Zu den Grenzen des Planeten Goderijan

Science Fiction Roman von Peter Althammer

Kapitel 11

In einer anderen Realität

In einem Motel, in einer Sweet mit der Zimmernummer 13, die uns bereits bekannt sein dürfte:
 

Mary lag wach neben diesem jungen Pagen mit dem Namen Martin, der sanft neben ihr schlummerte. Sie zog an einer Zigarette, die sie sich gerade eben anzündete. Während Mary ihre Zigarette rauchte, beobachtet sie diesen jungen Mann, von dem sie nicht mehr wusste, als dass er Page in diesem Hotel war und dass er den eben gerade erwähnten Namen Martin trug.

'Ach du meine Güte, Mary, bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Gehst du doch glatt mit einer wildfremden halben Portion ins Bett. Was ist nur mit dir los?', dachte sich Mary. Ja, Mary schämte sich etwas. Sie wollte es nicht begreifen, dass ihr so etwas passieren konnte. Es war nicht ihre Art, gleich mit einem wildfremden jungen Mann ins Bettchen zu hüpfen. Ratlosigkeit spiegelte sich in Marys Gesicht wieder. Unfassbar befand sie die jetzige Situation. Wie sollte sie wohl diesen jungen Mann, der nackt und friedlich mit einem Gesichtsausdruck der absoluten Zufriedenheit neben ihr schlummerte, erklären, dass dies nur ein Irrtum war, eine Kette misslicher Umstände darstellte. Dass sie nur von Fleischeslust befangen war. Und dass es keinerlei weiteren Weg für die Zukunft geben kann und wird. Dass mit seinem Erwachen die bereits begonnene Beziehung schon dem unweigerlichen Ende weichen musste. War sie es doch, die ihn mit all ihren weiblichen Verführungskünsten in die Höhle der Liebe lockte.

»Was nun?«, flüsterte sie ganz leise, um ihn nicht zu wecken. Doch trotz des schlechten Gewissens dachte sie doch nun gerne an diesen Augenblick, wo er auf ihr lag, ihr ganz tief in die Augen sah und in sie eindrang. Noch nie in ihrem Leben, erkannte sie, wurde ihr so viel Leidenschaft entgegengebracht, wie dieser junge Martin es vermochte ihr zu zeigen und spüren zu lassen. Und noch nie hatte sie jemals einen solchen intensiven und nie enden wollenden Orgasmus erlebt, als mit diesem noch recht unerfahrenen jungen Mann namens Martin. Doch es half nichts, sie musste ihn wieder loswerden. Schade, dachte sich noch Mary Ritley, bevor sie beschloss ihn aufzuwecken, um ihn dann mit eiskalter Miene wieder abzuservieren.

»Martin!«, rief sie und schüttelte ihn unsanft an seiner rechten Schulter. Dann beobachtete und wartete sie auf seine Reaktion. Langsam und mit leichtem Lächeln auf seinen knallroten Schmolllippen, öffnete Martin seine Augenlider.

Dann sah er ihr ganz tief in die Augen. Doch nun verzog sich sein zauberhaftes Lächeln zu einem Trauerspiel. Mary sah, dass sie sich jedes Wort sparen konnte. Beide wussten, dass der Traum zu Ende war. Doch seinem Blick konnte sie sich nicht mehr erwehren. Viel zu tief bohrte er sich in ihr Herz, vermutlich um hineinzusehen. Was konnte er sehen, dachte sich noch Mary. Ja, sie war sich dessen sicher, dass er die Situation voll erkannte. Im Nu ging er auf dem Bett in Sitzhaltung.

»Verdammt noch mal, wie spät ist es denn?«, fragte er Mary.

Mary guckte für Martin auf ihre Armbanduhr, die sie an ihrem linken Handgelenk trug.

»Es ist jetzt genau 19 Uhr 30, wieso?«, wollte sie wissen.

»Mann, wie kannst du mich so lange schlafen lassen? Mein Chef muss jeden Augenblick kommen. Außerdem steht im Empfang unten alles offen. Da kann mich ja jeder beklauen.«

Dann beugte sich Martin ganz langsam zu ihr herüber und küsste sie ganz zart und vorsichtig auf ihre Stirn.

Eine zeitlang sah er ihr noch tief in die Augen.

»Was, was ist, was hast du, Martin? Was ist denn?«, kam verwundert von ihr.

»Ich danke Ihnen, Miss Ritley, ich danke ihnen von ganzem Herzen.«, gab er ihr zur Antwort.

»Wofür denn, Martin?«

»Für diesen wundervollen, ja einzigartigen...« Dann zog Martin wie auf Knopfdruck ein hämisches und für Mary nicht begreifbares Grinsen über sein ganzes Gesicht auf. Plötzlich sah Mary in Martin einen ebenbürtigen Gegner statt einen schüchternen jungen Mann, der vom Tuten und Blasen keine Ahnung zu haben schien. Martin hatte sich von einer Sekunde auf die andere so sehr gewandelt, dass sein Lächeln sich zu einer Pose veränderte, die Mary sogar ein klein wenig Angst machte.

Martin, was ist denn plötzlich mit dir los, und wofür willst du mir denn danken?«, fragte nun Katja ängstlich geworden nach.

»Na, für den Fick des Jahres.«, kam ganz lässig und schäbig von ihm.

Mary glaubte nun, im Boden versinken zu müssen.

»Was, was hast du da gesagt?«, vergewisserte sich Katja, die nun glaubte, sich verhört zu haben.

»Tu doch nicht so, als hätte dir dieses kleine Lehrerin- und Schuljungen-Spielchen nicht auch Spaß gemacht, oder?«

Mary glaubte einfach nicht, was sich Martin da an Geschmacklosigkeit leisten getraute. Ihr reichte es endgültig.

»Mach dass du raus kommst, du verdammter Scheißkerl.« Dann hüpfte Mary so nackt wie sie war gekonnt vom Bett und schnappte sich die Blumenvase, die rechts von ihr auf dem Nachtkästchen stand, schmiss sie nach Martin, der sich gekonnt duckte, so dass die Vase an die Wand knallte. So schnell wie Martin eben wie ein Wirbelwind vom Schlafzimmer ins Vorzimmer nach draußen auf den Flur flitzte, hatte sie noch nie gesehen. Da saß Mary nun auf dem Boden neben dem Doppelbett kauernd und schämte sich zu Tode.

»So ein Mistkerl, wie konnte ich mich nur so täuschen lassen. Ich blöde Ziege!«, stammelte Mary im Selbstgespräch, während sie auf ihren Fingernägeln kaute. Mary beschloss, nach diesem peinlichen Ereignis sofort ihre sieben Sachen zusammenzusuchen und mit sofortiger Wirkung dieses Motel zu verlassen. In Windeseile grabschte sie nach ihren Koffern, die halb offen und noch fast gepackt waren, zwängte alles was noch herumlag in sie hinein und begab sich aus dem Zimmer.

Nur raus hier, nur schnell raus, dachte sich noch Mary, während sie den leicht beleuchteten Gang mit dem roten Teppich entlangeilte. Den noch peinlicheren Part hatte sie noch vor sich. Diesem miesen Pagen gegenüberzutreten, um ihm den Schlüssel hinzuwerfen und ein kleines Entgelt für den nur etwas angebrochenen Abend zu entrichten. Also fix die Treppen hinunter in die Vorhalle des Motels und schon stand sie am Tresen, wo sich auch das Abenteuer, Martin der Page, befand. Sehr hart und mit einem Knall stellte sie ihre beiden Koffer, die sie mit beiden Händen links und rechts fest umklammert hatte, auf den kahlen und glänzenden Marmorboden ab. Dann ein verächtlicher Blick und ein zittriger Griff in die Handtasche, die an ihrer linken Schulter hing, und die Geldbörse kam zum Vorschein. Mary öffnete ihre braune krokodillederne Börse und entnahm einen 50-Euro-Schein. Nicht einen Blick würdigte sie dem Pagen Martin. Gerade wollte Martin nach den 50 Euro greifen, da schmiss sie den Geldschein hinter sich über ihre Schultern, der dann wie ein Schmetterling auf den Boden flatterte. Alsdann griff sie sich wieder ihre Koffer und schwirrte durch den Ausgang in Richtung Parkplatz, wo sich ihr gelber Mazda mit dem schwarzen Lederdach befand, stieg ein und fuhr ganz behutsam den Wagen an. Noch bevor sie aus dem Parkplatz des Motels ausfuhr, blieb sie plötzlich stehen.

»Was jetzt? Wo will ich denn eigentlich hin? Meine Güte, bin ich vielleicht ein Nervenbündel geworden!«, gab sie wieder einmal im Selbstgespräch von sich. Muss ruhiger werden. Dann fiel ihr ein, dass sich dieses Viersternehotel am Ende der Ortschaft befinden sollte. So sagte es jedenfalls dieser miese Page Martin. Mist noch mal, zur Zeit klappt doch überhaupt nichts mehr. Im Auto möchte ich auch nicht Pennen. Und nach Hause ist es zwar nur zweieinhalb Stunden, aber ohne diese Kassette, also ohne Story nach Hause kommen, nein, niemals nicht, dachte sie sich noch. Katja war nicht der Typ Frau, die einfach so aufgab, und wie wir sie bereits kennen, erst einmal eine Story gewittert, konnte sie keiner mehr aufhalten.

»Na dann fahre ich halt erst einmal in dieses Vier-Sterne-Hotel.« Gab sie laut redend von sich.

Mary fuhr los und als sie am Ortsende-Schild vorbeikam, sah sie schon so zirka dreihundert Meter vor sich dieses prachtvolle und hell erleuchtete Hotel vor sich.

»Na also, warum denn nicht gleich so, da ist es ja schon?«, freute sie sich lauthals, während sie mit beiden Händen auf ihr Lenkrad pochte. Mary fuhr in den vor ihr befindlichen Parkplatz des Hotels ein und reihte sich neben den vielen dort stehenden anderen Wagen ein, so wie es sich gehört, schön brav.

Menschenskind, bin ich fix und alle. Bin Hundemüde, dachte sie sich noch. Dann stieg sie aus und holte ihre Koffer, die sie bei der Abfahrt des unliebsamen Motels, vor lauter Eile, nicht wie gewohnt in den Kofferraum, sondern auf die Rücksitze ihres Wagens geschmissen hatte. Als sie dann mit ihrem Auto so zwischen einigen Reihen stand, dachte Mary schon wieder an ihren eigentlichen Auftrag. Schon vergessen war ihr peinliches Abenteuer in diesem Motel, mit Martin dem Pagen. Jetzt war Sie wieder in ihrem Element, ja, sie begann wieder die alte Mary zu werden.

Hoffentlich bekomme ich noch ein Zimmer um diese Zeit. Man hört ja immer wieder, dass man in solchen luxuriösen Etablissements die Zimmer schon im Vorfeld bestellen sollte um sich eine peinliche Abfuhr zu ersparen, dachte sich noch Mary.

Sie stieg aus und klappte den Fahrersitz nach vorne, um besser an ihre Koffer heranzukommen, die sich ja auf den Rücksitzen befanden. Nachdem sie die Koffer aus dem Wagen hatte, ging sie los in Richtung Hoteleingang. Als Sie sich dann hineinbegab, war sie sichtlich erstaunt. Ein prachtvolles Bild bot sich da Mary. Eine riesige Vorhalle erstreckte sich vor ihr. Die wunderschöne Halle wurde mit Palmen, die sich in Reih und Glied links und rechts wie eine Allee, wie man sie meist nur in noblen und erstklassigen Gegenden zu sehen bekam, bestückt. Auch waren viele Arten von Pflanzen zu sehen, die eigentlich nur in den Tropen vorkamen. Eine Meisterleistung des hier zuständigen Gärtners, dachte Mary. Sie guckte sich nach dem Empfangsschalter um, nachdem sie sich in der Vorhalle genauestens umgesehen hatte.

Ah ja, das muss er sein. Hoffentlich bekomme ich nun ein Zimmer, dachte sich Sorgen machend Mary. Dort angekommen stellte sie erst einmal ihre Koffer links und rechts neben sich ab. Doch keiner war zu sehen. Kein Page, kein nichts. Also beschloss Mary, erst einmal zu warten, bis sie schließlich eine Klingel auf dem etwa zehn Meter, und nach Marys Meinung etwas zu groß geratenen Empfangstresen, entdeckte. Na dann, dachte sie sich und schlug mit ihrer flachen Hand auf den Klingelknopf. Dann endlich.

»Verzeihen sie Miss, oder darf ich Fräulein sagen?«

»Fräulein Ritley, nur Fräulein Ritley bitte?« Mary hatte in den vergangenen Jahren durchaus die alles beherrschende Etikette des reichen Snobs kennen und hassen gelernt. Dennoch wusste sie unvermittelt, dass es in solchen Kreisen des aristokratischen und beherrschenden Getues, durchaus von Vorteil sein konnte, wenn man sich in bestimmten, na sagen wir einmal kleineren Nöten, befand. Mary guckte nicht schlecht, als sie sich diesen Pagen etwas genauer ansah. Das tat man, um gleichsam seine Stellung zu betonen, ja um zu zeigen, dass man es eigentlich nicht nötig hatte, sich mit diesen niederen Chargen abzugeben. Schlechthin musste Mary sich das Lachen verbeißen. Sie war eigentlich kein Mensch der es sich zur Aufgabe machte, über andere Leute zu urteilen oder sich gar lustig zu machen, aber was sie da zu sehen bekam, entwürdigte und verformte doch ein bisschen ihren eigentlichen Charakter. Oh Gott, Mary, reiß dich am Riemen. Du darfst jetzt auf keinen Fall lachen, dachte sich Mary und biss sich dabei auf die Unterlippe.

Was Mary an dem Pagen so lustig fand, bestand doch aus der Tatsache, dass er kaum über den Empfangstresen gucken konnte. Dieser Mann war so klein, ja so winzig, dass es sich schon fast ins Lächerliche zog. Doch Mary musste sich zusammenreißen, wenn sie in diesem Augenblick ihre Machtposition, die sie ja eindeutig vorherbestimmte, nicht verlieren wollte.

»Also, Fräulein Ritley, womit kann ich Ihnen dienlich sein?«

»Wen glauben sie eigentlich vor sich zu haben, nun?«

Sichtlich nervös geworden, rang der Page um eine plausible Erklärung auf seine etwas dumme Frage.

»Verzeihen Sie bitte meine etwas dumme Bemerkung, Fräulein Ritley.«, entschuldigte er sich.

»Das möchte ich auch gemeint haben, noch mal so ein Ausrutscher und ich beschwere mich bei ihrem Chef, ist das jetzt klar, Page?«

»Natürlich, Fräulein Ritley. Sie können mir glauben, es ist mir sehr peinlich, sie verärgert zu haben. Das kommt nicht wieder vor.«

»Wie heißen Sie, Page?«, kam ganz trocken von Mary rüber, die sich jetzt köstlich zu amüsieren begann.

»Thomas, Fräulein Ritley, mein Name ist Thomas.«, entgegnete er leicht nervös.

»Gut Thomas, vergessen wir die ganze Sache. Geben sie mir einfach ein Zimmer für ein, zwei Tage, mit Dusche, okay?«

Doch statt das Gästebuch hervorzunehmen, sagte er gar nichts und druckste stattdessen herum.«

»Thomas, meine Geduld hat irgendwann einmal ein Ende.« Marys Befürchtung, kein Zimmer zu bekommen, schien aufzugehen.

»Fräulein Ritley, wie Ihnen vielleicht bekannt sein dürfte ist bei uns Hochsaison, leider haben wir im Augenblick kein Zimmer mehr frei.

»Thomas, wie lange ist denn für Sie ein Augenblick?«

»Eine Viertelstunde? Sie müssen wissen, dass ein Gast, bereits seine Rechnung beglich und in zirka in einer Viertelstunde gedenkt abzureisen.«

»So, eine Viertelstunde also? Und können Sie mir vielleicht sagen, was ich in dieser Zeit tun soll?« Mary hatte so langsam die Schnauze gestrichen voll, sie war müde, hungrig und gereizt bis zum Ende.

»Ich würde Ihnen vorschlagen, so lange bis das Zimmer frei wird, an unserer hauseigenen Bar ein Getränk zu sich zu nehmen. Das geht selbstverständlich auf Kosten unseres Hauses, Fräulein Ritley.

»Na schön, wenn es denn sein muss!«

»Bitte nach ihnen, Fräulein Ritley.« Und Thomas nahm galant, wie es sich gehörte, Mary an ihre rechte erhobene Hand und führte sie zur Hauseigenen Bar.«

Eine klitzekleine Weile später:

Mary saß nun an der Bar und nuckelte gelangweilt an ihrem Strohhalm des Freigetränkes, das sich Hawaii-Cocktail nannte. Und während sie dieses Erfrischungsgetränk ganz langsam genoss, arbeitete sie schon im Gedanken einen Schlachtplan aus, wie sie die Familie Hübner davon überzeugen könnte, mit ihrer Agentur zusammen zu Arbeiten.

Morgen werde ich loslegen, ja morgen werde ich den Auftrag an Land ziehen, dachte sie sich.

Ab und an kam ihr auch Gregor in den Sinn. Irgendwie empfand sie schon Mitleid mit ihm. Dass sie ihn mitten auf der Fahrbahn hat stehen lassen. Andererseits, so dachte sie insgeheim, geschah ihm doch recht. Sie hätte sich ja auch bei seiner absichtlichen Vollbremsung ernsthaft verletzten können. Na, jedenfalls konnte sie sich nun, und das ohne Konkurrenzneid, ganz und gar ihrem neuen Fall widmen. So wie sie es immer tat. Alleine, unabhängig und bestimmungsfrei. Genau das, was Mary unangefochten machte.

Plötzlich wurde Mary jäh aus ihren Gedanken gerissen.

»Fräulein Ritley?«

»Äh, ja, ach Sie sind es, Thomas?«

»Entschuldigen Sie, Fräulein Ritley, ich hoffe, dass ich Sie nicht allzu sehr erschreckt habe?«

»Was?« Aber nicht doch, Thomas, ich war nur in Gedanken versunken. Sie wissen schon, die Geschäfte und so.

»Ja ja, die Geschäfte. Sie rauben uns sogar schon die privaten Gedanken, nicht wahr?«

»Da haben sie nicht einmal so Unrecht. Ach Thomas, was wollten sie denn eigentlich von mir?«

Thomas staunte, dass ausgerechnet Mary diese Frage stellte.

»Das Zimmer, Fräulein Ritley?«

»Das Zimmer?«

»Ja, das Zimmer, Fräulein Ritley! Es ist fertig. sie können sich sofort nach den Formalitäten einquartieren, wenn sie es wünschen.«

»Ach Thomas, jetzt muss aber ich mich entschuldigen. Ich Dummerchen. Vergaß ich doch wirklich, weswegen ich eigentlich hierher kam.« Ja, Mary brauchte endlich Schlaf.

»Aber das macht doch nichts, Fräulein Ritley. Ich darf doch vorgehen?«

»Natürlich, Thomas, sehr nett von Ihnen.«

»Gern geschehen, Fräulein Ritley, wann hat man denn so außergewöhnlich charmante Damen wie Sie es sind in unserem bescheidenen Hause.«

»Ach du großer Gott, Thomas, Sie sind mir vielleicht ein Charmeur.

Nachdem alle Formalitäten erledigt waren, verwies Thomas Mary an den Begleitsteward, der ihr das Zimmer zeigen und ihr Gepäck aufs Zimmer tragen sollte.

»Also, wenn sie noch irgendwelche Wünsche und Fragen haben sollten, wählen sie die Zwei am Hausapparat, Fräulein Ritley?«

»Natürlich, Thomas, ich danke Ihnen vielmals.«.

»Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt bei uns!«

»Dann ging es in den Fahrstuhl und nach oben. Ein kurzer Blick zu dem Liftsteward, der gelangweilt mit seinen blitzblanken weißen Zähnen auf seinem Kaugummi herumkaute, und schon war man angekommen.

»So, bitte sehr, Lady?«, verkündete er die Ankunft zur Etage, wo sich offensichtlich ihr Zimmer befinden sollte.

»Die Zimmernummer 27 bitte?«, vergewisserte sich Mary lieber nochmal.

»Äh, sie steht, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, auf ihrem Zimmerschlüssel.«

»Natürlich, danke.«, erwiderte Mary.

»So, wir sind gleich da. Es ist die letzte Türe links am Gangende, Lady.«, spulte er seine gelernten Sätze herunter.

»Danke schön, junger Mann.«

»Bitte, gern geschehen, Lady.«

Mary war heilfroh, doch noch für den Rest des Abends ein gutes Ende gefunden zu haben. Eigentlich hatte sie vor, sobald sie auf ihrem Zimmer war, ihren Chef anzurufen. Doch sie war zur Ohnmacht müde. Nun stand sie im Zimmer des luxuriösen Viersterne-Hotels, das komischerweise, 'Hotel zur aufgehenden Sonne' hieß. Es klang irgendwie orientalisch, so dachte sich Mary, als sie es beim Eintreten las. Ja, Mary hatte das Talent, Dinge und Geschehnisse zu registrieren, auf die ein ganz gewöhnlicher Durchschnittsmenschen überhaupt nicht hinsehen würde. Oft kam es auch vor, dass sie sich erst im Nachhinein, wenn sie sich auf etwas bestimmtes zu konzentrierten versuchte, wie aus dem Nichts diese oder jene Beschreibung, worum es auch immer ging, aufs I-Tüpfelchen genau erinnern konnte.

Mary sah in etwa 4 bis 5 Metern Entfernung dieses wunderschöne und einmalig riesige Doppelbett. Und noch während sie auf dieses einladende und wunderschöne große Bett zuging, entledigte sie sich ihrer Sachen die sie auf ihrem Leib trug. Mit jedem beschrittenen Meter fiel ein Kleidungsstück zu Boden. Dann endlich stand sie vor dem Bett und ließ sich einfach darauffallen.

»Oh, wie wundervoll! Schlafen, nur noch Schlafen!«, kam nur noch im Flüsterton von ihr. Und im Nu schlief Mary ein.

Ein klein wenig später, es vergingen ungefähr 15 Minuten, um genau zu sein, da klingelte ihr Handy, das sich irgendwo in ihrer Handtasche befand.

Mary hörte den Ton wie von einem Echo kommend und drehte sich von einer Seite zu anderen, bis sie aus ihrem Unterbewusstsein erwachte und letztendlich im Wachzustand das Klingeln hörte.

»Ja ja, ich komme ja schon. Verdammt, wo ist denn mein Handy?« Ein kurzes Nachdenken, und es machte bei Mary 'Klick'.

»Jetzt weiß ich es wieder. Meine Handtasche, wo ist meine Handtasche? Im Nu krabbelte sie auf allen Vieren wie ein Hund, von ihrem Bett in Richtung Gepäck, wo es der Begleitsteward abgestellt hatte. Dort angekommen sah sie sich ein bisschen um und sah die Handtasche, die sich ganz frech hinter einem der zwei Koffer zu verstecken schien. Mary schnappte sich die Handtasche und wühlte halbtrunken vor Müdigkeit nach ihrem Handy. Als sie es endlich fand, nahm sie es an sich und sah auf dem erleuchteten Display ihres Handys, dass es ihr Chef war. Mary wischte sich mit der rechten Hand über ihre verschlafenen Augen und guckte auf die Uhr.

»Mann, so spät ruft Peter noch an?«, musste sie verwundert Festellen.

»Ja, Peter? Was gibt es denn noch zu so später Stunde?«, gab sie mürrisch von sich.

»Verzeih Mary, ich weiß dass es schon spät ist. Ich wollte dir nur sagen, dass unser verlorenes Kind wieder zu Hause ist.«, erklärte Peter freudig.

»Aha, Gregor ist also wieder zu Hause?«

»Ja Mary, gerade eben hat er mich angerufen. Du, der ist ganz schön fertig. Er hat mir alles von seiner Seite her erzählt?«, versuchte Peter zwischen den beiden zu vermitteln.

»Und deckt sich seine Aussage mit der meinen?«, wollte Mary noch wissen.

»Bis aufs Haar genau, Mary? Ich soll dir von ihm ausrichten, dass ihm alles sehr leid tut. Er weiß beim besten Willen nicht, was ihm da über die Leber lief.«

»Na ja, er hatte seine Lektion und ich denke, das genügt fürs erste, Peter.«

Da fiel Peter ein Stein vom Herzen, was er in diesen Tagen überhaupt nicht brauchen konnte, war ein Streit zwischen seinen Mitarbeitern. Sein Geschäft konnte nach seiner Meinung nur funktionieren, wenn alle zusammenhielten. Und irgendwie hatte er durchaus Recht damit.

»Dennoch, Peter, tu mir das nie mehr an. Es war dir bekannt, dass ich nur Leistung bringen kann, wenn ich alleine arbeiten, schalten und walten kann. So, und nun möchte ich, dass wir das alles schleunigst vergessen. Ich muss endlich etwas Schlaf bekommen. Und falls du mich als nächstes fragen willst, was mit dem Fall Hübner nun ist, dann komme ich dir gerne zuvor. Morgen früh so gegen 8 Uhr, werde ich den Fall in Angriff nehmen. Also, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich verschaffe dir die Story, mit allem Drum und dran. Dann wünsche ich dir eine gute Nacht, Peter.« Peter war mal wieder über Marys Vor-Gedanken erstaunt.

»Okay, Mary, dann will ich dich natürlich nicht weiter stören. Gute Nacht, Mary, und bis bald, ja?«

»Natürlich, bis auf bald Peter. So, mir jedenfalls reicht es für heute.« Arbeit hin oder her, ich schalte jetzt dass Handy vom Netz, dachte sich Mary, was sie sogleich in die Tat umsetzte. In langsamen und leicht taumelnden Schritten suchte Mary zielgerichtet das Bett und ließ sich erneut hineinfallen. Von einer Sekunde auf die andere schlief sie erschöpft ein.



*

Am nächsten Morgen, so gegen 8 Uhr:
 

Mary hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, nie länger als 8 Uhr zu schlafen, auch wenn sie die Gelegenheit dazu bekam. Sie brauchte dafür kein Wecksystem, wie so viele andere Mitmenschen. Mary öffnete völlig entspannt und ruhig ihre Augen. Ein Gähnen, ein herzhaftes sich strecken und dehnen und ein Hops in den Schneidersitz. Dann folgte das alltägliche geistige Ritual. Im Schneidersitz verharrend und in sich einkehrend, versuchte sie sich auf den heutigen Tag einzustellen, also schon mal geistig vorzubereiten. Diese Sitzung dauerte meist so zwischen 10 bis 15 Minuten, je nachdem, was sie sich für diesen Tag so alles vornahm. Dann ging es geschwind unter die Dusche, anschließend ein paar Schluck Kaffe mit etwas Toast oder Brot und schon konnte der Tag kommen.

Nachdem Mary sich geistig erfrischt, geduscht und angekleidet hatte, fehlte nur noch das kleine Frühstück. Mary ging ans Haustelefon und wählte, wie man ihr am Empfang mitgeteilt hatte, die Nummer 2.

»Einen schönen guten Morgen, Sie wünschen, wir erfüllen.«

Ein cooler Spruch, dachte sich Mary.

»Ja, guten Morgen, hier ist Fräulein Ritley aus der 27, ich hätte gerne ein kleines Frühstück aufs Zimmer.«, gab sie an.

»Natürlich, gerne, Fräulein Ritley, was hätten sie denn gerne?«, fragte die sehr nette Dame am anderen Ende.

»Also, dann hätte ich gerne Kaffee mit viel Milch und Süßstoff. Dazu 2 Scheiben Toast, natürlich getoastet, und achten sie bitte darauf, dass der Toast noch etwas warm und knusprig ist, wenn er aufs Zimmer gebracht wird. Und etwas Erdbeerkonfitüre und Halbfettmargarine. Das war es dann.« Tja, Mary genoss es, alleine zu arbeiten. Wie man sehen kann, beinhaltete es einige Vorzüge. Geht ja alles aufs Spesenkonto.

»Sehr wohl, kommt sofort, Fräulein Ritley.«, bestätigte sie die Bestellung.

»Moment noch, jetzt hätte ich doch fast den Orangensaft vergessen?«, fügte Mary hinzu.

»Aber das ist doch kein Problem, soll es nur ein Glas mit 0,2 Litern oder darf es ein Kännchen mit 0,7 Litern sein, Fräulein Ritley?« »Ein Glas reicht völlig aus.«

»Haben sie sonst noch Wünsche, Fräulein Ritley?«

»Nein, damit wäre ich vorerst wunschlos glücklich.«

»Das freut unser Haus zu hören. Dann wünsche ich noch einen angenehmen Tag.«

»Danke gleichfalls.« Und Mary legte den Hörer auf die Gabel. Wie ich diese Hochnäsigkeit hasse, dachte sie sich noch. Kurze Zeit später, nach dem kleinen Frühstücksimbiss, nahm sie ihre Handtasche aus einem der zwei großen Reisekoffer und das kleine Köfferchen, in dem sie ihre Minikameraausrüstung verstaut hatte, und ohne die sie nie aus dem Haus ging, und machte sich auf die Socken. Mary wusste zwar noch nicht, was sie den Hübners genau sagen sollte, aber in diesem Fall verließ sie sich ganz auf ihre Intuition. In solchen Fällen, wo sie direkt mit einer besagten Person von Angesicht zu Angesicht verhandeln musste, wusste sie, dass es keinen Sinn hatte, im Vorfeld irgendwelche Sätze auswendig zu lernen. Nein, bestimmte Situationen konnte man nur im Augenblick meistern, ja absolute Notwendigkeit, daraus entstanden die wahren Meister. Davon war Mary absolut überzeugt und das bewies sich in den letzten Jahren mit viel Erfolg. Mary ging wieder den langen Gang entlang, der mit schön anzuschauendem und glänzendem Marmor bis hin zum Fahrstuhl gefliest war. Wiederum standen in Reih und Glied wie Zinnsoldaten links und rechts schön sorgfältig Topfpalmen, ebenfalls bis hin zu Fahrstuhl angereiht, genauso wie sie es schon in der Empfangshalle gesehen hatte. Der Unterschied lag nur in der Größe. Die in der Halle waren um einiges größer. Als Mary mit ihrem leichten Teilgepäck zum Fahrstuhl kam und drückte, kam er sofort hochgefahren und blieb in ihrer Etage stehen. Er ging auf und da stand schon wieder ein Begleitsteward. Es war dieses Mal ein anderer Mann als gestern. Dieser Jemand war groß, enorm groß, so dass Mary ihren Kopf etwas anheben musste, um ihm ins Gesicht sehen zu können.

»Einen guten Morgen wünsche ich Ihnen!«, sprach er mit sehr tiefem aber nichts aussagendem Ton.

»Guten Morgen, junger Mann.«, warf Mary sehr betont und beherrschend zugleich, dennoch diszipliniert, ein. Etikette, Etikette bewahren, Mary, dachte sie zu sich selbst.

»In die Empfangshalle nach unten? Wenn ich mir erlauben darf, Miss?«

Dann setzte sie einen täuschend echt wirkenden und entsetzten Blick auf und starrte diesem armen und nun etwas nervös wirkenden jungen Mann direkt in die Augen.

»Fräulein, nur Fräulein Ritley, bitte.« Ach, es war herrlich. Mary konnte es einfach nicht lassen, die reiche snobische Dame zu spielen.

»Ich bitte um Entschuldigung, Miss...h... Fräulein Ritley.« Ja auch bei diesem jungen Mann gelang es ihr, ihn in weniger als drei Minuten weiche Knie zu verpassen.

»Das, junger Mann, möchte ich auch meinen.«, konterte sie gekonnt.

Nur wenige Augenblicke später kam sie unten in der Empfangshalle an. Der Lift ging auf und der Begleitsteward ging galant und huschend, wie ein sich duckendes und kleines Hündchen, das von seinem Herrchen gerügt worden war, beiseite, um Mary das Passieren zu ermöglichen. Langsam und bedächtig schritt Mary durch die Halle. Graziös, dennoch galant, erhobenen Hauptes und auf ihre Bewegungen bedacht, schritt sie am Empfang vorbei in Richtung Ausgang, von wo ihr Thomas, der Hotelpage, entgegenkam.

»Oh, guten Morgen Fräulein Ritley, schön, sie wiederzusehen.«, lächelte er ihr diesen Satz entgegen.

»Wohl Schichtwechsel, Thomas?«, gab Mary gelangweilt tuend zurück.«

»Äh... ja, sicher, man muss ja von was leben, nicht wahr, Fräulein Ritley?«

Doch Mary gab ihm diesbezüglich keine Antwort mehr und schritt weiter ihres Weges.

»Diese neureichen Snobs werden auch immer muffiger. Mann, einmal in so viel Kohle baden, wie diese Herrschaften. Verstehe sowieso nicht, warum diese reichen Schnösel immer so unglücklich sind, dachte sich noch Thomas und ging Richtung Empfangstresen, wo er seinen Kollegen ablösen wollte.

Mary musste noch ein Stück über den Parkplatz gehen, bevor sie ihr Auto erreichen konnte. Dann endlich. Mary blieb vor ihrem Auto an der Fahrerseite stehen und wühlte mal wieder in ihrer Handtasche herum.

»Mist noch mal, wo ist denn dieser verdammte Autoschlüssel?«, stöhnte sie im Selbstgespräch.

Das gibt es doch nicht, das darf doch nicht wahr sein! Ah, da ist er ja, dachte sich Mary.

Dann stieg sie ein und fuhr in Richtung der Hübners, so glaubte sie zumindest. Doch es sollte anders kommen. Mit langsamer und ruhiger Fahrweise fuhr Mary vor eine Ampelanlage, die gerade von Gelb auf Rot wechselte, und blieb am Standstreifen stehen, um auf Grün zu warten. Plötzlich fiel ihr etwas ein.

Ach du Grundgütiger, jetzt habe ich doch tatsächlich die Adresse der Familie Hübner vergessen. Was mache ich jetzt denn bloß? Dachte sie sich, jetzt wütend.

»Verdammt nochmal, die Adresse hat natürlich Gregor und den habe ich gestern aus dem Auto geschmissen. Mal überlegen.« Mary führte mal wieder Selbstgespräche.

Für Mary wäre es natürlich ein leichtes gewesen, sich die Adresse der Hübners durch ein Telefongespräch mit der Agentur zu holen. Aber das war ihr dann doch zu blöde. Ehrlich gesagt, wollte sie keinerlei Hilfe aus der Agentur. Es war nun mal ihr Charakter. Ja, sie konnte einfach nicht anders.

Das Beste wäre, ich frage einfach ein paar Passanten auf der Straße. So groß ist dieses Dorf ja auch wieder nicht. Irgendjemandem wird die Familie Hübner schon bekannt sein, dachte Mary. Eine zeitlang fuhr sie immer wieder die Straße rauf und wieder runter, bis sie schließlich die Gelegenheit bekam, und einen Passanten rechts neben der Straße auf dem dort befindlichen Gehweg sah. Im nächsten Augenblick hielt sie an und ließ die rechte Scheibe ihres Wagens herunterfahren. Dann beugte sie sich in Richtung des offenen Fensters, um den Passanten besser sehen und hören zu können.

»Entschuldigen Sie bitte? Hallo, bleiben sie doch bitte mal stehen.« Mary konnte es einfach nicht glauben, ging doch dieser Spaziergänger einfach weiter. Ja, er guckte Mary nur an und ging einfach seines Weges.

»Mistkerl!«, dachte sie sich und fuhr wieder langsam weiter.

Dann entdeckte Mary eine weitere Person, die gerade aus einer Seitenstraße herauskam. Sie hatte ein kleines, etwas 2 bis 3 Jahre altes Kind auf ihrem Arm, das sie ganz herzlich auf ihre kleinen Wangen küsste und dabei das kleine Köpfchen streichelte. Mary fuhr im Schritttempo neben den beiden her und rief nach ihr.

»Hallo? ...Entschuldigen sie bitte...« Als die junge Dame mit dem Kind auf dem Arm Mary hörte, blieb sie stehen und drehte sich um.

»Ja, meinen sie etwa mich?«, erkundigte sie sich leicht gebeugt und etwas ins Autofenster guckend.

»Ja, Sie, ich meine Sie. Verzeihen sie bitte, können sie mir vielleicht sagen ob ihnen hier in Rednizkleineck eine Familie mit dem Namen Hübner bekannt ist?«, hoffte Mary die Antwort zu bekommen.

»Oh, das tut mir aber leid, sie müssen wissen, dass ich nur zu Besuch hier bin. Aber der Name Hübner ist mir nicht geläufig.«, berichtete sie mit Bedauern.

»Schade, na da kann man wohl nichts machen. Auf Wiedersehen und danke.« Im Nu, ging die Dame mit ihrem Kind weiter des Weges und Mary stand einsam und verlassen mit ihrem Wagen auf der Fahrbahn neben dem Gehweg.

»Das war wohl auch nichts.«, führte sie im Selbstgespräch. Gerade wollte Mary weiterfahren, um sich einen neuen Passanten zu suchen, da kam urplötzlich und wie aus dem Nichts ein Polizeiwagen vorbeigefahren, wobei einer der Polizisten auf der rechten Seite eine Winkerkelle aus dem Wagen heraus auf und ab schwenkte.« Anschließend machten sie vor Marys Wagen halt und stiegen aus.

»Das hat mir gerade noch gefehlt. Als hätte ich den lieben langen Tag nichts anderes zu tun, als Rechenschaft über meinen Aufenthalt hier in diesem Kuhdorf abzugeben. Verdammt noch mal.«, murrte und maulte sie laut vor sich hin, während sich die Polizisten Marys Wagen näherten. Einer der Polizisten blieb vor ihrem Wagen stehen, mit einem Zettel in der Hand und notierte sich das Kennzeichen ihres Wagens, während der andere auf ihrer Fahrerseite stehen blieb und an ihre Fensterscheibe klopfte.

Mary senkte daraufhin ihre elektronische Fensterscheibe.

»Sie wünschen?«, fragte Mary den Polizisten höflich.

»Guten Tag, junge Dame, zeigen Sie mir doch bitte ihre Fahrererlaubnis und den Fahrzeugschein.«, kam entschlossen von ihm rüber.

»Natürlich, aber können Sie mir vielleicht mal verraten, was ich falsch gemacht haben soll?«

Und während der Gesetzeshüter ihre Papiere zu überprüfen schien, kam die Antwort auf Marys Frage: »Sie wissen schon, dass sie hier nicht halten dürfen, oder?«, wies er lässig darauf hin.

»Aber ich bitte Sie, ich wollte mich doch nur nach etwas erkundigen, das wird man doch wohl noch dürfen, oder?«, beschwerte sich Mary.

»Natürlich dürfen sie das, wir sind schließlich ein freies Land. Dennoch, hier ist es eben verboten.«, gab er nun zynisch von sich.

»Warum denn?«, hakte Mary nun etwas lauter geworden nach.

»Aber Fräulein, ich bitte Sie, auf einer Schnellstraße? Wo haben sie denn ihren Führerschein gemacht, etwa im Lotto gewonnen?«, wurde jetzt der Polizist frech.

Der sucht einen Grund, mir einen Strafzettel zu verpassen. Also Mary du bleibst jetzt sehr ruhig, gib diesem Dorftrottel keinen Anlass dazu.

»Nach was erkundigen sie sich denn, wenn ich fragen darf?«, fragte der Polizist.

»Ich suche nach einem Namen. Sie müssen wissen, dass ich geschäftlich hier bin, Herr Polizist.«

»So, nach einem Namen erkundigen sie sich und geschäftlich sind sie hier?«

»Ja.« Mary blieb ruhig und zündete sich eine Zigarette an.

»Nach welchem Namen suchen sie denn in unserem schönen Rednizkleineck.«, wollte er nun wissen.

»Ja natürlich, vielleicht könnten Sie mir helfen. Ich suche eine Familie Hübner, kennen Sie diese vielleicht?«, fragte sie ihn.

»Hübner? Ich bin noch nicht lange in diesem Bezirk, aber vielleicht kennt mein Kollege diese Familie?«, dann winkte er seinen Kollegen zu sich.

»Sag mal, Kurt, kennst du vielleicht eine Familie Hübner, die hier irgendwo wohnen soll?«

»Die Hübners, klar kenn ich die. Warum?«, fragte sein Kollege blöde.

»Na die Lady hier möchte es gerne wissen.«

»So, die Lady hier?«, er beugte sich zu Mary herunter und sah ihr ganz tief in die Augen.

»Was wollen sie denn von den Hübners, wenn ich mal fragen darf?«, fragte er nun neugierig geworden.

»Geschäftlich, es ist von geschäftlicher Natur.«, antwortete Mary diesem Kurt.

»Aha, verzeihen Sie, dass ich so neugierig bin, Fräulein.«, während er auf ihrem Führerschein nach ihrem Namen suchte.

»Fräulein Ritley? Wie ich sehe sind Sie Amerikanerin?«, vergewisserte sich Kurt der Polizist.

»Ja, aber schon über 10 Jahre in Deutschland.«, sagte Mary stolz.

»Ich habe einen Schwager in Amerika.«, erwiderte Kurt, was Mary eigentlich überhaupt nicht interessierte, die dennoch gute Miene zum bösen Spiel zeigte, um die ganze Sache schleunigst hinter sich zu bringen.

»Das ist aber schön, wo denn genau in Amerika?«, wandte sie geschickt ein.

»In New York, um genauer zu sein.«, gab Kurt schlicht an.

»Eine interessante Stadt, dieses New York.» fügte Mary, so langsam gelangweilt, hinzu.

Dann händigte der andere Polizist Mary die Fahrzeugpapiere wieder aus.

»Das nächste Mal sollten sie ihr Fahrzeug besser einparken, wir haben ne Menge Parkplätze hier in Rednizkleineck, Frau Ritley?«

»Fräulein bitte?«, berichtigte Mary.

»Wenn sie noch immer wissen wollen, wo die Hübners wohnen, kann ich ihnen den Weg dahin erklären?«, bot Kurt der Polizist Mary an.

»Ja, gerne.«, freute sich Mary.

Und als die Polizisten Mary den Weg erklärt hatten, stiegen die beiden Gesetzeshüter wieder in ihr Fahrzeug und fuhren wieder ihres Weges. Und auch für Mary wurde es allmählich Zeit. Schon eine Weile fuhr Mary auf dieser Schnellstraße entlang. Dann kam der besagte verkehrsberuhigte Bereich, in den sie einfuhr.

Nach kurzem Suchen stand Mary vor dem besagten Haus der Hübners. Mary stieg noch nicht aus, nachdem sie vor dem Haus eingeparkt hatte.

»Also, dann kann es ja losgehen. Hoffentlich ist jemand zu Hause. Ich will das jetzt endgültig zum Abschluss bringen, dachte sie sich. Mary bekreuzigte sich, was sie immer tat, bevor sie einen nach ihrer Meinung schwierigen Fall in Angriff nahm. Dann ging sie an die Haustür der Hübners und klingelte zaghaft.

Langsam öffnete sich die Tür einen Spalt breit, und Stephan, den wir bereits kennen, spitze heraus.

»Ja, Sie wünschen?«, fragte Stephan misstrauisch.

»Ja, guten Tag Herr Hübner, mein Name ist Mary Ritley von der Agentur Peter Lenz für rätselhafte Phänomene. Kann ich Sie für einen Augenblick sprechen?«

»Aber sicher doch, kommen Sie bitte herein.«, bat Stephan Mary herein.

Das ist ja wunderbar, die scheinen ja gar nicht sauer auf uns und unsere Agentur zu sein. Mann, da hatte Peter mir was ganz anderes erzählt. Na, wir werden ja sehen, dachte sich Mary.

»Sie müssen die Unordnung schon entschuldigen aber ich habe einige Kabel verlegt.«, beteuerte Stephan und führte sie ins Wohnzimmer.

»Aber bitte setzten Sie sich doch, darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Frau Ritley?«, kam sehr höflich von Stephan.

»Fräulein.«, berichtigte Mary mal wieder.

»Wie belieben?«, kam von Stephan.

»Ich bin nämlich nicht verheiratet.«

»Ah so, natürlich. Verzeihen Sie bitte. Ich bin zur Zeit etwas durcheinander. Diese rätselhafte Sache gleitet mir doch so langsam aus den Fingern, müssen Sie wissen.«

»Ja, Herr Hübner, das ist genau der Grund, weshalb ich Sie aufsuche.« Dann wurden die beiden in ihrem Gespräch abrupt unterbrochen.

»Papa, wer ist denn da gekommen?«, fragte Sarah recht neugierig.

»Darf ich Ihnen meine Tochter Sarah vorstellen?«, führte sie Stephan stolz vor.

So ging Mary zu Sarah und gab ihr freundschaftlich die Hand.

»Tja, ich würde vorschlagen, dass wir uns hinsetzen und dann über diesen Fall erst einmal reden.«, schlug Mary Stephan und Sarah vor.

»Genau, das wird vorerst das Beste sein.«, sagte Stephan zu, während er den einen Sessel von der Couchgarnitur wegschob um für Sarahs Rollstuhl etwas mehr Platz zu schaffen. Und als alle nun in der Runde um den Wohnzimmertisch mit einem Getränk saßen, wartete Mary, ja warteten alle, dass irgendeiner von der Runde zu erzählen begann. Nur zögerlich fing Stephan an:

»Also, nach dem Besuch ihres Chefs waren wir also, ich und Sarah, erst gar nicht gut auf ihre Agentur zu sprechen. Das muss ich Ihnen vorweg erst einmal sagen.«, beschwerte sich Stephan erst.

»Genau, da hat mein Papa Recht.«, unterstützte Sarah ihren Vater, der sich natürlich sehr darüber zu freuen schien und ihr folglich, als Belohnung ein gewinnendes Lächeln schenkte.

»Ja, Herr Hübner, der Herr Lenz hat mir natürlich davon berichtet und ich muss Ihnen in dieser Hinsicht in allen Punkten Recht geben. So etwas darf nicht vorkommen. Aber sie können natürlich versichert sein, was ich ihnen von ihm beteuern soll, dass ihm die ganze Sache äußerst leid tut. Er wird sich natürlich bei Gelegenheit, und das ganz persönlich, bei Ihnen für diese Unannehmlichkeit, die er mit seinem Besuch verursachte, entschuldigen.«, beteuerte Mary.

»Na, da will ich mal nicht so sein. Sie können ihrem Chef ausrichten, dass alles vergeben und vergessen ist.«, das hörte Mary gerne.

»Na bestens, Herr Hübner.«

»Wissen Sie, Fräulein Ritley, ich und Sarah hatten gestern Abend beschlossen, morgen in ihrer Agentur anzurufen.«, gestand Stephan.

»So?«, kam verwundert von Mary.

»Ja, ich und Sarah werden mit dieser Situation einfach nicht alleine fertig. Schon alleine dieser Katja Moser wegen.«

»Das kann ich mir gut vorstellen, Herr Hübner. Sie können mir glauben, ich werde Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Natürlich verlange ich absolute Ehrlichkeit von ihrer Seite aus. Das ist enorm wichtig. Und um gänzliches Misstrauen zu tilgen, werde ich Ihnen nun etwas über unser Geschäft erzählen. Natürlich verkaufen wir rätselhafte Phänomene, also nicht erklärbare Erscheinungen. Das tun wir natürlich in erster Linie, um uns geschäftlich über Wasser zu halten. Aber es geht nicht nur darum. Vielmehr ist es unser erstes Gebot und Prinzip, Menschen mit Rat und Tat beiseite zu stehen, die in, sagen wir einmal, in Situationen geraten, aus denen sie nicht so einfach aus eigener Kraft wieder herausfinden können. Menschen, die das erste Mal mit Erscheinungen konfrontiert werden, die es eigentlich gar nicht geben kann. Und wenn, wie in ihrem Fall, auch noch eine Entführung mit im Vordergrund steht, die sie gar nicht melden können, weil Ihnen sowieso keiner glauben schenken würde, macht das die prekäre Lage für Sie ja noch schwieriger, als sie schon ist. Wir, die wir aus unserem persönlichen Erfahrungstopf schöpfen können, befinden uns natürlich jederzeit in der Lage, Schutzmaßnahmen für Sie zu organisieren. Auch können wir, wenn es erforderlich wird, das Gesetz für Sie und Ihre Tochter einschalten. Aber natürlich versuchen wir erst einmal dem Geschehen auf den Grund zu gehen. Alle Zweifel müssen bei solchen Erscheinungen erst einmal im Keim erstickt werden, ehe wir etwas unternehmen können. Und das werden wir, wenn es denn ein wahrhaft echtes Phänomen darstellt.«

»Ja, glauben Sie denn nicht einmal ihrem Chef? Sicher war er von dem Geschehen überzeugt, sonst wären Sie doch nicht hier, oder, Fräulein Ritley?«, verteidigte sich Sarah.

»Aber natürlich glaube ich, was mir mein Chef erzählte.« Aber du kannst dir nicht vorstellen, mit was für ungeheuren Raffinesse heutzutage in dieser Branche geschummelt wird. Was für Anstrengungen unternommen werden, um einmal im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen zu dürfen. Und was für Unsummen von diesen Clubs und Vereinen dafür ausgegeben werden, um eben einen solchen mysteriösen Effekt zu landen.«, versicherte Mary den beiden.

»Was, Clubs und Vereine gibt es dafür auch?«, wollte Sarah erstaunt wissen.

»Aber natürlich, in rauhen Mengen sogar. Wie Pilze schießen sie Jahr für Jahr aus dem Boden und ein Ende ist noch lange nicht abzusehen. Man weiß nach den neuesten Eintragungen im Landesverzeichnissamt für Geschäftsgründungen, dass sich jährlich weit mehr als 200 dort eintragen lassen.«

»Mann, das sind ganz schön viele.«, kam von Stephan rüber.

»Stimmt, und stellt euch mal vor, jeder von denen also, jeder der in so einen Club beitritt und das sind nicht wenige, könnt ihr mir glauben, will was erlebt, also gesehen haben.«, gab noch Mary eins drauf.

»Ja, aber nicht jeder hatte einen Beweis, oder, Fräulein Ritley?«, eine durchaus kluge Frage die da Sarah stellte.

»Sicher, die meisten haben nur ihr Mundwerk als Beweis.«

Mary platzte bald vor Neugier. Denn diesen Beweis, den sie auf Kassette hatten, hatte bisher außer Stephan, Sarah und ihrem Chef, Peter Lenz, niemand gesehen. Mary fragte absichtlich nicht nach dieser Kassette. Damit wollte sie unbedingt vermeiden, dass die Hübners glaubten, sie wäre nur gekommen, um sich diesen Beweis unter den Nagel zu reißen.

»Fräulein Ritley? Wollen sie sich die Kassette mal ansehen?«

Endlich war sie gefallen, die alles ersehnte Frage, auf die Mary schon vor Ungeduld wartete.

Trotz dieser innerlichen Ungeduld blieb Mary kühl und besonnen. Keine Miene, die sie verraten könnte, dass sie bald vor Ungeduld zu platzen drohte, verzog sie. Ja, das war ihr Element, ihr Geschäft und ihr Kapital zugunsten der Agentur. Da war sie Meister ihres Faches. Dennoch verspürte sie ein bisschen Mitgefühl für die beiden, die sich offenbar in einem Dilemma befanden, das seinesgleichen suchte, und von alleine nicht herauszukommen schienen. Mary war klar, dass sie sich trotz alledem nicht zu sehr von Menschlichkeit leiten lassen sollte. Sie musste Objektiv und selbstbewusst an diesen Fall herangehen. So, und nur so konnte sich Mary all die Jahre die besten Kunden und Fälle angeln. Nichts desto trotz konnte sie in vieler Hinsicht nicht so handeln, wie sie es manches Mal - so wie bei den Hübners - gerne getan hätte. Natürlich erkannte sie, dass es dieser Vater mit dem gehbehinderten jungen und überdurchschnittlich hübschen Mädchen nicht sehr leicht hatte. Aber wer hatte das schon, in dieser so hektischen Welt. Eines jedoch hatte sich Mary fest vorgenommen: Dieses eine Mal wollte sie in diesem Fall mit offenen Karten spielen. Sie wollte ohne jegliche List an diesen Fall herankommen. Na ja, sagen wir einmal, fast ohne jegliche List.

»Also, was ist jetzt, Fräulein Ritley, wollen sie nun das Video sehen oder nicht?«, hakte Sarah nochmals nach.

»Ja, gerne doch, ich kann es mir ja mal ansehen, Sarah?«, tat Mary so, als würde sie sich für das Band nur geringfügig interessieren.

»Gut, ich gehe die Kassette holen, okay Papa?«

»Nur zu, Liebes, mach nur.«, antwortete Sarahs Vater.

Sarah fuhr mit dem Rollstuhl in ihr Zimmer, wo sie und ihr Vater das Videoband versteckt hatten.

»Ihre Tochter hat es wirklich nicht leicht.«, stellte Mary laut fest.

»Ja, Fräulein Ritley, da mögen Sie Recht haben. Andererseits versuche ich sie so zu erziehen, sich jedem Problem zu stellen und nicht gleich Reißaus zu nehmen, wenn es hin und wieder ein bisschen schwierig wird. Es hat und kostet mir heute noch sehr viel Kraft, sie so behandeln zu müssen. Ihr dabei zusehen zu müssen, wenn sie sich bei den einfachsten Tätigkeiten förmlich quälen muss. Doch ab und an denke ich mir, wie tapfer mein kleines Töchterchen doch ist. Im Gegensatz zu mir und manch anderen.«, überzeugte Stephan mit starrem Blick.

»Sie sind auch tapfer, Herr Hübner, glauben Sie mir das. Da muss ihre Tochter durch, wie so viele ihresgleichen. Es ist doch so, ihre Tochter braucht Sie und Sie brauchen ihre Tochter. Da führt im Endeffekt kein Weg vorbei.«, versuchte Mary, Stephan ein bisschen Mut zuzusprechen.

»Wissen Sie, Fräulein Ritley, ich dachte immer, dass der Mensch, das Maß aller Dinge sei. Doch als ich mir das Video ansah, das Sarah aufnahm, war ich doch sehr geschockt. Sie können mir ruhig glauben, dass das, was ich da zu sehen bekam, meine Vorstellungskraft bei weitem übertraf.«, erzählte Stephan voller Eifer.

»Das kann ich mir gut vorstellen, Herr Hübner, es ist für diejenigen, welche eine solche Erfahrung mit dem Unbekannten machen, seien es rätselhafte Erscheinungen, vielleicht gar von Außerterrestrischen Arten, geistig und seelisch nur teilweise oder gar nicht zu verarbeiten. Hierbei treffen, sprichwörtlich ausgedrückt, Welten aufeinander, die dann schwerlich zu beschreiben oder gar zu deuten sind. Und die wenigen Menschen, die es tatsächlich trifft, verschweigen oder vernichten sogar Beweise von, na ja sagen wir einmal, von der Existenz einer außerirdischen Begegnung der Dritten Art.«, bekräftigte Mary.

»Und warum tun sie das, Fräulein Ritley?«, warf Stephan ein.

»Nun, da gibt es viele Gründe. Doch einen bestimmten Grund bevorzugen die meisten. Was ich für sehr Schade halte.«

»Und der wäre, Fräulein Ritley?«, unterbrach Stephan.

»Es ist die Angst, sich lächerlich zu machen. Sie sollten wissen, es gibt für den Menschen nichts Schlimmeres, als sich vor ihresgleichen lächerlich zu machen. Zu wissen, dass es Mitbürger geben könnte, die sie für verrückt halten. Tja, und der Rest, dem es egal ist, was andere von ihnen halten, die wollen sich mehr oder weniger keine Unannehmlichkeiten in ihr ach so geliebtes Heim holen.«, beteuerte Mary argwöhnisch.

»Es ist aber nicht leicht, sich in solchen außergewöhnlichen Fällen Hilfe zu holen, nicht wahr, Fräulein Ritley?«, fügte Stephan noch hinzu.

»Natürlich, Herr Hübner, das will ich ihnen gerne glauben. Trotzdem bin ich der Meinung, dass diese Personen, die es trifft, ein bisschen mutiger sein sollten. Sonst kann es passieren, falls es vielleicht doch irgendwann einmal zu einem Eklat zwischen jener fremden Lebensform mit der unseren kommt, dass die unsere mit großer Wahrscheinlichkeit den Kürzeren ziehen wird.«, überzeugte Mary.

»Sagen sie mir ganz ehrlich, als die, die Sie nun schon mehrere Jahre mit solchen Fällen zu tun haben, glauben sie wirklich an außerirdisches Leben, egal in welcher Form auch immer?«, warf nun Stephan neugierig geworden ein.

»Deuten wir es einmal so: Es wäre vermessen zu glauben, wir seien das Maß aller Dinge und dass es außer uns und den uns bekannten Lebensformen auf der Erde nichts anderes existieren könnte. Natürlich sind die Gegebenheiten, die zu unserer Existenz beitrugen, ideal gewesen. Dennoch, wir befinden uns in einem Sonnensystem, das nur eines von so unendlich vielen in unserer Galaxie ist und diese ist wiederum nur eine von Milliarden von Galaxien. Warum also, so frage ich Sie, Herr Hübner, sollten nach der Wahrscheinlichkeitstheorie nicht wieder eine so ideale Gegebenheit existieren? Sie muss ja nicht die exakte Kopie darstellen, sondern nur die Grundstoffe, die erst das Leben möglich machen, besitzen oder sagen wir mal beinhalten.«, befand sich nun Mary voll in Fahrt.

»Das stimmt, von dieser Seite hatte ich es noch nie betrachtet. Ich glaube auch nicht, Fräulein Ritley, dass Gott sich nur mit uns mühte, dass er nur uns erschuf.«, antwortete Stephan mit Feingefühl.

Mary hüllte sich nun in Schweigen. Sarah kam wieder ins Wohnzimmer und man sah, wie sie sich mit ihrem Rollstuhl abmühte. Auf ihrem Schoß lag die Videokassette, die sie aus ihrem Versteck geholt hatte.

Einen Augenblick lang hielt Sarah beobachtend inne. Sie fixierte mit ihren himmelblauen Augen ihren Vater und Mary.

»Was ist, Papa?«, erwischte Sarah ihren Vater mit ihren Blicken.

»Was meinst du, Sarah?«, wollte nun ihr Vater wissen.

»Na, wie ihr euch beide gerade ansaht?«, gab Sarah zur Antwort.

»Wie haben wir uns denn eben angesehen, Sarah?«, kam jetzt von Mary.

»Ach, vergessen Sie's?« Sarah wurde sichtlich rot. Offensichtlich hatte sie sich gerade eben in die Nesseln gesetzt. Sarah glaubte nämlich, dass sich zwischen ihrem Vater und Fräulein Ritley ein warmherziges Gefühl entwickelt haben könnte. Doch weit gefehlt, musste sie beim nächsten Blick feststellen.

»Was guckt ihr denn so, wollt ihr euch nun die Kassette ansehen oder nicht?«, kam vom Thema ablenkend von Sarah.

»Aber natürlich, Liebes. Gib sie mir, ich werde sie in das Videogerät einschieben.«, entgegnete ihr Vater.

Nachdem Sarah mit dem Rollstuhl ihre ursprüngliche Position einnahm, spulte ihr Vater das Band auf die genaue Stelle, wo sich das rätselhafte Verschwinden der Katja Moser ereignete. So saßen Sarah, ihr Vater und Mary auf ihren Plätzen und starrten wie gebannt auf den Fernsehschirm. Besonders Mary konnte nun ihre Nervosität nicht mehr länger unter Zaum halten und kaute auf ihren Fingernägeln. Sichtlich ergriffen konnte Mary kaum glauben, was sie da zu sehen bekam. Sarah hingegen schien dieses wundersame Ereignis kalt zu lassen. Sie interessierte vielmehr, wie Mary auf das aufgezeichnete Wunder reagierte. Ob sie wohl glauben würde, was sie da sah? Oder würde sie es als Scharlatanerie abtun? Sarah war ganz aufgeregt und konnte Marys Urteil gar nicht abwarten. Und es war soweit.

»Und?«, kam von Sarah aufgeregt.

»Und was?«, erwiderte ihr Vater.

»Doch nicht du, Papa, ich meinte doch Fräulein Ritley.« Beide, Stephan und Sarah wandten nun ihre Blicke hoffnungsvoll zu Mary.

»Also, wenn sich das was ich eben sah, wirklich zugetragen hat, ich meine, wirklich echt ist, dann - Ich wage es gar nicht auszusprechen!«, kam total verwirrt von Mary.

»Was ist dann, Fräulein Ritley?«, fragte Stephan nach.

»Ja, was ist dann? So spannen sie uns doch nicht so auf die Folter, Fräulein Ritley?«, drängte Sarah abermals.

»Dann ist das, meine Liebe, was du da aufgezeichnet hast, das Ereignis des Jahrhunderts, ach was sage ich, das Ereignis seit Jesus Christus' Auferstehung schlechthin!«, entgegnete Mary sehr aufgeregt und angetan.

»Ja wieso, glauben sie uns denn nicht, Fräulein Ritley?«, fragte nun Stephan etwas besorgt.

»Sehen Sie, Herr Hübner, was ich glaube, spielt in diesem Fall gar keine Rolle.«, warf Mary nun ein.

»Und was jetzt, ich meine, wie geht es denn nun weiter?«, wollte Sarah wissen.

» Tja, wie es ab jetzt weitergehen soll, liegt ganz bei euch.«, trumpfte nun Mary ein.

»Aber wir sagten doch schon, dass wir nicht wissen, was wir nun zu tun haben.«, lenkte nun Sarah ein.

»Das ist mir von vorne herein schon klar gewesen, das ist ja auch der Grund, warum ich hier bin.«, begann nun Mary zu drängen.

»Können sie uns denn nicht helfen, Fräulein Ritley?«, bat nun Sarah inständig.

»Bevor ich euch helfen kann, muss ein Wort gesprochen werden, das wir drei absolut ernst nehmen sollten. Ohne dieses jene Wort gib es keinerlei Zusammenarbeit. Ich will ehrlich zu euch beiden sein, sobald ich merke, dass ihr beide mich auf den Arm genommen habt, oder es vielleicht vorhabt, bin ich schneller weg, als euch lieb ist. Ich Spiele mit offenen Karten, also verlange ich das Gleiche von euch. Und das nicht mehr oder weniger. Ist das ein Wort?« Ach du meine Güte, Mary? Ich hoffe, dass du Dummerchen da nicht ein bisschen zu dick aufgetragen hast, dachte und rügte sich Mary selbst.

Sarah und Stephan sahen sich an und waren sich sofort ohne ein Wort zu verlieren einig.

»In Ordnung.«, willigte Stephan als erster ein und gab Mary den Handschlag.

»Sarah hingegen zog ihren Handschlag noch etwas hinaus. Damit wollte sie ihre verborgene weibliche Überlegenheit Mary gegenüber zeigen.

»Okay, ich bin auch einverstanden. Aber jetzt möchte ich wissen, was das für ein Wort sein soll, ohne das wir nicht zusammen arbeiten können, Fräulein Ritley?«, forderte nun Sarah forsch.

»Das Wort heißt 'Vertrauen'.«

»Vertrauen, schon klar?«, gab Stephan profan wieder.

»So, und nun würde ich vorschlagen, dass wir uns duzen?«

Dann stellten sich alle mit ihren Vornamen vor und bekräftigten diese Abmachung mit einem Handschlag.

»Dieses ständige Sie, Herr und Fräulein ist doch sehr lästig?«, bekräftigte Sarah im nachhinein. Und somit schien sich letztendlich doch noch eine Freundschaft zwischen den dreien anzubahnen.

»Und wie fahren wir nun in dieser sehr smarten Sache fort, Mary?«, eine durchaus berechtigte Frage, die da Stephan stellte.

»Als erstes sollten wir nichts überstürzen und was noch viel wichtiger ist, Ruhe bewahren.«, versuchte Mary die beiden erst einmal zu beruhigen.

»Das ist mir schon klar, aber wir müssen doch etwas unternehmen. Wir können doch die Entführung der Katja Moser nicht einfach außer Acht lassen, das müssen sie doch verstehen, Mary?«, empörte sich Stephan.

»Das habe ich auch so nicht gemeint, Stephan. Eines nach dem anderen. Wir müssen diesen Beweis erst einmal bekräftigen und, ich sage es nur ungern, vorerst alle Möglichkeiten einer Fälschung liquidieren, also im Keim ersticken. Wenn das geschehen ist, also eine Fälschung absolut auszuschließen ist, ja dann sind wir in der Lage, einige Spezialisten zu diesem Fall hinzuziehen zu können?«, versicherte Mary den beiden.

»Ja, aber ich dachte, du und deine Kollegen sind die Spezialisten schlechthin?«, wollte nun Sarah wissen.

»Natürlich sind wir in unserem Fach gewisse Spezialisten. Dennoch sind wir in unseren Möglichkeiten etwas befangen, technisch eingeschränkt. Gewissermaßen nicht in der Lage, das Beweismaterial auf der höchsten Ebene technisch zu erforschen.«, kam von Mary.

Du meinst wohl eher, auf eine Fälschung hin zu überprüfen.«, stellte Stephan fest.

»Genau Stephan, stell dir einfach vor, dass du beim TÜV bist. So wie ein Auto dort auf Herz und Nieren geprüft wird, so intensiv wird euer Beweismaterial geprüft. Diese Fachleute zerlegen so lange euer Beweismaterial, und das in tausend Einzelteilen, wie es erforderlich ist, bis jeglicher Betrug oder Fälschung ausgeschlossen werden kann.«

»Und was dann, Mary?«, fragte Sarah beherzt nach.

»Nun, dann wird unsere Agentur aktiv. Das heißt im Klartext, dass wir im Besitz einer der außergewöhnlichsten Fälle unserer heutigen Zeit sind.«

»Das mag schon sein Mary, aber was mich im Augenblick interessiert ist, wie können wir der armen Katja Moser helfen?« Stephan ließ nicht locker.

»Verzeih, Stephan, daran hatte ich im Augenblick gar nicht gedacht. Tja, ehrlich gesagt, da bin ich überfragt. Ich kann mir nicht vorstellen, einem Mädchen helfen zu können, die sich buchstäblich vor unser aller Augen in die Lüfte erhob und ins Nichts auflöste. Oder hat von euch jemand eine Idee?«, kam etwas sarkastisch von Mary rüber.

»Ich glaube nicht, dass Katja ins Nichts entschwand.«, äußerte sich nun Sarah.

»Sarah, bitte, ich glaube nicht, dass wir Mary davon erzählen sollten, dies alles ist schon peinlich genug!«, wandte nun Stephan ein.

»Was ist los? Wisst ihr vielleicht etwas, was ich nicht weiß? Ich dachte, dass wir uns einig wären? Wohl schon das berühmte Wort vergessen? Vertrauen!« Mary war jetzt sichtlich etwas von Stephans und Sarahs Geheimnistuerei enttäuscht.

Na ja, weißt du, Mary, ich dachte, dass du uns bestimmt auslachen wirst, wenn wir dir unseren Verdacht erzählen würden.«, gab Stephan kleinlaut von sich.

» Habe ich vielleicht bei der Ansicht des Videobandes gelacht? Hab ich das?«, kam Mary ein bisschen in Rage.

»Nein, natürlich nicht, Mary?«, fügte Sarah ein.

»Na seht ihr? Ich sage es nochmal, wenn ihr kein Vertrauen zu mir habt, bin ich hier fehl am Platze.« Dann stand Mary auf und nahm ihre Handtasche.« Anscheinend wollte sie verärgert gehen.

»Warten Sie, Fräulein, Äh... ich meine, Mary? Natürlich haben ich und Sarah Vertrauen zu dir. Es klingt doch sehr gewagt, wenn ich und Sarah glauben, dass Katja sich in einem...« Dann hielt Stephan plötzlich inne.

»In einem? In einem was? Also ich muss doch schon ziemlich behämmert sein, denn ich verstehe nur Bahnhof.« Ja so war es durchaus, Mary verstand überhaupt nicht, worauf die beiden hinaus wollten.

»Wir dachten, dass sich Katja auf einem Raumschiff befindet und das ganz in der Nähe, na ja im Orbit auf der erdabgewandten Seite des Mondes vielleicht?«, beichtete Sarah leicht beschämt.

»Warum denkt ihr beide denn, dass ich darüber lachen würde? Natürlich ist es möglich, aber es muss doch einen Grund für diese eure Annahme geben?«, hakte nun Mary nach.

»Wieso fragst ausgerechnet du danach, Mary? Du hast doch auch gerade eben das Video gesehen, oder etwa nicht?«, warf noch Sarah ein.

»Sicher, das habe ich.« Und Mary ließ die Aufzeichnung nochmals in ihrem Kopf ablaufen. Bis es ihr wie Schuppen von den Augen fiel.

»Natürlich, ihr habt Recht! Katja ist definitiv von Außerirdischen entführt worden. Wie anders kann es denn sonst sein? Sie erhob sich in die Lüfte! Wo anders könnte sie denn hingebracht worden sein, als in den Weltraum?«, kam jetzt erleuchtet von Mary.

»Es kann aber auch sein, dass sie ja nur zu einem anderen Ort gebracht wurde?«, schlussfolgerte nun wieder Stephan.

»Nein, ich glaube, dass wir dies ausschließen können.«, sagte Mary überzeugt.

»Was macht dich da so sicher, Mary?«, wollte Sarah nun wissen.

»Glaubst du im Ernst, Sarah, diese Wesen hätten sich solche Mühe gemacht, Katja auf diese Weise verschwinden zu lassen, um sie dann ständig vor uns Menschen verbergen zu müssen. Oder glaubt ihr wirklich, dass es so einfach wäre, einen fast ausgewachsenen Körper so mir nichts dir nichts durch die Lande zu schmuggeln? Nein, und nochmals nein. sie hätten jederzeit riskiert, entdeckt zu werden. Nein, die wollten ganze Sache machen. Schnell und unkompliziert sollte das ganze vor sich gehen. Sie wussten genau, was sie da taten. Sie wussten, dass kein einziger Mensch an jenem Ort, der über jeden Verdacht erhaben ist, suchen würde.«, überzeugte nun Mary.

Im Universum eben, stimmt es, Mary?«, schlussfolgerte Sarah.

»Richtig, Sarah? Wir müssen uns aber von vorne herein im Klaren sein, wenn sich unser dreier Verdacht bestätigt sieht, wir dann so gut wie nicht in der Lage sein werden, dem armen Mädchen Katja Moser zu helfen. Oder glaubt ihr beiden denn im Ernst, wir könnten einfach zur Raumfahrtbehörde NASA fahren, dort unsere Geschichte erzählen und diese Behörde startet bei der nächstbesten Gelegenheit eine ihrer Raketen als Rettungsaktion für die Katja Moser in den Orbit des Mondes?«, gab Mary widerwillig zu ihrem Besten.

Dann sahen sich Stephan und seine Tochter Mary mit einem Blick an, der alles auszusagen schien.

»Vergesst es, die sperren uns glatt in die Klapsmühle, wenn wir dort aufkreuzen würden?«, verneinte Mary abermals.

Und wieder kam von den beiden keine Antwort.

»Ja habt ihr überhaupt eine Vorstellung, was so eine Mission kosten würde?«, und Mary wartete auf eine Antwort.

»Natürlich nicht, Mary? Aber, wenn wir der NASA unser Material zur Verfügung stellen würden, dann müssten sie uns doch Glauben schenken und uns folglich zur Seite stehen, oder?«

Was Sarah da vorschlug, klang natürlich sehr einleuchtend.

»Ach du Grundgütiger. Na gut, jetzt will ich euch mal was erklären. Es gibt mittlerweile sehr mächtige Behörden auf unserem schönen Planeten, Namen möchte ich hinsichtlich dieser Tatsachen nicht nennen. Deswegen fragt mich bitte nicht danach. Nun, wie schon angesprochen, gibt es sehr mächtige Behörden, die alles Erdenkliche unternehmen würden, um ungewöhnliche außerterrestrische, also außerirdische, sagen wir mal Bewegungen, oder allgemeiner, Aktivitäten mit zu guter Letzt eindeutig nachzuweisender Existenz, sabotieren und zu ihrem eigenen Vorteil zu vertuschen. Koste es, was es wolle.«, sagte Mary aus.

»Warum tun sie das, ich meine warum sollten sie es denn verheimlichen wollen. Ist es nicht immer ein Menschheitstraum gewesen, Besuch von einem anderen Stern zu bekommen? Die müssen doch nicht gleich von bösartiger Natur sein. So wie es in den meisten Kinofilmen gezeigt wird. Oder was meinst du, Mary?«, fragte nun Sarah.

»Nun, Sarah, ganz so genau weiß ich das auch nicht. Vielleicht fürchten unsere Mächtigen dieser Erde einen Prestigeverlust, dass die übrige Bevölkerung an die Wahrheit kommt und sie ihrer Macht entheben würde.«, deutete Mary daraufhin.

»An was für eine Wahrheit denn, Mary?«, wollte Stephan wissen.

»Na, dass sie uns nur benutzen, für ihre Zwecke ausnutzen, ach, ich weiß es doch auch nicht. Aber eines ist sicher, wenn irgendwo auf diesem unserem Planeten tatsächlich außerirdisches Leben mit ihren Raumschiffen landeten, dann, und da bin ich mir absolut sicher, dann wissen diese Mächtigen auf jeden Fall Bescheid, das könnt ihr mir getrost glauben. Denn in der heutigen Zeit könnte nicht einmal eine außerirdische Fliege, die nur wenige Millimeter aufweisen würde, auf unserem rundum überwachten Planeten landen. Wir sind schon lange nicht mehr frei, auf dem Planeten, den wir Erde nennen. Und glaubt mir, alles geschieht und das ohne dass wir es merken, genau so, wie es so mancher Machthaber haben will.«, kam jetzt Mary in Fahrt.

»Mary, warum bemerken wir von all dem nichts?«, eine durchaus kluge Frage die da von Sarah kam.

»Weil es für uns alltäglich ist. Wir werden schon von der Wiege an gewissermaßen geistig abgerichtet. Aber näher will und kann ich jetzt nicht auf dieses Thema eingehen. Vielmehr ist es jetzt wichtig, dass wir uns als erstes einen Plan ausarbeiten, wie wir als nächstes vorgehen werden, einverstanden?«, forderte Mary.

Natürlich waren Stephan und seine Tochter auch mit diesem Vorschlag von Mary einverstanden. Dennoch bemerkte Mary an Sarahs Verhalten, dass sie sich irgendwie rumzudrucksen begann. Was ihr natürlich keine Ruhe ließ.

»Du, Sarah, was ist los? Ich sehe es dir doch an der Nasenspitze an, dass etwas nicht stimmt?«, fragte Mary nach.

»Was soll denn los sein? Es ist nichts.«, log Sarah, was Sie aber nicht gerne tat. Sarah wurde rot wie ein Krebs.

»Sarah, schon wieder vergessen? Vertrauen!«, appellierte Mary an Sarah.

»Ach Papa, wollen wir nicht doch Mary von unserem Experiment erzählen?«, forderte Sarah von ihrem Vater.

»Experiment? Was für ein Experiment denn? Also, ihr beide bringt es doch glatt fertig, mich in weniger als einer Stunde ein Dutzend mal in Erstaunen zu versetzen?« Mary wurde nicht böse, dieses Verhalten zeigte ihr nämlich, dass Sarah und ihr Vater immer mehr Vertrauen in sie setzten. Genau das ist es, was Mary von den beiden brauchte, um ihre Arbeit, also ihren Job, zuverlässig zu beenden. Mary wusste, dass sie gewonnen hatte. Sie wusste auch, dass es nur noch ein leichtes für sie wäre, und das sogar mit Sarah und Stephans Erlaubnis, in den Besitz dieser Kassette zu kommen. Doch dieses eine Mal war ihr das, um was es ihr eigentlich ging, nicht mehr so wichtig. Mary musste sich das erste Mal von einem Gefühl der Schwäche und Menschlichkeit besiegt zeigen. Niemals in all den zehn Jahren, die sie nun diesen Job meisterte, fühlte sie sich so verpflichtet, dieser Familie zu helfen. Sie konnte sich selbst nicht mehr verstehen. Ja sie begann, das erste Mal in ihrem Job Mitgefühl zu zeigen. Wie weggeblasen war ihr Geschäftstrieb, von dem sie stets geleitet wurde und auf den sie sich immer und zu jeder Zeit verlassen konnte. Es machte ihr Angst. Und selbst ihr Wahrnehmungsvermögen verweigerte diesmal seinen Dienst. Mensch, Mary, was ist nur mit dir los, du Dummkopf! Du hast doch alles erreicht was du wolltest. Schnappe dir die Kassette und mach dich vom Acker, dachte sich noch Mary. Aber sie brachte es nicht fertig. Denn sie hatte sich schon längst für die Hübners entschieden und warum sollte sie nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem sie beide Parteien zufrieden stellte. Erstens ihren Chef und zweitens diese arme Familie, die von ständigen Schicksalsschlägen heimgesucht wurde.

»Raus mit der Sprache, Stephan, ich bin ganz Ohr?«, drängte nun Mary.

»Na dann, sicher hast du Recht, Sarah, wir sollten ganz ehrlich zu Mary sein. Und Stephan erzählte von der Radioteleskopanlage, die er in seiner Dachkammer errichtet hatte. Vom Impuls den sie in den Orbit des Mondes aussandten, usw.

»Mann, Stephan dass ist ja ein Ding, und ganz schön gewagt. Aber ne tolle Idee. Kann ich mir diese Anlange mal ansehen?«, fragte Mary begeistert.

»Klar kannst du sie sehen, aber erst möchte ich wissen, warum unser Experiment ein Wagnis sein soll?

»Na denkt doch mal nach, ihr seid, als ihr das Signal ausgesandt habt, ein ziemliches Risiko des Entdecktwerdens eingegangen. Euer Signal könnte durchaus von einer unserer größeren Lausch-, Spionage- oder Luftraumüberwachungsbehörden aufgefangen worden sein.«, versuchte Mary den beiden klarzumachen, die jetzt ganz schön große Augen bekamen.

»Na und, was macht das schon?«, entgegnete Sarah leichgläubig und versuchte mit der gerade eben gegebenen naiven Antwort ihre Ängstlichkeit etwas herunterzuspielen.

»Nun, ich dachte mir, vielleicht hattet ihr die Anlage nicht angemeldet. Na, jedenfalls muss es ja nicht sein, dass euer Signal aufgefangen wurde.«, bekräftigte Mary zudem noch.

»Und wenn doch, Mary, was passiert dann?«, fragte nun Sarah nach.

»Tja, normalerweise verfolgt man das Signal, um sozusagen seinen Absender zu finden, also, von wo ungefähr der Impuls versandt worden ist. Wenn man dann die Quelle ausfindig machen konnte, werden diese Personen überprüft.«

»Auf was werden die Personen denn überprüft?«, wollte nun Stephan wissen.

»Nun, im allgemeinen, ob sie sich einmal strafbar gemacht haben. Ihr wisst schon, Diebstahl, Drogen, Körperverletzungen, bis hin zu politischen Auseinandersetzungen, Spionage, Terrorismus. Das übliche eben.« Aber was diese geschäftige Macht am meisten interessiert, ist, ob die Nationale Sicherheit in Gefahr ist.«, erklärte Mary.

»Dann doch mehr der politische Bereich, Mary.«, entgegnete Stephan leicht zögerlich.

»Genau, Stephan, wenn ihr irgendwie intensive Kontakte zu den arabischen Ländern habt, ja, das wäre für sie sehr auffällig und zudem ein triftiger Grund euch in Gewahrsam zu nehmen. Ihr könntet doch eine weitere Zelle sein, hinsichtlich Spionage und Terroraktionen. Ich weiß nicht, ob ihr schon mal davon hörtet, was mit dem Namen Zelle gemeint ist?«, fragte Mary nach.

»Ja, man hört ja in den Nachrichten nichts anderes mehr, seit der Anschlag auf das World Trade Center verübt wurde.«, vermittelte Stephan.

»Aber es geht doch bei unserer Sache nicht um ein politisches Komplott, Mary, oder?«, wies Sarah darauf hin.

»Natürlich nicht. Ich sagte ja nur, was sein könnte und nicht, dass es so ablaufen muss.«, beruhigte nun Mary ein wenig die beiden.

»Sag mal, Mary, woher weißt du eigentlich so viel über diese Behörden? Und warum sagtest du vorhin, von einer 'unserer'?« Upps, eine sehr knifflige Frage die Sarah stellte.

Stephan und Sarah warteten offensichtlich gespannt auf eine Antwort von Mary, die eigentlich nicht gerne darüber redete und sich vorerst ausschwieg. Natürlich in der Hoffnung, dass sich diese Frage in anderweitigen Gesprächen verlieren würde. Doch weit gefehlt. Stephans und Sarahs Verhalten nach zu urteilen, wurde Mary unweigerlich klar, dass sie auf dieser Frage bestanden und nicht locker lassen würden.

»Mary, hast du schon vergessen, das berühmte Wort, Vertrauen?«, erinnerte Sarah ebenfalls.

»Na schön, mit meinen eigenen Waffen geschlagen. Ihr seid mir ja welche.« Und alle drei fingen lauthals zu lachen an. Bis Mary dem Lachanfall jäh ein Ende setzte.

»Ich weiß deshalb so viel darüber, weil ich selbst, und das jahrelang, für eine dieser 'Großen Firmen' gearbeitet habe.«, da staunten die beiden nicht schlecht.

»Was? Für wen hast du denn da gearbeitet?«, kam neugierig von Stephan.

»Für die NASA, was ich eigentlich nicht sagen dürfte.«, klärte noch Mary die beiden auf.

»Wahnsinn, Mary, du hast für die NASA gearbeitet? Finde ich echt klasse?«, belobigte Sarah Mary.

»Ja, aber warum hast du denn dort aufgehört zu arbeiten? Hast du vielleicht etwa selbst gekündigt oder wurdest du am Ende selbst gekündigt? Oder? Sarah fragte nun Mary ganze Löcher in den Bauch.

»Halt, Sarah, du meine Güte, du fragst ja Mary Löcher in den Bauch.«, rügte nun Stephan seine Tochter.

»Es tut mir leid, aber darüber darf ich keinerlei Auskunft erteilen. Dennoch sollten wir nicht vom Thema abkommen und unser eigentliches Problem nicht in Vergessenheit geraten lassen. Wenn ihr nichts dagegen habt, möchte ich erst mal in meiner Agentur in München anrufen.«, bemerkte Mary, während ihr noch auffiel, dass Stephan und Sarah bei dem Vorschlag ihre Gesichtsmienen verzogen.

»Keine Sorge, ihr beiden, mein Chef wird sich höchst persönlich bei euch entschuldigen, dafür garantiere ich. Ihr könnt mir glauben, er ist in Ordnung. Und er wird eng mit uns zusammenarbeiten. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was dieser Mann für Kontakte hat. Wenn außer meiner Wenigkeit noch jemand helfen kann, dann ist es Peter Lenz. Seine und meine Beziehungen könnten dazu beitragen, vielleicht doch noch bei einer der 'Großen Firmen' Anerkennung zwecks eures Beweises zu finden und somit der Katja Moser zu helfen.«, tröstete Mary die beiden.

»Aber Mary, du sagtest doch selbst, dass von so mächtigen Firmen alles was außerirdischen Ursprungs sei und bewiesen werden kann, vertuscht oder boykottiert werden wird?«, wandte Sarah nun ein.

»Natürlich hab ich das gesagt, meine Liebe, man muss wissen, an wen man sich wenden kann, falls man Hilfe benötigt. Ich zum Beispiel habe bei der NASA noch sehr viele Freunde, die dort eine sehr hohe Stellung beziehen und einiges zu sagen haben. Dennoch hast du Recht, wir müssen sehr vorsichtig vorgehen. Es gibt immer wieder schwarze Schafe darunter, die unseren Fall als eine Art interne Gefährdung der Nationalen Sicherheit darstellen könnten. Und das wollen wir doch unter allen Umständen vermeiden, nicht wahr? Mach dich jetzt nicht verrückt, Sarah, ich werde alles tun, was in meiner Macht steht. Alles Weitere liegt beim Allmächtigen. Wir werden schon einen Weg finden, dem Mädchen Katja Moser zu Hilfe zu kommen.«

»Glaubst du wirklich, Mary?«, fragte Sarah etwas traurig.

»Ganz bestimmt. Uns wird schon noch etwas einfallen. Gemeinsam sind wir stark. Mary nahm geschwind das Handy aus ihrer Handtasche und wählte die Nummer ihrer Agentur.


*

Wieder in einer fernen und anderen realen Zeit, Millionen von Lichtjahren entfernt, in Normans Quartier, wo er schlief und träumte.:
 

Norman sah sich in einer dieser künstlichen Luftblasen, die die Dogon von Zeit zu Zeit als Personentransportmittel ihrer Entführungen von Menschen zu ihrem gigantischen Raumschiff benutzten. Des Weiteren sah sich Norman inmitten dieser Luftblase einem Lichtkegel von göttlicher Schönheit und einer Farbenpracht, die ihresgleichen suchte, entgegensteuern. Und er dachte sich, dass es sich um des Himmels göttliche Pforte handeln müsste. Norman empfand in dem Schein der Göttlichkeit eine Wärme, die ihm das Gefühl von einer Herrlichkeit gab, von dem er nie wieder sich zu trennen wünschte. Je näher er diesem Licht kam, bestehend aus Millionen von Lichtpunkten, die erst wie Leuchtkäfer wild umher tanzten und sich schließlich zu einem einzigen Meer aus Lichtschein vereinten, je mehr fühlte er eine sorgenlose Behaglichkeit von unglaublicher Stärke und Intensität. Immer näher und näher kam er diesem Licht. Und es schien ihm so, als suchten beide Seiten tatsächlich ihresgleichen, zu einem Ganzen sich zu vereinen und in den Sphären der Seelen gesuchten Garten Eden einzutauchen. Norman streckte seine Hände aus, um die Pforte dieses von Gottes Antlitz gesandten Paradieses aufzustoßen. Wie durch trübe Nebelschleier, doch nur aus Licht geformt, die so tief und warm ein Gefühl der Liebe und des ewigen Friedens aussandten, sah Norman viele Hände, die sich nach ihm zu strecken schienen. Ja, viele, viele leuchtende Hände verlangten nach ihm und es drangen Stimmen, viele, viele Stimmen so laut in sein Gehör, dass Norman glaubte, seinen Namen zu hören. Norman, Norman, riefen sie nach ihm. Alle Stimmen, die er wahrnahm, schienen ihm vertraut und er wünschte sich, bei ihnen zu sein. Diese Hände, diese Hände, dachte er sich. Mit aller geistiger Leibeskraft, die er zu geben vermochte, griff er nach diesen Händen und bemerkte, dass sie nicht aus festem Bestand waren und doch einen Effekt eines Soges aufwiesen. Langsam aber stetig glitt Norman förmlich in das Gefilde des göttlichen Tores hinein, von wo das Licht des ewigen Lebens und diese Hände herkamen. Ja, schrie Norman voller Glückseligkeit. Ich bin ja gleich da, meine Brüder und Schwestern, ich komme. Ich bin...

»Norman, Norman, aufwachen... Es wird Zeit, Norman?«, stand Katja neben seinem Bett und stupste ihn ganz sachte an seiner rechten Schulter.

»Uhaaa, schrie Norman lauthals in seinem Bett liegend. Im Nu schnellte Norman mit seinem Oberkörper in die Sitzhaltung. Schweißgebadet von Kopf bis Fuß hielt er mit beiden Händen sein Gesicht.

»Oh mein Gott, oh mein Gott.«, sprach Norman immerzu mit zittriger Stimme.

»Norman, um des Himmels Willen, was ist denn mit dir los?«, machte sich Katja Sorgen.

»Was, was ist los?«, warf Norman verdattert ein.

»Na, das frage ich dich doch, was los ist. Hast wohl schlecht geträumt?«, wollte Katja wissen.

»Schlecht ist gut, oh Mann, was für ein Traum.«, gab Norman zur Antwort.

»Jetzt reiß dich doch endlich zusammen. Es ist schon 6 Uhr 30 und um 8 Uhr müssen wir in die Schlafkammern.«, drängte nun Katja.

»Ach so, ja, das hatte ich ganz vergessen. Wann, sagtest du, müssen wir in diese blöden Kammern, 8 Uhr? Mann, Katja, da haben wir doch noch ne Menge Zeit, oder etwa nicht?«, wurde Norman ein bisschen wütend.

»Das ist doch...! Und was ist mit dem Frühstück? Hast du denn gar keinen Hunger?«, wunderte sich Katja.

»Verzeih, ich bin noch nicht ganz wach. Lass mich erst einmal unter die Dusche, okay?«, forderte Norman, stand auf und ging an Katja vorbei in Richtung Badezimmer. Katja hingegen, die gelassen mit verschränkten Beinen neben seinem Bett in Stellung ging, und sich in die Position des Schneidersitzes fallen ließ, harrte derweil in meditativer Stimmung der Dinge, während sie dabei die Augen schloss und ein lang gezogenes Summen, das sich wie ein tiefes Brummen anhörte, von sich gab.

»Oooommm, Ooooommm.«, gab sie immer wiederholend von sich.

Noch, bevor Norman unter die Dusche ging, drehte er sich um und stellte sich in den Türrahmen zwischen Bad und Schlafzimmer, das gleichzeitig ans Wohnzimmer angrenzte und warf einen Blick auf Katja, die sich noch immer der himmlischen Entspannung des Hinduismus widmete.

»Ist es sehr schmerzhaft?«, gab Norman lästernd von sich und hielt anschließend die Hand vor seinem Mund, um ein Lachen zu verbergen.

»Sehr witzig, Norman.«, antwortete Katja etwas beleidigt.

»Du, Katja, ich hätte da eine Idee, du könntest doch, wenn wir wieder zuhause sind einen Entspannungsladen eröffnen und große Kohle damit machen?«, versuchte Norman noch einen draufzusetzen.

»Weißt du was, Norman?«

»Was denn, Katja?«

»Deine Ideen werden noch an Unterernährung verkümmern, wenn du nicht aufpasst.«, konterte Katja. Norman gab keine Antwort mehr darauf und verschwand, hart in seinem Ego getroffen, unter die Dusche. Während sich Katja mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen weiterhin genüsslich ihrer Meditation widmete. Wie es auch anders nicht sein kann, erschien plötzlich Lyr der Androide und guckte sehr interessiert bei Marys Übungen zu.

»Ah ja, liebe Katja, wie ihr Menschen doch immer zu sagen pflegt, Morgenstund hat nichts im Mund. Ho, Ho, hi.« Lyrs kläglicher Versuch, einen lustigen Menschen zu mimen, traf bei Katja voll ins Schwarze. Katja war es auf diesen von Lyrs falsch ausgesprochenen Spruch hin und dem Versuch zu lachen, nicht mehr möglich gewesen, ihre meditativen Übungen fortzusetzen. Sie brach in einen Anfall von Lachen aus und musste sich den Bauch halten.

»Lyr, du bist vielleicht ne Marke. Das heißt doch nicht, Morgenstund hat nichts im Mund, sondern Morgenstund hat Gold im Mund!«, gab sie stotternd im Lachkrampf von sich.

»Bitte? Da muss etwas mit meinem Speichermedium nicht stimmen. Oder ich bekam vom Hauptspeicher falsche Informationen. Oder ich muss...« Lyr wurde sichtlich nervös.

»Lyr, lass gut sein. Jeder, der sich einer Sprache bedient, wird sie niemals einhundertprozentig beherrschen können. Es wird immer sprachliche Abweichungen geben, die man Slang nennt und die nicht zu berechnen sind. Dafür ist jedes Lebewesen, dass sich egal welcher Sprache bedient, zu individuell. Man muss mit dieser seiner Sprache eben aufwachsen.«, wollte Katja diesbezüglich beruhigen.

»Und was für Faktoren spielen dabei eine Rolle?« Lyr wollte nicht aufgeben.

»Lyr, ich habe jetzt andere Dinge im Kopf als dir Unterricht in Sachen Sprache zu geben.«, jammerte Katja.

Dann setzte Lyr mal wieder einen Blick auf, der nichts Gutes zu sagen pflegte.

»Was ist denn nun schon wieder, Lyr, du bist doch aus einem bestimmten Grund gekommen, oder?«, hakte Katja nach.

»Du hast mal wieder Recht Katja? Ich wollte euch noch berichten, dass unsere Spezialisten die Neuankömmlinge weiterhin abhörten und dabei feststellten, dass bereits fünf weitere Personen von unserer Existenz erfuhren.«, berichtete Lyr aufmerksam.

»Meine Güte, Lyr? Und was gedenkt ihr dagegen zu tun?«, wollte Katja noch wissen.

»Nun, diese Personen werden wie ihr von unserer Expedition observiert werden.«, gab Lyr bescheiden von sich.

»Sag mal, hat denn euer Volk vor, die ganze Menschheit zu observieren?«, ärgerte sich nun Katja.

»Aber nicht doch, Katja. Die Neuankömmlinge werden keine Gelegenheit mehr bekommen, ihr Wissen unserer Existenz noch weiter in ihre Welt hinauszutragen. Bald, schon sehr bald werden sie in unserer Obhut sein.«, erklärte Lyr stolz wirkend.

Lyr bemerkte, wie sehr sich doch Katja über diese Nachricht echauffierte, also, sich ärgern musste.

»Höchst interessant!«, fuhr Lyr fort.

»Was meinst du, Lyr? Was ist höchst interessant?«, fragte Katja nach.

»Deine Reaktion in Stresssituationen, beachtlich, äußerst beachtlich.«, fügte nun Lyr noch hinzu.

Da kam Norman aus der Dusche und mit nur einem Badehandtuch bekleidet, das er sich um seine Hüften gewunden hatte.

»Aha, Lyr, du bist auch hier, hatte mich schon gewundert, wo du bleibst. Sag mal, Katja, geht er dir mal wieder auf die Nerven, dieser Blechhaufen?« Norman wollte nun Lyr ärgern, was Katja natürlich gleich bemerkte und sogleich mitspielte.

»Ja Norman, du hast Recht. Dieser Schrotthaufen ist nicht zu gebrauchen. Immer muss er im Wege stehen.«, gab Katja leicht wütend, noch eins drauf.

»Ich verbitte mir dieses Wort entschieden. Ich sagte es schon einmal, dass ich nicht aus Blech oder dergleichen bestehe. Ich bestehe zum größten Teil aus künstlich lebenden Zellen.«

»Ist ja gut Lyr, reg dich doch nicht gleich so künstlich auf, das sollte nur ein Spaß sein. Unglaublich, ein Androide der beleidigt ist.«, machte Norman Lyr klar.

»Ja, Lyr das ist doch nur Spaß. Komm schon, Lyr, sei wieder lieb?«, schmunzelte Katja Lyr an.

»Na gut. Ich finde es aber nicht recht, wenn ihr so von mir redet. Auch, wenn ich künstlich bin, bin ich fähig, zu empfinden.«, beschwerte sich Lyr etwas beleidigt.

»Nun denn, wenn ihr es wünscht, werde ich euch zum Frühstück begleiten.«, fuhr Lyr fort.

»Ja, gerne, Lyr.«

Während sich Katja mit Lyr noch ein wenig unterhielt, zog sich Norman an. Und auf dem Weg zum morgendlichen Frühstück erzählte Katja ihrem Bruder, was Lyr ihr über die Neuankömmlinge berichtet hatte. Was natürlich Norman nicht verwunderte.


*

Einige Zeit später, so gegen 8 Uhr:
 

Norman und Katja standen, nachdem sie reichlich gefrühstückt hatten, vor einer der so vielen vorhandenen Schlafkammern, warteten geduldig und erzählten sich so allerlei.

»So, meine Lieben, ihr kennt ja die Prozedur bereits. Ihr solltet jetzt hineingehen und es euch derweil bequem machen.«, forderte Lyr.

»Bequem machen? Du bist vielleicht ein Schelm. Mir ist gar nicht gut bei dem Gedanken, dass ich mal wieder sterben muss.«, fügte Katja noch hinzu.

»Aber nicht doch Katja, es wird schon schief gehen.«, schaltete sich noch Norman ein.

»Ihr müsst jetzt aber wirklich!«, drängte Lyr erneut.

»Ja, ja, Lyr, ist ja schon gut. Wir gehen ja schon.«, äußerten sich Norman und Katja fast gleichlautend.

Beide gingen nun in die Schlafkammer und beide erkannten diesen noch dunklen hallenähnlichen Raum wieder, wo zwei Sarkophage kahl und unheimlich wirkend inmitten dieses Raumes auf erhöhten steinernen Podesten thronten.

Norman und Katja gaben sich die Hand und gingen auf sie zu. Dann, kurz davor, blieben sie stehen. Sie guckten sich an und jeder ging wie ferngesteuert ohne Worte auf seinen für ihn bestimmten Sarkophag zu. Dann die glatten leicht schimmernden Stufen empor. Schritt um Schritt stiegen beide das Podest hinauf. Ein mulmiges Gefühl überkam Norman, während er zu Katja hinüberblickte, die ungefähr drei Meter seitlich neben ihm auf dem Podest vor ihrem Sarkophag stand. Katja sah nun auch zu Norman hinüber und gab ein, zwar gezwungenes, aber dennoch süßes Lächeln zu ihrem Besten, was Norman sogleich erwiderte. Dann legten sich die beiden in ihre Sarkophage. Und während Norman so dalag, dachte er an seine Familie. Er dachte an Tage, an denen sie gemeinsam ihre Abende in ihrem nicht sehr luxuriösen aber immerhin doch gemütlichem Heim verbrachten. Zum Beispiel, wenn sie gemeinsam am Kamin, den Norman im Schweiße seines Angesichts in seiner Freizeit selbst gebaut hatte, Bratäpfel auf dem Spieß rösteten. Ja, dachte sich nun Norman, wie herrlich diese gebratenen Äpfel doch rochen. Erst jetzt begriff Norman, wie gut er es doch eigentlich zuhause hatte und wie glücklich er sich doch schätzen konnte, nicht alleine zu sein, wie so viele auf seinem Planeten es waren.

»Katja, hörst du mich noch?«, prüfte Norman, ob Katja schon schlief.

»Sicher, Norman, was ist? Fürchtest du dich etwa?«

»Du? Hast du Angst, Katja?«

»Na ja, sagen wir es einmal so, ganz wohl ist mir bei dieser Sache immer noch nicht.«, äußerte sich Katja.

»Mann, Katja, du hast Recht. Ich fühle mich in diesem Scheiß Ding auch nicht sehr wohl. Trotzdem, da müssen wir durch.«, entgegnete Norman, im sogenannten Galgenhumor.

»Wird schon schief gehen.«, fügte noch Katja hinzu.

»Klar, also, halt die Ohren steif, Schwesterchen!« Ganz allmählich wurde der kahle Raum wie schon beim ersten Mal von einem herrlichen Spektakel aus Lichtern überflutet. Und beide sahen nach oben auf die Decke, die sich nun zu teilen schien, was aber von den vielen Lichtbrechungen zustande kam. Und während sie so dalagen, ereilte die beiden ein wonniges und warmes Gefühl, das sie sehr müde werden ließ. Norman und Katja schliefen im nächsten Augenblick ein. Und während die beiden den Schlaf der Gerechten schliefen, kam Lyr der Androide in die Schlafkammer um nach dem Rechten zu sehen. Ganz behutsam schritt er die Stufen zu Norman empor, der da friedlich das Zeitliche segnete. Zumindest künstlich.

»Diese Menschen, wie klug sie doch sind, und dennoch sich nicht bewusst, was für eine Macht in ihnen ruht. Diese Beschaffenheit, diese Körperhülle, so leicht verwundbar. Faszinierend!«, übte sich Lyr im Selbstgespräch und wurde im nächsten Moment, noch während er neben Norman auf dem Podest stand, deaktiviert. Wie schon einmal angesprochen, wurde Lyr eigens für Norman und Katja sozusagen als Ratgeber und Mädchen für alles bereitgestellt. Er konnte nicht wissen, dass er in der Zeit, in der Norman und Katja abkömmlich waren, natürlich nicht gebraucht wurde. Ihm wurden dann bei seiner Wiederaktivierung angebliche Wartungsarbeiten auf dem Raumschiff in sein Speichermedium installiert, also gespeichert. Falls Lyr auf sein Speichermedium zugreifen sollte, bekam er dann diese Informationen seiner Tätigkeiten.


*

Vier Etagen höher, im großen Empfangssaal des Raumschiffes, wo sich einige Hundertschaften von höhergestellten Dogon zu einer Gesprächsversammlung zusammenscharten:
 

»Meine lieben Brüder und Schwestern. Wir haben uns heute hier im großen Empfangssaal versammelt, um vor unser aller Schlaf in den Schlafkammern die jetzige Lage zu besprechen. Wie ihr vernehmen könnt, spreche ich in der Sprache der Menschen zu euch. Diese Order gilt auch an euch. So auch die Weisung des unseren Heiligen Xarmax. Wie euch längst bekannt sein dürfte, hat sich unsere jetzige Lage gravierend verändert. Ihr alle hier kennt unser äußerstes Ziel. Unser Ziel ist es, unser Volk vor dem Untergang, also unsere Spezies vor dem Aussterben zu retten. Deshalb haben wir uns notgedrungen zweier Menschen bedient, die in der Lage sind uns zu retten. Nur durch die notwendige Vereinigung mit der Spezies Mensch, mit der geistigen und körperlichen Verschmelzung der seelischen Aura der zwei Menschen Norman und Katja sind wir im Stande zu überleben. Der geheimnisvolle Virus, der sich stetig von Generation zu Generation vermehrt, in uns einschleicht, uns verseucht und zunehmend schwächt, ja schwächt bis hin zum Tode und somit unser Volk von Generation zu Generation dezimiert, muss endgültig vernichtet werden. Dennoch sollten wir unser ständiges Bemühen nicht vergessen, nicht in die Erbfolgen der Evolutionen uns bekannter Völker langfristig zu einzugreifen, die auf ihren Planeten ihr eigenes Dasein fristen. Wir haben nicht das Recht dazu und sollten uns an die Weisungen unseres Heiligen Xarmax halten, die so lauten wie folgt: Jedes Lebewesen, ja jedes Volk, hat ein Recht auf seine Eigenständigkeit und die daraus folgende Selbständigkeit in seinem Handeln und Tun auf jenem Planeten, den sie alle und so auch wir geliehen bekamen und von wo jeder das Licht des Lebens erblickte. Trotz alledem muss ich euch verkünden, sind wir gezwungen zum Wohle unseres ganzen Volkes diese Regel ein klein wenig zu brechen. Nach einem ausführlichen Gespräch mit unserem Heiligen Xarmax lautet die neue Weisung wie folgt: Nehmet all die Menschen in Gewahrsam, die mit der beweisbaren Kenntnis unserer Existenz betraut sind und bringt diese mit auf unseren Planeten Goderijan. Doch seid gewarnt, hütet sie, als seien sie die euren. Es darf ihnen kein Leid zugefügt werden. Wer gegen diese Weisung verstößt, kommt in die Kammer der Seelenlosen. Soweit unsere Weisung des unseren Heiligen Xarmax. Nun denn. Unsere Expedition, die wir aussandten, ist heute Morgen durch die Zeitschleife in das Sternensystem gelangt, in dem sich der Planet der Menschen befindet. Sie dürfte in Kürze im Orbit der erdabgewandten Seite des Erdtrabanten ankommen, dem die Menschen den Namen Mond gaben. Von diesem Bereich aus verfahren wir nicht mehr wie gewohnt mit unserer herkömmlichen Entführungstaktik, also mit unseren künstlichen Luftblasen, sondern mit unserer neu entwickelten Technik, der Zerlegung sämtlicher menschlichen Zellen, ihren Atomen und ihrer Beschaffenheit, und fügen diese an Bord des Raumgleiters unserer Expedition wieder zusammen. Jeder, der, wie schon gesagt, mit dem Wissen unserer Existenz betraut ist, also sei es durch geistiges Wissen oder gar durch irgendwelches Material und der Gleichen, wird auf den Raumgleiter transferiert, also gebeamt, das Material umgehend vernichtet und anschließend auf direktem Wege mit dem Raumgleiter durch die Zeitschleife wieder auf unser Mutterschiff gebracht werden. Dort werden jene Neuankömmlinge umgehend in die Schlafkammern gebracht, um bis auf Weiteres auf dem Raumschiff bereitgestellt zu werden, bis wir sie zu unserem Heiligen Xarmax auf Goderijan bringen. Der Heilige Xarmax hegt den Wunsch, ihre Gedanken zu erforschen. Ich wiederhole aufs Schärfste: Es darf diesen Geschöpfen auf Weisung des Heiligen Xarmax nichts geschehen. Die Menschen würden es so ausdrücken, ich zitiere: 'Es darf ihnen nicht ein Haar gekrümmt werden.' Jeder einzelne, und dessen bin ich mir sicher, wird, falls es nötig ist, sein eigenes Leben für jeden einzelnen unserer außerplanetarischen Gäste zu opfern bereit sein.





 Kapitel 12, Die Entführung von Gregor und Susanne

 Anfang und Kapitelübersicht
© 2012 by Peter Althammer

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Ein Liebesroman von Peter Althammer im Internet:
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