Zu den Grenzen des Planeten Goderijan

Science Fiction Roman von Peter Althammer

Kapitel 24

Der Auftrag (Teil 3)


Einige Lichtjahre entfernt:
 

Die Surenech befand sich noch immer im normalen Schleichflug, also Impulsantrieb, in Richtung ihres Heimatplaneten Goderijan. Wir erinnern uns, dass aus dem Ausflug auf Bernea 9 zum Verdruss der gesamten Gruppe leider nichts wurde. So ging, und wie es auch sein musste, alles wie gehabt seinen normalen und gewohnten Gang. In Katjas Quartier herrschte mal wieder gähnende Langeweile. Ihr heutiger Eintrag in ihr Tagebuch wurde längst gemacht und deshalb beschloss sie nach reichlicher Überlegung, auf dem Schiff ein wenig spazieren zu gehen. Auf diesem enorm riesigen Schiff sollte dies ja kein Problem darstellen. Kaum befand sich Katja auf dem Flur vor den Quartieren, da sah sie Norman stehen, der sich auf die Geländer abstützte und hinunter in die Halle guckte.

»Tag, Norman, was machst du denn so gerade?«, fragte sie ihn.

»Oh, hallo Liebes, ich mache eigentlich gar nichts. Und du, was hast du denn so vor?«, fragte er im Gegenzug.

»Ich wollte ein bisschen spazierengehen. Was ist, kommst du mit?«, fragte sie ihn.

»Gerne, hab ja sonst nichts zu tun.«, erwiderter Norman.

»Sollten wir nicht die anderen fragen, ob sie mitkommen wollen?«, erinnerte er.

»Ach, lass nur. Wenn es ihnen langweilig wäre, hätten sie schon längst genervt.«, sagte sie zu ihm.

»Gut, wenn du meinst, dann lass uns mal gehen.«, flüsterte er ihr zu.

So gingen sie in Richtung des Liftes und stiegen ein.

»Was ist, Norman, wollen wir mal ganz nach unten fahren?«, fragte sie ihn.

»Eigentlich nicht so gerne. Du erinnerst dich doch noch an dieses stinkende Biest, das sich dort eingenistet hatte, oder?«, sagte Norman.

»Aber klar, Norman, wenn wir unten sind, brauchen wir ja nicht die selbe Richtung gehen. Wir sehen uns halt wo anders um.«, empfahl Katja.

»Sag mal, wie hieß diese Kreatur, die sich dort unten manchmal verpuppt?«, fragte nun Norman.

»Äh, lass mich mal nachdenken. Ah ja, ich hab es. Lyr bezeichnete solche Viecher als Elopp, glaube ich jedenfalls noch zu wissen, wieso fragst du?«, wollte Katja wissen.

»Och, nur so. Ich musste gerade daran denken, dass wir in diesem Ding waren. Stell dir nur vor, es wäre bösartig gewesen.«, deutete er sich schaudernd.

»Norman, lass uns nun dieses Ding vergessen, okay?«, bat sie ihn.

»Natürlich, meine Liebe, ich weiß schon gar nicht mehr wovon wir gerade gesprochen haben.«, legte er alles was er darüber gesagt hatte ad Acta.

Also beschlossen die beiden, dort langzulaufen, wo sie noch nie gewesen sind. Es war schon aufregend, wenn man bedenkt, dass sie seit Jahren nur selten die Idee hatten, auf diesem Schiff etwas Aufregendes und Neues zu Unternehmen, was sie dem Rest der Gruppe erzählen konnten. So fuhren sie bis ganz nach unten. Dort angekommen:

»Also, Katja, nun sind wir ganz unten. Und was jetzt?«, fragte er sie.

»Ganz so genau weiß ich das jetzt auch nicht. War ja nur so eine Idee.«, erklärte sie ihm.

»Gut, dann gehen wir hier nach rechts, einverstanden?«, schlug er vor.

»Ja, bin ich.«, erwiderte sie ihm.

So liefen beide in die Richtung, die Norman vorschlug. Eine Ansammlung an Gängen präsentierte sich ihnen. Mal waren sie röhrenartig und von einer Enge, so dass Katja und Norman nicht mehr nebeneinander, sondern hintereinander her gehen mussten. Und dann, ja dann formten sich die Gänge wieder zu einem gewohnten Blickfang, groß, breit und schön hell erleuchtet. So gingen sie mal rechts, mal wieder links, mal ein paar Stufen runter und mal ein paar wieder hinauf. So gingen sie ohne jegliches Ziel, bis es beiden allmählich zu einschläfernd wurde und sie beschlossen, zurück zu gehen. Doch, leichter gesagt, als getan. Denn nach einer Weile des anstrengenden Zurücklaufens bemerkten sie sehr schnell, dass sie sich verlaufen und sich anscheinend im Wirrwarr eines Irrgartens verfangen hatten.

»Mann, das darf doch nicht wahr sein. Dieses Schiff ist zwar enorm groß, doch dass wir uns darin verlaufen könnten, kann ich gar nicht verstehen, und du?«, fragte sie ihren Bruder.

»Glaubst du ich? Ich denke, dass uns das keiner abnehmen wird, wenn wir es den anderen erzählen.«, bemerkte er so nebenbei.

»Du sagst es, Norman.«, gab Katja ein tiefes Seufzen von sich.

»Jetzt reg dich bloß nicht auf, es wird sich schon noch eine Lösung finden lassen.«, beruhigte er sie vorerst.

Doch nach weiterem Umherirren begann es allmählich auch Norman zu nerven.

»Das darf doch alles nicht wahr sein, Schwesterchen. Ich glaube das alles nicht.«, schimpfte er nun in ständiger Folge.

»Mensch, beruhige dich doch, Norman, du machst mich ja ganz verrückt mit deinem ständigen Fluchen. Zu mir sagst du, dass ich mich nicht aufregen soll und du, was machst du?«, beschwerte sich Katja.

»Ja, ist ja schon gut, lass mich mal nachdenken.«, gab er mit festem Ton zurück.

»Du, Norman, da fällt mir gerade etwas ein. Hat uns Lyr denn nicht einmal gezeigt, wie er durch sämtliche gesicherte Türen hindurchkommt?«, fragte Katja ihn aufgeregt.

»Ja, das stimmt schon, aber du vergisst dabei, dass selbst er nur durch seine Stimme, in Verbindung mit seinem Code, autorisiert ist. Nur auf diese Weise kann er durch sämtliche Sicherheitssperren gelangen. Ich frage dich, kannst du vielleicht seine Stimme nachmachen? Oder hast du dir zufällig seinen Code gemerkt?«, fragte Norman, irgendwie lästernd wirkend.

»Natürlich nicht.« Aber ich dachte mir, wenn wir versuchen würden, die nächstbeste und verschlossene Tür aufzubrechen, würden die Sicherheitskräfte bestimmt alarmiert werden und uns hier einen Besuch abstatten, oder etwa nicht?«, fragte sie mit einem Lächeln im Gesicht.

»Mann, das ist es. Genau wie bei uns auf der Erde, wenn ein Haus alarmgesichert ist und jemand versucht dort einzubrechen, schrillen bei unseren Ordnungshütern auch gleich die Alarmglocken. Ergo, dann lass uns mal die nächste verschlossene Tür suchen und bearbeiten.«, schlug er vor.

So gingen die beiden auf die Suche nach einer verschlossenen Tür, wobei sie nicht lange suchen mussten, denn schon nach kürzester Zeit standen sie vor einer.

»Ladies First.«, gab er ihr den Vortritt.

»Katja ging einen Schritt zurück, holte mit ihrem linken Fuß aus und trat damit, so fest sie nur konnte, mit einem lauten Schlag gegen diese versperrte Tür, wobei ihre Kraft nicht ausreichte, um sie auch nur annähernd zu beschädigen. Katja fiel nach diesem Fußschlag auf ihr Hinterteil.

»Ist dir auch nichts geschehen?«, fragte er nun etwas ängstlich.

»Es geht mir gut, ist nichts passiert.«, erwiderte sie.

»Na, dann lass mal mich ran.«, plüschte sich Norman wie ein Pfau auf. Auch er ging einen Schritt zurück und verprügelte die versperrte Tür genau so wie Katja. Doch auch seine Kraft langte bei weitem nicht aus.

»Nichts zu machen, Schwesterchen.«, gab er klein bei.

»Na ja, genug Krach haben wir ja gemacht. Das sollten die vom Sicherheitsdienst auf alle Fälle bemerkt haben, so hoffe ich.«, betonte sie überzeugend.

»Ja, du sagst es. Ihre Sicherheitsanlage müsste ja nur Schrott sein, wenn sie nun keinen Alarm geben würde.«, gab er zu verstehen.

So beschlossen die beiden, einfach an Ort und Stelle zu verweilen, bis jemand zu Hilfe kommen würde. Und da brauchten sie gar nicht allzu lange warten. Doch nicht jemand vom Sicherheitsdienst erschien, sondern jemand, den sie sehr wohl kannten.

»Lyr, du?«, sagte Katja mit weit aufgerissenen Augen.

»Ist doch piep-egal, Schwesterchen, Hauptsache, wir kommen wieder zurück.«, freute sich Norman.

»Ist mit euch auch alles in Ordnung, ist euch auch nichts geschehen?«, fragte nun Lyr besorgt.

»Natürlich ist mit uns alles in Ordnung. Mann, auf diesem Schiff ist ja schon das Spazierengehen lebensgefährlich.«, sagte sie ärgerlich.

»Na, nun übertreib mal nicht so, Katja.«, sagte Norman.

»Ach, ihr Menschen, ich bin in höchstem Maße entzückt, ihr beide seid wohl wieder von eurer ach so grenzenlosen Neugier angetrieben worden?«, fragte Lyr die beiden, während er sich sichtbar amüsierte

»Könnte man so sagen, Lyr. Doch bring uns bitte wieder zu unseren Quartieren zurück.«, forderte Norman.

»Aber selbstverständlich, dennoch würde ich gerne erfahren, was ihr vorhattet?«, eine berechtigte Frage, die da Lyr den beiden stellte.

»Ich wusste es, jetzt fragt er uns wieder Löcher in den Bauch.«, nörgelte Katja.

»Ach Lyr, ich gebe ja offen zu, dass wir uns hier in diesem Labyrinth voller Gänge und Tunnels verirrt hatten. Doch solltest du jetzt kein Drama daraus machen. Und damit du zufrieden bist, wir wollten nur Aufmerksamkeit erregen, damit einer von euren Sicherheitsleuten hier antanzt und uns wieder zurück bringt. Alles klar? Hast du auch alles verstanden, Lyr?«, erzählte Norman gelangweilt.

»Wir haben wohl heute schlechte Laune, was?«, traf Lyr den Nagel auf den Kopf.

»Mag sein, mag sein. Entschuldige, Lyr, ich weiß ja, dass du nichts dafür kannst.«, sagte Norman offen und ehrlich.

»Moment, wie beliebt ihr Menschen doch immer zu sagen? Schwamm drüber. Das nächste Mal, wenn ihr auf dem Schiff etwas bestimmtes sehen wollt, fragt mich und ich werde euch dorthin führen und auch erklären, wenn es etwas zu erklären gibt.«, wies er die beiden ein. Die ihn natürlich ganz verdattert ansahen.

»Ja, hast du denn nichts dagegen, wenn wir uns das Schiff genauer anschauen wollen?«, fragte Katja.

»Nein, warum sollte ich etwas dagegen haben? Wir haben vor euch keine Geheimnisse. Und das gilt auch für das gesamte Raumschiff. Ihr hättet mich ruhig fragen können und ich hätte euch das gesamte Raumschiff gezeigt, wenn es euer Wunsch gewesen wäre.«, gab Lyr zu verstehen.

»Ehrlich gesagt ist uns heute die Lust auf neue Abenteuer gründlich vergangen.«, gestanden die beiden nun. Anschließend brachte Lyr sie wieder zu ihren Quartieren.

Zirka eine Stunde später traf sich wie meistens, wenn es was zu erzählen gab, die gesamte Gruppe in Stephans und Sarahs Quartier. Ein Gelächter hallte durch das Quartier, als Norman und Katja dem Rest der Gruppe ihr kleines Erlebnis schilderten. Natürlich war Lyr mit von der Partie. Er zeigte sonderbarerweise keinerlei Interesse, sich an dieser lustigen Runde zu beteiligen, was gar nicht so seine Art war. Was wiederum seiner Gruppe sofort auffiel.

»Lyr, was ist los mit dir? Funktioniert dein Emotions-Chip nicht mehr?«, fragte Katja und wunderte sich über sein Schweigen.

»Verzeiht, ich werde auf die Brücke gerufen. Es scheint sehr wichtig zu sein. Also, dann sehen wir uns ja beim Abendmahl.«

Und weg war er.

»Mann, manches Mal beneide ich diesen Androiden nun wirklich nicht. Seine Leute gönnen ihm doch keinen Augenblick Ruhe.«, sagte Peter mitfühlend.

»Stimmt, Peter, du hast Recht, genau wie du und deine miese Agentur.«, erinnerte Susanne, was ihr aber gleich wieder leid tat. Susanne sah in Peters Mimik, dass er sein Geschäft, also seine Agentur vermisste.

»Verzeih, Peter, ich vergaß.«, bat sie ihn.

»Schon gut, Susanne, vergiss es.«, verzieh er ihr. Und weiter ging es im Gespräch.

»Ihr vergesst dabei stets, dass Lyr auf keine Ruhe im üblichen Sinne, so wie wir es brauchen, angewiesen ist. Das einzige was er zu seinem Wohlbefinden braucht, ist, dass er sich mal Aufladen muss und damit hat sich auch schon die ganze Sache.«, erklärte Norman.

»Was er wohl wieder für einen Befehl bekam?«, rätselte Mary neugierig geworden.

»Ja, genau darüber habe ich auch nachgedacht. Es ärgert mich enorm, dass dieser rostige Blechhaufen immer so geheimnisvoll tun muss.«, meckerte, wer sollte es auch anders sein, Gregor mal wieder über Lyr. Was natürlich Norman gar nicht so gut gefiel.

»Gregor, wie oft muss ich es dir noch sagen, dass du Lyr zufriedenlassen sollst.«, schrie Norman förmlich Gregor an.

»Ist ja gut, reg dich doch nicht auf.«, erwiderte er kleinlaut.

»Ist doch auch wahr, immer hast du an irgendwem oder irgendwas etwas auszusetzen. Ist es nicht Lyr, na dann suchst du dir jemand anderes, um deinen Frust abzubauen. Du vergisst anscheinend, dass wir alle hier im selben Boot sitzen.«, ärgerte sich Norman maßlos.

So ging es mal wieder eine zeitlang hin und her. Und es knisterte geradezu an gegenseitiger Feindlichkeit, die die Gruppe an den Tag legte. Keiner konnte mehr den anderen riechen. Bis auf einen, der nur zuhörte und auf den richtigen Moment wartete. Und der sollte nun gekommen sein.

Seid jetzt endlich still, schrie nun Lyr, der wieder zurückgekommen war und wie ein Geist erschien und sich an seinem Lieblingsplatz stellte, nämlich in den Türrahmen. Da staunte die Gruppe nicht schlecht. So haben sie Lyr noch nie erlebt. Es herrschte blitzartig Stille in der Gruppe.

»Ah, wie ich sehen kann, hat es gewirkt. Eine, wie ich zugeben muss, delikate Situation.«, stellte er fest, und setzte einen Blick in den Raum, den die Gruppe so gar nicht erwartet hatte. Sie waren allesamt ertappt. Ertappt in ihrer eigenen Schwäche. Kurzzeitig sah sich ein jeder an. Im nächsten Augenblick brach dann ein lachendes Raunen durch den Raum. Keiner in der Gruppe konnte sich beherrschen. Sie mussten lachen, wie sie niemals zuvor in ihrem Leben gelacht hatten. Und als Lyr mit seiner piepsartigen Stimme jetzt auch noch zu lachen anfing, brachen einige bäuchehaltend zusammen. Ja, sie lachten, bis ihnen die Tränen über die Wangen liefen. Doch, so wie es nun mal ist, beruhigte sich die Gruppe allmählich wieder, während sie die Realität wieder einzuholen schien. Lyr sah, dass seine Gruppe unbedingt eine Aufheiterung brauchte, etwas, was ihnen wieder Hoffnung schenkte, worüber sie sich freuen konnten und genau dieses Allheilmittel hatte er ja bereits mitgebracht.

»Möchte niemand von euch wissen, warum ich wiedergekommen bin?«, fragte Lyr aufgeregt wie ein kleines Kind. Wie uns ja bereits bekannt ist, liebte es der Androide, sich zu präsentieren und seiner Gruppe eine Freude zu bereiten. Ja, er genoss diese Momente.

»Na schön, warum bist du wieder hier?«, fragte Gregor gelangweilt und um ihm einen Gefallen zu tun.

»Ich darf verkünden, dass wir seit zirka einer halben Stunde wieder mit Hypersuptinar-Geschwindigkeit fliegen und uns auf dem schnellsten Weg nach Goderijan befinden.«, berichtete Lyr stolz.

Mit einem Male wurde die Gruppe hellwach. Es schien so, als wären sie gerade eben aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt worden. Es folgte ein Getuschel untereinander, was aber Lyr völlig kalt ließ. Lyr konnte, wenn er nur wollte, sein künstliches Gehör so sehr verschärfen, dass es ihm möglich wäre, alles mitzuhören. Doch beharrte er nicht darauf, die Privatsphäre seiner Schützlinge zu stören.

»Soll das etwa bedeuten, dass dieser verdammte und schlimme Krieg gegen diese Bestie Nohkui von den Verbündeten gewonnen wurde?«, wollte nun Katja wissen.

»Genau das, meine Liebe. Die Verbündeten haben den Nohkui einen entscheidenden Schlag versetzt und sie vernichtet. Ich bekam vom Heiligen Xarmax höchstpersönlich diese Nachricht und ich soll euch verkünden, dass er es kaum erwarten kann, euch höchstpersönlich bei der Ankunft auf seinem Heimatplaneten Goderijan zu empfangen und kennenzulernen. Besonders auf dich, liebe Katja und lieber Norman, freut er sich besonders. Da ihr beide die in euch ruhende Macht besitzt, die mit der seinen vereint diese Krankheit, die nun seit Jahrhunderten das Kollektiv des Volks der Goderijaner schmälert, endgültig beseitigen wird. Sein Volk heilen und ihnen somit ein angstfreies und ehrwürdiges Leben wieder ermöglichen wird.«, gab Lyr des Heiligen Xarmax Worte wieder.

»Hurra, schrien sie und sprangen wie kleine Kinder in dem Raum herum und allmählich brach Euphorie in der gesamten Gruppe aus. Natürlich freuten sie sich für das Volk der Goderijaner, doch für sie war dies endlich ein eindeutiges Signal der so lang ersehnten Heimreise. Das bedeutete, dass, wenn sich Norman und Katja mit der in ihnen ruhenden Macht mit der Macht des Heiligen Xarmax vereinen, es nicht mehr lange dauern kann, bis sie die Heimreise zu ihrem so geliebten Planeten Erde antreten würden. Das hieße zwar, erneut wieder viele Jahre in diesem Raumschiff zu verbringen, doch das mit absoluter Gewissheit, wieder nach Hause zu kommen. Lyr hingegen sah mit großem Interesse, ja sogar mit Wonne dem lustigen und heiteren Treiben seiner Schützlinge zu. Es schien so, als würde alle Last von ihnen abfallen. Innerhalb der Gruppe war nichts mehr von ihren Depressionen zu spüren oder gar zu sehen. Ja, sie waren wie ausgewechselt, als hätte jeder einzelne von ihnen ein Doping verpasst bekommen, so groß schien ihre Freude zu sein.

Unglaublich, dachte sich Lyr.

»So beruhigt euch doch mal wieder.«, schrie Lyr in die sich noch immer freuende Gruppe hinein.

Doch gegen solch eine Freude schien nun selbst Lyr machtlos, so beschloss er kurzer Hand, sich im Türrahmen zurückzulehnen und so lange abzuwarten, bis sich seine Schützlinge wieder beruhigt hatten. Worauf er aber nicht sehr lange zu warten brauchte.

»Ah, wie ich erkennen kann, entspannt ihr euch wieder?«, wies Lyr darauf hin.

»Was ist, Lyr, gönnst du uns die Freude nicht?«, fragte Gregor mal wieder lästernd.

»Gewiss freue ich mich auch. Ich bin nahezu begeistert.«, gab er im hohen Ton wieder.

»Du, Lyr, wann werden wir auf Goderijan ankommen?«, fragte nun Sarah noch etwas zitternd in der Stimme.

»Einen kleinen Moment, Sarah, da muss ich erst im Hauptcomputer nachfragen.«, antwortete Lyr mit leicht eisiger Stimme, während er mal wieder seine azurblauen Augen rollen ließ, was er immer tat, wenn er mit dem Hauptcomputer verbunden war oder eine Nachricht erhielt.

Kurz ermittelt, und schon hatte er die Antwort parat.

»Mit der jetzigen und schnelleren Hypersuptinar-Geschwindigkeit werden wir in exakt vier Tagen, 9 Stunden und 26 Minuten, in den Orbit des Planeten einfliegen. Natürlich in eurer menschlichen Zeitrechnung, wenn ich das dazu bemerken darf.«, antwortete Lyr, wie meistens, peinlichst genau. Ja, wie uns ja bereits bekannt ist, war es eben eine Eigenart von Lyr, alles so genau wie nur irgend möglich zu beantworten oder Fragen zu stellen. Er liebte es, mit den Menschen, also mit seiner Gruppe, zu kommunizieren. Dabei wechselte er zwischen einer gehobenen, also einer pikfeinen und einer rüpelhaften und wiederum zu einer gebrochenen menschlichen Sprache über. So wollte er sich jeder Gegebenheit innerhalb der Gruppe anpassen und bemerkte dabei offensichtlich nicht, dass er des Öfteren sehr komisch in seiner Ausdrucksweise klang. Die Gruppe musste über ihn Schmunzeln, aber im Großen und Ganzen hatten sie sich schon längst daran gewöhnt. Kurz gesagt, nutzte Lyr jede sich bietende Gelegenheit, um der Sprache der Menschen Herr zu werden. Er wollte die menschliche Sprache perfekt erlernen. Er wollte gerne ein Mensch sein.

»Macht euch keine allzugroßen Gedanken darüber, diese vier Tage werden sprichwörtlich gesprochen schneller dahingleiten als ihr ahnt. Das könnt ihr mir beruhigt glauben. Und wenn wir auf Goderijan sind, gibt der Heilige Xarmax ein großes Fest zu Ehren aller jener tapferen Krieger, die in diesem Krieg mutig ihr Leben ließen. Und natürlich auch zu euren Ehren. Es wird ein überdimensionales und noch nie dagewesenes Fest werden.«, und während Lyr freudig berichtete, fiel ihm plötzlich auf, dass Sarah so traurig dreinschaute.«, der Rest der Gruppe hielt plötzlich inne und guckte nach Sarah.

»Sarah, was bedrückt dich denn nun? Du kannst mir beruhigt alles anvertrauen.«, erwies Lyr ihr die Ehre.

Noch eine gewisse Zeit drückte sich Sarah, um ihr schweres Herzchen doch noch zu erleichtern. Die Aussicht, endlich wieder nach Hause zu kommen, stieg mit Beendigung des Krieges der Vereinten Planeten zwar enorm, doch war dies für Sarah noch lange kein Versprechen, ja gewiss keine Garantie. Denn die Vergangenheit bewies stets, dass immer wieder etwas dazwischen kam. Es musste erst noch dieses und jenes auf Befehl bzw. auf Geheiß seiner Heiligkeit, dem Heiligen Xarmax, erledigt werden. Doch dann, aber nur zögerlich, begannen Sarahs Lippen sich zu bewegen.

»Weißt du, Lyr, ich möchte hier und jetzt nicht als undankbar gelten, dennoch bist du uns Menschen eine klare Antwort schuldig. Eine Antwort, die für dich bindend sein sollte.«, wies Sarah darauf hin.

»Gewiss, meine liebe Sarah. Ich verspreche es, dir eine ehrliche und direkte Antwort auf all deinen Fragen zu geben.«, gab Lyr sein Wort.

»Wie ich feststellen musste, konnte sich ein jeder hier auf die Heimreise nach Goderijan freuen. Woran ich in diesen Augenblick sogar teilnahm. Doch, so frage ich mich, was wohl aus unserer seit langem und immer wieder hinausgeschobenen Heimreise wird. Denn, so leid es mir auch tut, das muss wohl auch mal angesprochen werden. Und hierfür, so glaube ich, spreche ich nicht nur in meinem Namen. Also, was ich nun definitiv von dir hören möchte, ist folgendes: Wann treten wir acht Menschen endlich die Heimreise zu unserem Heimatplaneten, der guten alten Erde, an.«, eine klare Frage, die da Sarah stellte und die natürlich eine klare Antwort verlangte.

»Wenn ich mich recht erinnere, sprachen wir schon mal über dieses Thema. Aber nun gut, dann werde ich es dir gerne wiederholen. Nachdem wir auf Goderijan gelandet sind, werdet ihr euch, wie ihr schon im Vorfeld einverstanden wart, mit der euch innewohnenden Macht mit der Macht des unseren Heiligen Xarmax vereinen, und unser Volk, nachdem es viele Jahrtausende an dieser Krankheit leiden musste und viele Millionen von Goderijanern seither daran zugrunde gingen, endlich geheilt sein. Anschließend werden wir an dem großen Fest teilnehmen und den tapferen Kriegern, die für die Vereinten Planeten gekämpft haben und ihr Leben auf den Schlachtfeld zu Luft und zu Lande lassen mussten, die letzte Ehre erweisen. Aber auch euch Menschen, die ihr lange Jahre der, sagen wir einmal, Gefangenschaft auf dem Raumschiff, der Surenech, verbringen musstet und darüber hinaus den Kriegern, die den Krieg heil überstanden haben, wird eine Ehre vor dem Rat der Vierundsechzig zuteil werden. Dort werdet ihr den Heiligen Tschachpa berühren dürfen. Danach werdet ihr euch einige Tage erholen können, zumindest so lange, bis die Surenech wieder flott gemacht, also, beladen und mit der notwendigen Energie gespeist, von den Technikern überprüft und von den Sicherheitskräften freigegeben ist. Wenn all diese Kriterien erfüllt sind, sehe ich keine Schwierigkeiten mehr, die Heimreise zu eurem Sternensystem anzutreten, wo sich euer Planet Erde befindet. Genügt dir diese Erklärung, Sarah?«, vergewisserte sich Lyr nochmals.

»Gib mir dein Wort darauf, Lyr.«, bohrte Sarah nach.

»Ich kann dir kein Wort darauf geben. Denn ein Restrisiko bleibt immer. Wenn durch die Heimreise euer Leben in Gefahr sein sollte, aus welchen Gründen auch immer, wird diese unweigerlich zu eurem Schutze abgebrochen. Da gibt es kein, äh, wie beliebt ihr Menschen doch immer zu sagen, Wenn oder Aber. Obwohl ich euch nicht gerne an euren Heimatplaneten verliere, so hoffe ich für euch, dass nichts dergleichen eurer Heimreise im Wege stehen wird. Habe ich alle Fragen zu deiner vollsten Zufriedenheit beantworten können, Sarah?«, fragte Lyr.

»Ja, Lyr, ich danke dir.«, Und Sarah begann wieder ein wenig zu lächeln.

»Du, Lyr, was ist eigentlich ein Tschabna? Und wieso ist es eine Ehre, diesen berühren zu dürfen?«, fragte nun Susanne neugierig.

»Aber nicht doch Susanne, das heißt doch nicht Tschabna, sondern Tschachpa, was so viel wie 'Unendlichkeit' bedeutet.

Gut, dass ihr daran Interesse habt, das zeigt mir doch wieder der Menschen unstillbaren Drang nach Wissen. Eure schier grenzenlose Neugierde. Dann will ich mal versuchen, euch das zu erklären. Also, der Heilige Tschachpa ist eine Art Behältnis aus Stein, ihr würdet dieses als Sarkophag oder Sarg bezeichnen. Dort soll nach einer Sage der erste Heilige Xarmax ruhen. Und wir verehren diesen Sarkophag, so wie ihr Menschen dieses Kreuz verehrt, und das in Verbindung mit einem daran gekreuzigten, Gottes Sohn, mit dem Namen Jesus Christus.«, erklärte Lyr des weiteren.

»Lyr, ich habe da auch mal eine Frage an dich, obwohl diese Thema schon mal angesprochen wurde, blicke ich in diesem Bezug nicht ganz durch.«, meldete sich nun Mary.

»Aber natürlich, meine Liebe, ich bin ganz Ohr.«, freute sich Lyr über so viel Interesse.

»Du sagtest vor nicht allzu langer Zeit, als wir über unsere Heimreise sprachen, dass ein jeder von uns selbst entscheiden könnte, wenn wir bei unserer Rückkehr in unserer Welt wieder unseren gewohnten Alltag nachgehen, ob er sich an dieses Abenteuer erinnern möchte oder nicht. Kannst du uns das ein bisschen näher erklären?«, bat sie ihn. Wobei auch der Rest der Gruppe aufhorchend und mit einem bejahenden Kopfnicken zustimmte.

»Gewiss kann ich das. Ihr habt die Entscheidung, euch an dieses, sagen wir mal, Abenteuer, erinnern zu können oder eben nicht. Doch muss ich euch warnen: Sollet ihr euch für die Erinnerung entscheiden, so muss euch dabei im Klaren sein, dass dies euer gesamtes Leben beeinflussen wird. Und seid euch gewiss, ab diesem Zeitpunkt wird euer gesamtes Tun und Handeln sich nach diesem Erlebten ausrichten. Ob diese Entscheidung für eure Zukunft gut ist, wage ich zu bezweifeln. Denn seelisch, gewissermaßen psychisch und sogar physisch, werdet ihr euch verändert haben. Ob ihr das wollt oder nicht. Und vergesst dabei nicht den ständigen und innerlichen Kampf, selbst der vertrauenswürdigsten Person innerhalb der Familie nichts davon erzählen zu dürfen. Gewiss, man würde euch nicht im entferntesten Glauben schenken, dennoch würde mit der Zeit der innerliche Druck, niemanden etwas darüber erzählen zu dürfen, enorm auf euerer Psyche lasten. Sehen wir nur mal ein Beispiel, das ich an Sarah geben kann: Ich hoffe auf Verständnis, meine liebe Sarah. Sie war, bevor sie zu uns kam querschnittsgelähmt, ja an einen rollenden Stuhl, ihr würdet glaube ich Rollstuhl dazu sagen, gefesselt. Was glaubt ihr, mit wie vielen Fragen und eventuellen Belästigungen Sarah und ihre Familie konfrontiert werden würde. Sicherlich könnte man als Verteidigung irgendwelche Ausreden erfinden. Dass sie morgens plötzlich wieder gehen konnte. Und man würde es als ein medizinisches Wunder abtun. Was ich damit sagen möchte ist, dass euer gesamtes vorheriges Leben, und das für jeden Einzelnen von euch, nie mehr so sein wird, wie es vorher gewesen ist. Euer Denken und Handeln würde sich stets mit dem hier erlebten vermischen. Wer dazu bereit ist, was ich schwerlich glauben kann, dem wird dieser Wunsch erfüllt. Wir respektieren auch eure freie Gedankenwelt, weil es das kostbarste Gut eines jeden Lebewesen ist. Aber übereilt nichts, es ist ja noch so viel Zeit bis dahin.



 Kapitel 24, Der Auftrag (Teil 4)

 Anfang und Kapitelübersicht
© 2012 by Peter Althammer

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