Zu den Grenzen des Planeten Goderijan

Science Fiction Roman von Peter Althammer

Kapitel 19

Angriff auf den Planeten Sinas (Teil 5)

Auf der Oberfläche bei Offizier Frapeeh, der immer Ungeduldiger wurde:

»Verdammter Mist noch mal, wo bleiben die denn nun. Das gibt es doch nicht!«, murrte er im ständigen Takt. Ja, Offizier Frapeehs Nerven lagen blank. Sollte Kommandeur Miwar und seinen Kollegen wirklich etwas passiert sein, dann musste er sich wie befohlen alleine bis zur Rettungskapsel durchschlagen und sofort, ja umgehend dem Flottenkommando von diesem Unglück berichten. Und ob er es bis dahin schaffen würde, war auch dahingestellt. Sicher würden die Nohkui bereits von der Rettungskapsel wissen und er würde dann mit Sicherheit in eine Falle tappen. Offizier Frapeeh stand im Zwiespalt seiner Gefühle. Sein Gefühl sagte ihm, er solle noch länger warten, als er sich vor gut einer halben Stunde vorgab. Andererseits sollte er nicht zu lange warten, um nicht doch noch letztendlich entdeckt und gefangengenommen zu werden. Frapeeh dachte auch schon des Öfteren darüber nach, selbst durch das Einstiegsloch in den Tunnel hinunter zu steigen um dann nach ihnen zu Suchen. Doch das wäre eine eindeutige Verletzung eines Befehls und könnte auf seinem Planeten wenn nicht gar mit dem Tod, dann doch zumindest mit dem sicheren Ende seiner Karriere geahndet werden. So oder so wäre er der Dumme. Dennoch, irgendwie, dessen war er sich sicher, musste er Maßnahmen ergreifen. So, glaubte er, konnte es nicht weitergehen.

Na dann, wenn es denn schon sein soll, dann wenigstens auf meine Art und Weise. Wenn ich schon meine Karriere als zukünftiger Kommandeur aufs Spiel setzen muss, dann soll es sich auch gelohnt haben. Dachte sich Offizier Frapeeh voller Mut und Eifer. So begann er, seine gesamte Ausrüstung wieder anzulegen und die Spuren, die er im Unterholz gemacht hatte, einigermaßen zu verwischen.

Wieder und noch unter Tage in den Tunnelschächten der Unterirdischen Stadt:

»Beeilt euch, wir müssen schleunigst hier raus!«, drängte Miwar seine Offiziere, die anscheinend diese ganze Sache nicht sehr ernst nahmen. Von weitem sah Kommandeur Miwar schon den Einfall der Sonnenstrahlen durch die Öffnung des Einstiegsloches verursacht.

»Los, macht schon! Schneller, Jungs, es geht um unser Leben.«, sagte Miwar zu seinen Offizieren.«, als sie das hörten, rannten sie gleich doppelt so schnell und überholten ihren Kommandeur wie nichts. So kam es dann, dass sie endlich unterhalb des Einstiegsloches ankamen. Völlig fertig und außer Puste blieben sie nun stehen und guckten auf das Einstiegsloch hoch.

»Es scheint oben alles in Ordnung zu sein, das Seil hängt noch.«, gab Miwar seinen völlig aufgebrachten Offizieren zu verstehen.

»Warum senden sie nicht eine codierte Nachricht an Offizier Frapeeh. Er könnte uns doch bestätigen, ob bei ihm auf der Oberfläche noch alles in Ordnung ist?«, eine durchaus sinnvolle Frage, die da Offizier Pilch seinem Kommandeur stellte.

»Zu gefährlich, mein Bester, zu gefährlich.«, gab Kommandeur Miwar zurück.

»Aber wir haben doch schon einige Male zu Offizier Frapeeh gesendet, oder?«, gab Offizier Pilch nicht nach.

»Pilch, dein Eifer in allen Ehren. Noch wisst ihr nicht, was ich gesehen habe. Wir müssen jetzt erst mal raus hier. Magbur du kletterst als Erster am Seil hoch und lässt das Seil gleich wieder herunter. Wir hängen dann die Ausrüstung daran. Wenn dann die Ausrüstung oben ist, folgen wir im Nachhinein. Alles klar soweit?«, fragte noch Miwar, ob er auch wirklich alles verstanden hatte.

»Jawohl, mein Kommandeur!«, erwiderte der und kletterte, zwar noch erschöpft aber dennoch wie ein Äffchen, hoch.

Tja, die Angst, die gute alte Angst gibt einem doch manches Mal auch ungeahnte Kräfte, dachte sich Miwar noch im Nachhinein als er seinen tüchtigen Offizier Magbur beim Hochklettern aufs Genaueste zusah.

Kaum war der oben angelangt, folgte Schritt für Schritt der nächste Zug, bis schließlich alle heil die Oberfläche erreichten.

»Pilch und Bhonds, ihr sammelt auf die Schnelle Gebüsch und Reisig aus dem Unterholz und deckt das Einstiegsloch zu. Und hurtig, meine Herren Offiziere. Wir wollen noch beizeiten hier weg!«, befehligte er sie.

»Jawohl, Herr Kommandeur.«, erwiderten sie und liefen, als wäre der Leibhaftige hinter ihnen und ihrem Leben her ins Unterholz am Rande des angrenzenden Waldes.

»Sagt mal, Herr Kommandeur, müsste denn nicht so langsam, Offizier Frapeeh aus seiner Deckung kommen?«, erinnerte Offizier Magbur daran.

Ja, Magbur, ich halte schon die ganze Zeit Ausschau nach ihm.«, erwiderte Miwar seinem Offizier.

»Glauben Sie, dass ihm etwas passiert sein könnte? Ich meine, er hatte doch die Aufgabe, nach den Feinden und dem Einstiegsloch Ausschau zu halten, oder?«, bekundete Offizier Magbur seinem Kommandeur.

»Gewiss, ich glaube jedoch nicht, dass ihm etwas geschehen ist, ich glaube eher, dass er ein kleines Schläfchen hält.«, sagte Kommandeur Miwar zu Magbur.

»Was macht Sie denn da so sicher, Herr Kommandeur?, fragte ihn Offizier Magbur, der sich darüberhinaus wunderte, dass sein Kommandeur bei dieser Vermutung so ruhig und gelassen blieb.

»Beantworten Sie mir mal eine Frage, Offizier Magbur:«, fragte ihn Miwar lächelnd.

»Aber gerne doch, Herr Kommandeur.«, erwiderte der.

»Sehen Sie vielleicht den Feind hier oben?«, fragte Miwar und sah sich dabei um.

»Nein, Herr Kommandeur, ich sehe nichts und niemanden.«, antwortete Magbur.

»Sehen Sie, ich nämlich auch nicht. Wenn hier in der Nähe die Nohkui auf uns lauern würden, hätten sie uns schon kurz nach dem Betreten der Oberfläche, also beim Herausklettern aus dem Einstiegsloch getötet, unter Beschuss genommen oder zumindest gefangen genommen. Folglich kann Frapeeh höchstens eingeschlafen sein.«, schlussfolgerte Kommandeur Miwar, was Offizier Magbur absolut überzeugte.

»Herr Kommandeur, darf ich Ihnen eine Frage stellen?«, fragte er nach.

»Später, später, mein Lieber.«, lehnte er zunächst ab.

Währendessen, gar nicht allzu weit entfernt, so etwa dreißig Meter weiter hinten im Unterholz von dem Einstiegsloch entfernt, wo sich nun auch der Rest der Gruppe aufhielt, um das Einstiegsloch mit Büschen und Reisig abzudecken. Frapeeh ist tatsächlich, wie es sein Kommandeur vermutete, eingeschlafen. Frapeeh hörte im Unterbewusstsein hallende Stimmen die ihn aufwachen ließen.

»Was, was ist los?«, sprach er laut im Halbschlaf aus.

Ach du meine Güte, bin wohl eingeschlafen! Dachte er sich noch und guckte so ganz nebenbei zum Einstiegsloch hinüber.«

Als er dann seinen Kommandeur und seine Kollegen in großer Eile das Einstiegsloch abdecken sah, traf ihn fast der Schlag. Sofort und wie ein geölter Blitz sprang er auf und stolperte förmlich aus dem Unterholz hervor, so dass der Rest der Gruppe sich auf den Boden schmiss, seine Faserwaffen zog und auf ihn zielte.

»Verdammt noch mal, Frapeeh! Herr Kommandeur, es ist Offizier Frapeeh.«, schrie Offizier Pilch, obwohl er direkt neben seinem Kommandeur auf der Erde lag.

»Das sehe ich selbst, deswegen brauchen Sie doch nicht gleich so zu schreien!«

Wie ein kleines Hundchen trat Offizier Frapeeh vor seinen Kommandeur. Ergeben und treu und mit einem Gesichtsausdruck, der eigentlich alles an Entschuldigungen aufzuweisen schien, dass es Kommandeur Miwar wirklich schwer fiel, ihn noch zu rügen. Doch Pflicht war eben Pflicht.

»Aha, wie ich sehe, geruht unser Herr Offizier Frapeeh höchstpersönlich in unserer ach so netten Runde aufzukreuzen. Wie kommen wir zu einer solchen Ehre?«, fragte Miwar ihn höhnisch. Beide Seiten wussten, dass sie sich zu hundert Prozent aufeinander verlassen können mussten und dass so etwas, einfach einzuschlafen, in höchstem Maße schändlich war.

»Herr Kommandant, ich...«

»Schweig, elender Wicht. Sei froh, dass ich dich nicht einfach ins Einstiegsloch werfen lasse. Es gibt dafür keine Entschuldigung. Einfach einzuschlafen und uns dem Schicksal zu überlassen. Was wäre geschehen, wenn diese Nohkui gekommen wären und sie hätten das Einstiegsloch entdeckt? Und das, ohne dass wir davon gewusst hätten? Wir wären doch glatt in ihre Fänge gelaufen. Nicht auszudenken, was die mit uns gemacht hätten. Nun gut, es ist ja, Manus sei Dank, (einer ihrer Gottheiten) nichts geschehen. Last euch ein für allemal gesagt sein: Wenn so etwas noch einmal vorkommt, werde ich höchstpersönlich dafür Sorge tragen, dass für diesen Zeit seines Lebens im Dienste der Flotte keinerlei Platz mehr zu finden sein wird. Habe ich mich hiermit klar ausgedrückt, Herr Offizier Frapeeh?«, konstatierte Kommandeur Miwar.

»Jawohl, Herr Kommandeur!«

»Dann lasst uns aufbrechen, wir marschieren in gleicher Aufstellung wie auf dem Herweg.«, befahl Kommandeur Miwar.

»Herr Kommandeur, darf ich Sie noch etwas fragen?«, äußerte sich noch Magbur.

»Na gut, aber machen Sie schnell, wir dürfen nicht so viel Zeit verlieren.«, gestattete Miwar seinem Offizier.

»Was haben Sie denn gesehen, als Sie alleine dort unten weitergingen, Herr Kommandeur?«, fragte nun Offizier Magbur.«

»Ich hatte euch nichts erzählt, weil ich eine Katastrophe verhindern wollte. Ihr wäret vermutlich durchgedreht, was ja in eurer Unerfahrenheit ganz natürlich gewesen wäre.«, sagte noch Miwar. Nach dieser berechnenden Feststellung guckten seine Untergebenen nicht gerade fröhlich drein.

»Guckt nicht so enttäuscht, mir erging es in meiner Anfangszeit auch nicht anders. Nun hört kurz zu: Diese verdammten Insektengehirne sind nicht tot. Sie leben alle noch und soviel ich sehen konnte, wussten sie schon im Vorfeld von unserem Anschlag Bescheid.«, berichtete Kommandeur Miwar.

»Ja, aber woher kannten sie denn unseren Plan?«, fragte Offizier Magbur.

»Tja, woher, das weiß ich auch nicht. Ich habe mich nur gefragt, warum trugen sie alle Schutzkleidung? Ich kann es euch sagen, weil es ihnen jemand verraten hat. Weil sie wussten, dass es einen Giftanschlag auf ihr Leben geben wird.«, kommentierte ihr Kommandeur.

»Sie meinen, aus unseren eigenen Reihen?«, stellte Offizier Magbur fest.

»Genau, wir haben also einen oder gar mehrere Verräter in unserer Flotte. So frage ich mich, wer hätte Interesse daran, dass die Nohkui den von uns ausgeführten Giftgasanschlag überleben? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn? Ich meine, die Nohkui hatten bisher niemals verhandelt und das würden sie auch in Zukunft nicht. Verhandeln, meine ich.«, stellte Miwar fest.

»Um Himmelswillen. Wir sind verloren!«, jammerte Offizier Bhonds aufgeregt.

»Das wird sich noch herausstellen. Wir können hier nicht länger herumstehen und diskutieren, wir müssen schleunigst zur Rettungskapsel zurück. Die Flotte warnen.«, drängt nun Kommandeur Miwar seine Offiziere.

»Ja, Sie haben Recht, Herr Kommandeur. Endlich weg von diesem Planeten.«, murmelte Offizier Bhonds kleinlaut in sich hinein.

»Schluss jetzt mit der ständigen und nervenden Fragerei, marschieren wir los!«, befahl nun Kommandeur Miwar seinen Offizieren und führte sie zum Rückweg an.

Insgeheim ärgerte sich Miwar immens. Es war sein erster Auftrag, den er nach so vielen gelungenen Einsätzen nicht erfüllen konnte. Es würde zwar keine Konsequenzen seitens General Godurus mit sich ziehen, dennoch würde es das Vertrauen, das er bei einigen der Obrigkeiten genoss, doch etwas schmälern. Nichts Desto Trotz konnte er sich angesichts dieser misslichen Lage, in der sie sich befanden, überhaupt nichts unternehmen, denn sie wären ausnahmslos den Nohkui unterlegen gewesen. Immer flotter wurden sie in ihrem Schritt, so dass sie, wenn sie das Tempo halten würden, in etwa zwanzig Minuten an der Rettungskapsel ankommen würden, und so strebte jeder, vor allem die jungen Offiziere, in Gedanken versunken ihrem Ziel entgegen. Und während sie sich durch das schon vorher auf dem Hinweg zur unterirdischen Stadt niedergetrampelte Gestrüpp stapften, dachte Miwar mit Grauen an den Anblick der Nohkui, die er im Tunnelsystem in einem Nebenarm gesehen hatte. So viele sah er davon. Es müssten mindestens sechs- bis achthundert gewesen sein. Und wer weiß, da sie ja eine Art kurzweiliger Zeitreise in Verbindung mit der Technik der Transformation, also des Beamens beherrschten, sollten es bestimmt, nicht die letzten gewesen sein. Denn eines war Kommandeur Miwar klar: Da wo diese Nohkui herkamen, musste es mehr geben, ja vielleicht sogar Tausende, oder wenn es ganz schlimm kommen konnte, gar Millionen. Dann konnte es nicht stimmen, dass dies die letzten ihrer Rasse sein sollen. Deshalb musste er so schnell wie nur irgend möglich mit seinen Jungs zur Flotte zurück. Er musste General Goduru davon überzeugen, dass sich nicht nur Verräter in der Flotte aufhielten, sondern dass sich die Nohkui aus nur einem einzigen Grund in der unterirdischen Stadt einnisteten, nämlich um von dem perfektesten Punkt aus eine Invasion zu starten. Eine Invasion des Planeten Sinas. Sie hätten klare Vorteile, das lag auf der Hand. Von Sinas aus war es nicht mehr weit zu ihrem eigentlichen Ziel, nämlich den Planeten Goderijan, der reich an allen Ressourcen war, die sie begehrten. Außerdem war dieser Quadrant der einzige in dieser Galaxie, in der es unzählige von verschiedensten Arten von Lebewesen besiedelten Planeten gab. Abgesehen davon besaßen sie eine ähnliche Technik des Hypersuptinar-Antriebes. Wie sonst kämen sie von Quadrant zu Quadrant, um ganze Welten zu plündern. Sie mussten folglich über so etwas ähnliches verfügen. Zu groß waren doch die Strecken von Quadrant zu Quadrant, geschweige denn, durch gesamte Galaxien zu reisen, dachte sich noch Miwar. Aber was, wenn wie schon so oft diese Dickköpfe von Oberhäuptern an seinem Verdacht zweifeln würden und, statt zu handeln, diese ernstzunehmende und neue Lage durch ihre unendlichen, also, durch ihre nicht enden wollenden Debatten und Verhandlungen, die am Ende sowieso zu nichts führen würden, eskalieren sollte. Nicht auszudenken, wenn dieses intelligente insektenartige Wandervolk zu viel Zeit bekäme, sich in diesem Quadranten wieder kampffähig zu vermehren. Daran getraute sich Kommandeur Miwar fast nicht zu denken. So schrecklich war der Gedanke daran. Und es ging weiter, die zwanzig, genauer gesagt waren es einundzwanzig Minuten, vergingen wie im Fluge und schon sah die kleine Kampfgruppe etwa zweihundert Meter vor sich die so heißerstrebte Lichtung, auf der sie mit ihrer Rettungskapsel gelandet waren.

»Herr Kommandeur, da ist die Lichtung, auf der wir gelandet sind.«, zeigte Offizier Magbur richtig erkannt seinem Kommandeur.

»Ja, ich sehe sie auch. Alles halt!«, befahl plötzlich so kurz vor dem Ziel Kommandeur Miwar.

»Nehmt Aufstellung an!«, befahl er des Weiteren.

Und als sie schön brav vor ihrem Kommandeur Spalier standen, guckten sie mit Recht etwas dumm aus der Wäsche. Doch ahnten sie schon bei seinem fragenden Blick auf die Lichtung, dass er mal wieder aus seinem Gefühl handelte. Dementsprechend, und worüber auch Miwar Verständnis hatte, verzogen die Herren Offiziere und Kommandeursanwärter ihr Gesicht zu einem unermesslichen und enttäuschten Trauerspiel.

»Na, na, Jungs, jetzt fangt nicht gleich zu heulen an! Ich kann euch ja verstehen? Dennoch, die Sicherheit geht vor. Was nützt euch das Ankommen auf der Lichtung, wenn ihr dort eventuell in eine Falle geratet?«, fragte er seine Offiziere.

»Natürlich nichts, Herr Kommandeur.«, erwiderte Offizier Magbur.

»Genau. So, ihr könnt euch nun ein paar Minuten ausruhen. Ich packe derweil schon mal den Abtastsender aus und checke mal die Gegend hier ab.«, gab Miwar zu verstehen.

»Außer der Abtastsonde, die ja nur einmal benutzt werden konnte, hatten sie noch ein weiteres Abtastgerät dabei. Es konnte zwar nicht fliegen und hatte auch nicht eine Reichweite von zirka sechs Kilometern, dennoch war sie sehr vorteilhaft. Mit einer Reichweite von bis zu dreihundert Metern konnte sie auch jegliches Leben aufspüren und sogar die Konturen des Objekts anzeigen, das in die Abtaststrahlen gelangte. Auf diese Weise konnte man klar und eindeutig erkennen, ob es sich hierbei um ein Tier oder um einen der besagten Nohkui handelte. Oder gar um weitere Spezies, die sich eventuell hier verborgen hielten. Wie schon gesagt, ruhten sich Miwars Offiziere etwas aus, während er das Ersatzabtastgerät klar machte. Unbeschwert Pause zu machen kam den Offizieren erst gar nicht in den Sinn, viel zu viel Respekt hatten sie vor den Nohkui gewonnen, nach dem Vorfall im Hauptturbinenschacht, wo ihr Kommandeur gezwungenerweise einen dieser so grausam schrecklich anzusehenden Nohkui töten musste. Miwar konnte an seinen Offizieren bemerken, dass sie zwar in Sitzstellung gingen, dennoch ihre Umgebung um sich herum keinen Augenblick aus den Augen ließen, was Miwar natürlich sehr stolz zu machen schien, da man ein Schmunzeln auf seinen Lippen erkennen konnte. Miwar wurde gerade mit dem Aufbau des Abtastgerätes fertig und schaltete es ein.

»Kommt alle mal her und seht euch dieses Gerät an, da könnt ihr noch etwas dazulernen.«, forderte Miwar seine Offiziere auf.

Da standen sie nun alle um das Abtastgerät herum und starrten es interessiert an. Es war nicht einmal so groß wie ein Buch und auf dem winzig kleinen Bildschirm konnte man nichts weiter als ein paar Punkte sehen, aus denen sich die Offiziere überhaupt keinen Reim machen konnten.

»Tja, dachte ich es mir doch, mit so etwas umzugehen hattet ihr auf eurer Offiziersschule natürlich nicht gelernt. Sei es drum. Ich werde es euch ein anderes Mal erklären. Jetzt vielmehr müssen wir uns beeilen.«, erklärte Miwar seinen tapferen Offizieren, während er den Bildschirm aufs Genaueste beobachtete.

»Und, Herr Kommandeur, ist etwas auf dem Schirm zu sehen?«, fragte Offizier Magbur neugierig nach.

»Nein, außer ein paar Kleinstlebewesen ist nichts zu sehen, scheint alles friedlich zu sein.«, sagte Kommandeur Miwar.

»Na, dann könnten wir ja theoretisch zur Lichtung hinübergehen und die Rettungskapsel zum Start klarmachen, oder etwa nicht?«, fragte ihn Offizier Frapeeh, der sich von der Rüge, die er von seinem Kommandeur bekommen hatte, erholt hatte.

»Theoretisch ja, was wir auch gleich in die Praxis umsetzen werden. Doch lasst euch gesagt sein: Äußerste Vorsicht und absolute Ruhe bitte ich mir aus. Man kann nie vorsichtig genug sein.«, nach den warnenden Worten und dem Verstauens des Abtastgerätes ihres Kommandeurs machte sich die kleine Kampfgruppe natürlich in gewohnter Reihenfolge auf dem Weg zur Lichtung, wo sie unmittelbar am Waldesrand ihre Rettungskapsel versteckt hatten. Immer dichter schien das Geäst und Gestrüpp neben und vor ihnen zu werden. Doch zum Glück hatten sie auf dem Hinweg schon einiges niedergetrampelt und beiseitegeräumt, so dass sie eindeutig den Weg wieder erkannten und es doch ein bisschen leichter war, die Lichtung zu erreichen. Dann war es soweit. Sie hatten es geschafft, die Lichtung ohne besondere Zwischenfälle zu erreichen.

»Das wäre auch geschafft, meine Herren!«, stellte Kommandeur Miwar fest. Während er sich ringsherum genauer umsah.

»Frapeeh und Pilch, ihr beide werdet hinüber zur Rettungskapsel laufen und sie vom Gestrüpp befreien, aber hurtig, wenn ich bitten darf.«, befahl er seinen Offizieren.

»Jawohl, Herr Kommandeur.«, antworteten die beiden im gleichen Ton und sausten zu dem etwa fünfzig Meter entfernten Waldesrand, wo sie im Unterholz die Rettungskapsel mit allerhand Gestrüpp und Geäste abgedeckt und versteckt hatten.

»Offizier Bhonds?«, rief ihn Miwar zu sich, der etwas abseits stand und die Gegend beobachtet hatte. Sofort nach dem Ruf seines Kommandeurs kam er im Sausewind angerannt.

»Ja, Herr Kommandeur, Sie wünschen?«, fragte er im Spalier stehend seinen Kommandeur nach weiteren Befehlen.

»Sie sind sehr gut im Beobachten, das erfreut mein Gemüt, Offizier Bhonds!«, belobigte er seinen Offizier, der natürlich gleich freudig strahlte.

»Ich schätze Selbstinitiative sehr hoch an. Machen sie weiter so und aus ihnen wird einmal ein großer Kommandeur.«, lobte er Bhonds weiterhin.

»Danke sehr, Herr Kommandeur!«, erwiderte Bhonds.

»Na, dann gehen sie mal wieder auf ihren Beobachtungsposten.«, befahl Miwar des Weiteren. Wieder im Sauseschritt lief Bhonds zu seinem Beobachtungsplatz zurück. Währendessen kamen auch schon die beiden Pilch und Frapeeh vom Nahe gelegenen Waldesrand zurück, ja sie rannten fast. Was Kommandeur Miwar komisch vorkam, quasi gar nicht gefiel.

»Sehen Sie, Herr Kommandeur, Offizier Frapeeh und Offizier Pilch kommen ja schon zurück. Die waren aber ganz schön schnell fertig, finden sie nicht auch?«, wies Offizier Magbur darauf hin.

»Zu schnell! Ich glaube da stimmt etwas nicht!«, sagte Miwar mit Sorgenfalten auf der Stirn.

»Meinen Sie?«

»Hoffen wir es nicht!«, meinte noch Magbur im Nachhinein. Völlig außer Puste kamen sie vor ihren Kommandeur und Offizier Magbur zum Stehen und gingen gleich in Spalier, um Meldung zu machen.

»Was ist denn geschehen?«, fragte Miwar seine zwei Offiziere sorgenvoll.

»Die, ... die Rettungskapsel ist ... sie ist ...«, brachte Offizier Pilch vor lauter Aufregung keinen Ton mehr heraus.

»Man, reißen sie sich am Riemen, was ist mit der Rettungskapsel?«, fragte Miwar nun sehr laut geworden Offizier Pilch.

»Verzeihen Sie, Herr Kommandeur, die Rettungskapsel ist nicht mehr da, verschwunden, einfach weg.«, gab er verzweifelt von sich.

»Was, das gibt es doch gar nicht. Verdammt noch einmal.«, brüllte Miwar seinen Offizier an. Im nächsten Augenblick:

»Magbur, du kommst mit mir, ich muss mich selbst davon überzeugen. Pilch und Bhonds, ihr werdet euch in Stellung legen und die gesamte Gegend checken. Nehmt eure Faserwaffen und macht sie scharf. Es wird aber nur auf meinen Befehl gefeuert, ist das klar?«

Dann rannten Kommandeur Miwar und Offizier Magbur wie von einer Meute Hunde gehetzt zu dem ungefähr fünfzig Meter entfernten Waldesrand hinüber. Dort angekommen staunten sie nicht schlecht.

»Das gibt es doch alles überhaupt nicht. Wie konnte denn das passieren?«, jammerte Offizier Magbur seinen Kommandeur die Ohren voll.

»Mann, Magbur, beherrschen Sie sich gefälligst!«, tadelte er seinen Offizier.

»Jawohl, Herr Kommandeur.«, antwortete Offizier Magbur.

Miwar stand nun genau auf dem Fleck, wo sich noch vor geraumer Zeit die Rettungskapsel befand. Er schüttelte den Kopf und fasste sich ans Kinn. Er ging hin und her, während Offizier Magbur ihn aufs genaueste beobachtete.

»Ich begreife das nicht. Anscheinend wurde die Rettungskapsel nicht weggeschoben. Keine Schleifspuren, die uns dies bestätigen könnten. Was sagen Sie, Offizier Magbur?«, fragte ihn Miwar und wartete gespannt auf eine Antwort von ihm.

»Tja, soweit hatten Sie bestimmt Recht, dass sie nicht weggeschoben wurde. Na, vielleicht wurde sie mit einer Art Transportstrahl von einem Gleiter geborgen und fortgeschafft?«, riet Offizier Magbur.

»Genau das, was ich auch vermutete. Verdammt, dann weiß diese Brut des Teufels, dass wir hier sind. Es gibt also doch noch ein Nest, wo sie sich in aller Ruhe vermehren können.«, seufzte Miwar schwerfällig.

»Und was machen wir nun, Herr Kommandeur?«, fragte ihn Offizier Magbur.

»Das ist hier die alles entscheidende Frage, mein Bester. Gerade aus Sicherheitsgründen, um bei einer Gefangennahme unsere Flotte nicht verraten zu können, konnte man nur außerhalb des Planeten Sinas also im Orbit des Planeten und nur in dieser Rettungskapsel mit der Flotte kommunizieren. Mann, ich könnt mich jetzt selbst ohrfeigen. Aber jammern hilft nun auch nichts mehr. Trotz alledem glaube ich, dass diese Teufel die Rettungskapsel nicht vom Planeten weggeschafft haben. Nein, sie haben sie irgendwo im Umkreis der unterirdischen Stadt vor uns versteckt.«, war sich Miwar absolut sicher.

»Was macht sie da so sicher, Herr Kommandeur?«, fragte ihn Offizier Magbur erstaunt.

»Na, das liegt doch auf der Hand. Unsere Flotte liegt auf der Schattenseite des Planeten. Wenn sie nun mit der Rettungskapsel aus der Atmosphäre in den Orbit des Planeten gekommen wären, dann hätte unsere Flotte sie auf jeden Fall mit ihren Spionagesonden entdeckt.«, entgegnete Miwar.

»Das stimmt, daran hatte ich nicht gedacht, Herr Kommandeur?«, bestätigte Magbur seinem Kommandeur.

»Macht doch nichts, Magbur. Sie können ja nicht alles wissen.«, warf Miwar ein.

»Und wenn wir nach der Rettungskapsel suchen würden? Glauben Sie, dass wir eine Chance hätten, sie überhaupt zu finden?«, fragte Offizier Magbur leise, fast ängstlich.

»Nicht im Entferntesten, ich sehe da keine Chance, Offizier Magbur.«, gab Miwar ganz offen zu verstehen.

»Auf jeden Fall, hier noch weiter herumzustehen und uns den Mund fusselig zu reden, hilft uns auch nicht weiter.«, stellte Miwar fest.

»Aber was machen wir denn nun, wir müssen von hier weg. Wir haben nur wenig Lebensmittel dabei, die werden, selbst wenn wir sparsam sind, in ein bis höchstens zwei Tagen aufgebraucht sein.«, gab Offizier Magbur verzweifelt wirkend zurück.

»Das weiß ich selber, Magbur. Gehen Sie nun und holen die anderen hierher. Ich werde mir inzwischen etwas einfallen lassen.«, gab Miwar seinem Offizier ein klein wenig Hoffnung.

»Jawohl, Herr Kommandeur.«, antwortete Offizier Magbur und rannte wie von der Tarantel gestochen los.

»Mann, ich sollte diesen Jungs keine Hoffnung machen. Ich kann ihnen aber doch nicht sagen, dass es schlecht aussieht und wir hier wer weiß wie lange festsitzen. Muss nachdenken, darf nicht resignieren, muss mir was einfallen lassen.«, lief Miwar laut sprechend hin und her.

Und ob Kommandeur Miwar nachdachte. Er quälte sich förmlich selbst. Doch es schien ihm rein gar nichts einzufallen. Es war zum Haare ausraufen. Dann wurde er jäh aus seinen Gedanken gerissen.

»Sind zur Stelle, Herr Kommandeur!«, meldeten sich seine Offiziere zurück.

»Nun hört mal alle zu. Ihr wisst, in welcher Lage wir uns befinden und ich mache keinen Hehl daraus.«, erklärte Miwar seinen Offizieren, die kreidebleich wurden.

»Das heißt im Klartext?«, wollte Offizier Bhonds wissen.

»Das heißt, dass wir verdammt tief in der Scheiße sitzen. Nicht wahr, Herr Kommandeur?«, fragte Offizier Pilch des Weiteren.

»Ja, so ist es wohl.«, entgegnete Miwar seinen Offizieren offen.

»Das kann doch gar nicht sein? Mann, das gibt es doch nicht, da haben wir die besten Abtastsonden dabei, die es gibt, um jeden Feind ausfindig zu machen, aber ein Signal zu unserer eigenen Flotte zu senden...«, dann wurde Offizier Frapeeh knallhart von seinem Kommandeur unterbrochen.

»Was hast du da gesagt?«, fragte ihn plötzlich Miwar ernst geworden.«, als der plötzlich glaubt, etwas falsches gesagt zu haben und gleich in die Spalierstellung überging.

»Nicht doch, Offizier Frapeeh, Sie haben ja Recht! Ich würde es gerne noch einmal von Ihnen hören.«, erwiderte Miwar seine Bitte an Frapeeh.

»Ich sagte, dass wir genug Sonden hätten um jedweden Feind aufzuspüren, aber nicht in der Lage seien, unsere eigene Flotte zu benachrichtigen, Kommandeur?«, wiederholte sich Offizier Frapeeh leicht erregt.

»Die Sonden, die Sonden. Mann, das ist es! Frapeeh du bist ein Genie, ist dir das klar?«, sprach nun Miwar leicht wirr und in Rätseln.

Die Offiziere guckten ihren Kommandeur an, als dachten sie, er habe nun den Verstand verloren.

»Ihr denkt sicher, dass ich verrückt geworden sei, nicht wahr? Das würde ich an eurer Stelle auch. Da irrt ihr euch aber. Wir könnten versuchen, die noch übrig gebliebene Sonde umzufunktionieren.«, machte er seinen Offizieren klar.

»Ja, geht denn das?«, fragte Offizier Pilch.

»Natürlich geht das! Ich hatte in Sachen Elektronik mal einen Kurs mitgemacht. Ich bin zwar kein Profi, aber immerhin habe ich einiges davon behalten.«, erklärte Miwar seinen Jungs.

»Das wäre phänomenal, Herr Kommandeur.«, lobten sie ihn.

»Wir können damit zwar nicht die Flotte erreichen, aber immerhin den Autopiloten der Rettungskapsel gewissermaßen anvisieren, aktivieren und in das Signal des Startcomputers des Automatikfluges eindringen. Haben wir es erst mal aktiviert, brauchen wir nur noch den Code für das Signal starten und die Koordinaten, wo wir uns gerade befinden, eingeben und es wird von ganz alleine hierher zurück finden. Das heißt, dass ich nur das Abtastsignal als den Autopilotencode umfunktioniere. Dann gebe ich, wie schon gesagt, unsere Koordinaten, wo wir uns befinden, ein, was wir ja aus unseren Plan ersehen können, und schwups, müsste sie in Kürze hier wieder landen.«, erklärte Miwar des Weiteren seinen Offizieren, die nun inständig hofften, dass ihr Kommandeur nun nicht fragen würde, ob sie auch alles verstanden hätten. Denn wirklich verstanden hatte offensichtlich kein einziger etwas. Was natürlich sehr peinlich ihrem Kommandeur gegenüber wäre. Doch als sie sahen, dass sich ihr Kommandeur sogleich ans Werk machte, erübrigte sich diese Sorge natürlich.

Da standen sie nun allesamt um ihren Kommandeur herum und guckten ihm im festen Stand von oben herab bei der Zerlegung der Abtastsonde zu. Daran zu glauben, was ihr Kommandeur da mit der Sonde veranstaltete, konnte man ihnen an ihren Gesichtern ansehen. Was sich natürlich als irrsinnig wiederspiegelte. Was natürlich Kommandeur Miwar bemerkte und auch folglich reagierte.

»Mann, setzt euch doch mal hin. Das macht einen ja richtig nervös, euer ständiges Herumzappeln.

»Jawohl, Herr Kommandeur.«, bestätigten sie und setzten sich vor ihm auf die feuchte Erde.

Sie beobachteten ihren Kommandeur aufs Genaueste. Ein Kabel hier, was er abtrennte und ein Kabel dort, was er wieder einsteckte. Einen Knopfdruck hier und einen da, so ging es fortwährend die nächsten dreißig Minuten weiter. Schweißtropfen rannen von seiner Stirn, als bei einigen Kabeln der Schmorbrand einsetzte. Doch er gab nicht auf und verstärkte die Isolierungen mit den einfachsten Mitteln, bis es schließlich getan war und sie sahen, dass ihr Kommandeur erleichtert ausatmete.

Nicht daran zu glauben war eine Sache, doch das Ergebnis zu akzeptieren, eine ganz andere. So kam, was kommen musste.

»So, meine Herren, ich glaube, es ist soweit. Im Übrigen, wir haben nur einen einzigen Versuch.«, bemerkte er so mir nichts dir nichts ganz nebenbei.

Diese Nerven würde ich gerne haben. Kein Wunder, dass sie ausgerechnet ihn von den vielen Kommandeuren der Flotte auserwählt haben. Der hat ja Nerven wie Drahtseile, dachte sich noch Offizier Magbur, der nun auch zusehends nervöser wurde. Genau wie seine Kollegen, die genau wussten, wenn dieser eine Versuch, die gestohlene Rettungskapsel zu aktivieren, fehlschlagen würde, es ziemlich düster für die gesamte kleine Fünf-Mann-Truppe in der nächsten Zeit aussehen würde. So kam es, dass die vier Offiziere nun mit ihrem Kommandeur mitfieberten.

Ein kurzer Blick auf seine Offiziere und Kommandeur Miwar drückte den Auslöser für das umfunktionierte Signal, gab anschließend in schneller Reaktion den codierten Code für das Starten der Automatik der Rettungskapsel ein, fütterte den Bordcomputer der Rettungskapsel laut Plan mit den Orientierungskoordinaten und drückte im Anschluss den Aktivierungsknopf tief ein.

»Meine Herren, es ist getan. Jetzt heißt es, geduldig abzuwarten.


Zur gleichen Zeit, in der Unterirdischen Stadt, im Tunnelsystem, dort wo Miwar die Nohkui entdeckt hatte, schon in eine verständliche Sprache übersetzt:
 

Da saßen sie nun, die gefürchteten Nohkui. Etwa achthundert an der Zahl mussten es mindestens sein, die da starr, fast bewegungslos, Reihe an Reihe auf irgendetwas zu warten schienen. Einer dieser Nohkui fiel besonders auf. Es musste der Anführer sein. Er war größer, viel größer als seine Genossen. Außerdem glänzte er in seinem Auftreten mit einer panzerartigen Kleidung, in dermaßen übertriebener und gekonnter Manier, indem er als einziger stand und mit einer Haltung posierte, die an Protzerei geradezu sein Imponiergehabe als Mächtigsten dieses Universums bei weiten übersteigen ließ. Plötzlich gab ihr Anführer ein unwillkürliches Zeichen, indem er seine tentakelähnlichen Arme, es waren sechs an der Zahl, wobei am Ende dieser Arme jeweils vier greifähnliche Glieder herausragten, hochhielt und wirr damit herumwedelte.

Außer das schwere Atmen, das durch ihre Masken hervorgerufen wurde, war nun nichts mehr zu hören. Dann folgte ein ächzender Laut des Anführers, der einem abgestochenen Schwein ähnelte. Sofort begannen allesamt ihre Masken abzulegen. Ja, die Nohkui wussten ganz genau, dass das Gift Zepin der Rigkhonia nur etwa eine Stunde wirksam ist und sich dann messbar verflüchtigte. Jetzt stellt sich die eine und entscheidende Frage, woher wussten die Nohkui dies, und vor allem, wer hat sie auf den Anschlag vorgewarnt. Wie Kommandeur Miwar schon längst vermutete, sie mussten von einem Verräter innerhalb der Flotte vorgewarnt worden sein.

»Bald werden wir wieder genug an der Zahl sein, um ein neues und noch viel mächtigeres Geschwader zu bilden. Dabei werden wir auch die Flotte der Rigkhonia, die sich auf der Schattenseite des Planeten, lauernd auf uns, versteckt halten, vernichtend schlagen. Dabei wird unsere Flotte die der Rigkhonia in ihre Schranken weisen und ein für allemal ein Zeichen setzen. Ein Zeichen, das unmissverständlich und klar machen wird, dass wir die wahren Herrscher des gesamten Universum sind.«, schrie der Anführer die Neuigkeit in die vor ihm jubelnde Menge hinein.

»Unsere neuen Schiffe sind schon unterwegs zu uns und werden in ein paar Tagen hier auf dem Planeten, den diese für uns so verhassten Goderijaner Sinas nennen, eintreffen und in der südlichen Flachebene des Planeten landen. Wo wir dann in aller Ruhe unsere weiteren Angriffe auf Goderijan und die außenstehenden besiedelnden Planeten fortsetzen werden. Wir werden nicht eher ruhen, bis wir diesen Quadranten den unseren nennen können.«, berichtete der Anführer der Nohkui.

Wie wir hier hören konnten, hatten, genau wie es Kommandeur Miwar schon andeutete, die Nohkui eine groß angelegte Invasion auf sämtliche Planeten in diesem Quadranten vor. Nicht auszudenken, wenn es den Nohkui wirklich gelänge, dieses Vorhaben zu realisieren. Eines jedoch schien den Nohkui-Anführer doch etwas nervös zu machen. Nämlich die Tatsache, dass die Goderijaner Hilfe von den Rigkhonia hatten und sich daher eine ganze Rigkhonia-Flotte auf der Schattenseite des Planeten Sinas bereithielt. Zufällig aber auf dem genauen Koordinatenpunkt sich in Wartestellung aufhielt, den die Flotte der Nohkui in wenigen Tagen passieren wird. Als nächstes beabsichtigten die Nohkui, in den Orbit des Sinas einzutauchen, um auf ihm zu landen. Eines war aber auch gewiss, die Nohkui mussten einen versteckten Sammelpunkt haben. Sonst wären sie nicht in der Lage, immer wieder Nachschübe ganzer Flotten an den Kriegsplätzen in kürzester Zeit herbeizuordern. Es stellte sich auch die Frage, wo genau sie überhaupt ihre Raumschiffe herstellten, also bauten. Denn solch große Schlachtschiffe, ja ganze Geschwader davon, konnte man, ja, konnte niemand von heute auf Morgen bauen, und zwar egal, wie gut und fortgeschritten ein Volk auch war. Und, wo konnte man ungestört, wo sich sowieso niemand umsah solche Bauplätze errichten? Natürlich auf irgendeinem Mond oder einem toten Planeten. Folglich musste ihr Nest irgendwo in einem nahen und angrenzenden Quadranten sein, den man locker mit einer sogenannten Hypersuptinar-Geschwindigkeit in weniger als zwei bis drei Tagen überwinden konnte. Das zeigte und bewies auch, wie schnell sie immer wieder ihre Nachschübe organisieren konnten. Das Verzwickte an der ganzen Aktion war, dass die Flotte der Rigkhonia überhaupt nicht wusste, dass die neue Flotte der Nohkui genau auf sie zukam, denn die Nohkui hatten geplant, ihren großflächigen Angriff auf der Schattenseite des Planeten Sinas zu starten.

Und die Rigkhonia hingegen beabsichtigten lediglich, die unterirdische Stadt von den Nohkui zu befreien, so hätten sie gegenüber den Goderijanern ihre Schuldigkeit und Versprechen, dieser Spezies den Garaus zu machen, gewährleistet.

Doch das Gefährlichste aller in diesem Quadranten lebenden Völker war, die Nohkui zu unterschätzen. Sie glaubten, die Nohkui endgültig besiegt zu haben. Was sich, wie sich bald herausstellen wird, als ein fataler Fehler erwies.


Wieder bei Kommandeur Miwar und seinen Offizieren, die noch immer auf die Rettungskapsel warteten:
 

»Herr Kommandeur, vielleicht haben sie ja die Rettungskapsel in der unterirdischen Stadt versteckt?«, stellte Offizier Magbur fest. Eine Feststellung, auf die auch Miwar schon längst gekommen ist, der aber dennoch nicht so recht daran glauben wollte.

»Wenn dies zuträfe, Offizier Magbur, wäre die automatische Aktivierung der Rettungskapsel sinnlos gewesen. Diese und auch andere, also stärkere Signalstrahlen könnten niemals nicht in die unterirdische Stadt eindringen.«, erklärte Miwar ganz offen und frei heraus.

»Eigentlich müsste sie ja schon längst da sein, oder etwa nicht, Herr Kommandeur?«, fragte ihn Offizier Pilch.

»Natürlich müsste sie schon längst da sein. Ich verstehe es selbst nicht. Und jetzt hört endlich auf, mich mit euren sinnlosen Fragen zu bombardieren.«, sagte Miwar.«

Miwar befürchtete das Schlimmste. Es ging ihm dabei nicht um sich selbst. Auch an seinen Auftrag, den er eigentlich korrekt ausgeführt hatte, und der sich dann doch als nutzlos erwies, dachte er fast nicht mehr. Er selbst stand schon bis in die Eingeweide seiner Feinde im Blut und hatte folglich schon mehr als nur einmal brenzliche Situationen erlebt und überlebt. Nein, wie schon gesagt, um all dieses ging es ihm nicht mehr. Es ging ihm vielmehr um seine Jungs, die ihren ersten Auftrag hatten. Sie waren zwar jung und verwegen, doch wusste er genau, dass, wenn sie nicht bald von hier wegkämen, es nicht mehr lange dauern würde, ja, dass es unausweichlich wurde, von den Nohkui aufgespürt zu werden. Ein erbitterter Kampf auf Leben und Tod wäre dann die Folge. Und ob seine jungen Offiziere bereit wären, für eine aussichtlose Sache ihr Leben zu geben, ließ in Miwar Zweifel aufkommen. Und er wusste, dass die Spezies Nohkui keine Gefangenen zu machen pflegte. Und wenn sie es taten, dann aus Gründen, die eines jeden normal denkenden Verstandes nicht verarbeitet werden konnten. Sie aßen teilweise ihre Opfer und Gefangenen. Ja, sie machten nur aus einem einzigen Grund Gefangene: Um sie nämlich für längere Zeit frisch, also somit am Leben zu erhalten, um sie nach und nach wie wilde Tiere aufzufressen. Das, genau das wollte Kommandeur Miwar seinen Jungs ersparen.

Kommandeur Miwar und seine Offiziere standen hoffnungsvoll und völlig regungslos da, wo einst noch ihre Rettungskapsel stand und guckten in die Luft.

»Meine Herren Offiziere, ich glaube, dass genügt jetzt. Wir müssen anfangen, aus unserer beschissenen Lage etwas zu machen. Wir können es uns nicht leisten, hier noch weiter Trübsal zu blasen und auf ein Wunder zu hoffen. Habt ihr das verstanden?«, fragte er seine Offiziere.

»Jawohl, Herr Kommandeur Miwar.«, gaben sie lauthals zurück.

»Herr Kommandeur, wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf?«, forderte nun Offizier Pilch.

»Natürlich, nur zu! Zeit haben wir ja jetzt genug.«, erwiderte Miwar seinem Offizier.

»Könnte es vielleicht sein, dass...«, und plötzlich wurde Offizier Pilch von seinem Kommandeur jäh unterbrochen.

»Psst, seit mal still!«, forderte Miwar seine Offiziere auf. Die nun kreidebleich wurden und sich schützend zu Boden warfen. Nur Miwar blieb stehen. Schon öfter hatte er seinem ausgezeichneten Gehör sein Leben zu verdanken. Und er war sich sicher, das zu hören, was sich seine Offiziere und er am sehnlichsten wünschten.

Da stand er nun, lässig seinen Kopf hochragend. Seine Offiziere standen auf und beobachteten ihren Kommandeur aufs Genaueste. Es schien für die Offiziere so, als würde Miwar seine gesamten Sinne vereinen und sie in die Richtung zu orientieren, aus der er glaubte, etwas zu hören. Was für die Offiziere unverständlich wirkte, da sie selbst auch ein gutes Gehör hatten aber nicht im Entferntesten etwas wahrnehmen konnten. Einige der Offiziere glaubten, dass ihr Kommandeur den Verstand verloren haben muss. Doch Miwar ließ sich nicht beirren.

»Hört ihr wirklich nichts?«, fragte er.

»Nein, ich jedenfalls kann nichts hören?«, gab Offizier Bhonds zu verstehen. Doch mit zunehmendem Interesse und einem noch genaueren Hinhören glaubten nun einige der vier Offiziere auch etwas wahrzunehmen.

»Ja, Herr Kommandant, ich kann ein Summen oder ein ... nun, ich kann es nicht deuten. Es ist aber was zu hören. Ich schwöre es ihnen.«, sagte Offizier Magbur.

»Beruhigen Sie sich, Magbur, ich glaube es ja. Ich kann es ja auch hören. Es ist die Rettungskapsel. Es muss sie sein.«, bestätigte Miwar nochmals seinen Offizieren.

»Aber warum kommt sie denn nicht hierher?«, eine berechtigte Frage die da Offizier Frapeeh stellte.

»Ich glaube zu wissen, was da los ist: Sie ist schon hierher geflogen, doch muss ich einen Fehler in den Koordinaten gemacht haben. Sie schwebt jetzt irgendwo und ganz in der Nähe herum. Vermutlich bleibt sie auch noch in der Luft hängen.«, entgegnete Miwar seinen Offizieren.

»Sie meinen, sie schwebt immer am gleichen Fleck?«, fragte nun Offizier Pilch.

»Genau das tut sie.«, bestätigte Miwar.

»Ja, aber, verbraucht sie denn nicht dadurch viel zu viel Energie?«, vergewisserte sich Offizier Magbur bei seinem Kommandeur.

»Und genau das ist ja das Problem daran. Wir müssen sie schleunigst finden und zur Landung bringen. Sonst ist es mit der Rückkehr zur Flotte endgültig aus. Wir brauchen einen verdammt hohen Energieschub, um in den Orbit zu gelangen.«, klärte er seine Offiziere auf.

»Ja, aber die Rettungskapsel wurde doch eigens dafür konstruiert, oder etwa nicht?«, fragte Magbur nach.

»Sicher ist sie das. Doch nicht, um noch einige Rundflüge zu veranstalten, die die Energie förmlich auffrisst. Was glaubt ihr, warum wir zur unterirdischen Stadt zu Fuß marschiert sind? Bestimmt nicht, um nur einen Ausflug zu machen oder gar, nicht entdeckt zu werden.«, bekräftigte Miwar.

»Herr Kommandeur, was können wir in diesem Fall denn tun?«, fragte Offizier Pilch seinen Kommandeur.

»Am besten wird es sein, wir gehen dem Geräuschpegel nach, den die Rettungskapsel gelegentlich von sich gibt. Wir müssen sie so schnell wie nur irgend möglich finden. Doch genug gefaselt, legt euere gesamte Ausrüstung herunter und versteckt sie. Außer den Faserwaffen und die Bauchtasche mit der Sonde, die im Übrigen ich selbst an mich nehme, kommt nichts mit. Wir nehmen sie dann später wieder auf.«, befahl Miwar seinen Offizieren.

In höchster Eile legten allesamt ihre Ausrüstung weg und versteckten sie ganz in ihrer Nähe in den Büschen, von denen hier in Massen wucherten, deckten sie noch zusätzlich mit dem herumliegenden Reisig ab und stellten sich in Spalier vor ihren Kommandeur.

»So, Männer. Jetzt heißt es wachsam sein. Am besten wird es sein, wir teilen uns auf. Wir müssen in jeder Lage fähig sein, uns wieder zusammenzuhorten, um uns im Notfall gemeinsam verteidigen zu können. Das heißt im Klartext, nicht mehr als zehn Onen (Meter) Abstand voneinander und zwar in einer geraden Linie. Und wenn die Rettungskapsel entdeckt wird, möchte ich kein Geschrei hören. Der eine gibt alsdann seinem nächsten per Handzeichen die aufgespürte Rettungskapsel bekannt. Ist das klar?«, fragte Miwar seine Offiziere, die mit einem bejahenden Kopfnicken antworteten.

»Dann lasst uns losmarschieren.«

Mit großer Hoffnung machten sich nun alle auf den Weg, die Rettungskapsel zu finden. Jeder einzelne von ihnen war sich bewusst, dass für sie diese Aktion überlebenswichtig ist. Sie mussten die Rettungskapsel finden und das sehr bald. Sie marschierten wie sie noch nie marschierten, immer dem leicht hörbaren Summen der Rettungskapsel entgegen. Immer dichter wurde das Gestrüpp um sie herum und es wurde immer schwerer hindurchzukommen.

Schweißtropfen fielen Miwar von der Stirn und seine Kleidung war trief getränkt vom Tau der Büsche, die beim Durchstreifen mit der Kleidung in Berührung kamen und sich vollsogen. Und seinen Offizieren erging es hierbei auch nicht anders.

»Es ist zum Verrücktwerden, kann kaum etwas sehen, so dicht wird es hier.«, murrte Offizier Frapeeh beim Beiseitedrücken des zu dichten Gestrüpps, das sich ihm schier nicht enden wollend in den Weg stellte.

»Wo ist nur dieses verflixt blöde Ding von Rettungskapsel? Wenn die Suche noch länger andauert, können wir sie einstellen. Da bleibt dann von der Energie nicht viel übrig.«, sprach Offizier Magbur im Selbstgespräch.

Weiter und weiter ging es, tiefer und tiefer in den Wald hinein, bis dann schließlich Offizier Magbur abrupt stehen blieb und sogleich seinem Nächsten das Handzeichen dafür gab. Totenstille beherrschte nun das Szenario.

Moment mal, da hab ich doch was gehört? Dachte sich Offizier Magbur und horchte noch intensiver in den Wald hinein. Tatsächlich konnte Magbur die Rettungskapsel hören. Plötzlich, er ging um einen mächtig dicken Baum herum, sah er nach oben. Seine Augen begannen zu leuchten.

»Hätte nie gedacht, dass mich einmal der Anblick einer Rettungskapsel so erfreuen würde.«, gab Offizier Magbur im Selbstgespräch von sich.

Sofort nach der Entdeckung der Rettungskapsel, gab er das vereinbarte Handzeichen. Als nun allesamt das Zeichen erhielten, rannten sie und wie vom Leibhaftigen gehetzt aufeinander zu und standen staunend unterhalb der Rettungskapsel, die etwa 20 Meter hoch, also genau über ihren Köpfen, ein bis zwei Meter nach links und nach rechts ausscherend schwebte. Sofort und ohne Verzögerung grub Miwar die umfunktionierte Abtastsonde aus seiner Bauchtasche und begann, genau wie vorher, verschiedene Schalter zu betätigen und einige Drähte umzustecken. Dann legte er anhand seines Planes und des Orientierungsgerätes, das sich an seinem rechten Handgelenk befand, seinen genauen und jetzigen Standort fest. Vorsichtig und mit gekonnter Präzision stellte er nun die neue Verbindung zur Rettungskapsel her. Daraufhin fütterte er sie mit den notwendigen Daten, die für die sofortige Landung nötig waren und drückte den Startknopf. Gespannt warteten sie, dass sich die Rettungskapsel herunterzusenken begann. Doch weit gefehlt, sie schwebte weiterhin in ihrer Pose, genau wie sie sie vorfanden.

»Verdammt, warum kommt dieses Mistding nicht herunter.«, murrte nun Offizier Pilch herum, während er nervös wirkend hin und her lief.

»Beruhigt euch. Indem ihr ständig herummeckert, fließt euch die rettende Idee auch nicht in den Kopf.«, recht hatte Miwar, dass es für alles eine Lösung gab.

Miwar guckte genau wie der Rest seiner kleinen Mannschaft zur Rettungskapsel hoch. Doch mit einem Unterschied, dass er gleich auf die Lösung kam. Er ging zu dem neben ihm stehenden Baum der fast so hoch schien, wie die Höhe in der die Rettungskapsel schwebte, guckte ihn interessiert an, ging einige Male umihn herum, während er des Weiteren hochguckte, und setzte zum krönenden Abschluss noch ein herzhaftes Lachen auf. Keiner seiner Offiziere konnte sich aus dem Verhalten ihres Kommandeurs irgendeinen Reim machen, oder gar eine logische Erklärung abgeben. So schauten sie ihren Kommandeur mal wieder fragend an, was er auch sofort bemerkte. Miwar genoss diese Situationen, wenn seine Offiziere einiges an seinem Handeln und Tun manches Mal nicht einordnen konnten. Wenn sich Ratlosigkeit in ihren Gesichtern widerspiegelte. Zu komisch schauten sie dann drein. Was er aber nicht aus Böswilligkeit tat. Nein, es diente dazu, die Gemüter zum Denken anzuspornen.

»Okay, Männer. Ich brauche sofort einen Freiwilligen!«, forderte Miwar seine Offiziere auf. Die sich wundernd gegenseitig anstarrten, als hätten sie sich das erste Mal gesehen.

»Na, was ist nun, muss ich erst einen aussuchen oder könnt ihr euch jetzt einigen?«, drängte Miwar sie weiter.

Wie sollte es auch sein: Offizier Magbur war der einzige, der sich meldete, indem er seinen linken Arm hochhob.

»Ah, wie ich sehe, meldet sich mein fähigster Mann, Offizier Magbur.«, betonte Miwar freudig. Nach diesem Satz konnte man schon einige neidische Blicke auf den restlichen Gesichtern der Offiziere erkennen. Doch das war von Miwar beabsichtigt. Er tolerierte keine Drückeberger und tadelte sie auf diese Weise.

»Jawohl, Herr Kommandeur.«, bestätigte Offizier Magbur erneut.

»Gut, ausgezeichnet, Offizier Magbur. Sehen sie diesen Baum da?«, fragte ihn Miwar trocken.

»Natürlich sehe ich diesen Baum da, Herr Kommandeur?«, erwiderte der.

»Sie werden bis ganz nach oben auf ihn hinaufklettern und vom obersten Punkt aus versuchen, die Kapsel zu erreichen. Wenn ihnen das gelungen ist, die Außenluke öffnen und hineinklettern. Sind sie erst einmal in der Rettungskapsel, werden Sie bis nach vorne in die Pilotenkanzel vordringen. Sind sie dort, sehen sie unterhalb des Steuerknüppels einen schwarzen runden Hebel, der ungefähr so groß wie ihre Handfläche sein dürfte und drücken ihn ganz nach unten. Das war's dann auch schon. Die Rettungskapsel wird dann von alleine in den Automatischen Sinkflug übergehen, also landen. Haben sie das alles verstanden, Offizier Magbur?«, fragte ihn nun Miwar, der jetzt und in diesem Augenblick einen Ansturm von Fragen seitens Magbur erwartete. Doch es kam nicht so.

»Jawohl, Herr Kommandeur.«, antwortete Magbur zur Überraschung Miwars.

»Ja, haben sie denn überhaupt keine Frage an mich?«, erkundigte sich nochmals Miwar.

»Nein mein Kommandeur, sie haben sich klar und deutlich ausgedrückt.«, wo Offizier Magbur eigentlich Recht hatte. Sogleich ging er zu dem von Kommandeur Miwar gezeigtem Baum zu und begann, sich flink wie ein kleines Äffchen von Ast zu Ast nach oben zu hangeln. Es dauerte nicht lange, da war er auch schon die fast zwanzig Meter hoch, bis in der Krone des so mächtig anzusehenden und Jahrhunderte alten Baumes angekommen. Und, wie sollte es auch anders sein, bekräftigte Offizier Magbur sein Gelingen mit einem geradezu frechen Winken, während er auf dem Baumwipfel hin und her schwang. Doch diese Freude währte nicht sehr lange, als er sah, wie sein Kommandeur ärgerlich zu ihm hochschaute und von dem Späßchen abwinkte. Sogleich und durch nun leichtes Schwingen, indem er seinem Körper nach vorne und hinten wuchtete, dabei seinen rechten Arm weit von sich streckte und versuchte, bei jedem Schwung in Richtung der Rettungskapsel den kleinen Antennenstab, der von der Kapsel in seiner Richtung ragte zu fassen. Um sich schließlich daran zu hängen und somit auf das Dach der Rettungskapsel hochzuklettern. Doch dieses Vorhaben war von vorne herein zum Scheitern verurteilt, da sich die Kapsel um selbst ihren eigenen falsch von Kommandeur Miwar eingegebenen Kurs halten zu können, ständig und in der Luft stehend, immer wieder ein oder zwei Meter nach links und nach rechts hin und her ausscherte. Somit erwies sich dieser Versuch als undurchführbar.

»Verdammt nochmal, das kann so nicht funktionieren. Müssen uns was anderes einfallen lassen.«, ärgerte sich Kommandeur Miwar und gab Offizier Magbur das Handzeichen zum Abbruch der Aktion.

»Doch aus irgend einem Grunde begann nun Offizier Magbur, statt wie befohlen herunter zu klettern, immer mehr Schwung zu nehmen, so dass er sichtlich mit dem Baumwipfel immer näher in Richtung der Rettungskapsel kam. Als Kommandeur Miwar das sah, wusste er auf Anhieb, was da sein Offizier vorhatte. Und seine Kollegen, die Herren Offiziere begriffen sein Vorhaben und wurden kreidebleich.

»Herr Kommandeur, sehen Sie, was Offizier Magbur da vorhat?«, wurde aufgeregt berichtet.

»Ich sehe es. Verdammt, der wird doch nicht mit Schwung auf die Rettungskapsel aufspringen wollen?«

Miwar wusste, dass er in diesem Fall keinerlei Einfluss auf seinen Offizier mehr hatte. Er wusste auch, dass es Magburs fester und unablässiger Entschluss war, diesen einen Versuch zu starten. Selbst wenn er dabei draufgehen sollte. Miwar war auf seinem Offizier, der nun sein Leben aufs Spiel setzte, sauer, doch er war auch stolz auf ihn. Schon lange diente kein so tapferer Offizier mehr unter ihm. Und die, die er bis heute kannte, waren schon längst nicht mehr am Leben. Sie bezahlten bei solchem Eifer und Heldenmut meist mit ihrem Leben. War er doch einst auch nicht anders. So blieben ihm und dem Rest der Offiziere nichts anderes übrig, als tatenlos zuzusehen und zu hoffen, dass alles gut gehen wird.

Immer heftiger und kräftiger schwang sich Offizier Magbur in Richtung der Rettungskapsel. Er musste den genauen Zeitpunkt, dessen war er sich absolut sicher, abwarten, wo sich die Kapsel genau auf ihn zubewegte und er mit einem kräftigen Schwung auf sie springen, noch bevor die Kapsel wieder zurückschwingen würde, wenn sich beide exakt ganz nahe aneinander befanden. Dessen war sich Offizier Magbur bewusst, wenn ihm dieser Sprung nicht gelänge, er in den sicheren Tod stürzen würde.

Mit bangen Blicken nach oben sahen sie machtlos dem Treiben ihres Kameraden zu, der immer heftiger hin und her schwang. Plötzlich folgte ein lautes Knacksen, während er auf die Rettungskapsel zuschwang. Fast gleichzeitig, also die Rettungskapsel und der Baumwipfel kamen aufeinander zu. Plötzlich folgte, noch während des Schwunges von Offizier Magbur, ein weiteres und viel lauteres Knacksen, das sich durch sein Hallen durch den gesamten Wald erstreckte. Dieses Knacksen ging jedem einzelnen durch Mark und Bein. Alle wussten, was das bedeutete. Mit diesem mächtigen Schwung und gleichzeitigem Sprung brach auch, wie schon vorweg angekündigt, der Baumwipfel mitsamt seinem Geäste. Noch während des Sprunges von Offizier Magbur fiel die Baumkrone, die er losließ, unter ihm weg. Er sauste mit weit ausgestreckten Armen in Richtung der Kapsel. Vor völliger Panik und Angst um ihren Kameraden verschlossen Offizier Bhonds und Offizier Frapeeh ihre Augen und wandten sich vom Geschehen ab. Offizier Pilch hingegen feuerte Offizier Magbur noch an und schrie, was das Zeug hielt.

»Du schaffst es, du schaffst es.«, schrie Offizier Pilch unaufhörlich weiter. Was er eigentlich nicht tun sollte um die Nohkui nicht auf ihren Standort aufmerksam zu machen. Doch in diesem Fall interessierte es niemanden mehr. Die einzige Sorge die sie nun alle hatten, war die Sorge um ihren Kameraden, der sich in höchster Gefahr befand.

Dann folgte ein lautes Rumpeln, das vom Aufschlag ihres Kameraden herrührte, der genau auf das Dach der Rettungskapsel fiel. Plötzlich war er nicht mehr zu sehen. Er hatte es vermutlich geschafft. Ganz klar, von unten konnten Kommandeur Miwar und die Offiziere das Dach natürlich nicht sehen, auf dem Offizier Magbur gesprungen war. Plötzlich konnten alle Offizier Magburs Kopf sehen, der nun ganz frech, ja fast dreist wirkend nach unten guckend grinste.

»Alles in Ordnung, Kommandeur Miwar. Ich habe es geschafft und öffne sogleich die Außenluke.«, berichtete Magbur seinem Kommandeur, der nun begeistert, indem er mit seiner rechten Faust auf seine linke Brusthälfte schlug, sein Okay gab.

Dann hieß es warten. Weiterhin starrten sie auf die Rettungskapsel und warteten gespannt auf den Moment, an dem sie sich endlich herabsenken würde.

Bei Magbur: Magbur lag auf dem Dach auf dem Bauch und versuchte verzweifelt mit allen Vieren von sich gestreckt rutschend, sich in die Richtung der Außenluke zu ziehen. Was sich als gar nicht mal so einfach herausstellte. Das Dach war sehr glatt und zudem kam noch erschwerend hinzu, dass sich die gesamte Kapsel ja immer noch ein bis zwei Meter nach links und rechts schwenkte. So rutschte er nach jedem Schwenken und Richtungsänderung der Rettungskapsel immer wieder mal nach vorne und dann wieder zurück. So ging es einige Minuten lang weiter.

Verdammt noch mal, komme einfach nicht voran. Wenn doch dieses verdammte Ding endlich mal still stehen würde. Muss etwas anderes versuchen, dachte sich Magbur fest entschlossen.

Plötzlich stand er, mit wackeligen Beinen und der Gefahr gegenüberstehend, auszurutschen, auf, und sprang mit einem Satz auf die Außenluke zu. Wieder folgte ein lauter Rums, ein hohl klingender Schlag. Und es war geschafft. Geschwind griff er nach dem Halter und hielt sich daran fest. Die Kapsel driftete wieder nach links weg. Fest den Halter mit der linken Hand umschlossen konnte er diesmal dem Druck des Wegrutschens widerstehen. Kaum befand sich die Rettungskapsel in ruhigerer Bewegung, drückte Magbur den Außenlukenhalter, ganz und unter enormer Kraftaufwendung nach oben und Schwups, flog die Luke nach innen auf und Offizier Magbur hinterher. Mit einem Schlag landete er auf dem kleinen Gang, wo sich die Passagiersitze schön brav auf der linken und rechten Seite in Reih und Glied anordneten. Durch die Wucht des Aufpralles auf dem Rücken blieb Magbur zunächst die Luft weg und er rang ächzend nach dem Lebenselixier, das man Sauerstoff nannte. Nach einer Weile ging es dann wieder und Magbur fühlte sich soweit wieder gut, dass er aufstehen konnte. Als nächstes ging er, zwar noch mit Wackligen Beinen, aber immerhin aufrecht, nach vorne zu der Pilotenkanzel. Schnell und ohne weitere Verzögerung erreichte er sie auch gleich. Es war keine sehr große Rettungskapsel, sie hatte eine Gesamtlänge von zirka acht Metern und eine Breite von etwa 4 Metern. So fiel dementsprechend auch der Einstieg in die Pilotenkapsel sehr klein aus. Magbur musste deswegen förmlich in den kleinen Eingang hineinklettern. Doch auch dies war gleich geschafft.

»So, mal sehen. Also, das müsste der Sitz des Piloten sein!«, gab er suchend nach dem schwarzen Hebel im Selbstgespräch von sich.

Endlich, da sah er ihn. Genau wie Kommandeur Miwar ihm erklärt hatte, lag er unterhalb des Steuerknüppels. Langsam und vorsichtig drückte er ihn bis zum Anschlag nach unten. Nun folgte ein gespanntes Warten.

»Was macht Offizier Magbur eigentlich so lange? Ist er nun in der Kapsel oder nicht?«, fragte Offizier Frapeeh seinen Kommandeur nervös und angespannt.

»Geduld, Frapeeh, Geduld!«, entgegnete Kommandeur Miwar, während er weiterhin die Kapsel aufs Genaueste beobachtete.

Plötzlich begann die Kapsel sich zu drehen, und während sie sich drehte, endlich zu sinken. Ein raunendes Kreischen folgte daraufhin. Kommandeur Miwar konnte die Freude seines Offiziers natürlich verstehen. Dennoch musste er Einhalt gebieten, denn noch immer befanden sie sich in Feindesgebiet, das sich die Nohkui Unrechtsmäßig unter den Nagel gerissen hatten. Außerdem könnten sie jederzeit angegriffen werden. Nicht auszudenken wäre es, was in diesem Falle mit ihnen geschehen würde. Zahlenmäßig wären sie allemal unterlegen.

Immer weiter sank die Rettungskapsel dem Erdboden entgegen. Schließlich landete sie sanft wie eine Feder auf dem Erdboden. Sofort öffnete sich die Seitenluke und Offizier Magbur kam frohen Mutes mit einem Lächeln auf den Lippen und stolz erhobenen Hauptes, wie es sich gehörte, auf seinen Kommandeur zu, ging in Spalier über und gab seine Meldung ab.

»Wie befohlen, Herr Kommandeur, Auftrag wurde ausgeführt.«, berichtete er stolz.

»Rühren, Offizier Magbur. Was fällt Ihnen eigentlich ein, ihr Leben aufs Spiel zu setzen?«, meckerte ihn Kommandeur Miwar an, anstatt ihn für seine Heldentat zu loben.

Magbur verstand nun die Welt nicht mehr. Hatte er doch seinen Auftrag erfüllt. Ja, mit Bravur erfüllt, so dachte er sich. Und als Dank bekam er auch noch eine Rüge seitens seines Kommandeurs.

»Ich habe doch meinen Auftrag erfüllt, Herr Kommandeur Miwar?«, gab er entschieden zurück.

»Sicherlich, das haben Sie, Herr Offizier, das haben Sie. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, gesagt zu haben, dass sie mit einem lebensgefährlichen Hechtsprung, und das auch noch in zwanzig Metern Höhe, ihr Leben aufs Spiel setzen und damit unsere gesamte Mission in Gefahr bringen sollen!«, schrie Miwar seinen Offizier an, der nur noch dumm dreinschauen konnte.

Natürlich war Miwar außergewöhnlich stolz auf seinen Offizier. Doch ansatzweise gab es doch ein kleines winziges Lob.

»Na, vergessen wir die ganze Sache, Magbur.«, sagte Miwar.

»So, Jungs, es kann endlich losgehen. Holt eure Ausrüstung und dann alle einsteigen.«, befahl Kommandeur Miwar seinen Offizieren, die man in diesem Falle nicht zweimal bitten musste.

Als nun alle ihren Platz fanden, nahm Kommandeur Miwar, wo auch sonst, hinter dem Pilotensteuer Platz. Wie gewohnt ging er in Startsequenz über. Ein Schalter hier, ein Schalter da, den er gekonnt betätigte.

Plötzlich schnallte er sich wieder vom Pilotensitz ab und ging zu seinen Offizieren nach hinten.

»Jungs, wir haben ein Problem.«, sagte er zu seinen Offizieren. Die dazu schwiegen. Doch an ihren Gesichtsausdrücken konnte man wie von einem Buch ablesen, dass sie allesamt die Hosen gestrichen voll hatten und völlig fertig mit den Nerven waren.

»Hört gut zu, folgendes Problem stellt sich uns entgegen: Die Rettungskapsel hat in ihrem Automatikflug zu viel Energie verbraucht. Folglich haben wir, wenn überhaupt, nur einen Versuch, die Anziehungskraft dieses Planeten zu überwinden und in den Orbit zu gelangen.«, erklärte Miwar seinen Offizieren.

»Herr Kommandeur? Was ist, wenn es schief geht, ich meine, wenn die Energie nicht ausreicht?«, eine berechtigte Frage die da Offizier Frapeeh stellte.

Kommandeur Miwar beantwortete diese Frage nicht. Er guckte seine Offiziere nur an. Dieser Blick ihres Kommandeurs sagte alles aus. Es bedurfte keinerlei Worte mehr.

»Hört mal alle her. Wir müssen hier schleunigst weg, da führt kein Weg dran vorbei. Doch ich bin zu dem Entschluss gekommen, es jedem selbst zu überlassen.«, erklärte er des Weiteren.

»Und das bedeutet?«, fragte nun Offizier Magbur.

»Das bedeutet im Klartext, dass, wer hier bleiben will, hier bleiben kann und darauf warten, bis Hilfe eintrifft. Wir müssen die Flotte vor den Nohkui warnen. Dann erzählte Miwar in kurzen Abschnitten, was er beim Alleingang in dem Seitenarmtunnel der Unterirdischen Stadt gesehen hatte und was er vermutete. Ich habe die genauen Koordinaten. Wenn es mir gelingt, in den Orbit zu gelangen, werde ich sofort eine Rettungsmannschaft hierher beordern.«, sagte Miwar zu seinen Offizieren.

»Und wenn sie es nicht schaffen?«, kam die Frage.

Auch hier gab ihr Kommandeur keine Antwort und blieb stumm. Was alles erklärte.

In einem scheinbar gleichgültigen Augenblick starrten sich die Offiziere von ihren Sitzen aus fragend an. Keiner von ihnen sprach auch nur ein Wort. Der Blickkontakt genügte völlig und sie wussten, was sie zu tun hatten. Sofort danach schnallte sich Offizier Magbur von seinem Sitz los und stellte sich vor seinem Kommandeur in Spalier.

»Herr Kommandeur, entweder wir fliegen alle oder gar keiner.«, sagte Magbur fest entschlossen zu seinem Kommandeur. Miwar sah mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, stolz wirkend, seine Offiziere an.

»Gut, dann nehmen Sie wieder Platz und schnallen sich an, Leutnant Magbur, der nun völlig geschockt durch seine vorzeitige Beförderung war. Wie apathisch, ja, völlig konfus, ließ sich der neu erwählte Leutnant auf seinen Sitz nieder.

Während Leutnant Magbur in seinem neu ernannten Titel schwelgte, gingen Kommandeur Miwar ganz andere Dinge durch den Kopf. Er wusste, dass sie alle einem großen Problem gegenüberstanden. Er trug keine großen Hoffnungen in sich, dass die Energie würde, beim Start bis in den Orbit zu gelangen, und sie womöglich schon vorher abstürzen würden. Doch was sollte er denn tun? Hier auf Sinas bleiben und auf ein Rettungsteam seitens der Flotte zu hoffen, schien ihm doch nicht ausreichend, zumal die Flottenführung ja nichts von alledem wusste, was hier neben dem eigentlichen Auftrag vor sich ging. Die Gefahr, von den Nohkui entdeckt und gar getötet zu werden, schien ihm größer, als das Wagnis, mit fast zu wenig Energie in den Orbit zu starten. So oder so befanden sie sich in Lebensgefahr. Außerdem ging es hierbei nicht mehr nur um seine Männer, nein es ging nunmehr um ganze Welten, auf denen unzählige Völker ihr Dasein zu fristeten. Die Flotte, und dessen war sich Miwar bewusst, musste unter allen Umständen vor den Nohkui gewarnt werden. Gewarnt, da es nach Meinung der Kommandantur eigentlich nur noch die einen wenigen Nohkui, die sich in der unterirdischen Stadt einschlichen, gäbe. Nein, daran bestand für Miwar keinerlei Zweifel mehr, dass es sich bei diesen angeblich wenigen nur um eine Vorhut handeln konnte. Um eine Vorhut, die einzig und alleine die Aufgabe hatte, eine großflächig angelegte Invasion vorzubereiten. Als nämlich Miwar die Nohkui in der unterirdischen Stadt belauscht hatte, konnte er zwar ihre Sprache nicht verstehen, dennoch war ihm klar, dass ihre siegessicheren Gesten nur eine Schlussfolgerung zuließen: Wenn da tatsächlich mehr im Gange war, dann, dass mehr von ihnen kommen würden. Der Vorhut musste also folglich eine Hauptstreitmacht nachfolgen. Und diese Streitmacht musste sich unmittelbar im Kurs auf Sinas zubewegen und wird vermutlich schon bald dort eintreffen. Doch was Miwar zunächst am meisten Sorgen machte, war doch die Tatsache, dass sich General Goduru mitsamt seiner Flotte im Orbit des Planeten Sinas in Wartestellung befand. Zwar stand sie auf der anderen Seite, also im Schattenbereich des Planeten, dennoch könnte es ja sein, dass sich der größte Teil dieser Hauptstreitmacht genau auf Kollisionskurs zu ihnen befindet. Eines war Miwar außerdem klar: Dass sich ein Verräter unter der Flotte befinden musste, der die Nohkui stets mit den neuesten Informationen über die Flottenbewegung versorgte. Da wäre es dann gar nicht mal so abwegig, dass dieser Verräter der Hauptstreitmacht der Nohkui auch den genauen Standort der Flotte übermittelt hatte und zudem diese Bestien stetig mit dem neuesten Tun und Handeln der Rigkhonia verriet, also mit Informationen versorgte. Darüber hinaus machte Miwar noch eines stutzig und wollte und wollte ihm einfach nicht aus dem Sinn: Warum auch nur sollten die Nohkui sich in den Hauptbelüftungsschächten der unterirdischen Stadt, wo es kalt und nass war, unnötig aufhalten, wenn sie es innerhalb der Stadt warm und bequem haben könnten. Sollte sich Miwar irren, was, wie wir ja bereits wissen, nicht der Fall ist, ja dann kann man nur einen Schluss daraus ziehen: Sie, diese Bestien, warteten auf einen bestimmten Zeitpunkt. Auf einen Zeitpunkt, an dem sie gnadenlos und grausam zuschlagen würden.

»Also, Jungs, habt ihr euch alle angeschnallt?«, erkundigte sich Miwar bei seinen Offizieren.

»Jawohl, Herr Kommandeur!«, antworteten diese.

»Na dann, drückt uns die Daumen!«

So langsam kam den Offizieren ihre Situation in den Sinn und einige begannen, intensiver nachzudenken, was sie eigentlich nicht tun sollten. Angst spiegelte sich in ihren Gesichtern wieder. Und so mancher dachte an sein Zuhause. Doch zu jammern, oder gar noch im letzten Augenblick einen Rückzieher zu machen, verbot ihnen der Stolz und ihr Ehrgefühl. Darum hieß es von dem Augenblick, an dem die Rettungskapsel vom Erdboden abhob, Augen zu und durch. Kommandeur Miwar betätigte nun alle zum Start benötigten Hebel und Druckschalter. Langsam, aber immer lauter, dröhnten die Antriebsaggregate und ließen die gesamte Rettungskapsel erzittern. Sie begann abzuheben, als Kommandeur Miwar den dafür zuständigen Steuerungshebel langsam nach unten drückte. Mit einem Geruckel, das jeden von ihnen durchschüttelte, stieg die Kapsel immer höher und höher. Miwar und seine Männer konnten sich kaum bewegen, so sehr wurden sie durch die entstehende enorme Beschleunigung in ihre Sitze gedrückt.

Noch wenige Augenblicke, und sie würden die Atmosphäre des Planeten Sinas verlassen und schließlich in den Orbit eintauchen. Natürlich nur, wenn die Antriebsenergie ausreichen würde. Die Sekunden der Entscheidung vergingen wie in Zeitlupe und sie schienen eine Ewigkeit anzudauern. Doch dann war es schließlich so weit. Doch halt, was war da plötzlich los? Miwar bemerkte, wovor er sich die ganze Zeit gefürchtet hatte. Denn als er kurz zuvor auf die Geschwindigkeitsanzeige blickte, fiel ihm auf, dass der Regler nach unten fiel, was bedeutete, dass die Rettungskapsel langsamer wurde.

»Verdammter Mist noch einmal. Wir werden langsamer!«, schrie er förmlich vor sich her. Was natürlich auch seine Männer mitbekamen und dementsprechend ein jeder für sich in diesem Augenblick über den Tod nachdachte.

Leutnant Magbur: »Jetzt wo ich zum Leutnant befördert wurde, wo man eigentlich Jahre dazu bräuchte, ja jetzt sollte schon alles vorbei sein. Dass darf doch nicht wahr sein. Ich glaub das alles nicht. Eine Ungerechtigkeit ist das!«, fluchte er mit Tränen in den Augen im Selbstgespräch.

Offizier Pilch: »Oh heilige Genseta (eine weitere Gottheit der Rigkhonia), ich schwöre dir, wenn ich das überlebe, dann werde ich ab heute bei keiner Schomete (ein Glaubensfest der Heiligen Genseta) mehr fehlen, das gelobe ich.«

Offizier Frapeeh: »Hätte nie geglaubt dass ich so jung sterben muss. Ich wünschte, ich könnte meiner Familie noch einiges sagen, bevor es vorbei ist. Tja, diese Erkenntnis kommt etwas zu spät. Am besten wird es sein, einfach die Augen zu schließen und an nichts mehr zu denken.«, dachte er sich.

Offizier Bhonds: »Ich glaube, ich mach mir gleich vor Angst in die Hose. Okay, muss an etwas anderes denken! Nur an was? Ach ja. Wie schön sie doch ist, mit ihren wunderschönen grünen Augen. Und wenn sie sich bewegt, wie wunderschön ist sie dabei anzuschauen. Ihre Lieblichkeit und Grazie, ihre Bewegungen, die in einem Spiel der Harmonie und Eleganz zusammenfließen. Ach Bieedwana, wie sehr ich dich doch liebe. Ich wünschte, ich könnte dir nur noch einmal in die Augen schauen und du wüsstest, was ich für dich empfinde. Geliebte und Schöne, mein schlagendes Herz bist du. Ich brauche dich wie die Luft zum Atmen.« Dachte sich Offizier Bhonds noch und begann, innerlich versteckt zu weinen, ja zu weinen wie ein kleines Kind.

Magbur versuchte weiterhin verzweifelt, die Rettungskapsel auf Kurs in den Orbit zu halten. Doch schien dies ein aussichtsloser Versuch zu sein. Verzweifelt dachte Miwar nach. Dann folgte ein kleiner Blitzgedanke, der vielleicht sogar die Rettung bedeuten konnte. Wenn er, so dachte er, die Gesamtenergie zusammenfließen ließe, könnte dies einen zusätzlichen Schub gewährleisten. Doch dazu musste er aus seinen Pilotensitz heraus und ein anderer das Steuer übernehmen.

»Leutnant Magbur? Zu mir und zwar sofort.«, schrie Miwar was das Zeug hielt seinen Offizier an, der zu Tode erschrak und jäh aus seinen Gedanken gerissen wurde. Sofort schnallte sich Leutnant Magbur ab und taumelte wie von Sinnen immer nach etwas Halt suchend in Richtung der Pilotenkanzel. Dort und schon nach wenigen Metern angekommen, meldete er trotz großer Gefahr sein Ankommen.

»Zur Stelle, Herr Kommandeur!«, gab er zur Meldung.

»Mann, Magbur, lassen sie doch jetzt diesen Meldescheiß! Wir müssen sofort die Plätze tauschen.«, schrie Miwar seinen Leutnant an.

»Was müssen wir, Herr Kommandeur? Ich kann doch gar nicht fliegen!«, geriet Leutnant Magbur fast außer Kontrolle.

»Das müssen sie auch nicht. Doch haben wir für lange Erklärungen keine Zeit mehr. Sie müssen nur das Steuer festhalten, ich löse sie gleich wieder ab, okay?«, brüllte er Leutnant Magbur an.

Sofort schnallte sich Miwar von seinem Pilotensitz ab, stand in Duckhaltung auf, ließ aber das Steuer nicht los, so dass Leutnant Magbur die Möglichkeit bekam, es zu erfassen. So wechselten beide unter sehr großer Anstrengung den Pilotensitz.

»Also, Magbur, nur das Steuer halten. Machen sie mir ja keinen Unsinn damit, denn wenn wir abschmieren, ist es endgültig aus. Wir haben nämlich nicht genug Energie um uns mit diesem Blecheimer abzufangen. Ist das klar?«, forderte Miwar.

»Jawohl, Herr Kommandeur!«, gab Magbur am ganzen Leib zitternd und fest die Steuerung umklammert, seinem Kommandeur zurück.

Mit einem Satz nach hinten flitzte Miwar zur Energieeinheit, die sich unter einer der Bodenplatten befand, die man durch einen Knopfdruck öffnen konnte. Miwar drückte den Knopf, doch es bewegte sich nichts. Nach mehrmaligem Scheitern, also Versuchen, diese Klappe zum Öffnen zu bringen, zog er plötzlich, kurzerhand seine Faserwaffe und schoss auf sie. Und, zack, war sie offen.

»Mann, wo ist denn diese verdammte Sensoren-Energieeinheit? Da haben wir dich ja! Jetzt müssen wir dich nur noch mit der Hauptenergiezufuhr verbinden und schon haben wir ein bisschen mehr Energie im Antriebssystem.«, sprach Miwar im Selbstgespräch, während seine Männer ihn dabei mit Schrecken beobachteten.

»Hoffentlich kommt Miwar bald wieder zurück und übernimmt das Steuer.«, dachte sich Magbur bibbernd vor Angst.

»So, mein Junge, die gleiche Prozedur wie vorher, lass die Steuerung erst wieder los, wenn ich es dir sage!«

Als sie ihren Platz wieder tauschten und Miwar das Steuer wieder sicher übernahm, ging, oder man konnte auch Torkeln dazu sagen, Leutnant Magbur wieder auf seinen Platz zurück.

Das hätten wir. Ich hoffe nur, dass diese zusätzliche Energie ausreicht, um uns in den Orbit zu Katapultieren, dachte sich Miwar.

Nachdem er alles nötige veranlasst hatte und nichts, nach seiner Meinung, außer Acht ließ, brauchte er nur noch den Startknopf zu betätigen, um die Zusatzenergie für den Außenantrieb einfließen zu lassen. Miwar wusste nur zu gut, dass, wenn diese letzte Resource an Energie nicht ausreichen würde, sie unweigerlich abstürzen würden.

Nur zögerlich und mit absoluter Überwindungskraft hielt er mit der Linken Hand das Steuer. Den Knopf mit seinen Augen angepeilt, drückte er mit der rechten Hand ausgestreckt, zitternd, mit dem Zeigefinger den gelbschwarzen Knopf tief ein. Es folgte ein donnerndes Getöse vom Schub des Außentriebwerkes. Nur noch ein quälendes Warten und die Angst in den Knochen sind Miwar in diesem Augenblick geblieben. Miwar hat in vielen Momenten seines Lebens die Angst kennengelernt.

Er lernte sie als Freund der Vorsicht kennen. Als ein immer und ständig begleitender Schmerz in seinem Körper, den er tagtäglich bekämpfen und kontrollieren musste, um ja nicht den Verstand verlieren zu müssen, so viel Elend und Leid musste er sich in seinen bisherigen Dienstjahren ansehen.

Miwar war so tief in seine Gedanken versunken, dass er den ersten Ruck des enormen Schubes des Außenantriebes gar nicht mal bemerkte. Doch bei dem zweiten, da wurden er und seine Männer ganz schön durchgerüttelt. Erschrocken kam er zu sich.

»Der Antrieb!«, murmelte er von sich.

Danach war es wieder still geworden und Miwar konnte nur noch das Summen der Rettungskapsel vernehmen. Miwar guckte gleich auf den Anzeigeregler, der in der Rettungskapsel für die Höhe zuständig war. Er bewegte sich nur zögerlich, doch Miwar blieb fast die Spucke weg, als er erkennen konnte, dass die Rettungskapsel eindeutig immer höher und schneller stieg. Miwar schnaufte beruhigt auf. Als nächstes schaltete er wieder die Automatik ein, schnallte sich ab und ging ganz lässig zu seinen Männern nach hinten.

»Na, was sehe ich denn da, meine Herren? Ihr habt keinen Grund mehr, Angst zu haben. Wir haben es geschafft! Die Rettungskapsel steigt wieder und in kürze werden wir in den Orbit des Planeten gelangen. Von da aus können wir endlich wieder die Flotte kontaktieren. Jungs, es geht wieder nach Hause.«, stellte er fest.

Schreie der Freude hallten Kommandeur Miwar entgegen. Seine Jungs hatte er bis zu diesem Augenblick noch niemals so glücklich gesehen. Sie hatten, außer sich vor Freude, Tränen in den Augen und applaudierten ihm mit Freundes-Blicken zu. Miwar freute sich mit seinen Männern. Als sich die Gemüter wieder etwas beruhigt hatten, saß Miwar längst wieder in seinem Pilotensitz, um sich ein bisschen zu entspannen. Aufs Fliegen brauchte er sich ja nun nicht mehr zu konzentrieren, das übernahm ja der Autopilot.

Etwas später war es dann so weit. Sie gelangten in den Orbit des Planeten Sinas. Gerade hatte er die Sauerstofftank-Ventile geöffnet, da bekam er auch schon ein codiertes Signal von der Flotte. Miwar las es und reagierte kurz darauf.

»Haha, ich soll auf Kanal 448723 gehen. Die Herren Kommandeure haben es plötzlich ganz schön eilig. Gut dann tue ich ihnen eben diesen Gefallen.«, sprach Miwar im lauten Ton und drückte ein paar Knöpfe.

»Achtung, an Flottenkommando, hier ist Kommandeur Miwar vom Einsatz Sinas, Code 667663441. Bitte um Bestätigung!«, forderte er mit hart wirkender Stimme.

»Verstanden, Miwar, Einsatz Sinas, Code 667663441.«, erwiderte die Einsatzzentrale.

»Hört mal her, Jungs, könnt ihr mir einen Abschleppgleiter schicken, wir haben keine Energiereserven mehr. Schweben nur noch sinnlos im Orbit.«

»Verstanden, Miwar, Code 667663441. Schicken Ihnen einen Gleiter, er wird sie mit dem Leitstrahl abschleppen. Willkommen zurück! Ende.«

»Bedanke mich, Ende.«, gab er zurück.

»Hurra! Mann, jetzt erst einmal ne gute Mahlzeit!«, sagte Offizier Pilch.

»Genau, ich habe einen riesigen Hunger, ich könnte doch glatt ein ganzes Quillis (eine Art Waldtier der Rigkhonia) auf einmal Verschlingen.«, sagte Offizier Frapeeh scherzhaft zu den anderen, die vor lauter Freude und Lachen kaum noch ein Wort herausbrachten. Für Miwars Geschmack übertrieben natürlich seine Offiziere, doch er gönnte ihnen die kleine Freiheit und lies ihren Emotionen erstmal freien Lauf. Was sie sich nach seiner Meinung redlich verdient hatten.

»Seht mal, Jungs, da kommt schon der Abschleppgleiter.«, wies Kommandeur Miwar hin.

» Das wurde aber auch Zeit!«, protzte nun Offizier Pilch.

»Na, Offizier Pilch, nicht gleich Übermütig werden!«, rügte ihn Miwar ein wenig.

»Jawohl, Herr Kommandeur.«, erwiderte Offizier Pilch.

Langsam, fast zeitlupenartig näherte sich der angekündigte Abschleppgleiter der Rettungskapsel, die mittlerweile völlig antriebslos in der Schwerelosigkeit trieb.

»Gleiter Gulei an Miwar, Code 667663441, erfassen sie nun mit dem Leitstrahl. Bitte um Bestätigung!«, forderte der Kapitän des Abschleppgleiters.

»Gleiter Gulei, hier Miwar, Code 667663441, bestätige ihre Forderung.«

»Abschleppstrahl in 4, 3, 2, 1, Erfassung des Objektes, (Rettungskapsel) jetzt. Wiederhole, jetzt.« Abschleppgleitstrahl erfolgreich verbunden.«, verkündete die Abschleppcrew.

»Gleiter Gulei, bestätige hiermit. Danke Jungs, tut gut, euch zu sehen.«, grüßte zudem Miwar.

»Wir sind auch heilfroh, euch wieder bei uns zu haben. Gulei, Ende.«, erwiderten diese.

Wenige Momente später setzte sich die Rettungskapsel in Bewegung. Es war geschafft. Miwar atmete tief durch. Er war sichtlich erleichtert, seine Jungs heil und im ganzen Stück zurück zur Flotte gebracht zu haben. Doch für ihn hieß dies nicht etwa Erholung pur, nein, im Gegenteil, er musste unbedingt zu General Goduru, um ihm umgehend von den Aktivitäten der Nohkui Bericht zu erstatten. Zu wichtig waren seine Beobachtungen, als dass er sie aufschieben konnte.«, Also beschloss er, nachdem er seine Jungs auf die Aloriha zurück gebracht hatte, unverzüglich um eine Audienz bei General Goduru zu ersuchen.


*

Zur gleichen Zeit weit, weit und fern, in einem anderen Quadranten:
 

Wie wir bereits wissen, wurde die gesamte Besatzung mitsamt dem Raumschiff Surenech durch einen Kometen in einer Art Raumgitter-Verzerrungs-Sog in Mitleidenschaft gezogen und dadurch in einem für sie noch völlig unbekannten Quadranten katapultiert. Die Auswirkungen, die dabei entstanden, waren verheerend und hatten im Vorfeld, als durch den Kometen viele unbekannte Arten von Raumwellen, Raumverzerrungen und Gravitationskräfte freigesetzt wurden, ihre Sonden und das Vorwarnsystem außer Gefecht gesetzt, so dass die Besatzung der Surenech nicht mehr rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten konnte. Das hatte zur Folge, dass die Surenech eine Zeitlang ohne Antrieb in einem noch unbekannten Quadrantenabschnitt dahintrieb. Jedoch konnte im Verlauf der darauf folgenden Zeit der Antrieb der Surenech wieder instandgesetzt werden, um somit endlich auf dem schnellsten Weg mit Hypersuptinarantrieb diesen für sie noch unbekannten Quadranten verlassen zu können, aber auch ihre eigentliche Reise fortzusetzen.

Gemütlich saß die gesamte Gruppe mal wieder beim Abendmahl.

»Mann, das Essen hier ist wirklich vorzüglich.«, äußerte sich Susanne, die mit Heißhunger ihr italienisches Lieblings-Nudelgericht, Nudeln alla Vongole, herunterschlang.

»Du hast Recht, auch mein Bauchfleisch hier ist genauso gut wie Zuhause bei Muttern. Ihr müsst wissen, immer wenn ich sie besuchte, das war meistens Donnerstag, bekam ich dieses Bauchfleisch. Ich kann einfach nicht genug davon bekommen.«, erzählte Gregor der Tischrunde, während der Rest der Gruppe ihn ganz böse ansah. Wahrscheinlich hatte er mal wieder vergessen, dass sie sich alle versprochen hatten, nicht mehr von Zuhause zu erzählen. Viel zu Schmerzhaft war es für einige, daran zu denken. Was ihm natürlich gleich auffiel.

»Oh, entschuldigt, ich vergaß.«, sagte Gregor etwas betroffen.

»Sagt mal, weiß von euch jemand, wo sich Lyr mal wieder herumtreibt?«, wollte Norman wissen.

»Stimmt, fällt mir jetzt erst auf. Komisch, sonst sitzt er doch auch immer in der Runde, oder steht ein paar Meter abseits, um uns zu beobachten?«, bestätigte auch Katja.

»Ich weiß, dass Lyr nicht gerade unser Essen bevorzugt, aber wenn er die damit verbundenen Gespräche ausfallen lässt, ist doch was im Busch, denke ich.«, äußerte sich Norman etwas besorgt.

»Das stimmt, Norman hat Recht. Wir sollten gleich nach dem Essen in die Zentrale gehen, denn da, habe ich mir sagen lassen, treibt er sich die meiste Zeit herum.«, sagte Katja zu allen.

Wonach alle mit einem bejahenden Kopfnicken zustimmten. Das Mahl ging schnell vonstatten. Alle brannten förmlich auf die Neuigkeit, die vermutlich Lyr mal wieder versuchte, vor ihnen zu verheimlichen. Lyr tat das nicht aus Böswilligkeit, nein durchaus nicht, er beabsichtigte damit nur, alles Schlechte von der Gruppe fernzuhalten. Eine noble Geste, die Lyr derzeit immer wieder zutage brachte. Doch die Neugier seiner Schützlinge, und das wusste auch Lyr, war stets schwer unter Kontrolle zu halten.

Wohl diniert und gut gelaunt machte sich nun die Gruppe auf den Weg zur Zentrale, wo sie Lyr vermuteten. Sie gingen in die Vorhalle und nahmen den Lift, fuhren auf Deck vier und gingen in die Zentrale.

»Da ist Lyr, seht ihr ihn?«, stellte Stephan beobachtend fest.

»Ja, es ist Lyr. Aber was macht er denn da? Da führt ja ein Schlauch oder so etwas in ihn rein?«, wies Sarah erschrocken darauf hin.

»Du hast Recht. Aber das ist doch kein Schlauch. Es ist eher ein Kabel, würde ich sagen.«, stellte Gregor fest.

»Könnt ihr euch wirklich nicht vorstellen, was das ist?«, fragte Norman lächelnd.

»Mann, Norman, spann uns doch nicht auf die Folter!«, forderten alle.

»Lyr nimmt gerade seine Art von Mahlzeit ein.«, sagte Norman scherzhaft.

»Was, du meinst er muss sich ständig aufladen?«, erkundigte sich Gregor.

»Aber nein, so kann man es wirklich nicht definieren.«, gab Norman zurück.

»Wie oft denn eigentlich, Norman?«, fragte Mary ihn.

»So viel ich mich erinnern kann, erwähnte Lyr, dass er sich nur ab und zu eine Art Energie zuführen muss. Wie oft sagte er nicht und wir sehen ihn ganz selten, also so gut wie nie, dass er das tut. Er spricht dabei von einer ganz bestimmten Energieform.«, berichtete Norman seinen Freunden, die, nun ganz Ohr, plötzlich mehr über Lyr wissen wollten, obwohl sie ihn schon einige Zeit kannten.

»Halt, hört endlich mit der Fragerei auf, die ganze Zeit hat es euch einen Dreck gekümmert was Lyr eigentlich isst, was er braucht, um existieren zu können oder was für Probleme ihn belasten. Eines will ich euch mal sagen: Lyr ist zwar nicht wie wir aus Fleisch und Blut und ob ihr es glaubt oder nicht, er hat durch seinen Emotionschip, genauso Gefühle wie wir, wie du und ich. Ich hoffe, wir haben uns verstanden. Ich möchte nicht, dass ihn auch nur einer von euch auf irgendeine Weise das Gefühl gibt, er sei eine Maschine. Er wünscht sich nichts Sehnlicheres, als so wie wir zu sein. Ihr würdet ihn sehr verletzen. Besonders dich, Gregor, möchte ich eindringlich warnen, der du ihn immer als einen Blechhaufen bezeichnest. So, und nun lasst uns zu ihm gehen und ihn Begrüßen.«

Geschlossen und sich neugierig in der Zentrale umsehend, gingen sie zu Lyr den Androiden hinüber, der sich gerade, wie wir ja bereits wissen, mit Energie versorgte.

»Hallo, Lyr?«, grüßte ihn Katja sehr freundlich.

»Ah, wen sehen da meine müden Augen? Was ist dein Begehr, Katja?«, fragte er mal wieder in seiner sehr eigenwilligen Wortwahl.

»Na ja, weißt du, wir hatten uns ein bisschen Sorgen um dich gemacht.«, fiel Norman nichts Besseres ein zu sagen.

»Mit den Worten 'Sorgen zu machen' meint ihr doch wohl, dass ich vor euch etwaige Neuigkeiten zu verbergen versuche?«, stellte Lyr klar fest.

»Äh, gewiss. Gibt es wohl welche?«, fragte Katja.

»Gewiss, es gibt auf einem so großen Schiff immer Neuigkeiten, meine liebe Katja. Aber um eure grenzenlose Neugier zu stillen, fehlt mir wie ihr selbst sehen könnt im Moment die dafür nötige Zeit. Aber ein Vorschlag zur Güte: Sobald ich hier mit meiner Speisung der nötigen Energie fertig bin, Berichte ich euch über alle angefallenen Neuigkeiten. Es dauert nicht mehr lange. Wenn ihr also solange auf dem Flur warten möchtet?«, schlug Lyr seinen Schützlingen vor.

»Gerne, Lyr, also dann, bis gleich.«, erwiderte Katja.

So versammelte sich die Gruppe auf dem Flur, um auf Lyr zu warten.

»Du, Norman, ich bekam irgendwie bei Lyr das Gefühl, dass es ihm peinlich war.«, sagte Katja.

»Peinlich, was ist peinlich?«, kam Norman mit dieser Gegenfrage.

»Na, dass es ihm halt peinlich war, dass wir ihn bei seiner Energieaufnahme, zusahen, denk ich.«, erwiderte Katja.

»Aber Katja, wieso sollte er sich dabei genieren?«, fragte Norman seine Schwester.

»Das weiß ich nicht, Norman?«, entgegnete sie.

So ging es stetig weiter, auf eine Frage folgte wieder eine Gegenfrage. Bis schließlich Lyr auf den Vorgang trat und dem sinnlosen Gerede ein Ende bereitete.

»Ah, wie ich sehen kann, beehrt mich heute die gesamte Gruppe mit ihrer Anwesenheit. Wie komme ich eigentlich zu dieser Ehre? Halt, sagt nichts, lasst mich mal raten: Ihr dachtet, dass ich mal wieder irgendeine Neuigkeit vor euch verberge, stimmts?«, warf Lyr abermals ein.

»Schön, du hast uns durchschaut.«, gab Mary zu.

»Aber nicht doch. Ihr solltet euch nicht über so viele Dinge den Kopf zerbrechen. Viel wichtiger scheint es mir, dass es euch stets gut geht. Um alles andere kümmere ich mich schon.«, erklärte Lyr seinen Schützlingen.

»Das ist lieb von dir, Lyr, und wir wissen das auch zu schätzen, dennoch hast du uns etwas versprochen.«, ließ Katja nicht locker.

»Und ich werde mein Versprechen auch halten. Also, sagt mir, was ihr wissen wollt und ich werde euch ganz ehrlich und offen antworten.«, sagte Lyr ruhig, tröstend.

»Wir wollen wissen, wann wir wieder nach Goderijan zurück können?«, fragte nun Katja ohne Umschweife.

»Nun, unsere Techniker haben ganze Arbeit geleistet und sind längst mit dem Antrieb fertig geworden, doch können wir erst starten, wenn wir wissen, wo genau wir uns eigentlich befinden. Wie ich euch schon mal berichtet hatte, sind wir wegen eines uns noch unbekannten Kometen durch eine Art Raumgitter-Verzerrungs-Sog in einen anderen und uns noch unbekannten Quadranten katapultiert worden.«, erklärte Lyr des weiteren.

»Ja, stimmt, das hast du uns im großen Saal schon erzählt, vielmehr wollen wir wissen, was das nun für uns alle bedeutet?«, fragte Norman nach.

»Das bedeutet, zumindest eine Zeitlang zu warten.«, sprach Lyr mal wieder in Rätseln.

»Lyr, wie lange ist für dich eine Zeitlang?«, fragte ihn nun Gregor.

»Zumindest so lange, bis die Sonde, die wir losschickten, zurückgekommen ist. Ihr müsst wissen, dass wir eine Sonde ausgesandt haben, die automatisch unsere Spur, die wir durch die Surenech bisher hinterlassen haben, zurückverfolgt. Bei Rückkehr der Sonde können wir dann anhand der Daten, die die Sonde gesammelt hat, zurück zu unserem Quadranten finden. Noch Fragen?«, wollte Lyr wissen.

»Ja, und wie lange dauert es, bis diese Sonde wieder hier ist?«, fragte Norman berechtigterweise.

»Das weiß ich im Moment auch nicht. Das kommt ganz darauf an, wie weit wir vom eigentlichen Kurs abgekommen sind.«, erklärte Lyr seiner Gruppe.

»Na, das sind ja schöne Aussichten!«, beschwerte sich mal wieder Gregor.

»Wir hoffen aber, dass diese Sache in ein paar Tagen erledigt ist und wir bald nach Goderijan zurückkehren können. Ich bitte nur um etwas Geduld.«, gab Lyr betont zurück.

»Wenn das so ist, haben wir ja nichts zu befürchten, oder, Lyr.«, erkundigte sich Katja noch.

»Gewiss, meine liebe Katja. Ich betone es nochmals, es besteht keine Gefahr für uns.«, sicherte Lyr seiner Gruppe zu.

»Prima, dann können wir ja getrost ein Spielchen wagen. Wer geht mit in den Computerraum?«, fragte Katja nach. Wonach alle die Hand hoben. So gingen sie wieder einmal beruhigt ihres Weges.

Diese Menschen, immer so misstrauisch und dennoch faszinierend, in ihrer grenzenlosen Neugier. Wahrlich eine Bereicherung für meinen Emotionschip. Und auch Lyr ging seinen Pflichten als neuer Kommandeur der Surenech nach.

Wenig später: Der Nachmittag im Computerraum verging schnell, und Lyrs Gruppe freute sich wie immer auf das abendliche Mahl, das es schon bald geben wird. Noch immer gingen sie geschlossen zu den drei Mahlzeiten, die es am Tag verteilt gab.

»He, Leute, es ist bald Abendbrot, lasst uns zum Essen gehen, okay?«, wies Katja darauf hin.

»Mann, wurde auch Zeit, habe einen Mordshunger. Könnte glatt ein ganzes Pferd verschlingen.«, gab Gregor seinen Senf dazu. Was der Rest der Gruppe schon von ihm gewohnt war und sich über seine Übertreibungen schon gar nicht mehr äußerte. Im großen Saal angekommen, machten es sich alle auf ihren gewohnten Plätzen gemütlich.

Einigen fiel auf, dass Sarah bedrückt dreinschaute.

»Du, Sarah, was ist mit dir los?«, wollte nun ihr Vater Stephan wissen.

»Ach, eigentlich nichts, Papa.«, flüsterte sie zurück. Doch ihr Vater kannte sie besser und gab deshalb nicht nach.

»Na komm schon, Liebes, was bedrückt dich denn?«, drängte sie ihr Vater weiterhin.

»Weißt du, Papa, es ist alles so schrecklich.«

»Was, mein Kleines, findest du für so schrecklich?«, fragte sie ihr Vater.

»Ich meine, diese Kriege, die auch weit im Universum stattfinden. Wenn ich des öfteren Zuhause an meinen Rollstuhl gefesselt aus meinem kleinen Fenster in den Sternenhimmel guckte, dachte ich mir, wie schön es doch wäre, weit, weit, unendlich weit weg dort draußen in der Unendlichkeit zu sein und vom Elend der ständigen Kriege, die auf der Erde stattfinden entfernt zu sein. Nur um dann festzustellen, dass es hier auch nicht anders ist als wie zu Hause. Dennoch, ich darf mich nicht versündigen, schließlich kann ich ja jetzt wieder gehen und muss nicht immer in diesem doofen ollen Rollstuhl sitzen.«, erzählte Sarah sehr traurig in sich eingekehrt.

»Du hast vollkommen Recht, Sarah, es ist ein ewig währendes Elend.«, gab ihr Vater zurück.

Absolute Stille nistete sich nun in der vorher belebten Runde ein. Man konnte jedem einzelnen sein intensives Nachdenken ansehen. Man konnte förmlich spüren, dass diese Worte von Sarah nicht spurlos an ihnen vorbeizogen. Und während alle still ihr Mahl zu sich nahmen, kam Lyr an ihren Tisch. Vielleicht stand er ja schon länger da. Es waren Lyrs Gepflogenheiten, sich des Öfteren anzuschleichen. Es machte ihm nun mal Spaß, sich in den Mittelpunkt zu stellen, auch auf die Gefahr hin, sich hin und wieder eine Rüge von seiner Runde abzuholen. Wie eben jetzt auch.

Mann, Lyr, musst du uns unentwegt erschrecken?«, schimpfte Susanne ihn.

»Ja, Susanne hat Recht. Wegen dir bekomme ich noch mal einen Herzinfarkt.«, sagte Gregor.

»Das wäre auch nicht so schlimm, die können hier wie mir scheint alles und jeden heilen, oder Lyr?«, erkundigte sich Peter.

»Alles? Gewiss nicht, wir sind nicht so allmächtig wie euch scheint, auch bei uns gibt es körperliche Anomalien, also Krankheiten die wir nicht heilen können. Ja, die Gruppe unterhielt sich noch eine ganze Weile über dies und jenes und ließ den Abend in Harmonie ausklingen.



 Kapitel 20, Die Verräter

 Anfang und Kapitelübersicht
© 2012 by Peter Althammer

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Ein Liebesroman von Peter Althammer im Internet:
 Du, mein Licht in dunkler Nacht!

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