Zu den Grenzen des Planeten Goderijan

Science Fiction Roman von Peter Althammer

Kapitel 9

Die Erfolgsfeier


Einige Stunden später in einem sehr noblen Restaurant namens Maritim und an einem Tisch, wo vier uns bekannte Persönlichkeiten ausschweifend und ausgiebig feierten:
 

»Ich möchte heute Abend für eine bestimmte Person, die sich in unserer Mitte befindet, einen Toast aussprechen. Und dieser Toast gilt unserer Mary Ritley. Äh... liebe Mary...«

Peter redete sich quasi die Seele aus dem Leib, bis er schließlich doch zum Ende kam: »Und so, liebe Mary, hoffen wir, dass du noch weitere zehn, ach was sage ich, dass du für immer bei uns bleibst. Worauf wir nun alle anstoßen wollen.«

Es folgte ein Händeklatschen und ein Anstoßen mit Sekt.

Trotz der heutigen und anscheinend guten Laune von Peter, sah Mary doch ein geschickt verborgenes Verhalten von ihm. Jedem konnte Peter etwas vorspielen, aber Mary Ritley nicht. Sie kannte ihn wie ihre eigene Westentasche. Und sie wusste, dass auch er es wusste.

»Also, was sind das für Probleme, Peter?«, kam sie gleich ohne Umschweife zur Sache.

»Wie kommst du drauf, dass ich welche habe?«, gab Peter wie immer ironisch und etwas verlegen von sich.

»Na komm schon. Ich kenne dich doch! Glaubst du etwa im Ernst, dass du mir etwas vorspielen kannst?«

»Ich glaube, du hast mich durchschaut, Mary!«

»Und ob ich das habe!«

»Trotzdem glaube ich nicht, dass es im Augenblick der richtige Moment ist, über Geschäfte zu reden oder?«, wendete Peter ein.

»Ach, wann kann man schon sagen wann der richtige Moment ist.«

Wie immer ist auch heute Abend Mary mit ihren Antworten sehr flink.

»Da kann ich dir nur beipflichten, Mary.«

»Also, nun erzähl schon deine Geschichte, Peter.«

»Na denn. Es war so.«

Und Peter erzählte Mary die ganze Geschichte der Familie Hübner. Von dem geheimnisvollen Verschwinden der Katja Moser an der kleinen Sitzbank vor dem Bahnhofshäuschen, bis hin zu dem Beweisstück der Videokassette. Und, nicht zu vergessen, den sanften Rausschmiss seitens der Familie Hübner in Zusammenhang seiner eigenen Person.

»...so, jetzt weißt du alles, Mary.«

»Und du hast dieses Video mit eigenen Augen gesehen? Ein Irrtum ist also ausgeschlossen?«

Peter bemerkte nun genau das, was er sich insgeheim wünschte. Mary scheint nach seiner Meinung wieder eine heiße Story gewittert zu haben. Und so war es dann schließlich auch.

Mann, Peter, das ist doch ohne Ausnahme die Story des Jahrhunderts, ach was sage ich denn da, die Story des Jahrtausends.«

»Glaubst du denn, das weiß ich nicht, Mary?«

»Und du hast es auch noch verbockt!«

»Dessen bin ich mir bewusst. Und du glaubst, dass da nichts mehr zu machen ist?«

»Natürlich nicht.«

»Aber dennoch, so glaube ich, wird das noch ein ganz schönes Stück Arbeit werden, diese Familie zu überzeugen, dass es nur zu ihrem Besten ist, uns, den Spezialisten das Video zu überlassen. Es ist doch so, wenn du so Eingefleischte also, gottesfürchtige und ehrliche Menschen in ihren Gefühlen verletzt und dann auch noch ihre Emotionen antastest, dann hat man ihr Misstrauen geweckt. Und, Peter, sei doch mal ehrlich, würdest du jemandem den du misstraust irgendetwas erzählen, geschweige denn, um Hilfe bitten?«

»Natürlich nicht, Mary. Mann, den Fall habe ich mir selbst weggenommen.«

Und Mary setzte ein beherztes lächeln auf.

»Also, Mary wie kannst du da noch lächeln! Ich jedenfalls finde das überhaupt nicht komisch. Das hätte uns einen ganz schönen Batzen Geld einspielen können.«

»Na jetzt mach dich doch nicht selber verrückt, Peter. Ich schau mal, was sich da machen lässt. Wenn du nichts dagegen hast, werde ich mich ab morgen darum kümmern.«

»Ob ich was dagegen habe, fragst du mich, ich bitte dich sogar darum, Mary. Du bist ein Schatz!«

»Na, lob mich lieber nicht im voraus, wie du weißt, bin ich abergläubisch.«

Und wieder setzte sie ein lächeln auf. Aber dieses mal sah sie Peter tief in die Augen.

»Was... was ist, worüber musst du schon wieder Lachen?«

Peter begann an sich herumzufummeln und sich selbst überall zu bemustern.

»Äh, stimmt an mir irgendetwas nicht?«

»Doch, doch, du siehst gut aus. Wenn du es genau wissen willst, habe ich nicht wegen dir gelacht. Es war, weil ich gerade gedacht hatte...« Dann hielt sie plötzlich inne.

»An was dachtest du gerade, Mary?«

»Na weißt du, Peter, dieser Fall Hübner um den ich mich morgen kümmern werde, interessiert mich sehr. Ich habe schon so einige Storys hier in Deutschland, also in meiner zweiten Heimat für dich an Land gezogen. Weißt du, das hat für mich was ganz Besonderes. Oh Mann, ich sage dir und wenn es die letzte Story auf diesem Planeten wäre, ich werde sie dir nach Hause holen. Das hat was und wird was persönliches für mich.

»Das weiß ich doch, Mary.«

Na klar, Peter, kannst du dich noch an meinen ersten Arbeitstag gegenüber der Agentur im Restaurant erinneren?«

Mary warf Peter einen Blick zu, der ihn ein kleines bisschen Angst machte. Er kannte Mary bereits seit zehn Jahren, aber einen solchen Gesichtsausdruck hatte er noch nie bei ihr gesehen. Dennoch hielt er es für besser, nicht mehr davon zu reden.

Peter sah noch eine Weile dem Treiben der Feier zu.

»Im Restaurant, Mary, ja den Typen hast du ganz schön eingewickelt. Dieser Trottel. Na ja, es gibt doch immer wieder welche, die es nie lernen werden.«

»Ach, Peter, mach dir keine Sorgen. Lass uns doch mit den anderen mitfeiern und für heute Abend die Arbeit unter den Tisch kehren.«

»Ja Mary, was soll's, man lebt ja schließlich nur einmal.«

Ein weiser Entschluss, den Peter da fasste. Und wie sie feierten. Sie tranken und aßen bis nach Mitternacht. Vergaßen dabei Zeit und Probleme. Unterhielten sich und lachten herzhaft über vergangene Geschäfterfolge und Misserfolge.

»So, Leute, es ist schon reichlich spät geworden, mir reicht es für heute. Um fünf Uhr früh ist die Nacht vorbei. Drei oder vier Stunden brauche ich mindestens Schlaf. Sonst bin ich morgen unausstehlich und dass färbt sich dann auf meine Kunden ab.«

Auch die anderen sahen nun auf die Uhr.

Ach du meine Güte, ist das schon spät geworden? Hab ja noch mindestens eine Stunde Autofahrt vor mir, bis ich wieder zu Hause bin.«

»Quatsch, Gregor, das lohnt sich doch gar nicht mehr. Kannst bei mir pennen, wenn du willst. Schlug ihm Peter vor.«

»Ich nehme an, dass es in deinem Zustand das beste wäre, nicht wahr, Gregor?«, mischte sich Mary ein. Worauf Gregor, der ja wahrlich einen in der Krone sitzen hatte, Mary sehr böse ansah.

»Was geht dich mein Zustand an, he.«, stammelte und fauchte Gregor in einer leiernden Tonart Mary an.

»Was ist denn nun los, hab ich was Falsches gesagt?«, verteidigte sich Mary, die es ja eigentlich nicht böse gemeint hatte.

»Ja, unsere Mary ist die Beste, der gelingt ja immer alles. Unseres Chefs Liebling!«

Jedem fiel auf, dass Gregor irgendwie eifersüchtig auf Mary war.

»Also, mach mal halblang, Gregor. Und dass du gleich Bescheid weißt. Ja, und das gilt jedem von euch. Bei mir wird niemand nach seinem Charakter beurteilt. Keiner wird auf irgendeine Weise bevorzugt. Und Lieblinge, die ich bevorzugen soll, gibt es nicht. Jeder einzelne wird nach seiner individuellen Leistung eingesetzt und bezahlt. Jeder von euch hat so seine persönlichen Qualitäten, die ich in den letzten Jahren sehr zu schätzen gelernt habe, weil wir ein prima Team geworden sind und das soll auch so bleiben. Ich dulde keinerlei Streitereien im Bezug auf unser Geschäft, gleich welcher Art auch immer. Ihr müsst unbedingt begreifen, dass das Geschäft nur mit uns allen gedeihen kann und nicht durch einen einzigen von euch. Gemeinsam haben wir uns in den letzten Jahren mehrmals aus der Pleite geholt. Jeder einzelne ist hier wichtig und für mich unersetzlich. Wir haben uns in all den Jahren zusammengespielt. Und so soll es auch bleiben. Macht es also nicht kaputt. So, und jetzt gehen wir alle schön brav nach Hause. Wir haben morgen... Ach, ist ja schon nach zwölf, na ja dann haben wir eben heute einen schweren Tag vor uns. Und noch etwas, für diese späte Zeit bin ja nun mal ich verantwortlich. Deshalb mache ich heute eine Ausnahme. Wir fangen also, statt wie gewohnt um 7 Uhr um neun an. Gregor, du kommst mit mir. Und ich möchte keine Widerrede von dir hören. So, dann wünsche ich dem Rest eine angenehme Ruhe.«

Und als Peter sich zum gehen fertig machte, warf er Susanne, dem Mädchen für alles, einen ihr wohlbekannten Blick zu.

»Äh, Peter, ich beginne lieber wie immer um sechs Uhr. Könnte ja ein Kunde anrufen. Ist dir doch recht oder?«

Susanne war es egal, meistens den Kürzeren zu ziehen. Sie brauchte dieses Gefühl, von Peter und der Agentur gebraucht zu werden. Obwohl Peter sehr oft, und das meistens, wenn er sich in geschäftlichen Nöten befand, seine Wutanfälle an ihr ausließ, verehrte sie ihn, mehr noch, sie liebte ihn. So viele Jahre war sie nun in ihn verliebt. Doch Peter irgendwann einmal etwas davon zu sagen, wäre für sie ausgeschlossen. Schon aus Angst, er könnte sie abweisen und alles zerstören, wovon sie schon immer träumte. Und so lebte sie viel lieber mit Peter in ihrer Traumwelt weiter. Dort in dieser Welt der Phantasien, die nur ihr gehörten, waren sie und Peter längst zusammen. Ein Liebespaar das Hand in Hand durch einsame Straßen schlenderte, das sich eng umschlungen den Sonnenuntergang ansah und das sich immer und immerzu zärtliche Wörter zuflüsterte.

»Bist ein Schatz, Susanne.«, erwiderte Peter, mit einem fliegenden Handkuss, der zustandekam, wenn man seine Innenhand küsste, sie dann auf die gewünschte Person richtete und sozusagen den Kuss mit einem festen Pusten zu ihr schickte. Und Susanne schmolz mit einem schüchternen Lächeln dahin. Und als alle das Restaurant verlassen hatten und jeder seines Weges ging, erloschen auch schon alle Lichter des Lokals.

Wenige Stunden später:

Oh Mann, hab ich nen Kater.«, gab Gregor von sich, als Peter ihn so gegen acht Uhr weckte und der sich umsah und nicht schlecht staunte, wo er sich denn befand und wie er hierher kam.

»Nun mach schon Gregor, raus aus den Federn und ab unter die Dusche.«, drängelte Peter, der in dem Zimmer seiner Stadtwohnung umhersauste und verzweifelt seine Kleidung vom Vorabend zusammensuchte.

»Sag mal, hast du ein oder zwei Aspirin, mir platzt gleich der Schädel, Peter?«

»Da, rechts in der Schublade neben dir sind welche. Mann, Gregor, hattest du gestern vielleicht einen geladen.«, predigte Peter zielsicher auf Gregor ein.

»Peter, ich glaube, das letzte Pils gestern muss schlecht gewesen sein.«

»Ja, Gregor, das sage ich auch immer, wenn ich mal zu tief ins Glas geschaut habe.«

Dann ging Peter in die kleine Kochnische, wo schon der Kaffee, den er kurz vorher aufgebrüht hatte, auf ihn wartete und goss Gregor eine Tasse voll ein.

»Hier, trink das, Kaffee, extra stark. Der wird dich wieder munter machen.«

Während Gregor mit Kopfschmerzen seinen extra starken Kaffee genoss, ging Peter ans Telefon, um sich bei Susanne, die ja schon seit sechs Uhr morgens in der Agentur war, umzuhören. Er wählte die Nummer der Agentur.

»Ja, Rätselhafte Phänomene, Agentur Peter Lenz, was kann ich für Sie tun?«, sprach Susanne, die diesen Spruch schon seit Jahren herunterleiern musste und doch stets versuchte, ihn mit einer netten und vielversprechenden Stimme anzupreisen.

»Guten Morgen Engelchen, na, wie läuft das Geschäft in der Hand meiner treuesten Mitarbeiterin?«

Geschmeichelt und entzückt von den Worten und der Gewissheit, dass Peter gute Laune hatte, bracht sie zunächst kein Wort heraus.

»Susanne, bist du noch am Telefon? Ist alles in Ordnung mit dir? Susanne, so antworte doch!«, brüllte Peter sorgenvoll ins Telefon.

»Natür... Äh... Ich bin dran. Entschuldige, ich hatte aus Versehen etwas Kaffee verschüttet.«

Beruhigt holte Peter tief Luft.

»Na, Gott sei Dank, ich dachte schon, dir wäre etwas geschehen, Susanne. Sonst ist alles beim Alten, oder?«

»Aber ja doch, wie immer, Chef. Mach dir keine Sorgen. Der Kaffee befindet sich eingießbereit an seinem Platz, die Aufgabenmappen liegen bereit und meine Wenigkeit wartet nur noch, dass ihr alle Hübschen eintrefft.«

»Na dann kann ja heute nichts mehr schief gehen, Susanne, oder?«

»Nun, man sollte sich so früh am Morgen nicht darauf verlassen, Chef.«

»Ich hoffe, dass du dich in diesem Punkt irrst. Aber nichts desto trotz, wird es wie immer weitergehen. So, Susanne, dann bis nachher und halte mir ja schön die Stellung, okay? Halt, hätte ich doch glatt vergessen, sei doch so nett und mache doch für Mary einen Termin bei den Hübners klar, in Ordnung?«

»Ich dachte, diese Familie ist nicht gut auf unsere Agentur zu sprechen, nach deinem Missgeschick... na du weißt schon.«

»Susanne, das weiß ich selber. Versuch es doch einfach und setze ein bisschen deinen unvergleichlichen Scharm ein. Alles andere wird Mary schon klären, okay?

»Na, wenn das mal nicht in die Hose geht. Dennoch, Peter, werde ich wie immer mein Bestes versuchen.«

»Etwas anderes erwarte ich auch nicht von dir, Susanne. Also, tschüs und bis dann.«

Und Peter legte den Hörer wieder in die Gabel des Telefons.

Szenenwechsel - Kurz bei Susanne:

Als auch Susanne den Hörer wieder auflegte, kam ihr ein Gedanke, der in ihr Verwunderung auslöste. Nachdenklich und fast nuckelnd stand sie mit ihrer fast leeren Kaffeetasse am Tresen in der kleinen Küche, die Peter vor etwa vier Jahren hat einbauen lassen. Komisch, dachte sie, ich glaube, dass ich gerade beim Telefongespräch Peter öfter 'Chef' nannte, und er hat sich überhaupt nicht aufgeregt. Ist schon sehr komisch, seinen Chef nicht 'Chef' nennen zu dürfen.

»Ach, was soll’s.«, gab sie im leisen Unterton von sich.

Wieder bei Peter und Gregor:

»Na Gregor, wie fühlen wir uns denn jetzt wieder?«, fragte Peter, als er sich in seinem olivgrünen Sessel niederließ, während er mit schadenfrohen Blicken auf Gregors Antwort wartete.

»Danke der Nachfrage, es geht schon besser. Ich bin auf jeden Fall bereit den Tag mit Elan zu beginnen.

Peter wusste, dass Gregor sich alles andere als fit fühlte.

Trotz seines abendlichen und etwas schweren Umtrunks, tat ihm Gregor doch ein bisschen leid.

»Du, Gregor, weißt du was, ich habe da einen Vorschlag für dich: Wie wäre es, wenn du Mary bei dem Fall Hübner assistieren würdest. Ich meine, dir geht es sowieso nicht so gut. Und da dachte ich mir, so wie ich Mary kenne, wird sie mit Sicherheit diese Familie Hübner aufsuchen wollen und das heute noch. Man hört ja so oft, dass die frische Luft auf dem Lande sehr gesund sein soll.«

Plötzlich war Gregor hellwach. Nie hätte er sich träumen lassen, dass er tatsächlich mit Mary einer Story nachjagen durfte. Das war schon immer sein heimlicher Traum.

»Mann, das ist ja ein Ding, machst du Scherze oder was?«

»Sehe ich so aus, als würde ich dich verarschen?«

»Nein, natürlich nicht, aber was ist mit Mary?«

»Was meinst du Gregor? Was soll denn mit Mary sein?«

»Na, wird sie denn damit einverstanden sein? Du weißt doch, dass sie gerne alleine arbeitet und niemanden dabei haben will.«

»Gregor, was siehst du, wenn du mich ansiehst?«

Gregor guckte Peter sorgfältig von oben bis unten an. Das sah so komisch aus, dass Peter sich das Lachen verkneifen musste, um Gregor nicht zu beleidigen.

»Ich weiß nicht, vorauf du hinaus willst, aber wenn du mich so direkt fragst, sehe ich meinen Chef vor mir.«

»Genau, so ist es.«

Damit verklickerte Peter Gregor, dass er das Sagen hatte. Punktum.

»Willst du noch nen Kaffee, Gregor?«

»Ja, gerne Peter.«

Dann goss er Gregor und sich selbst noch eine Tasse ein.

»Wenn wir unseren Kaffee getrunken haben können wir langsam aber sicher in die Agentur fahren, Gregor.«

»In Ordnung, Peter.«

Peter wurde wie immer vor Beginn der Arbeit zappelig und unruhig. Und wie auch so vielen anderen Geschäftsmännern erging es auch ihm nicht anders, dass ihm ach so viele Fragen hinsichtlich seines Geschäfts durch den Kopf rasten. Ob der Tag wohl heute gut wird? Hoffentlich ruft kein unzufriedener Kunde an, oder ob sich wohl Mary die Jahrhundertstory zugunsten seiner Agentur unter den Nagel reißen konnte und so weiter und so fort.


*

Währenddessen in der Agentur, wo sich Susanne wie jeden Morgen, um die Vorbereitungen für den heutigen Arbeitstag abmühte:
 

Susannes Gedanken kreisten noch immer um Peter, ihre große Liebe. Einer Liebe, die wahrscheinlich niemals erwidert werden wird. Doch nichts desto trotz ging sie wie immer ihrer Arbeit nach. Susanne ging geradewegs aus der kleinen Kochnische in Richtung ihres Büros, als plötzlich die Sicherheitsglocke am Haupteingang schrillte und Mary Ritley den Flur hoch kam.

»Guten Morgen, Susanne.«

»Guten morgen Mary.«

»Na, wie geht's denn heute?«, erkundigte sich Mary um Susannes Ergehen.

»Frag mich lieber erst nach Feierabend, Mary.«

»Ach Susanne, auch der heutige Tag wird vorbeigehen.«

»Du sagst es, Mary.«

Gerade wollte Mary in ihr Büro gehen, da schrillte erneut die Sicherheitsglocke am Haupteingang. Es war Peter und Gregor, die, mit einem tapsigen und etwas müden Eindruck, stampfend und keuchend herein kamen.

»Hallo allerseits. Ich hoffe, ihr seid heute alle in bester geistiger Verfassung? Wir haben heute einiges vor.«

Obwohl Peter heute Morgen einige negative Gedanken hatte, war er doch durchaus gut gelaunt. Und das bemerkten auch die anderen. Sogleich machten sich alle an ihre gewohnte Arbeit. Peter ging in sein Büro, setzte sich in seinen Bürosessel und wühlte wie jeden Morgen in dem Wirrwarr seiner Akten und Terminplanungen. Nach seiner Meinung ein durchaus perfektes Ordnungssystem.

»Na, wo ist es denn? ... Ah ja, da haben wir es ja. Der Fall Hübner.«

Dann beugte er sich leicht nach vorne, um an seine Sprechanlage zu kommen, die mit jedem seiner Mitarbeiter verbunden ist und drückte die entsprechende Taste.

»Mary, kommst du mal kurz in mein Büro?«, gab Peter beherrschend von sich.

»Einen Augenblick, Peter, ich komme gleich zu dir.«, erwiderte ihrerseits Mary in die Sprechanlage.

Mary befand sich nämlich gerade in tiefsten Gedanken, um ihre letzten Berichte der Malediven-Aufträge, die sie ergattern konnte, zu archivieren. Also legte sie die Aufträge beiseite und hob ihre Kaffeetasse, um noch schnell und genüsslich einen Schluck daraus zu nehmen. Dann ging sie gemächlich aber dennoch nicht zu langsam aus ihrem Büro, den Flur entlang, wo sich noch immer auf der linken und rechten Seite unzählige Kartons bis hoch zur Decke stapelten, bis vor Peters Büro und blieb vor seiner Tür stehen. Dann ein leises Klopfen an der Türe aus Glas.

»Ja, Mary, komm doch rein.«

Mary trat ein.

»Was gibt es denn, Peter?«, fragte Mary in neugieriger Erscheinung.

»Du, Mary, du weißt doch bestimmt noch, dass wir uns kurz über den Fall Hübner unterhielten, oder?«, kam energisch von Peter.

»Na klar weiß ich das noch, Peter, wieso?«

Mary wusste zwar schon im Vorfeld, was Peter von ihr wollte, dennoch tat sie so, als hätte sie keine Ahnung. So gab sie Peter des öfteren das Gefühl, dass nur er den absoluten Durchblick in diesem Geschäft hatte. Das festigte die regelmäßige Zusammenarbeit und hielt ihn meistens bei Laune.

»Ich dachte mir, dass du die Sache mit Gregor in Angriff nimmst.«

Beide sahen sich nun an, und beide hätten gerne eine ernsthafte Diskussion vermieden. Dennoch schien die momentane Situation es nicht zu erlauben. Ein kurzes Schweigen fiel nun in Peters Büro ein. Dann ein Zucken um Peters Mundwinkel. Mary begann sich ganz leicht auf die Lippen zu beißen.

»Mary, dass du gerne alleine arbeitest, ist mir bekannt. Aber ich bin der Meinung, dass wir Gregor eine neue Chance geben sollten. Seit er einige Aufträge verloren hat, steht es nicht gut um sein Selbstvertrauen. Ich glaube, dass du hierfür die beste Medizin für Gregor bist.«

Peter sah Mary gespannt an und erhoffte sich ein klares Ja von Mary. Doch weit Gefehlt:

»Ich schätze Gregor genau wie du, Peter. Er ist fleißig und ein dufter Arbeitskollege. Aber dennoch habe ich nicht die Zeit, für dich Kindermädchen zu spielen. Ich muss topfit und bei klarem Verstand sein, wenn ich den Fall Hübner an Land fischen soll. Wie soll das gehen? Wie stellst du dir dass vor?«

Selten erlebte Peter seine treue und liebste Mitarbeiterin Mary so in Rage. Es fiel ihm nun sichtlich schwerer, seinen Entschluss aufrecht zu erhalten. Dennoch konnte er nun nicht mehr davon abweichen. Es galt nun, als Chef dieser Agentur sein Gesicht zu wahren und nicht zu verlieren.

»Auch das ist mir bekannt, Marie. Ich weiß auch, dass Gregor kein Fachmann auf deinem Gebiet ist. Tja, und ich schätze, das wird er auch nie werden. Tu mir doch bitte den Gefallen, Mary?«

Mary war baff. In all den Jahren, und das waren bereits etwas über zehn, seitdem sie nun in Peters Firma arbeitete, konnte sie sich nicht daran erinnern, Peter jemals bitten zu hören.

Damit hatte sie natürlich nicht gerechnet. Es gab nur zwei Möglichkeiten, die für Peters plötzliches Verhalten in Frage kamen. Entweder Peter hatte einen kleinen Nervenzusammenbruch, den man in seinem äußerlichem Erscheinungsbild nicht identifizieren konnte, oder es war ein kluger Schachzug von ihm, da das Wort 'bitte' für Peter sonst eigentlich nicht existierte. Na ja, dies und jenes, hin und her, die Runde ging an Peter.

»Nun gut, Peter, du hast mich überredet. Aber mach mir ja keine Vorwürfe, wenn die Story Hübner in die Binsen geht.«, beklagte sich Mary mit leiser Stimme.

Peter hingegen dachte, nein, er wusste es, dass Mary eine kämpferische Natur war. Wie schon einmal angesprochen, hat sie erst einmal eine Geldquelle geschnuppert, ist sie nicht mehr aufzuhalten.

»Mary?«, rief er ihr noch nach, als sie sich schon auf dem Flur befand um in ihr Büro zurück zu gehen.

»Was ist denn noch, Peter?«, gab sie Peter im forschen Ton Antwort.

»Du wirst doch trotzdem dein Bestes in diesem Fall geben oder?«

Mary warf Peter einen Blick zu, aus dem er sich diesmal keinen Reim machen konnte. Dann setzte sie ihren kurzen Weg durch den Flur zu ihrem Büro fort.

Peter saß tief gesenkt und in gekrümmter Haltung in seinem Bürosessel. Er schwenkte sich mit dem Sessel mal nach links, mal nach rechts und starrte dabei auf die Decke. Dann hielt er plötzlich mit dem Schwenken seines Sessels inne. Eine Fliege hatte sich in einer Spinnwebe verfangen. Sie zappelte und rankte sich wie wild in diesem seidig schimmernden Geflecht, das aus unzähligen Quadraten zu bestehen schien. Verzweiflung, so dachte er sich. Absolute Angst. Er dachte noch, dass er, wenn er nur wollte, dieses kleine Geschöpf retten konnte. Doch warum tat er es nicht? Ja, so dachte er, warum rette ich diese kleine Fliege nicht? Er wusste die Antwort schon im Vorfeld. Weil diese Welt knallhart ist, und nur, ja absolut nur die Stärksten können in dieser Welt überleben.

»Mist, diese Weiber.«, dachte sich Peter etwas verärgert.

Während Peter sich in diesem Augenblick der Muße alles Seins hingab, bereitete sich Mary schon auf ihre Abreise vor. Auch Gregor fing schon kräftig in seinem Büro zu werkeln und zu hantieren an. Natürlich behielt Peter Recht, dass Mary alles versuchen würde um die Familie Hübner für die Sache zu überzeugen. Jeder Auftrag wurde für Mary eine persönliche Angelegenheit. So sehr nahm sie jeden Fall ernst. Und sie wusste auch, dass sie hierfür gute Aussichten hatte. Dennoch bekam sie kein gutes Gefühl, dass sie mit Gregor zusammenarbeiten musste. Persönlich hatte Mary natürlich nichts gegen Gregor. Doch ihr bisheriges Motto war nun mal, alleine zu Arbeiten. Dabei konnte sie sich voll auf ihre Aufgaben konzentrieren, ohne dass irgend jemand ihre Entscheidungen beeinflussen würde. Nun denn, ein Trostpflaster blieb ihr bei diesem Auftrag dennoch. Es war ja in diesem Fall nur das eine Mal. Mary beschloss schon, während sie ihre Minikameraausrüstung überprüfte und begann einzupacken, dass sie ihren nächsten Fall wieder alleine bestreiten würde, und das auf Biegen und Brechen, koste es, was es wolle. Wie schon ausgesprochen, befand sich Mary gerade beim Zusammenstellen diverser Dinge, als sie bemerkte, dass Gregor in der Tür stand und sie zu beobachten schien.

»Na, Gregor, hast du denn nichts Besseres zu tun, als mich zu beobachten?«

»Entschuldige, Mary, ich wollte dich bei deinen Vorbereitungen nicht stören.«, gab Gregor kleinlaut wirkend von sich.

»Und, was willst du?«, gab Mary etwas genervt von sich.

»Mary, ich... ich kann mir gut vorstellen, dass du nicht gerade begeistert von Peters Idee bist, mit mir den Fall Hübner zu lösen.«

Dann schwieg sich Gregor aus. Anscheinend erwartete er eine für ihn positive Reaktionen seitens Mary's.

»Ja, und weiter?«, wiederholte sich Mary.

»Nun... ich wollte dir nur sagen, dass ich mein Bestes für dich und die Agentur geben werde.«

Mary begann der Kragen zu platzen. Genau diese Art von Schleimerei hasste sie an Gregor. Schon jetzt begann er, nur für sich zu arbeiten. Zu denken, dass er irgendwie von ihr etwas lernen konnte. Wovon er sowieso nicht im Geringsten eine Ahnung hatte. Nein, er machte nicht im Geringsten irgendwelche Anstalten, Mary das Gefühl zu geben, dass sie die absolute Meisterin sei, was ja auf diesem Gebiet nicht einmal übertrieben war.

»Gregor, wie kommst du darauf, dass du dein Bestes geben wirst. Dein Bestes, wovon denn?«, kam als Rüge von Mary.

»Ich verstehe nicht ganz, was du meinst, Mary?«

»Ich kann dir schon sagen, was ich damit meine. Ich meine, was maßt du dir überhaupt an. Du kannst mir vorerst überhaupt nicht behilflich sein. Dazu braucht man jahrelange Erfahrung. Mag ja sein, dass du ein Fachmann auf deinem Gebiet bist. Grundgütiger, auf meinem Gebiet bist du kein Fachmann. In meinem Gebiet bist du ein ausgesprochener Leie. Das soll absolut keine Beleidigung sein.« Mary befand sich nun auf Hochspannung.

»Sicher hast du Recht, Mary.«

»Und ob ich Recht habe, Gregor.«

»Ja, aber was kann ich denn dann dabei tun. Ich meine, wie soll ich denn meinen Beitrag in diesem Fall beisteuern?«, machte sich Gregor zunehmend Gedanken.

»Tja, es wird das Beste für uns beide sein, dass du mir erst einmal bei meiner Art zu Arbeiten zusiehst. So lernst du am schnellsten. Kein Dazwischenreden, wenn ich mit dem Kunden verhandle. Du machst sozusagen überhaupt nichts, ohne es vorher mit mir abgesprochen zu haben. Ich hoffe, dass du mich in dieser Sache klipp und klar verstanden hast, Gregor?« Ja, so war Mary nun mal. Sie sagte immer das was sie dachte und das ohne Wenn und Aber.

Ein harter Satz, den sie da gegen Gregor aussprach.

Gregor wurde blass wie ein schneeweißes Laken, das gerade gebleicht wurde. Er fühlte sich von Mary wie ein kleines Kind behandelt. Natürlich konnte er jetzt Einwände erheben, doch dann musste er damit rechnen, dass ihm die einmalige Gelegenheit, sich seinem Chef zu beweisen, verloren ging, was Gregor enorm wichtig war. Also hielt er es für das Beste, einfach seinen Mund zu halten. Denn Gregor glaubte sich sicher, dass er irgendwann einmal in Position eins an Peters Seite stehen würde. Das war sein Ziel und davon wich er niemals ab. Insgeheim wussten das nicht nur Mary, sondern auch Susanne. Nur einer schien davon keinen blassen Schimmer zu haben, oder er tat zumindest so. Nämlich Peter.

Eine Weile war vergangen. Mary und Gregor hatten alles beisammen, was sie für den Trip nach Rednitzkleineck zu der Familie Hübner brauchten. Jetzt warteten sie in ihrem Büro auf das Startzeichen von Peter. Peter saß noch immer mit Blick auf die Decke, bis er blitzschnell aus seinem Sessel hochfuhr und auf seine Armbanduhr starrte.

»Mann, ist das schon spät. Ich geh mal zu Susanne rüber.«

Dann marschierte er den Flur entlang, direkt zu Susannes Büro, wo er vor ihrer Tür stehenblieb und anklopfte.

Susanne beschäftigte sich gerade mit ihrem Terminplaner, der auf ihrem Computer installiert war, als sie Peters Klopfen hörte.

»Ja, herein, wer auch immer.«

»Susanne, konntest du den Termin mit den Hübners klarmachen?«

»Tut mir leid, Peter, aber sie befinden sich offenbar nicht zu Hause. Hab mehrmals versucht sie anzurufen.«

»Mist, auch das noch, ich glaube die schalten auf stur. Oder was meinst du, Susanne?«

»Ja, Peter, ich glaube du hast Recht. Aber was soll man da schon machen?«

»Na ja, Susanne, ich dachte nur, dass es für Mary und Gregor angenehmer wäre, wenn sie bei der Ankunft bei den Hübners willkommen wären. Tja, da kann man wohl nichts machen, da muss man halt mit härteren Bandagen aufwarten.«

»Klar, Peter, wird wohl nicht anders möglich sein. Mach dir keine Sorgen, Mary wird es schon richten. Du kennst sie ja, oder?«

» Ach, Susanne, wenn ich doch nicht alles verbockt hätte. Dieses eine Mal bin ich mir nicht so sicher. Ob du Recht hast, wird sich ja im Laufe des Tages herausstellen.«

»Klar habe ich Recht. Wirst schon sehen.«

Wie schon so oft bemerkte Susanne, dass Peter sich wieder einmal um alles Sorgen zu machen schien. Was sollte sie da schon tun. Mehr als ihn etwas aufzuheitern war da nicht möglich. Dann ging Peter zu Mary ins Büro.

»Na, wie geht es voran. Wie ich sehe, hast du schon alles beisammen, was du für den Fall Hübner so brauchst, Mary?«

»Ja, das habe ich, Peter.«

»Du Mary, ich wollte dir nur sagen, dass Susanne die Hübners nicht erreichen konnte. Du musst sehen, wie du an sie rankommst.«

»Ist mir bereits bekannt, Peter, hab auch schon ein paar mal angerufen, geht aber keiner ran. Na ja, ich und Gregor werden uns wohl irgendwo in dem Ort ein Zimmer nehmen müssen.«

»Ja, meinst du, dass es so lange dauern wird, um sie für uns zu gewinnen?«

»Aber Peter, ich kann doch nicht so mir nichts dir nichts an die Tür klopfen, 'Hallo' sagen und den Namen unserer Agentur preisgeben. Nach allem was zwischen dir und den Hübners vorgefallen ist. Die knallen mir doch glatt die Türe vor der Nase zu. Und was dann?«

Peter sah Mary an und begriff sehr schnell, dass dieser Fall sogar für Mary eine harte Nuss werden wird.

»Ja, Mary, das hatte ich gar nicht bedacht. Sicher hast du Recht. Du wirst das schon irgendwie machen...«

Und Peter faselte und faselte und merkte nicht einmal, dass er Mary so allmählich auf die Nerven ging.

»Peter, du machst mich noch ganz nervös. Lass mich ruhig machen. Ich fahre jetzt mit Gregor erst einmal zu diesem Kaff. Mir wird dann schon etwas einfallen. Okay, Peter?«

»Ja sicher, Mary, ich meinte ja nur.«

Mary sah, wie Peter schmollte, was ihr ja auch nicht genehm war.

»He, Peter, mach dir keine Sorgen. Ich werde dir den Fall schon an Land ziehen.«

Peter fiel nicht gerade ein Stein vom Herzen, aber dennoch beruhigten ihn Marys Worte.

»Ach, noch etwas, Peter, ich werde mit Gregor noch schnell bei mir zuhause vorbeifahren, bräuchte dringend noch ein paar Kleidungsstücke zum wechseln. Und rufe mich nicht ständig auf meinem Handy an. Sobald sich etwas entschieden hat werde ich dich sofort benachrichtigen. So, also, dann mach's gut, mein Schnuckelchen und bis auf bald.«

Mary ließ Peter einfach stehen und ging in den Flur, rief nach Gregor, der aus seinem Büro gerannt kam, voll gepackt mit allerlei Sachen, wie eine von der Katze gejagte Maus. Und Mary ging nun voran zum Ausgang, gefolgt von Gregor, der stolpernd, ja fast tapsig wirkend hinter ihr her eilte. Dann ein Leuten der Sicherheitsklingel an der Außentür, die auch beim hinausgehen läutete, und fort waren die beiden. Peter guckte nicht schlecht über die Gewandtheit seiner Mitarbeiter.

Dann ging Peter wieder in sein Büro zurück.


*
 

Sarah Hübner saß in ihrem Zimmer, die endlose Warterei auf dem Speicher an der Radioteleskopanlage langweilte sie allmählich, vor allem weil sich keinerlei Reaktion auf den gesendeten Impuls zeigte. Deshalb verlegte ihr Vater einen Lautsprecher direkt in ihr Zimmer. Wenn dieser Impuls auf irgendetwas stoßen sollte, konnte sie dieses Signal zumindest hören. Sarah würde es dann sofort ihrem Vater melden, der natürlich geschwind auf den Speicher eilen würde, um die genaue Position zu ermitteln. Sarah schob sich mit ihrem Rollstuhl zu dem erhöhten Podest, um mal wieder nach ihrem kleinen Buntspecht Ausschau zu halten. Wieder einmal und wie von selbst, wandte sich ihr Blick zu der kleinen Sitzbank an dem Bahnhofshäuschen, von wo die Katja Moser quasi vor ihrem Fenster entführt worden war. Noch immer quälten Sarah viele Fragen und Vorwürfe. Vor allem, ob es nicht doch noch im Nachhinein eine Möglichkeit gäbe, dem armen Mädchen zu helfen. Womöglich ist etwas auf ihrem Beweis-Video zu sehen, was sie noch außer Acht gelassen hatte.

»Sich immerzu Selbstvorwürfe zu machen, bringt mich ja auch nicht weiter.«, dachte sich noch Sarah.

»Weshalb bin ich nun eigentlich ans Fenster? Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Wollte doch nach meinem kleinen Piepmatz sehen.«

Und Sarah begann, ihren ganz speziellen Pfeifton zu fabrizieren. Sarah sah sich fieberhaft nach ihrem kleinen Freund um, doch weit gefehlt. Nichts war von ihm zu sehen.

»Möchte zu gerne wissen, wo sich dieser kleine Racker mal wieder herumtreibt. Hoffentlich ist ihm nichts passiert. Nun, bis jetzt ist er ja immer wiedergekommen.«, übte sich Sarah vor Langeweile im Selbstgespräch.

Sie suchte noch eine Weile mit ihrem Fernglas, das immer in Reichweite auf der inneren Seite des Fensterbrettes stand, die ihr vertraute Umgebung ab, als sie plötzlich einen ihr völlig fremdartigen Ton vernahm. Wie von selbst und absolut zielsicher starrte sie auf den Lautsprecher, den, wie schon angesprochen, ihr Vater vor geraumer Zeit in Verbindung mit der Radio-Teleskopanlage auf dem Speicher zu ihr ins Zimmer verlegt hatte.

Sarah drehte sich mit akrobatischer Meisterleistung, und das auch noch aus dem Stand, mit ihrem Rollstuhl in Richtung Lautsprecher, von wo dieser eigenartige und mysteriöse Ton herkam. Dann rollte sie geschwind das kleine Podest herunter bis hin, wo der Lautsprecher stand. Im nächsten Augenblick lehnte sie sich mit ihrem ganzen Oberkörper zu dem Lautsprecher hin, so dass sie fast mit ihrem linken Ohr an den Lautsprecher anstieß. Eindeutig kam dieser eigenartige Ton von ihrem Lautsprecher. Sarah blieb fast das Herz stehen. Ihr Puls schlug wie wild. Ihre Hände begannen zu zittern. Dann musste Sarah nachdenken, was sie mit ihrem Vater in diesem Falle ausgemacht hatte. Sie wollte Schreien. Doch vor Aufregung brachte sie in diesem Moment keinen einzigen Ton heraus. Ruhig Blut, dachte Sie, dann folgte ein Aufschrei. Die Folge davon war nicht zu übersehen. Ihr Vater kam mit einem Gepolter die Treppen heruntergestürzt als ginge es um Leben und Tod.

»Was ist, Sarah?«, kam als erste Reaktion von ihm.

»Papa, hör doch mal, der Lautsprecher...«

Ihr Vater staunte nicht schlecht, denn insgeheim dachte er sich, als er die Anlage auf dem Speicher montierte, dass es sowieso aussichtslos sei, jemals irgendein Zeichen aus dem so unendlichen Universum zu empfangen. Was sollten schon er und seine Tochter erreichen, wo sämtliche Raumfahrtbehörden mit ihren gigantischen Teleskopen nichts hörten, die sage und schreibe dreißig bis vierzig Meter Durchmesser hatten und um ein vielfaches mehr an Kapazität boten, als diese kleine Amateuranlage, die auf ihrem Speicher stand. Ganz behutsam ging Stephan um seine Tochter herum und bückte sich tief mit seinem Kopf zu dem Lautsprecher, aus dem der besagte Ton kam. Plötzlich und wortlos erhob sich Stephan, ging wieder um Sarah herum und sauste wie von einer Tarantel gestochen die Treppen hoch. Weg war er. Sarah kam nicht mehr zu Wort, so schnell war ihr Vater entschwunden. Aber dennoch wusste Sarah, was ihr Vater nun vorhatte. Bestimmt befand er sich nun in dem Versuch, dieses Signal zu orten und abzuspeichern. Nun hieß es für sie abzuwarten. Bange Minuten standen nun zwischen Sarah und dem Ergebnis. Sarah begann, vor lauter Neugier auf ihre Lippen zu beißen. Sie faltete und knetete ihre Finger zusammen, als wolle sie einen Knoten daraus machen. Ein Fingerspiel, das einen Beweis ihrer Nervosität wiederspiegelte. Es war kaum zu ertragen. Wo bleibt er nur, dachte sich Sarah. Doch es half nichts. Sie musste sich in Geduld üben.

Währenddessen auf dem Dachboden, also auf dem Speicher:

Stephan saß längst vor dem Monitor und gab wie ein Besessener Befehle zur Identifizierung des Ausgangspunktes des vermeintlichen Signals in den Computer ein.

»Na komm schon. Sag mir, woher kommst du, kleines Signal?«

Und Stephan tippte und tippte immer wieder das gleiche ein, bis schließlich das Signal immer deutlicher wurde. Stephan richtete durch Eingabe in den Computer seine Radioteleskopschüssel, die auf dem Dach des Hauses installiert war, in Richtung des Signals aus. So bekam er genauere Daten und hörbar bessere Signale. Stephan wurde kreidebleich, als er auf seinen Monitor starrte und den Signalstreifen in Richtung einer der simulierten Galaxien auf seinem System verfolgte. Dieser Signalstreifen zog seine Bahn zu einem Sternensystem, das wir im allgemeinen als Andromedanebel bezeichnen. Dieser Nebel befand sich 2,7 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und erstreckte sich 160 000 Lichtjahre lang in seiner Ausdehnung. Ja, dieser so unendlich weit weit entfernte Andromedanebel beinhaltete Milliarden von uns noch unbekannten Sternen. Stephan war baff, als der Signalstreifen auf dem Monitor sich in den Weiten des Andromedanebels verlor. Keinerlei Standorte, von wo er kam oder wo er auftraf lieferten einen Beweis seiner genauen Herkunft in diesem Sternennebel. Stephan war sichtlich enttäuscht. Dennoch gab es für ihn keinen Zweifel und somit nur zwei Möglichkeiten. Die erste wäre, dass ihr eigener Impuls, den Stephan mit seiner Tochter aussendete, auf irgend etwas aufprallte und somit zurückkam und dabei diese Daten vom Andromedanebel sendete. Und zum zweiten, dass dieses Signal außerterrestrischen Ursprunges war. Nur eines von beiden kam für Stephan in Frage und konnte logisch eingeordnet werden. Stephan beschloss trotz alledem, diese ganze Aktion auf einer Diskette abzuspeichern, was er auch sogleich in Angriff nahm. Erst drückte er auf seiner Tastatur die Speichertaste und ging in Flotten Schritten nach unten in seinen Arbeitszimmer, wo der Rechner stand, nahm eine Diskette, führte sie in das dazugehörende Diskettenfach und schon ging es los. Zwar war dies ein bisschen umständlich, aber dennoch effektiv. Stephan brauchte den Rechner genauso in seinem Arbeitszimmer wie eigentlich auch auf dem Speicher für die Radioteleskopanlage. Also dachte er sich, dass er den Rechner im Arbeitszimmer ließ und dennoch für die Tastatur und das bis in den Speicher, um Befehle eingeben zu können, eben eine Verlängerung anzulegen. Das gleiche galt auch für den Monitor und sonstige Utensilien, die für das gesamte System von Wichtigkeit waren. Das war früher sein Hobby. Da kamen in ihm alte Zeiten hoch. Damals, so dachte sich Stephan, gab es auch schon einiges an elektronischen Geräten für sein Hobby, aber was der Jugend heute zu Verfügung stand, war schon enorm. Ja es war außergewöhnlich. Als er alles was ihm wichtig erschien, auf der Diskette gespeichert hatte, fiel ihm etwas ganz bedeutendes ein. Normalerweise konnte der Impuls, den er und Sarah aussandten, in so kurzer Zeit ja gar nicht so weit entfernt sein und schon gar nicht 2,7 Millionen Lichtjahre. Denn schneller als das Licht war der Impuls ja auch nicht unterwegs. Und wenn der Andromedanebel 2,7 Millionen von Lichtjahren von der Erde entfernt war, konnte sich dort der Impuls ja nicht reflektieren. Eigentlich wollte Stephan und seine Tochter sich nur in der Nähe, also im Orbit des Mondes umhören. Also, wie konnte sich dann der Impuls, den sie aussandten, in so kurzer Zeit im Andromedanebel befinden. Nach menschlichem und wissenschaftlichem Ermessen ein Ding der Unmöglichkeit. Stephans Gefühle sagten ihm, dass einiges seit dem Verschwinden von Katja Moser nicht mit rechten Dingen zuging. Was genau sollte er seiner Tochter nun mitteilen, denn er konnte sich vorstellen, dass Sarah im Augenblick wie auf heißen Kohlen saß und vor Aufregung nur so herumzappelte. Nun denn, nachdem Stephan die Diskette wieder aus dem Schacht des Rechners herausnahm, ging er wieder zu seiner Tochter nach unten.

»So, Sarah, du hattest Recht. Unser abgeschickter Impuls ist vermutlich auf irgendetwas gestoßen.«

»Auf irgend etwas?«, wiederholte Sarah erstaunt.

»Ja, Kleines, auf irgend etwas. Ich kann dir nur nicht sagen, auf was da unser Impuls stieß. Wie soll ich es dir nur erklären?«

Sarah begriff nun überhaupt nichts mehr. Und wieso tat plötzlich ihr Vater so geheimnisvoll.

»Papa, du verbirgst doch etwas vor mir. Willst du mir nicht sagen, was es ist.?«

»Aber nein, Sarah, ich verberge vor dir doch nichts. Lass mich doch bitte erst einmal nachdenken, wie ich am besten beginne.«

So gut er es vermochte, versuchte Stephan seiner Tochter über sein gerade erlebtes Bericht zu erstatten. Und als es vollbracht war, staunte Sarah nicht schlecht.

»Ach du meine Güte, Papa, was machen wir denn jetzt. Ich meine, mit der Diskette können wir doch im Endeffekt ja auch nicht viel anfangen, anscheinend hat sich in deinem System irgendein Fehler eingeschlichen. Oder was meinst du dazu, Papa?«

Eine durchaus berechtigte Frage die da von Sarah kam.

»Daran hatte ich auch sofort gedacht, aber glaube mir, Sarah, das kann überhaupt nicht sein. Weißt du, ich kenne mich mit diesem System hervorragend aus, einen Fehler im System schließe ich aus. Ich habe alles doppelt und dreifach überprüft.« Sarah überlegte eine kurze Weile.

Sie wollte alles an Fehlern ausschließen, um am Ende eine klare Antwort zu bekommen.

»Aber Papa, das kann doch nicht sein, dass unser Signal so unglaublich schnell ist. Ich meine überlege doch mal, ein Impuls der eigentlich über zwei Millionen Lichtjahre unterwegs sein müsste, kann doch nicht in so wenigen Stunden angekommen und zurückgesendet worden sein, oder? Außerdem wollten wir ja nur in der Nähe des Mondes herumschnüffeln.«

»Sarah, das weiß ich selbst. Ich kann mir das auch nicht erklären. Am System kann es nun mal nicht liegen. Davon bin ich fest überzeugt. Weiß der Kuckuck, was da vor sich geht. Ich begreife so langsam gar nichts mehr. Das ergibt doch alles keinen Sinn.«, eschoffierte sich der Papa.

Sarah dachte genauso wie ihr Vater. Und dennoch befand sie sich auf einer geistigen und kindlichen Ebene, wo es keine Grenzen von Fantasie und Wirklichkeit zu geben schien. So wie bei allen heranwachsenden Teenagern in ihrem Alter.

»Und was tun wir jetzt, Papa?«, fragte Sarah besorgt nach.

»Ehrlich gesagt, das einzige was wir jetzt tun können, ist, dass wir ab und an neue Impulse senden. Vielleicht hat sich doch ein Fehler in unser System eingeschlichen und ich komme nur nicht drauf. Das wäre zumindest eine Erklärung. Obwohl ich es immer noch nicht glauben kann, dass es daran liegen soll. Ja, gleich Morgen früh werde ich einen neuen senden.«

»Ja, Papa, ich glaube du hast Recht. Es wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als zu warten. Trotzdem schade, dass wir nicht fündig geworden sind.«, jammerte Sie.

»Ja, zu schade. Doch für den Augenblick können wir nichts mehr tun.«

»Ach, fast hätte ich es vergessen: Morgen kommt wieder deine Lehrerin, die Hansen, dass du mir ja den Mund hältst, du kennst sie ja, die gute Seele.«

Und ob Sarah ihre Lehrerin kannte.

»Also, Papa, glaubst du ich bin verrückt geworden? Ich werde doch nicht so dumm sein und der Frau Hansen von unserem Geheimnis erzählen. Die bringt es glatt fertig und bekommt vor mir eine Herzattacke.«

»Klar, Sarah, und wenn keinen Herzanfall, dann zumindest einen Tobsuchtsanfall. Darauf können wir beide uns verlassen. Deshalb absolutes Schweigen ist in diesem Fall angesagt.«

»Aber klar doch, Papa, kannst dich hundertprozentig auf mich verlassen.«

»Nun gut, Sarah, dann werde ich jetzt in mein Arbeitszimmer gehen und noch etwas arbeiten. Wenn du mich brauchst, rufst du mich, okay?«

»Natürlich, Papa, mach dir keine Sorgen. Ich werde noch etwas lesen.«

»Ja, tu das, ist ne prima Idee.«

Und Stephan ging ganz gemächlich, vollgestopft mit wirren Gedanken, die Treppen in sein Arbeitszimmer hoch. Sarah saß noch eine Weile nachdenklich und regungslos in ihrem Rollstuhl.

In Stephans Büro:

Stephan lief schon einige Minuten in seinem Arbeitszimmer hin und her. Eigentlich hatte er ne Menge Arbeit, sprichwörtlich Arbeit über beide Ohren. Doch konzentrieren konnte er sich nicht. Selbständig zu sein forderte ständig Flexibilität und einen guten Draht zu einem umfangreichen Kundenstamm. All dies besaß Stephan. Und bis jetzt tat er alles, um sein Geschäft aufrecht zu erhalten. Doch für heute hatte er gewissermaßen die Faxen dicke, also die Schnauze gestrichen voll. Die letzten Ereignisse wollten und wollten nicht aus seinem Kopf heraus. Immer und immer wieder kehrten sie zurück, nisteten sich förmlich in seinen Gedanken ein. Erst die Entführung der Katja Moser und dann noch das Wunder mit ihrem gesendeten Impuls, der plötzlich quasi in nur wenigen Stunden einen Zeitsprung von über 2 Millionen Lichtjahre machte, in dem Andromedanebel verschwand und ein paar Stunden später wieder in seine Anlage zurück kehrte. Stephan machte sich Sorgen. Bis jetzt konnte er selbst die härtesten Schicksalsschläge nicht aus seiner Lebensphase herausreißen. Dennoch, die letzten Tage und die damit verbundenen Erlebnisse gaben ihm den Rest. Er ging ans Fenster und beobachtete das flinke Treiben einiger in diesem Ort ansässiger Jungs, die wie wild mit einer leeren Dose auf dem Fußgängerasphalt umherspielten. Stephans Fenster befand sich im Gegensatz zu Sarahs Fenster auf der Vorderseite.

»Mist, was ist nur mit mir los. Kann mich kaum noch konzentrieren. Muss ruhiger werden.«

Stephan dachte an Peter Lenz Worte, dass ihm früher oder später - wenn er den Fall gelöst wissen will - nichts anderes übrig bleiben wird, ihn oder irgendeinen Fachmann hinzuzuziehen. Und jetzt im Nachhinein dachte sich Stephan, dass er und seine Tochter, vielleicht doch etwas voreilig handelten und dass Peter Lenz nicht einmal so unrecht hatte. Er und Sarah waren erst am Anfang und sahen sich schon jetzt am Ende ihrer Kunst. Es musste etwas geschehen und das sehr schnell. Eher fanden er und seine Tochter sowieso keine Ruhe.

Ich muss mit Sarah reden, dachte sich Stephan. So kann es doch nicht weitergehen. Vielleicht sollten wir doch diesen Herrn Lenz eine Chance geben und vielleicht ergibt sich ja doch noch eine Möglichkeit, dieser Katja Moser zu helfen. Kaum ausgesprochen, begab sich Stephan zu seiner Tochter um ihr seinen Vorschlag zu unterbreiten.

»Na, Kleines, wie fühlst du dich?«, leitete Peter sein Gespräch ein.

»Ach Papa, mir geht halt dieses Mädchen, die Katja, nicht aus dem Sinn. Mir tut sie so leid. Ich komme mir so hilflos vor.«

»Ich kann dir nachempfinden, wie du dich fühlst. Mir geht es genauso.«

»Weißt du, es macht mich fast ohnmächtig, nichts tun zu können.«, klagte Sarah.

»Tja, Sarah, das ist auch der Grund, warum ich mit dir reden möchte. Ich hätte da einen Vorschlag.«, begann ihr Vater mit einem leicht ironischen Unterton.

»Da bin ich aber gespannt, Papa.«

»Ich dachte mir, dass wir vielleicht doch zu voreilig diesen Peter Lenz aus dem Haus geschmissen haben. Du siehst ja selbst, dass wir mit unseren Methoden keinen Schritt vorankommen. Oder was meinst du, Sarah.«

»Ja, Papa, ehrlich gesagt hatte ich da auch schon dran gedacht. Du weißt ja, dass der Lenz an die Öffentlichkeit gehen will?«

»Ja, Kleines, das ist mir schon klar. Wir werden diesen Herrn der außergewöhnlichen Fälle wohl oder übel ein paar festgelegte Punkte vorlegen müssen.«, stellte Stephan fest.

»Papa, und das heißt?«

»Na das heißt, dass wir ihm vertraglich klarmachen, was er darf und was nicht.«

»Kann man denn so etwas vertraglich absichern, Papa?«, fragte nun Sarah von der Neugier gepackt.

»Oh liebes, du kannst dir gar nicht vorstellen, was man alles vertraglich vereinbaren kann.«, ja, da lag Sarahs Vater nicht einmal so falsch.

»Du, Papa, und wenn sich der Herr Lenz nicht an die vertraglich abgesicherten Abmachungen hält, was dann?«, eine durchaus berechtigte Frage die da von Sarah kam.

» Dann werden wir ihn verklagen bis ihm die Luft ausgeht. Und eines kannst du mir beruhigt glauben, bevor dieser Herr einen Haufen Geld zahlen muss, und ich werde ihm jeden Cent den er besitzt abnehmen, wird er es sich drei mal überlegen, uns zu hintergehen.«, verkündete Stephan sehr stolz.

» Mann, Papa, was du so alles weißt. Ich hoffe aber, dass wir damit keinen Fehler begehen?«

Ihr Vater fühlte sich bei diesem Gedanken nicht sehr wohl. Dennoch suchte er ein baldiges Ende dieser so komplizierten und geheimnisvollen Ereignisse.

»Ich kann dich gut verstehen, Sarah, ganz wohl ist mir dabei auch nicht.«

Sarah und ihr Vater besprachen noch einige Punkte und kamen zu dem Entschluss, dass es doch besser für alle Beteiligten wäre, einen neuen Anfang zu wagen. Gleich am nächsten Tag wollte Stephan in der Agentur anrufen und ein neues Zusammentreffen arrangieren. Was die beiden natürlich nicht wissen konnten, ist, dass sich Mary Ritley und Gregor Wagner längst auf dem Weg zu ihnen befanden.


*

Zur gleichen Zeit in einem Auto auf der Autobahn in Fahrtrichtung Rednizkleineck:
 

Mary saß neben Gregor, der gut gelaunt und leise pfeifend hinter dem Steuer saß. Mary hingegen kramte und wühlte nach ihren Zigaretten und einem Feuerzeug. Als sie endlich fündig wurde, steckte sie sich eine davon an.

»Mary, seit wann rauchst du denn? Das sehe ich ja das erste mal an dir?«, erkundigte sich Gregor erstaunt.

»Ich denke, Gregor, dass du dich um deine eigenen Sachen kümmern solltest.«

»Entschuldige bitte, Mary, man wird doch noch mal fragen dürfen oder?«

»Ja, schon gut, Gregor, beruhige dich.«

Ja, es war nicht zu übersehen, dass beide angespannt waren. Kein Wunder, denn Mary und Gregor hatten keine leichte Aufgabe vor sich. Auch sie konnten natürlich nicht wissen, dass es sich die Hübners anders überlegt hatten und sich mit der Agentur gütlich einigen wollten.

Nach weiteren Minuten Fahrt bemerkte Mary, dass Gregor sie irgendwie zu mustern schien. Was ihr nicht im Geringsten behagte.

»Sag mal, brauchst du vielleicht ein Passbild von mir, Gregor?«

»Du, Mary, glaubst du, dass wir diesen Auftrag an Land ziehen können?«

»Wie kommst du denn darauf, dass wir es nicht schaffen könnten?«, hakte Mary entschlossen nach.

»Nun, ich sehe doch, dass du ziemlich nervös bist.«

»Da mach dir mal keine Sorgen, bis jetzt hab ich noch immer jeden Auftrag an Land gezogen. Es war zwar nicht immer leicht, das muss ich zugeben, und manche schienen schon verloren zu sein, aber gerade in diesen Augenblicken fiel mir dann doch die rettende Idee ein.«

... und wie recht Mary damit hatte.

»Wenn es so leicht ist, warum bist du dann so nervös, Mary?«

Mary begann, sich langsam aber sicher über Gregor zu ärgern.

»Sag mal, Gregor, was ist denn mit dir los? Ich habe das dumpfe Gefühl, dass du mich ärgern willst.«

»Aber nicht doch, Mary, ich meinte ja nur.«

»Natürlich ist man vor jedem neuen Auftrag nervös und zappelig. Das ist ja gerade das Aufregende an diesem Beruf. Oder findest du deinen heutigen Ausflug etwa langweilig, Gregor?«

»Langweilig? Ne, langweilig gerade nicht, aber dennoch ein bisschen gemütlich.«

»Ach, Gregor, du bist mir schon einer. Na ja, was soll es, du wirst es nie begreifen, worauf es hierbei ankommt. Mary hatte da nicht einmal so unrecht. Sie spürte, ja sie wusste ganz genau, dass Gregor zwar auf einen Erfolg bei dieser Geschichte der Hübners scharf war, aber dennoch aus nur einem Grund: Gregor wollte Eindruck bei Peter schinden. So ungefähr wie: Einmal dabei und schon Erfolg. Ja, Gregor wusste auch, dass Mary ein Ass in ihrem Fach war und dass er da nicht viel an Arbeitseifer mitbringen musste. Dass er sich an ihren Lorbeeren bereichern wollte. Aber da hatte er bei Mary aufs falsche Pferd gesetzt. Mary hatte da schon eine Idee, wenn der Fall abgeschlossen ist, die er in seinem Leben nicht vergessen sollte. Wie schon gesagt, sie hatte nichts gegen Gregor. Dennoch, sich auf ihre Kosten gütlich zu tun konnte Mary beim besten Willen nicht zulassen. Kommt Zeit, kommt Rat, dachte sich noch Mary. Wenn es so weit ist, wenn es so weit ist. Ja, es kommt der Tag. Mary und Gregor fuhren noch den Rest der Autobahn schweigend, bis sie dann die Ausfahrt Richtung Rednizkleineck nahmen und auf der Landstraße weiterfuhren. Gelangweilt beobachtete Mary die ländliche Umgebung, die sich ihr darbot. Dann schrillte ihr Handy, das sich in ihrer Handtasche befand. Flink wie ein verstohlener Taschendieb griff Sie hinein, wühlte sich bis zu dem nervtötenden Apparat, der sich irgendwo zwischen Lippenstift und Makeup, Puder und sonstigem Zeug, das Geschäftsfrauen für den Alltag so nötig hatten - versteckte.

»Ja, Mary Ritley hier?«, gab Sie von sich.

»Mary, ich bin es, Peter.«, gab er wie immer Nervös an.

»Ah... Peter, du, was gibt's denn? Ist was geschehen?«, fragte sie verwundert.

»Was? Aber nein, es ist alles in Ordnung. Ich wollte mich nur erkundigen, ob ihr beide schon angekommen seid.«, fragte er.

»Nein, Peter, aber es kann nicht mehr lange dauern.«

»Nun gut, Mary, dann wünsch ich euch beiden viel Erfolg.«

»Ja, danke Peter. Ach was ich noch sagen wollte, Gregor und ich, wir suchen uns erst mal ne Bleibe. Heute wird sowieso nichts mehr daraus, es ist schon sehr spät geworden. Ich hoffe, du bist damit einverstanden?«

»Klar doch, Mary, das ist kein Problem, das setze ich von der Steuer ab. Und noch etwas, wenn ihr irgendetwas braucht, ruft mich an, Okay Mary?«

»Ist gut, Peter, also dann, drücke uns für morgen die Daumen. Machs gut und auf bald.«

Und Mary beendete das Gespräch, legte das Handy wieder in die Handtasche und schmiss diese in einem Schwung auf den Rücksitz. Dann folgte von Gregor ein zynisches »Was?«

»Was meinst du mit 'was'?« fragte Mary völlig verblüfft.

»Na, ich meine: Was hat er gesagt?«

»Hat wer gesagt?«, natürlich wusste Mary genau, was Gregor meinte, der vor Neugier zu platzen drohte.

»Na, ich meine Peter, was hat er denn gewollt, Mary?«

Mary machte es sichtlich Spaß, Gregor auf die Palme zu bringen. Irgendwie, so schien es, bahnte sich zwischen den beiden ein kleiner Privatkrieg an.

»Ach, Gregor, ich bin doch nicht deine private Berichterstatterin.«

Jetzt schien Gregor sich nicht mehr beherrschen zu können und fing laut zu fluchen an.

»Verdammt noch mal, verdammt, verdammt. Kannst du mir mal sagen, Mary, was verdammt noch mal mit dir los ist?«

Und Mary schien seine Aufregung zu genießen.

»Ich weiß nicht, was du meinst, Gregor?«

Um das Fass noch zum Überlaufen zu bringen, stellte sich Mary dumm.

»Das weißt du ganz genau. Ich möchte jetzt wissen, was du plötzlich gegen mich hast.«, schrie Gregor Mary lauthals an.

»So, du möchtest also wissen was ich gegen dich habe?«, konterte Mary zurück.

»Ja, ich möchte es jetzt wissen?«, stellte Gregor ihr ein Ultimatum, so hörte es sich jedenfalls an. Worauf Mary sich in ihrem Stolz niemals einlassen würde.

»Halt den Wagen an, Gregor.«, forderte Mary ihn auf.

»Was, was soll das, Mary? Was hast du vor? Gregor ahnte es schon, doch er wollte es nicht wahrhaben.

»Halt endlich an, ich warne dich, Gregor, halt den Wagen an.«, schrie Mary Gregor an. Dann sah er Mary mit einem solch hasserfüllten Blick an, dass sie sogar ein bisschen Angst vor ihm bekam. Und im nächsten Augenblick stieg er mit einer solchen Kraft auf die Bremse, dass beide mit einem mächtigen Ruck nach vorne schnellten. Pech für Mary, denn nur Gregor war angeschnallt. Mary prallte dabei mit ihrem Kopf gegen das harte Armaturenbrett des Wagens. Der Aufprall war nicht sehr hart, aber dennoch verletzte sich Mary auf ihrer Stirn und fing ganz leicht zu bluten an. Das reichte Mary endgültig. In einem war sich Mary sicher, Gregor wusste und war sich dessen auch bewusst, dass sie nicht angeschnallt war und somit versuchte, sie absichtlich zu verletzen. Mary war außer sich vor Wut. Sie konnte und wollte ihm nicht die Genugtuung eines Sieges geben. Mary sah Gregor ganz kurz und mit einem Gezwungenen Lächeln an, grapschte vom Fordersitz mit der linken Hand nach ihrer Handtasche, die sich, wie uns bereits bekannt ist, auf dem Rücksitz befand, öffnete sie und wühlte nach einem Taschentuch. Sogleich klappte sie die Sonnenblende herunter, wo sich ein kleiner Quadratischer Spiegel befand, guckte hinein und wischte sich mit dem Taschentuch das Blut von ihrer Stirn.

»Oh... Mary entschuldige, das habe ich nicht gewollt.«, kam scheinheilig von Gregor rüber.

Mary war klar, dass Gregor seine Entschuldigung nicht ernst meinte. Klar, so dachte sie sich, während sie sich selbst verarztete, habe sie ihn geärgert, aber dass er so weit gehen würde, das hätte sie ihm nie im Leben zugetraut. Dass er in seinem geschäftlichen Eifer sich so vergessen konnte, grenzte schon an Kriminalität.

»Und doch hast du es gewusst, dass ich nicht angeschnallt bin, Gregor. Ja, ich gebe zu, dass ich dir eine Lektion erteilen wollte. Du mit deiner ewigen Schleimerei bei Peter. Jahrelang habe ich den Mund gehalten und geschwiegen, wenn du dich auf Susannes und meine Kosten beim Chef beliebt gemacht hattest. Aber dass du so weit gehen würdest, nie im Leben. Du bist krank, weißt du das, Gregor? Und jetzt sage ich es nur einmal: Steig aus dem Wagen.«

Es folgte ein Blick zwischen den beiden, bei dem Gregor mit Sicherheit verlieren würde. Wenn Blicke töten könnten, würde Gregor jetzt tot umfallen. Mary war nun zu allem bereit, bereit, und das sogar als Frau, sich mit Gregor anzulegen. Weiterhin sahen sich die beiden tief in die Augen, wobei Gregor bemerkte, dass Mary ihre rechte Hand verdächtig in ihre Handtasche steckte. Ja, Gregor hatte nicht umsonst ein komisches Gefühl. Marys rechte Hand umklammerte nämlich ihr Pfefferspray, das sie nun bereit war einzusetzen.

»Mary, ich sagte doch bereits, dass es mir leid tut. Was willst du denn noch?«

»Ich will, dass du aussteigst und zwar sofort.«

Marys Antwort, so bemerkte Gregor, war endgültig, und auch, dass es keinen Sinn mehr hatte mit Mary hinsichtlich dieser Tatsache zu verhandeln. also, es kam was kommen musste.

»Na schön, Mary, ganz wie du willst. Aber warte bitte, bis ich mein Gepäck aus dem Kofferraum geholt habe, okay?« Hoffnungs- und erwartungsvoll sah er Mary an, doch die gab ihm keine Antwort. Gregor schnallte seinen Sicherheitsgurt ab und stieg aus. Einen Moment lang blieb er vor der Türe der Fahrerseite stehen. Dann ging er nach hinten, um sein Gepäck aus dem Kofferraum herauszuholen. Währenddessen war Mary bereits um die Vorderfront des Autos herumgelaufen und nahm den Platz des Fahrers ein. Und Mary fuhr los. Während Mary wegfuhr, beobachtete sie Gregor im Rückspiegel, der fassungslos mit seinem Gepäck in der Hand, mitten auf der Fahrbahn stand und ihr reumütig nach sah.

»Mistkerl, dieser vermaledeite Mistkerl! Das werde ich dir nochmal heimzahlen. Ich kann es einfach nicht glauben, dass dieser Kerl doch glatt versucht hat mich ernsthaft zu verletzen.«

Mary schimpfte, fluchte und regte sich im Selbstgespräch so sehr auf, dass sie ganz vergaß, weshalb sie eigentlich unterwegs war, also wohin sie eigentlich wollte. Mary fuhr langsamer und langsamer, so dass ein hinter ihr befindlicher Fahrer Lichthupe gab und ihr beim Überholen den Vogel zeigte. Als Reaktion fuhr sie an den Rand der Fahrbahn und stoppte das Auto. Ganz ruhig, ja fast bewegungslos, saß sie hinter dem Steuer und dachte nach. Sie dachte nach, ob sie den Vorfall nicht lieber Peter melden sollte. Und sie kam zu dem Entschluss, dass es das Beste wäre. Dann griff sie mal wieder in ihre lederschwarze Handtasche, wo sich ihr Handy befand und wählte Peters Namen.

»Mann, Peter, geh schon ran!«, zappelte sie am Handy.

»Ja, hier Peter Lenz, was kann ich für Sie tun?«, fragte er guten Gewissens.

Und Mary erzählte haargenau, was sich zwischen ihr und Gregor abgespielt hatte.

»Na, Peter, was sagst du nun dazu?«, drängte sie ihn.

»Ach du meine Güte, spinnt denn Gregor? Hat er denn total den Verstand verloren?«, gab er von Gregor enttäuscht wieder.

Peter traute seinen Ohren nicht. Es fiel ihm schwer, Mary Glauben zu schenken, andererseits kannte er Mary schon viele Jahre, insgesamt zehn, um genau zu sein. Und in diesen Jahren konnte er sich immer auf sie verlassen. Nie, auch nicht ein einziges mal, hatte Mary ihn hintergangen oder gar belogen. Im Gegenteil, wenn irgendetwas in der Firma fehlschlug, nahm Mary alles auf sich und hielt dabei zu Susanne und auch zu Gregor. Aber auch Gregor vertraute er. Peter vertraute seiner ganzen Crew.

»Mary, jetzt beruhige dich doch, wenn sich Gregor bei mir meldet, werde ich ihn sofort nach Hause beordern und ihm die Hölle heiß machen, du hast mein Wort darauf.«

»Nun gut, wenn du meinst, Peter. Ich hoffe, das wird ihm eine Lehre sein, diesem Armleuchter. Es kommt in den besten Kreisen vor, dass man sich mal neckt, aber gleich so auszurasten, also ich weiß nicht. Der ist doch gemeingefährlich. Ja Peter, Gregor ist ne tickende Zeitbombe, das kannst du mir ruhig glauben.

»Na, na, Mary, übertreibst du jetzt nicht ein bisschen? Ich meine, sicherlich hat Gregor Mist gebaut, da stimmt doch was nicht. Ist dir denn an Gregor nichts aufgefallen?«

»Nein Peter, eben nicht. Doch jetzt, wo du es sagst. In seinem Verhalten war es tatsächlich nicht normal.«

Siehst du, Mary. Ich schlage dir erst einmal vor, dass du mir die nötige Zeit gibst, mich mit Gregor zu befassen, wenn er wieder zurück ist. Ich werde dann schon herausbekommen, was mit ihm los ist, okay Mary?«

»In Ordnung, Peter, aber ich hoffe inständig, dass du diesem Scheißkerl ordendlich die Ohren wäschst.«

»Natürlich, Mary, kannst dich in diesen Punkt auf mich verlassen.«

»Das hoffe ich wirklich, Peter, das hoffe ich für uns alle.«

Peter kannte diesen entschlossenen Unterton von Mary und er wusste auch was er bedeuten könnte. Doch er wagte nicht einmal daran zu denken.

»Ich sagte doch, Mary, du kannst dich auf mich verlassen. Ach, noch etwas, wenn du möchtest, kannst du natürlich nach Hause kommen und für heute Schluss machen. Das wäre bestimmt das Beste für dich.«

»Lieb von dir, Peter, aber ich habe mir vorgenommen, diesen Auftrag an Land zu ziehen und das werde ich auch, komme was da wolle.«

»Also, Mary, du bist unvergleichlich und einfach nicht zu erschüttern.«

» Na, wenn du dich da mal nicht täuschst.«

In diesem Falle täuschte sich Peter natürlich nicht.

»In Ordnung, Peter. Ich komme in ungefähr zehn Minuten in Rednizkleineck an. Und wie abgesprochen, suche ich mir für ein oder zwei Nächte ein Zimmer. Vielleicht werde ich sogar die Hübners noch heute besuchen oder zumindest anrufen. Mal sehen, was sich so ergibt. In Ordnung Peter?«

»Aber natürlich, Mary, ganz wie du willst. Na dann, mach's gut, Süße.«

»Gut, du auch und bis auf bald.«

Mary fuhr vom Fahrbahnrand an und gliederte sich in den stark zugenommenen Verkehr in Richtung Rednizkleineck wieder ein.

Nach einer kurzen Weile sah sie endlich das Schild 'Rednizkleineck' vorbeirauschen.

Mann, das wurde aber auch Zeit, bin ganz schön fertig, dachte sich Mary. Muss zusehen, dass ich noch ein Zimmer bekomme. Um diese Zeit? Es wird nicht leicht sein, so glaube ich. Ach, da vorne ist ja schon ein Motel. Zur Himmelfahrt. Komischer Name, na, Hauptsache ich bekomme noch ein Zimmer mit Dusche. Ja, duschen und danach einen extra starken Kaffee. Mehr brauche ich im Moment nicht. Im Nu hatte sich Mary auf dem Parkplatz des Motels eingeparkt. Im Motel angekommen ging sie gleich zur Rezeption, um sich für ein Zimmer einzuloggen. Am Tresen stand ein junger Mann, der anscheinend nicht viel Arbeit hatte. Sie sah, dass er einen Kopfhörer trug und höchstwahrscheinlich Musik hörte. sie konnte den dazu gehörenden Walkman sehen, der auf seinem Schoß lag.

»Hallo, Hallo!«, schrie Mary den jungen und gutaussehenden Mann an. Doch der schien sich in seine Zeitschrift, die er zudem noch las, vertieft zu haben. Mann, was ist nur mit der heutigen Jugend los, dachte sich noch Mary, als der junge Mann sie bemerkte. Mit einem Satz schlitterte er einen Meter nach links den Tresen entlang, bis er in Höhe, wo sich Mary in etwa aufhielt, zum stehen kam, schmiss seine Zeitschrift, die sich dadurch als Porno-Schmöker entpuppte, auf den hinter sich stehenden Stuhl und hoffte, knallrot geworden, dass der neue Gast keinen Wind davon bekam.

»S.. sie w.. wünschen Madame?«, kam von dem Pagen stotternd hervor. Einen Moment lang sah sie diesen Schüchternen, jungen und nach ihrer Meinung sehr hübschen Mann wortlos an. In diesem Augenblick dachte sich Mary: Ist der süß, den würde ich nicht von der Bettkante schmeißen.

»Ja, was will man denn im Allgemeinen, wenn man ein Motel betritt?«, warf Mary zänkisch ein.

Verdutzt und noch errötender als vorher geworden, sah er sich Mary genau an. Dabei spitzte er mit seinen Himmelblauen Augen von ihrem Gesicht abwärts, bis hin zu ihrem Busen. Mehr vermochte er von Mary in diesem Augenblick nicht zu erspähen, da Marys interessantere Hälfte zwangsweise vom Tresen verdeckt wurde. Verzückt schenkte Mary ihm ein Lächeln.

»Ein Zimmer?«, gab er bekräftigend hinzu.

»Genau!« Und Mary wartete auf einen Vorschlag, ob sich ein Zimmer noch frei befände, anscheinend vergebens.

»Und, junger Mann, was ist nun?« Mary stand da, ihre beiden Hände zusammengefaltet auf dem Tresen und rollte kreisförmig ihre beiden Daumen.

»Oh... verzeihen sie bitte, ich war gerade in Gedanken vertieft. Natürlich haben wir noch ein Zimmer frei. Aber, um ehrlich zu sein, können sie sich von den 15 Zimmern 14 aussuchen. Wir hätten aber auch eine Sweet für sie frei, sie hat allen Komfort und ist wegen Unterbelegung sehr günstig.«

»Die Geschäfte gehen wohl nicht sehr gut?«, wollte Mary neugierig geworden wissen.

»Ja, so könnte man es auch ausdrücken. Sie müssen wissen, dass, seit dieses 4-Sterne-Hotel zwei Straßen weiter gebaut wurde, für die kleinen Motels in dieser Gegend Ebbe ist. Es ist zum Haare ausraufen.«

»Komisch, mir fiel nur ihr Motel auf, als ich hier in eure Ortschaft Einfuhr und nicht ein 4 Sterne Hotel?«

»Ja, das können sie ja auch nichtsehen, wenn sie in die Ortschaft einfahren. Doch beim Verlassen schon. Es befindet sich fast am Ende der Ortschaft. Unser Rednizkleineck ist nicht sehr groß, müssen Sie wissen.«

»Nun, das mag ja sein, dennoch ein schönes Fleckchen Erde dieses Rednizkleineck.«

»Ja, da gebe ich ihnen Recht Fräulein Ritley.« Mary beugte sich leicht über den Tresen, so dass Martin in ihren Ausschnitt schauen konnte, wenn er hinsehen würde.

»M.. Möchten sie nun lie... lieber die Sweet oder soll es doch nur ein einzelnes Zimmer sein?«, begann Martin zu stottern.

» Ja, ich darf doch annehmen, dass sich eine Badewanne in dieser Sweet befindet, oder?«

»Aber selbstverständlich, Fräulein Ritley.«

»Nennen sie mich doch Mary. Und Sie, wie heißen Sie?«

»Mein Name ist Martin, Fräulein Ritley.«, gab Martin schüchtern Antwort.«

»Martin, es freut mich, ihre Bekanntschaft zu machen.« Mary reichte ihm dabei ganz sachte, ja fast zärtlich ihre rechte Hand und warf ihm einen Blick zu, bei dem alle Männer hätten nervös werden müssen. Wobei sie seine Hand nicht gleich losließ, um zu fühlen, ob dieser hübsche junge Mann ins Schwitzen kam. Und ob er nervös wurde. sie fühlte, dass Martin ein wenig zu zittern schien und seine Hand, die sie noch immer festhiel,t zu Schwitzen begann.

»Ganz meinerseits, Fräulein Ritley. Sie haben die Zimmernummer 13, wenn es ihnen recht ist?«, fügte er hinzu.

»Wieso sollte es mir nicht recht sein, Martin?«

»Na ja, Sie wissen schon, die Zahl 13.«

Natürlich erkannte Mary sofort, was Martin mit der berüchtigten Zahl 13 gemeint hatte. Aber es machte ihr Spaß, diesen Jungen Mann nervös zu machen. Und das war er zweifelsohne. Und wie er das war. Ein Nervenbündel seinesgleichen war er geworden.

»Nein, Martin, das weiß ich nicht.«

»Ich meinte, dass manche Menschen abergläubisch mit dieser Zahl 13 sind. Freitag der 13. soll doch angeblich für viele Menschen Unglück bringen. Das war da... das was ich...

»Schon gut, Martin, ich weiß jetzt, was du mit der Zahl 13 gemeint hast, okay?«

Gut.. Fräulein Ritley, ich darf doch vorgehen?«

»Ich bitte darum, Martin, nach dir.«

Dann zögerte Mary noch einen klitzekleinen Augenblick, seine makellose und samtweiche gepflegte Hand, die sie die ganze Zeit über festhielt, loszulassen. Sogleich kam er um den Tresen herum, ging mit Mary in den Fahrstuhl und drückte auf den Knopf, der zur zweiten Etage führte. Dann ging es durch einen dezent beleuchteten langen und sehr schmalen, mit einem roten Teppich ausgelegten Gang bis fast ans Ende zu dem besagten Zimmer mit der Nr. 13, wo Martin unmittelbar vor der Tür stehen blieb. Alsdann öffnete er für Mary und trat beiseite, so dass sie als erste die Sweet betreten konnte.

»Oh, Martin, jetzt habe ich doch glatt mein Gepäck im Kofferraum vergessen.«

»Wenn sie es wünschen, Fräulein Ritley, werde ich es für sie holen gehen.«

»Ja, Martin das wäre sehr nett von Ihnen. Es ist der gelbe Mazda mit dem schwarzen ledernen Dach.« Dann gab Mary Martin dem Pagen ein sattes Trinkgeld und ihren Autoschüssel. Sofort machte sich Martin auf den Weg. Und während er so den Gang in flotten Schritten entlangging, dachte er nach. Mann, was für eine schöne Frau. So eine schöne Frau hat bestimmt Verehrer bis zum Abwinken.

Währenddessen sah sich Mary die ihr zugewiesene Sweet genauer an. Ja, es glich fast einer Inspektion, so sehr begutachtete Mary die Räumlichkeiten.

»Ah... die Dusche und die Badewanne, endlich.«

Im Nu hatte sich Mary ihr dünnes aber lischeres Gewand von ihrem wohlgeformten Körper gestreift und begab sich unter die Dusche. Martin hingegen befand sich - und das mit Sauseschritten, als bekäme er etwas umsonst - derweil schon mit Sack und Pack auf dem Rückweg zu Marys Zimmer. Dort schwer atmend angekommen, stellte er mit seiner rechten Hand den einen von zwei Koffern neben sich auf dem Boden ab. Dann begann er ganz sachte zu klopfen. Doch es kam keine Antwort. Also wiederholte er seine Aktion. Doch es hallte erneut keinerlei Aufforderung zum Eintreten seitens des Gastes nach draußen. Was nun, dachte sich Martin. Und das Gepäck einfach draußen auf dem Gang stehen zu lassen, schien ihm doch zu unhöflich zu sein. Erneut klopfte Martin an die Tür, doch es regte sich nichts. Martin beschloss, dann einfach unaufgefordert in die Sweet einzutreten. Vorsichtig umklammerte er mit seiner rechten Hand den runden Türknopf und drehte ihn ganz langsam nach rechts. Ein kleines Klicken und Schnappen war zu hören und die Türe war offen. Als nächstes streckte er nur seinen Kopf in den offenen Spalt zwischen Türe und Rahmen, um vielleicht ein Blick von jener schönen Frau zu erspähen. Doch nichts war von ihr zu sehen.

»Fräulein Ritley, kann ich hereinkommen?«,rief Martin laut.

Dann bückte er sich, um den abgestellten Koffer wieder aufzunehmen und betrat den Raum. Kaum stand er alleine und suchend im Raum, da ging urplötzlich die Tür zum Badezimmer auf, an die Martin überhaupt nicht gedacht hatte, und Mary stand erstaunt und völlig nackt in der Tür vor Martin dem Pagen. Für Mary schien es so als sei es Martin sehr peinlich, sich nun in dieser verflixten Situation zu befinden, denn er guckte verlegen wirkend in ihr Gesicht und nicht, wie er eigentlich hätte reagieren müssen, auf ihren nackten Körper. Beide standen nun da und sahen sich an. Martin sah noch immer nur in ihr Gesicht. Eigentlich erwartete Martin nun ein Geschrei und Gezeter von dem äußerst attraktiven weiblichen Gast, doch nichts dergleichen geschah. Sie stand nur da und guckte ihn an. Stattdessen fiel ihm von Mary ein süßes Lächeln entgegen.

»Martin?«, vernahm er ihre Stimme wie in einem Echo klingend, während Martin verzweifelt versuchte, das Unmögliche möglich zu machen. Nämlich seinen heißen und erregten Schweiß unter Kontrolle zu bringen. Doch im Gegenteil, sein Schweiß begann sich jetzt zu Perlen so groß wie Tränen zu verformen. Ohne Gnade musste Martin den Fluss der Peinlichkeit über sich ergehen lassen.

»Ja, Fräulein Ritley?«, gab er an seinem ganzen Körper angespannt als Antwort.

»Verschließe die Türe.«, gab Mary sichtlich erregt von sich.«

Dann ging Martin auf die noch offene Türe zu, hindurch auf den Gang und schnappte sich die knopfrunde Türklinke, so dass er sie von außen schließen konnte, als Mary ihn wieder rief.

»Martin?«

»Ja, sie haben noch einen Wunsch, Fräulein Ritley?«, erkundigte sich Martin, der jetzt sehr nervös wurde.

» Du sollst die Türe schließen, das ist richtig, aber nicht von außen.«

Martin glaubte, sich verhört zu haben. Das was er sich immer wünschte ist mit einem Male eingetreten. Immer hatte er sich eine Liebesaffäre mit seiner Traumfrau gewünscht. Und da stand sie nun. Völlig nackt, wunderschön und von einer Aura umgeben, die eines Engels gleichzustellen war. Doch wie sollte er sich nun Verhalten? Martin bebte innerlich, schon der Gedanke daran, sie berühren zu dürfen, und dann auch noch an ihren intimsten Stellen, brachte ihn innerlich völlig außer Rand und Band. Martin ging wie auf Befehl, ja wie hypnotisiert wieder hinein und verschloss die Tür hinter sich. Er drehte sich um und sah in ihre Augen, die immer näher zu ihm kamen. Martin fiel das Atmen schwer und sein Herz klopfte ihm bis zu Hals empor. Seine Gedanken sahen nun Bilder, die eines jeden Menschen Vorstellungskraft überstiegen. Er kam sich nun wie ein ganzer Kerl vor, ja wie ein Mann, den seine Angebetete zu Füßen lag, ein Mädchen, das sich heimlich und versteckt in einem alten Garagenschuppen sein erstes Küsschen von des Nachbars Jungen abholen durfte. Doch trotz seiner derzeitigen Überlegenheit, so dachte zumindest Martin, getraute er sich nicht zu bewegen, viel zu tief saß die Angst, irgend etwas falsch zu machen, so dass dieses Prachtweib einen Grund hätte, ihn hinauszuschmeißen. Nein, er beschloss, wie ein Amboss stehen zu bleiben. Ja, stehen zu bleiben, festgewurzelt wie ein uralter Baumstamm.

»Ganz ruhig, Martin, hab keine Angst. Es wird dir gefallen.«, frohlockte sie.

Doch Martin gab keine Antwort und als sie begann, ihn zu berühren, schloss er die Augen. Sie begann, ihn ganz langsam auszuziehen. Ganz behutsam öffnete sie seine schwarze Uniformhose, die in diesem Motel Pflichtkleidung darstellte und zog sie herunter. Sie glitt mit ihren etwas kühlen und kleinen Händchen von den Knien aufwärts, die Oberschenkel entlang, an den Hüften vorbei und über seinen Brustkorb, der sich nun vor Aufregung wie ein Pfau oder zu einem Blasebalg zu verpuppen schien. Dann ein ganz tiefer Zug bis in die letzten Winkel seiner Lunge, um mehr Luft zu holen und so seinen Oberkörper geschickt zu einer perfekten und geschwollenen Muskelmasse werden zu lassen, wenn auch simuliert, bis hin zu seinem Gesicht, das sie abtastete, als wäre sie von Blindheit geprägt. Als nächstes knüpfte sie sein Jackett auf und während sie es ihm auszog gab sie ein sehr leises und erregtes Stöhnen von sich. Sie zog ihm alles aus, was er an sich trug. Und als er genau wie sie splitterfasernackt im Raum stand, nahm sie ihn bei der Hand und führte ihn ins Schlafzimmer der Sweet.


 Kapitel 10, Die Kreatur Elopp

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