es wird am besten sein, dass ich einen guten Freund anrufe. Katja, wenn du mich brauchst ich bin in meinem Arbeitszimmer, okay Liebling?«

»Was für einen Freund willst du anrufen und was hast du vor, Papa?« Sarah erkannte ihren Vater nicht wieder.

Er tat so, als wäre er Sherlock Holmes persönlich. Jedes einzelne Wort musste sie ihm aus der Nase ziehen und dieses geheimnisvolle Gehabe, was er nun veranstaltete, brachte sie fast zur Weißglut. Dennoch war sie stolz auf ihren Vater. Mit so viel Unterstützung von Seiten ihres Vaters hatte sie weiß Gott nicht gerechnet.

Dann stieg Sarahs Vater mit eisernem Willen die Treppen zu seinem Arbeitszimmer hoch. Dort angekommen, nahm er sogleich den Hörer von seinem Telefon, das sich auf seinen Schreibtisch befand und das eigens für seine geschäftlichen Verbindungen bereitgestellt wurde. Stephan wählte die Nummer eines alten Freundes, der ihm schon lange den einen oder anderen Gefallen schuldig blieb, an.

»Hier bei Henning.«

»Grüß dich, Günter, wie geht es dir, altes Haus, hier spricht Stephan Hübner?«

»Ah, Stephan, dass man dich wieder zu hören bekommt grenzt schon an ein Wunder. Wie laufen denn die Geschäfte?«

»So weit, so gut. Sag mal Günter, kannst du mir einen Gefallen tun?«

»Aber klar doch Stephan, für dich doch immer, ich habe nicht vergessen, dass ich dir einiges schuldig bin. Um was geht es denn, was kann ich für dich tun?«

»Hä nur ne Kleinigkeit, ich möchte dass du eine Person für mich über deinen Computer überprüfst. Ich möchte wissen, ob die Person mit dem Namen Peter Lenz vorbestraft ist. Außerdem will ich auch wissen, ob sonst irgendwelche illegale Tätigkeiten in seinen Akten vermerkt sind, also das ganze Paket. In Ordnung, Günter? Wie lange wirst du dafür brauchen?«

»Stephan, halt, nicht alles auf einmal. Du weißt doch, ich darf dir diese Daten nicht geben, die stehen unter Datenschutz. Ich komme in Teufels Küche, wenn das herauskommt. Das kann mir den Kopf kosten.«

»Günter, ich weiß so gut wie du, dass dies nicht legal ist. Aber was soll ich denn machen, es geht um meine Tochter!«

»Was, um Sarah? Um Gottes Willen, ist ihr etwas zugestoßen?«

Günter war nicht nur ein guter Freund der Familie, sondern auch der Taufpate von Sarah. Und so war es nicht verwunderlich, dass Sarah sein Spätzchen war, wie er sie immer nannte.

»Aber nicht doch, Günter, so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Ich erkläre dir alles ein andermal, okay?«

»Na dann ist ja gut, Stephan, und sonst ist alles in Ordnung bei euch?«

»Ja, mach dir keine Sorgen. Was ist denn nun, tust du mir den Gefallen und überprüfst mir diese Person?«

»Okay, das ist aber das allerletzte Mal, gib mir den Namen.«

»Du bist ne Wucht, Günter. Also, es handelt sich um einen gewissen Peter Lenz. Und da wäre noch Katja Moser. Willst du die genauen Adressen?«

»Nicht nötig, Stephan, die Namen reichen mir schon. Einen Moment noch, du sprachst vorhin von nur einem Namen und jetzt sind es schon zwei.«

Tja, da hatte Stephan seinen alten Freund ganz schön ausgetrickst. Nun mal im Ernst, wichtig war für Stephan nur der Bericht von Peter Lenz. Von Katja Moser, so dachte er, konnte es ja nicht schaden, etwas mehr zu erfahren.

»Mensch Günter, jetzt hab dich doch nicht so. Einen oder zwei Namen, was spielt denn das für eine Rolle?«

»Was das für eine Rolle spielt, fragst du, Stephan, ich glaube ich werd nicht mehr. Ich bin froh, wenn sie mich nicht ertappen, und du tust so, als wäre das eine einfache Sache. Ich werde noch mal verrückt mit dir.

»Das sagst du doch immer, Günter, wenn ich dich um etwas bitte und am Ende hilfst du mir ja doch.«

»Ja, weil ich ein Dummkopf bin. Nun gut, ich werde es für deine Tochter tun. Mach es gut, Stephan, ich Faxe dir die Berichte so bald wie möglich zu, okay, und grüße mein Spätzchen recht schön von mir.«

»Mach ich, Günter, und danke nochmals, bis bald.«

Stephan ließ seine angestaute Luft heraus, die er zwangsweise bei Günters Meckerei in sich hielt. Erleichtert und sichtlich erfreut ließ sich Stephan auf seinen Bürostuhl nieder, um seinen Erfolg zu genießen.


*
 

Gebannt und zugleich fasziniert sahen Norman und Katja weiterhin dem Treiben des übermächtigen Raumschiffes zu, von dem sie annahmen, dass es von den Dogon stammen könnte. Ein Wunder der Technik offenbarte sich den beiden. Trotz aller Faszinationen, die sich vor ihnen auftaten, verloren sie ihre menschlichen Verhaltensweisen nicht, die ihnen deutlich ein Signal zur Vorsicht gaben. Es lag in ihrer Natur, sich gegen alles Neue und Fremde mit Vorsicht zu nähern. Doch trotz jeder Gefahr, die sich den Menschen zu jeder Zeit und Stunde in den Weg des Lebens legten, lag es auch in der menschlichen Natur, alles und jedes zu Erforschen. Dafür gab es eine einzige Eigenart. Ohne diesen ihm angeborenen Drang wäre der Homo sapiens, also der Mensch, in seinem Fortschritt nicht so weit gekommen, wo er sich heute befand. Ja, dieser unendliche Drang des Forschens wurde ihm in die Wiege gelegt. Ein einzigartiger Einfall von Gott geschaffener Natur.

»Norman, was sollen wir denn jetzt tun?«, fragte Katja aufgeregt.

»Tun, was können wir schon tun? Außer zu warten wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben.«, entgegnete Norman. Dennoch fühlte er instinktiv, dass sich bald eine Rektion von den Dogon zeigen würde. Und kaum hatte Norman es ausgesprochen, da begann das Raumschiff, sich aus Normans Sicht eigenartig zu verhalten.

»Sieh doch, Katja, siehst du was ich sehe?«

Auf den ersten Blick fiel Katja nichts ungewöhnliches auf. Doch auf den zweiten schon.

»Ah ja, Norman, du hast Recht. Das Raumschiff leuchtet plötzlich nicht mehr so hell. Und da, schau doch Norman, es beginnt zu ... Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Es tut etwas.«

»Ja Katja, es pulsiert. Die Lichter, sie leuchten mal stärker und mal schwächer.«

»Was das wohl zu bedeuten hat, Norman?«

»Ich weiß nicht, Katja, aber wenn das uns gilt, werden wir es bestimmt bald erfahren.«

»Norman, ich fürchte mich so sehr!«

»Katja, du brauchst keine Angst zu haben. Weißt du, wenn Sie uns was antun wollten, hätten Sie es längst getan, das kannst du mir glauben.« Er hatte mit seiner Vermutung Recht.

Noch waren die beiden sich nicht sicher. Sie vermuteten nicht im entferntesten, dass dieser ganze Aufwand nur ihnen galt. Und was sie auch nicht wissen konnten, ist die Tatsache, dass sie bald die Dogon persönlich kennenlernen würden.

Norman und Katja beobachteten das Geschehen aufs Genauste. Bis ihnen schließlich auffiel, dass eines der abertausenden von Lichtern begann, sich auf sie zu richten. Dann überflutete die beiden ein Meer voll Licht, das sich warm und wohl anfühlte. Nun begann auch Norman, sich zu fürchten. Dieses grelle Licht blendete die beiden so sehr, dass sie sich nicht mehr sehen konnten. Und aus letzter Verzweiflung ertasteten sich die beiden und krallten sich aneinander.

»Oh Norman, schrie Katja aus tiefster Lunge. Was ist denn jetzt wieder los.«

Norman blieb wortlos und schmiegte sich an Katja. Katja fühlte mit Norman und beide fielen in eine Art Rausch. Plötzlich fiel pechschwarze Dunkelheit über sie herein. Es war so dunkel, dass beide ihre Hände nicht vor den Augen sehen konnten. Katja spürte noch immer Norman in ihren Armen und umgekehrt. Verkrampft drückte sie ihn noch ärger als sie es immerhin schon tat.

»Katja, ist ja gut, du kannst mich wieder loslassen. Gieb mir deine Hand, dass wir uns nicht verlieren.«

Doch Katja ließ Norman nicht los. Der Schreck und die Angst saßen ihr noch zu sehr in den Gliedern.

»Wo sind wir, Norman, und was ist passiert?«

»Wenn ich das nur wüsste. Eines ist sicher, wir befinden uns auf jeden Fall nicht da, wo wir gerade waren.« Da war sich Norman seiner Sache ziemlich sicher.

»Wo anders? Wie kommst du denn darauf? Wir können doch überhaupt nichts sehen, es ist völlig schwarze Nacht um uns herum.«

Tja, Katja hatte da noch einige Zweifel. Doch Norman ist trotzdem etwas aufgefallen was ihr nicht auffiel.

»Katja, fühl doch mal auf was wir da stehen. In unserem durchsichtigen Kraftfeld war alles weich und dehnbar und jetzt ist der Untergrund auf dem wir stehen knallhart oder habe ich nicht Recht?«

»Tatsächlich, Norman, es ist hart, hart wie Stein.«

»Eher hart und kalt wie Eisen oder Stahl.«

»Tatsächlich, Norman, du hast Recht, es fühlt sich jedenfalls so an. Und wie ruhig es doch hier ist.«

»Ja, für mich zu ruhig.«

Norman und Katja waren voller Spannungen, und das mit Recht.

»Was machen wir denn jetzt, Norman.«

»Ach ich... Wieso fragst du immer mich, woher soll ich denn das wissen.«

Katja schwieg nun und Norman bemerkte, dass sie schmollte.

»Entschuldige, Katja, aber das ganze wächst mir langsam über meinen Horizont hinaus.«

»Ist schon gut, Norman, ich kann das alles allmählich auch nicht mehr begreifen. Weißt du, ich hatte mir das alles auch ganz anders vorgestellt. Ich glaube, dass wir da ganz schön ins Fettnäpfchen getreten sind, hoffentlich kommen wir da wieder heil heraus.«

Und während beide sich in Zweifeln übten, machten sich die Bewohner, also die Besatzung des gigantischen Raumschiffes der Dogon, bereit, die beiden zu empfangen.

Noch immer saßen Norman und Katja in völliger Dunkelheit zusammengekauert auf irgendeinem kalten und glatten Boden. Was zu diesem Zeitpunkt beide nur vermuteten, sie befanden sich längst nicht mehr in dieser künstlichen Luftblase, sondern in einem leeren Frachtraum des Raumschiffes.

»Norman, sieh doch, es wird hell.«

»Ja, du hast Recht Katja, es wird hell.«

Erstaunt und zunächst wortlos guckten die beiden sich in ihrer neuen Umgebung nach allen Saiten um.

»Norman Sieh doch, wir befinden uns jetzt gar nicht mehr in der Luftblase.«, gab Katja sehr erregt von sich.

»Ja, Katja, das hatte ich schon vermutet.«

»Stimmt, Norman, das ist einzigartig.«

Nun konnten die beiden sich wieder in die Augen sehen. Sofort begann Norman, alles zu inspizieren und zu betasten. Er ging zu einem Ende des Frachtraumes und begann zum anderen Ende mit großen Schritten abzulaufen, während er dabei zählte.

»Eins, zwei, drei, vier, fünf, se...«

»Norman, was tust du da?«

Manchmal fiel es Katja schwer, Normans Handeln zu begreifen. Und doch fand sie Norman irgendwie süß und lustig.

»Ich zähle.«

»Das sehe ich auch, aber warum zählst du?«

»Nach was sieht es denn aus? In Ordnung, wenn du es unbedingt wissen willst: Ich zähle den Abstand zwischen den beiden Wänden.«

»Und wenn du diesen Abstand weißt, was dann?«

»Na dann weiß ich eben den genauen Abstand zwischen den beiden Wänden.«

Katja sah Norman so an, als würde sie befürchten, er habe den Verstand verloren.

»Na, irgendetwas muss man doch tun. Wir können doch nicht die ganze Zeit nur herumsitzen, nicht wahr?«

Die beiden begannen sich offensichtlich zu langweilen. Mindestens eine halbe Stunde lang unterhielten sie sich so weiter. Bis Katja und Norman schließlich eine bekannte Stimme hörten.

»Lyr ist hoch erfreut, euch beide wohlbehalten wiederzusehen.«

Norman und Katja warfen sich einen Blick zu, der alles sagte. Plötzlich stand Lyr vor ihnen. Da stand er nun in voller Lebensgröße, wenn man überhaupt von Leben sprechen konnte. Es war das erste mal, dass sie ihn in ganzer Statur zu Gesicht bekamen und das ohne seine geheimnisvollen Auftritte, die von Nebel und Licht erfüllt wurden. Norman und Katja waren bleich wie Kreide. Es war schwer zu begreifen, dass sie offensichtlich einem künstlichen Wesen ihr Leben, ja ihre ganze Existenz anvertrauten. Lyr sah aus wie ein Androide, also wie ein Künstlicher Mensch. Es war erschreckend und doch zugleich faszinierend. Der obere Teil sah fast wie ein Mensch aus. Doch der untere Teil, also ab der Hüfte, eher wie ein, na ja es war schwerlich zu beschreiben, eher wie ein Knäuel umhüllt von einem Tuch das einer Kutte glich. Nun, im Endeffekt war es für Norman und Katja nicht so wichtig. Wichtig war ihnen, endlich etwas mehr über ihre Reise zu erfahren. Norman hatte unendlich viele Fragen. Katja erging es auch nicht anders.

»Lyr, du? Wo hast du denn so lange gesteckt, wir machten uns schon Sorgen. Also, ihr besitzt aber keine sehr nette Art, eure Gäste zu behandeln. Und wieso sprichst du plötzlich unsere Sprache so gut?«

»Beruhige dich, Norman, eins nach dem anderen. Als erstes solltet ihr wissen, dass ich allein für euch erschaffen wurde, dafür möchte ich euch nun danken. Und zum zweiten könnt ihr nach Belieben über mich verfügen. Und zum dritten, mein Volk lässt sich für eventuelle Unannehmlichkeiten, die durch sie entstanden, entschuldigen. Und um deine letzte ungeduldige Frage zu beantworten, man hat mich noch im Bereich eurer Kommunikation verbessert.«

»Lyr, befinden wir uns jetzt in eurem Raumschiff.?«, erkundigten sich Norman und Katja fast zugleich.

»Gewiss, ihr befindet euch in unserem Raumschiff. Ihr braucht euch nicht zu fürchten.« Lyr sprach wie immer mit ruhiger und sanfter Stimme zu Norman und Katja.

Und es tat den beiden gut. Obwohl sie sich ständig über ihn beklagten, dass er sie in letzter Zeit ein wenig vernachlässigte, waren sie doch froh, ihn hier zu treffen.

Tausend Fragen hatten die beiden an Lyr und keiner von beiden wusste so recht, wie er anfangen sollte.

»Lyr, willst du uns denn nicht endlich über alles aufklären? Ich finde, du und dein Volk seid uns eine Erklärung schuldig.«, forderte Norman von Lyr.

»Alles zu seiner Zeit. Folgt mir, ich bringe euch nun in den Regenerationsraum.«

»In den Regenerationsraum?«, wiederholte Norman.

»Ja, in den Regenerationsraum. Dort müsst ihr unbedingt hinein, sonst würdet ihr die Reise nicht überleben. Vor diesem Raum braucht ihr euch nicht zu fürchten. Es wird nicht weh tun. Dort werdet ihr euch auf zwei Liegen legen, die für euch bereit stehen, und einfach ein bisschen ruhen. Während ihr ruht durchlauft ihr einen chemischen Prozess, der für euch völlig ungefährlich aber unbedingt notwendig ist.«

Norman und Katja waren nicht gerade begeistert, was die Dogon mit ihnen vorhatten, so dass Norman sich gleich wieder zu Wort meldete.

»Hä, Lyr, ich will euch ja nicht unbedingt in eure Lebensweise hineinreden, aber ich finde, das war nicht gerade eine erleuchtende Erklärung.«

»Das finde ich auch.«, legte Katja noch als Protestbeigabe hinzu.

»Ach ich sehe schon, mit euch beiden habe ich ein schweres Los gezogen. Nun denn, dann will ich euch erst einmal diesen chemischen Prozess erklären. Also, der chemische Prozess findet in eurem Körper statt und wird euch nur ein wenig verändern. Im Übrigen werdet ihr so wie wir, mit einer ungeheuren Geschwindigkeit konfrontiert. Dies hat dann zur Folge, dass sich in eurem gesamten Organismus alles verändern und an die Gegebenheiten anpassen wird. Das Blutbild, die Organe und vor allem das Gehirn ist einem Zustand ausgesetzt, in dem ihr ohne unsere chemischen und physikalischen Veränderungen sofort großen Schaden nehmen, wenn nicht gar sterben würdet. Und genau aus diesem Grund muss jedes Lebewesen, egal aus welcher Beschaffenheit es ist, in diese Kammer. Ausgenommen von mir, da ich ja von künstlicher Natur bin. Diese Kammer ermöglicht es uns, unseren Alltag auf dem Raumschiff so zu führen, als wären wir zuhause auf unseren Planeten. Unsere Körper brauchen genau die Schwerkraft wie die euren. Außer dass wir euch um Jahrtausende voraus sind, gleichen wir uns doch sehr.«

»Mann, dass ist toll und was ist mit der Schwerkraft in euren Raumschiffen?«, fragte Katja begeistert nach.

»Bemerkt ihr einen Unterschied, ich meine, seht selbst. Ihr geht und bewegt euch ganz Normal. Genau wie auf eurem Planeten, oder etwa nicht? Wir besitzen schon seit vielen Jahrtausenten die künstliche Schwerkraft. Falls ihr es vergessen haben solltet, ihr bewegt euch noch immer im Weltall. Nur mit einem Unterschied, dass ihr in einem Raumschiff seid. Doch nun wird es wirklich Zeit, ihr solltet jetzt in die Kammer gehen. Denn in wenigen Stunden geht die eigentliche Reise erst richtig los.«

»Lyr, darf ich dir noch eine Frage stellen?«, fragte Norman mit großen und erstaunten Augen ganz leise und fast geduckt wirkend.

»Natürlich, es dauert ja noch ein wenig, bis wir den Regenerationsraum oder auch die Schlafkammer erreichen werden.«

»Werden wir viele Dogon sehen und werden sie uns mögen und wie sollen wir uns ihnen gegenüber verhalten.«

Oh mein Gott, dachte sich Katja, als sie Norman die ganzen Fragen herunterrasseln hörte und Lyr war anscheinend auch nicht so begeistert.

»Ach du liebe Güte, Norman, du bist aber flink in deiner Sprache. Im Übrigen waren es genau drei Fragen. Ich dachte, du wolltest nur eine Frage stellen. Na ja, Norman, ich kann dich gut verstehen und du kannst mir glauben, in wenigen Stunden werden sich deine Fragen von ganz alleine beantworten.«

Norman und Katja verstummten. Und während sie die vielen Gänge, die ihnen wie ein Labyrinth vorkamen, mit Lyr abliefen, kamen die beiden aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie durchliefen riesige Hallen, die vollgestopft und dennoch koordiniert gleichmäßig und in allen nur erdenklichen Formen und Gefilden mit Pflanzen aller Art sich darstellten. Blumen und Pflanzen, die sich so wunderschön darboten, dass sie alles andere was Norman und Katja bis jetzt gesehen hatten, in den Schatten stellten. Sie sahen sich begierig in allen Richtungen um. Es war eine wahre Pracht. Jeder moderne Haus- und Möbel-Dekorateur oder Designer würden bei diesem Anblick vor Neid erblassen. Norman fiel bei einer der großen Hallen auf, als er nach oben sah, dass es mehrere Etagen gab, die in mehreren Stockwerken aufgeteilt sind.

Katja drehte und wendete ihre Blicke in nur allen erdenklichen Richtungen.

»Norman, sieh doch, sieh dir doch mal diese Wände und Decken an. Mann, was das wohl für eine Farbe ist? Also, ich kann diese Farbe nicht definieren, du etwa?« »Ja Katja, du hast Recht, ich kann es auch nicht, es sieht so... oder doch nicht. Vielleicht ist es ja grün-bläulich. Ach was, das hat ja doch keinen Sinn, die Farbe zu definieren.«

Norman und Katja folgten Lyr weiter, der so 2 bis 3 Meter voran ging oder? Genau konnten sie es nicht definieren, denn Lyr umhüllte ab dem Becken eine Art Umhang oder Kutte.

»He, Lyr, warte doch mal. Kannst du mir vielleicht sagen, was für eine Farbe eure Decken und Wände haben?«, fragte Norman wissensbedürftig nach.

Lyr blieb stehen und sah Norman mit seinen leuchtenden und stechenden Augen an.

»Wenn ich es euch erklären soll, dann bräuchte ich mehr Zeit. Diese Zeit haben wir im Augenblick nicht. Wie ich schon sagte, müsst ihr in die Regenerationskammer. Danach, so verspreche ich euch, werde ich euch jede Frage aufs Genaueste beantworten, einverstanden?«

Norman und Katja nickten mit einem Okay, so dass es weitergehen konnte. Dann gingen sie auf einen großen und hellen Raum zu, der anscheinend keine Tür oder so etwas ähnliches besaß. Bis Lyr davor stehen blieb.

»Norman, die haben ja nirgends Türen oder Fenster?«, stellte Katja verwundert fest.

»Ja, das ist mir auch schon aufgefallen. Nun, ich kann ohne das alles leben.«

»Norman, ich doch auch, aber es wäre doch schön, ab und zu durch ein Fenster die Sterne beobachten zu können, finde ich jedenfalls.«

Dann meldete sich Lyr wieder, der ja fast die ganze Zeit kein einziges Wort geredet hatte: »Was für ein Interessantes Völkchen ihr Menschen doch seid. Euch beiden, wie mir scheint, entgeht doch gar nichts. Dennoch, in dieser Hinsicht braucht ihr euch keine Sorgen zu machen, wir haben eure Quartiere nach unserem besten Wissen so eingerichtet, dass ihr glaubt, zu Hause zu sein. ihr werdet euch sehr wohl fühlen. Ihr werdet auch Fenster und Türen haben, nur dass ihr Sterne und nicht den gewohnten Blick sehen werdet. Aber nun geht hinein, es ist Zeit. Dort inmitten der Kammer stehen zwei Liegeplätze bereit, worauf ihr euch betten müsst. Ihr werdet dann wohlbehütet ein paar Stunden einschlafen und wenn ihr wieder erwacht, ist alles vorbei und ihr seid regeneriert.«

Norman hörte mal wieder einen Satz verlauten, der ihm keine Ruhe ließ.

»Lyr, eine letzte Frage hätte ich noch. Ich verspreche dir, danach werden wir in die Regenerationskammer gehen, okay?«

»Na schön, wenn es unbedingt sein muss, aber das ist die allerletzte Frage.«

»Danke Lyr, ich wollte nur wissen, ob unsere Quartiere, wie du sagtest, genau denen in unserem Zuhause gleichen. Ich meine, ob alles bis aufs Genaueste übereinstimmt.«

»Ja, bis aufs I-Tüpfelchen, wie ihr Menschen beliebt zu sagen. Ihr beide bekommt die gleichen Räume wie Zuhause.«

Das konnte Norman nicht glauben, so dass er lieber noch einmal nachfragte um sich zu vergewissern, dass er sich nicht verhört hatte: »Lyr, du meinst alle Räume? Wohnzimmer, Schlafzimmer usw.?«

»Ja, Norman, es ist alles so eingerichtet wie euer Zuhause, sogar dein Tagebuch kannst du weiterführen, das du immer auf dem Speicher vor deiner Frau und den Kindern versteckt hast, nachdem du einen Eintrag machtest. Es ist wirklich alles haargenau nachgebildet worden.«

»Was, mein Tagebuch, also wie finde ich denn das? Ihr scheint wirklich alles zu wissen. Doch das mit dem Tagebuch finde ich nicht sehr nett von euch, das will ich nur mal gesagt haben, Lyr.«

»Tja, Norman, wir dachten uns nichts dabei. Möchtest du, dass wir dein Tagebuch weglassen. Ist das dein Wunsch?«, fragte Lyr.

» Nein, nicht nötig, Lyr. Ich möchte es behalten.«

Und Lyr sah mit seinen bläulich stechenden Augen die beiden an, ein Zeichen, dass es Zeit wurde für die Regenerationskammer.

»Also schön, komm Norman, gehen wir hinein, bringen wir es hinter uns. Es wird schon schief gehen.«, sagte Katja.

»Es wird nichts schief gehen, das könnt ihr mir getrost glauben.« Norman sah mit einem leichten Lächeln Katja an.

Sie begriffen längst, dass diese Dogon nicht alles wissen. Lyr hatte nicht begriffen, dass mit dem Satz "Wird schon schief gehen" nur ein allgemeiner Spruch gemeint war. Dann, als sie sich in der Regenerationskammer befanden, sahen sich Norman und Katja die beiden Liegen genauer an, auf die sie sich legen sollten. Diese Liegen waren aus Stein, sie sahen zumindest so aus, ja, wie Marmor, grüngelblicher geschliffener und polierter Marmor. Und es befand sich auf der Oberfläche eine Vertiefung, ungefähr der Höhe unserer Oberkörper Breite. Ja, es hatte die Form einer kantigen, grün-gelblichen Badewanne. Und über, ja fast an der Decke hängend, befanden sich große rubinfarbene Kristalle, die eine wabenähnliche Form aufwiesen. Zuerst legte sich Norman in diese, nun man könnte sie auch als sarkophagähnliche Liege bezeichnen, hinein. Wobei er Katja auffordernd ansah, das gleiche zu tun. Als dann beide ruhig dalagen, veränderten sich die Lichtquellen der Kammer in tausenden von Lichtfarben. Katja sah in die rubinfarbenen Kristalle, die sich nun auch in vielen Farben veränderten und dabei ein Lichtspiel veranstalteten, dass es eine Wonne war, in sie hineinzusehen. Dann verspürte sie eine wohltuende Wärme, die geradewegs zum Einschlafen aufforderte. Auch Norman war gefangen von dem Schauspiel der Kristalle und dem Spiel des Lichtes, so dass es ihm schwerer und schwerer fiel, die Augen offen zu halten. Norman und Katja schliefen ein. Und während sie schliefen, wachte Lyr vor dem Eingang der Regenerationskammer.


*

Währenddessen:
 

Nur vier Etagen höher erstreckte sich ein riesiger Raum von der Größe eines Fußballfeldes. Etwa 800 Dogon saßen in Reih und Glied auf ihren Rängen. Vorneweg ein Führer der Dogon, der zu ihnen sprach.

»Dakwahe etua anchan us Motweh, Erdlinge nachebnuh.«

»So lange unsere Erdengäste bei uns verweilen, werden wir vor ihrem Angesicht nur noch ihre Sprache sprechen. Es ist somit strikt verboten, in unserer Heimatsprache zu kommunizieren, wie wir es eigentlich gewohnt sind. Wir sollten doch alles tun, dass sich unsere Besucher nicht fremd fühlen. Vergesst nicht, dass es in ihrer Macht liegt, unseren Untergang zu verhindern. Auch wenn sie sich ihrer Macht noch nicht bewusst sind und noch viel von uns lernen müssen. Seid stets freundlich und weilt in Freundschaft und Liebe mit ihnen. Versucht so gut es geht ihre Wünsche zu erfüllen, sofern diese Wünsche für uns keine Gefahr darstellen. Nun, da sie genau wie wir mit ein paar geistigen Eigenschaften geschaffen sind, stellt es kein sonderliches Problem dar, wenn sich einige von uns vielleicht zu den beiden Erdlingen hingezogen fühlen sollten. Es wäre nur von Vorteil, wenn sich ihre mit der unseren Macht vereinigen würde. Sollten Norman oder Katja durch irgendeine Vernachlässigung seitens unserer Schuld etwas zustoßen, haben sich diejenigen zu verantworten. So wird er oder sie unwiderruflich und für immer und ewig aus unseren Reihen in die Konnischta (den Raum der Verlorenen Seelen) verbannt werden. Was dies für denjenigen bedeutet, ist euch allen klar. Wir leben als Ganzes miteinander, seid euch dessen stets bewusst. Nun, meine lieben Brüder und Schwestern, lasst uns nun die Vorbereitungen für den Empfang unserer zukünftigen Retter treffen. Und vergisst nicht, so wie uns Androide Lyr bereits berichtete, haben die beiden Menschlinge uns bereits einen neuen Namen gegeben. Ihr Wunsch wird daher erfüllt werden, sie gaben uns den Namen Dogon.«

Ja, das war einmal mehr ein bedeutendes Ereignis für die Dogon. Schon zwei mal brachten sie vier Menschen zu ihrem Planeten, von denen sie glaubten, dass es die Auserwählten waren. Doch es war jedesmal zum Scheitern verurteilt. Diese Erstlinge, wie sie die Dogon beschrieben, besaßen durchaus geistige und phänomenale Eigenschaften, wie zum Beispiel Vorahnungen oder erlebten rätselhafte Träume. Doch das erwies sich als unbrauchbar, weil sie von ihren Ahnen vererbt wurden. Ja, was Norman und Katja nicht wussten, als sie in die Regenerationskammer gingen, war, dass, wenn sie nicht rein in ihrem Ganzen waren, die Regenerationskammer nicht hätten überleben können. Mittlerweile entschieden dies schon die ersten zwei bis drei Minuten beim Aufenthalt in dieser Kammer. Durch diese Umänderung der Regenerationskammern waren sich die Dogon absolut sicher, dass sie diesmal die zwei Richtigen gefunden hatten und das von Milliarden von Menschen, schon beachtlich nicht wahr? Also, das dritte Mal waren Sie sich ihrer Retter hundertprozentig sicher.

Warum und was es mit der Reinheit zum Retten ihres Planeten auf sich hatte, erfahren wir, wenn es so weit ist. Nun schauen wir einmal, wie es Norman und Katja geht.



 Kapitel 4, Reise in ferner Zeit

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